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Alois Brunner

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Alois Brunner (* 8. April 1912 in Rohrbrunn im Burgenland) war SS-Obersturmbannführer, wichtigster Mitarbeiter Eichmanns, verantwortlicher Organisator des Massenmordes an den Juden in Wien (1939 - 1941), in Griechenland (1943) und in Frankreich (1943 - 1944).

Leben

vor 1945

Geboren in Nádkut (später Rohrbrunn) im deutschsprachigen Westungarn (ab 1921 Burgenland/Österreich) als Sohn eines Bauern. Von 1918 bis 1927 besuchte er die Volks- und die Bürgerschule. Danach absolvierte er eine kaufmännische Lehre und arbeitete bis 1932 als Verkäufer und Dekorateur.

Mit 19 trat er in die NSDAP und SA ein. Seine Arbeit im Kaufhaus verlor er wegen Agitation für die verbotene NSDAP.

1938 kam Alois Brunner nach Wien und lernte dort Adolf Eichmann kennen. In Wien gab es zu der Zeit eine große jüdische Gemeinde. Zuerst als Mitarbeiter Eichmanns in der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, dann (ab 1941) als deren Leiter, organisierte Brunner die Deportation der Wiener Juden in Ghettos und Vernichtungslager im Osten. Am 9. Oktober 1942 meldete er Vollzug: Wien war „judenfrei“ (180.000 Wiener wurden in den sicheren Tod geschickt).

Von Oktober 1942 bis Januar 1943 unterstützte er Eichmann in Berlin und sorgte für die Deportation von 56.000 Berliner Juden.

Im Februar 1943 wechselte er den Tatort. Von Eichmann in das besetzte Griechenland geschickt, organisierte er den Transport von 50.000 Juden aus Saloniki in die Todeslager.

Neben seiner Menschenjagd fand er immer wieder Zeit, sich an dem Hab und Gut der Verfolgten zu bereichern. Der systematische Raub von Wohnungen, Möbeln und Kunstwerken begleitete sein Wirken von Anfang bis zum Ende. Schon 1938 zog er mit seiner Verlobten in eine beschlagnahmte Villa im Wiener Nobelbezirk Döbling.

Sein nächster Einsatz erfolgte in Paris: Im Juli 1943 wurde in Drancy (Vorort von Paris) ein Durchgangs- und Sammellager für die Vernichtung errichtet. 22 Transporte jüdischer Menschen gingen unter Brunners Kommando nach Auschwitz. In einem dreitägigen Verhör nach seiner Ankunft erfuhr er die Namen von weiteren Verwandten der Inhaftierten. Er sorgte für die "Verhaftung der ganzen Familien". Er war der Hauptverantwortliche der SS und organisierte den "Nachschub" für die Vernichtungslager. Brunner leitete die Jagdkommandos, die versteckt lebende Jüdinnen und Juden aufspürten.

Im Herbst 1943 verrichtete er seine Jagd auf Jüdinnen und Juden in Südfrankreich, in Kooperation mit Judengegnern. Pro Juden waren 1.000 Franc Belohnung ausgesetzt. Aktiv war hier auch "Judensachbearbeiter" und SS-Obersturmführer Heinz Röthke. Die Verhaftungen fanden meistens nachts statt, Folter und Gewalt dienten der Erpressung weiterer Namen.

Obwohl die Wehrmacht bereits auf ihrem Rückzug aus Paris war, ließ Brunner in der Zeit vom 20. bis 24. Juli 1944 noch 1.327 jüdische Kinder in Paris verhaften und deportieren. Als Brunner Paris im August 1944 verließ, hat er 23.500 Jüdinnen und Juden jeden Alters aus Frankreich deportiert.

Von September 1944 bis Februar 1945 sorgte er für die Zerschlagung der jüdischen Untergrundbewegung in der Slowakei und deportierte 12.000 Menschen zur Vernichtung nach Auschwitz.

nach 1945

Alois Brunner flüchtete von Linz nach München und arbeitete unter falschem Namen als LKW-Fahrer für die US-amerikanische Armee.

Seit 1947 arbeitete Alois Brunner in der Grube "Karl Funke" in Essen. Als er zum Betriebsrat gewählt werden sollte, drohte seine Identität aufzufliegen. Trotzdem lebte Alois Brunner als "Alois Schmaldienst" bis 1954 in Essen und war sogar polizeilich gemeldet. Ein Verfahren "wegen falscher Namensführung" kam in Gang.

