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Appendix Vergiliana

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Die (auch: der) Appendix Vergiliana (lat. „Anhang zu Vergil“) ist ein Korpus von in der Überlieferung Vergil zugeschriebenen Gedichten. Die meisten stammen allerdings sicher nicht von Vergil, einige wie der Culex (s.u.) scheinen dem Dichter bewusst untergeschobene Pseudepigraphen zu sein. Der Umfang des Korpus wuchs mit der Zeit, so wird Vergil schon im 1. Jahrhundert von Lucan, Statius und Martial der Culex sowie von Quintilian das zweite Epigramm des Catalepton zugeschrieben, Donat nennt zusätzlich Priapea, Dirae und Ciris, Servius dann auch Aetna und Copa. Im Mittelalter kommen noch weitere Texte hinzu. Heute wird v.a. die Echtheit einzelner Gedichte des Catalepton diskutiert.

Das Catalepton

Der lange fälschlich als Catalecton oder Catalecta verstandene Titel leitet sich von altgriechisch κατὰ λεπτόν (katá leptón), zu λεπότης (lepótes): „Leichtigkeit“ her; er bedeutet in etwa „Kleinigkeiten“. Gemeint sind Gedichte in der neuen, nach alexandrinischem Vorbild Leichtigkeit und Eleganz anstrebenden Manier (Stil) der römischen Neoteriker.

Die Überlieferung bietet unter diesem Titel 18 kurze Gedichte, die sich in 3 Priapea, 14 Epigramme und 1 die Sammlung Vergil zuschreibendes Schlussgedicht (Sphragis) gliedern lassen. Einige Gedichte sind trivial, andere elegant, so Epigramm X, ein Spiel mit Catulls Gedicht IV, das seinerseits Nachahmer fand; auch sonst ist Catulls Einfluss zu beobachten. Für echt werden heute insbesondere oft die Epigramme V (Absage an das Rhetorikstudium und Wendung zur epikureischen Philosophie Siros) und VIII (Auf das Landgut Siros) gehalten. Datierungen schwanken v.a. zwischen 43 und 19 v. Chr.

Die weiteren Gedichte

Neben dem Catalepton enthalten heutige Ausgaben des Korpus folgende Dichtungen:

  • Aetna („Der Ätna“), ein Lehrgedicht über Vulkanismus, stammt wohl aus der Zeit Kaiser Neros. Es wird von der modernen Forschung teils Senecas Freund Lucilius zugeschrieben (vgl. dessen Brief Nr. 79).
  • Ciris, ein Kleinepos (Epyllion) in 541 Hexametern über Skylla, die ihr Heimatland Megara verrät und dafür in einen Seevogel (eben die ciris) verwandelt wird. Dürfte in der Zeit des Kaisers Tiberius entstanden sein.
  • Culex („Die Stechmücke“), teils pardodistisches Epyllion, in dem eine von einem Hirten erschlagene Mücke diesem im Traum erscheint und von der Unterwelt berichtet. Datiert wohl ebenfalls aus der Zeit des Tiberius.
  • Copa („Die Wirtin“), Gedicht über eine syrische Wirtin, die mit ihrem Tanz Gäste in ihre Kneipe locken will.
  • Dirae („Verwünschungen“) und Lydia, zwei in der Überlieferung verschmolzene Gedichte, die aus der frühen Kaiserzeit datieren.
    1. Die Dirae verfluchen das enteignete Landgut des Dichters; zur Zuschreibung an Vergil dürfte die Ähnlichkeit mit dessen Eklogen I und IX geführt haben.
    2. Lydia (moderner Behelfstitel) ist die elegische Klage eines von seiner Geliebten Lydia getrennten Liebhabers.
  • Elegiae in Maecenatem, zwei in den Handschriften verschmolzene Elegien auf den Tod des Maecenas. Daterung unsicher.
    1. Die erste Elegie (Vers 1-144) enthält Totenklage, Apologie und Epitaph des Maecenas.
    2. Die zweite Elegie (Vers 145-178) gibt sich als Rede des sterbenden Maecenas an Augustus.
  • Moretum („Der Kräuterkäse“), Gedicht über den Beginn des Tagesablaufes eines italischen Bauern vom Aufstehen bis zum Aufbruch zur Feldarbeit, benannt nach dem Kräuterkäse oder eher Kräuterquark, den er sich als Vesper zubereitet. Datiert wohl in das mittlere bis späte 1. Jahrhundert v. Chr. Anfang und Ende zeigen Züge eines parodistischen Epyllions, der mittlere Teil stellt ein Lehrgedicht dar.
  • Quid hoc novi est? („Was ist das neues?“), ein weiteres Priapeum.
  • De institutione viri boni, De est et non, De rosis nascentibus, drei späte Gedichte, die auch Ausonius zugeschrieben werden.

Ausgaben

  • W. V. Clausen, F. R. D. Goodyear; E. J. Kenney; J. A. Richmond (Hrsg.): Appendix Vergiliana. 5. Aufl. Clarendon Press, Oxford 1987. – Gültige kritische Textausgabe.
  • W. Richter (Hrsg.): Aetna. Lateinisch und Deutsch. 1963.
  • Vergil: Landleben, hrsg. von Johannes und Maria Götte. 5. Aufl. Artemis: München und Zürich 1987. – Enthält Text und Übersetzung des Catalepton mit ausführlichem Kommentar.

Literatur

  • Karl Büchner: P. Vergilius Maro, der Dichter der Römer (RE-Artikel). Sonderdruck: Druckenmüller, Stuttgart 1956. Spalte 42-160.
  • Artikel in Der Neue Pauly (DNP). Enzyklopädie der Antike. Metzler, Stuttgart und Weimar 1996 ff.: Appendix Vergiliana, Aetna, Catalepton, Ciris, Culex, Dirae, Elegiae in Maecenatem, Moretum.