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Konfessionalisierung

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Begriff Konfessionalisierung

Der Ausdruck Konfessionalisierung bezeichnet den Prozess der Konfessionsbildung im den Zeitraum etwa 1550 - 1648. Wolfgang Reinhard brachte ihn Ende der 1970er Jahre in die Frühneuzeitforschung ein. Diese Zeit wird häufig, übrigens auch von Zeeden und Reinhard, "konfessionelles Zeitalter" genannt.

Reinhard baut auf Ernst Walter Zeeden auf, der wohl als Erster von "Konfessionsbildung" spricht.

Im Unterschied zu dem Begriffspaar Reformation-Gegenreformation, wo oftmals zwischen positiver gewerteter Reformation und negativer Gegenreformation unterschieden wird, findet in dem von Reinhard geprägten Begriff eine stärkere Betonung auf die Modernisierung der frühneuzeitlichen Gesellschaft statt. Damit wird der pejorative Zug überwunden, der dem Ausdruck Gegenreformation bislang anhaftete. Nach Reinhard haben sowohl die Reformation als auch die katholische Reform und Gegenreformation zur Modernisierung Europas beigetragen. Reinhards "Konfessionalismustheorie" gilt allgemein als anerkannt.


Wesen und Ziele der Konfessionalisierung

Für die Gegenreformation gilt das durch ihre Sozialdisziplinierung der vom Katholizismus abgefallenen Territorien. Dabei geht es die Territorien und die darin lebenden Bevölkerungsteile, die zum Protestantismus übergetreten sind, wieder in die katholische Kirche zurückzuführen. Man spricht hierbei auch von "katholischer Konfessionalisierung". Bedient man sich hierbei zunächst noch mit "diplomatischen" Methoden dieses Ziel zu erreichen, so geht man schrittweise dazu über, hierbei gewalttätigere Schritte einzuleiten, weil sonst kein Erfolg der Bemühungen zu sehen ist. Die Folge dieser Bestrebungen sind Glaubenskämpfe, die erst mit dem Westfälischen Frieden von 1648 als den Schlusspunkt des Dreißigjährigen Krieges beendet wurden. (so Arno Hertzig, der dieses als Bestandteil der Rekatholisierungspolitik ansieht).

In den protestantischen Territorien hingegen war man bestrebt, dem Vordringen des Katholizismus entgegenzuwirken. Dazu gehörte der Aufbau landeskirchlicher Strukturen aufgrund des jeweiligen Bekenntnisses. Insgesamt bedeutet das infolge dessen einen Prozeß der Institutionalisierung der Konfessionen, der die Folge der reformatorischen Ereignisse in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist. Für die protestantischen Territorien ist das Augsburger Bekenntnis von 1530 als zentrales Glaubensbekenntnis für die evangelischen Stände hierbei von entscheidender Bedeutung.

Erscheinungsformen

Zur Konfessionalisierung oder der Herausbildung und Entwicklung der Konfessionen gehören die Fragen des religiösen Bekenntnisses (confessio) ebenso dazu wie die Herausbildung landeskirchlicher Strukturen. Das betrifft besonders die protestantischen also die lutherischen, lutherisch - reformierten Territorien als auch die, in denen der Kalvinismus und der Zwinglianismus vorherrscht. So spricht u.a Heinz Schilling auch folgerichtig von reformierter Konfessionalisierung, die er auch "Zweite Reformation" nennt, und lutherischer Konfessionalisierung. Da in der katholischen Kirche in vorreformatorischer Zeit Landeskirchen auch außerhalb des Reiches bereits existierten wie u.a in England, Frankreich und Spanien, geht es hier um eine bewußte Abgrenzung der Protestanten von der Kirche in Rom und damit vom Papsttum. Das wichtigste äußere Unterscheidungsmerkmal ist, daß in diesen Territorien der Landesherr zugleich Oberhaupt der Kirche ist, während in den katholischen Territorien der Papst das Oberhaupt ist. Der Papst wird in diesen Territorien nicht als oberste kirchliche Instanz anerkannt. Entscheidende kirchenrechtliche Basis für diesen Prozess bildete der Augsburger Religionsfrieden von 1555, der jeden Territorium im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die Religionsfreiheit cuius regio, eius religio gewährte. Die Folgen dieses Prozesses sind u.a. Probleme bei Schließung konfessionsverschiedener Ehen bzw. bei Familien mit unterschiedlichem Bekenntnisstand ihrer Mitglieder. Auch Städte wie die Reichs- und Handelsstadt Augsburg spalteten sich in einen evangelischen, bestehend aus Lutherischen und Reformierten, und einen katholischen Teil.


Siehe auch: Reformation, Glaubensspaltung, Protestantismus, Konfession

Literatur

  • Die katholische Konfessionalisierung:wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte, Münster 1995.
  • Arno Hertzig, Der Zwang zum wahren Glauben: Rekatholisierungspolitik vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, Göttingen 2000.
  • ders., "die Rekatholisierung in den deutschen Territoren im 16. und 17. Jahrhundert", in: Geschichte und Gesellschaft 26 (2000), S. 76-106.
  • Ernst Walter Zeeden, Konfessionsbildung, Studien zur Reformation, Gegenreformation und katholischen Reform, Stuttgart 1985.
  • Heinz Schilling (Hrsg.), Die Reformierte Konfessionalisierung in Deutschland - Das Problem der "Zweiten Reformation". Wissenschaftliches Symposium des Vereins für Reformationsgeschichte 1985, Gütersloh 1986.
  • Hans-Christoph Rublack (Hrsg.), Die Lutherische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für Reformationsgeschichte 1988, Gütersloh 1992.
  • Wolfgang Reinhard, "Gegenreformation als Modernisierung? Prolegomena einer Theorie des konfessionellen Zeitalters", in: Archiv für Reformationsgeschichte 68 (1977), S. 226-251.
  • ders., "Sozialdisziplinierung - Konfessionalisierung - Modernisierung: Ein historiographischer Diskurs", in: Die Frühe Neuzeit in der Geschichtswissenschaft: Forschungstendenzen und Forschungserträge, hrsg. von Nada Boskovka Leimgruber, Paderborn-München-Wien- Zürüch 1997, S. 39-55.
  • Ernst Walter Zeeden, "Grundlagen und Wege der Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskämpfe", in: Historische Zeitschrift 185 (1958), S. 249-299.