Der prominenteste Fluchthelfer Brunners wurde Reinhard Gehlen, der ehemalige General und Chef der "Abteilung Fremde Heere Ost" (Ostspionage), der im Auftrag des US-amerikanischen Geheimdienstes den westdeutschen Geheimdienst aufbaute ("Organisation Gehlen"). Gehlen wurde später Chef des BND und blieb dies bis 1968.

Alois Brunner hatte zwei weitere Fluchthelfer: Dr. Rudolf Vogel, ehemaliges Mitglied der Propagandastaffel in Saloniki und späterer Bundestagsabgeordneter der CDU sowie Dr. Georg Fischer, früherer SS-Kamerad aus Pariser Zeiten. Von ihm bekam Brunner im Frühling 1954 dessen Pass und gelangte als Dr. Georg Fischer nach Syrien. Brunner wurde dort im Auftrag von Reinhard Gehlen Geheimdienstexperte für diese Region des Nahen Ostens.

Alois Brunner arbeitete in Syrien kurze Zeit als Vertreter für die Dortmunder Aktienbrauerei DAB. 1960 kam es zu einem Verhör Brunners durch die syrische Geheimpolizei. Durch diesen Kontakt wurde er eine Art "Berater für Judenfragen" bei einem der syrischen Geheimdienste.

1961 wurde auf Alois Brunner ein Anschlag verübt: Er verlor ein Auge. Im Juli 1980 erhielt Alois Brunner/Georg Fischer in Damaskus Post vom "Verein Freunde der Heilkräuter" aus Österreich: Die Briefbombe zerfetzte ihm vier Finger der linken Hand. Den Anschlägen folgten keine Bekennerschreiben, sie werden jedoch dem Mossad zugeschrieben, der vergeblich versuchte, seiner habhaft zu werden.

In den siebziger Jahren wird Syrien von der österreichischen Außenpolitik hofiert, kleinlaut vorgetragene Erkundigungen nach Brunner werden von den Behörden abgetan, der Gesuchte sei nicht in Syrien. In Wirklichkeit lebt "Dr. Georg Fischer" unangefochten in Damaskus. Er lebt so geheim, dass es ohne weiteres möglich ist, ihn telefonisch - auch aus dem Ausland - zu erreichen.

Am 10. Oktober 1985 gab Fischer alias Brunner der Zeitschrift Bunte ein Interview in dem er betonte: "Israel wird mich nie bekommen." Das Interview strotzt derart vor antisemitischen Ausfällen, dass die Bunte nur eine zensierte Fassung veröffentlicht.

Der Journalist, der Brunner interviewte, berichtete einige Jahre später: "Er ist immer noch stolz darauf, dass er, wie er sich wörtlich ausdrückte, geholfen hat, dieses Dreckszeug wegzuschaffen. Damit meinte er die Juden, die er hat deportieren lassen." Er sei mit seinem Leben zufrieden und würde, bestünde die Möglichkeit, alles noch einmal so machen. Nur eines ärgerte ihn: Dass noch immer Juden in Europa lebten.

1992 forderte das Bundeskriminalamt von dem Journalisten, der Alois Brunner 1985 interviewte, die Fotos und kam nach langer Zeit zu dem Ergebnis, dass es sich "vermutlich um Aufnahmen von Alois Brunner handelt". Mehrere Auslieferanträge Deutschlands und anderer Staaten sowie ein Interpol-Haftbefehl und Aktivitäten des Simon Wiesenthal-Zentrums blieben erfolglos.

1993 ist ein weiterer Kontakt zu Brunner überliefert. Er wurde von Touristen in einem Café erkannt, stellte sich mit seinem alten Namen vor und plauderte angeregt. Danach ging er mit seinem Schäferhund und fuhr in sein neues Domizil - ein Gästehaus Hafiz al-Assads in den Bergen nahe Damaskus. 1995 wurde von deutschen Staatsanwälten eine 333.000 US$ Belohnungssumme für Informationen zur Ergreifung Brunners ausgesetzt.

Im Dezember 1999 kamen Gerüchte auf, Brunner sei 1996 verstorben. Zur Widerlegung gaben deutsche Journalisten an, sie hätten Brunner lebend im Meridian Hotel in Damaskus angetroffen, wo er nunmehr ansässig sei. Am 2. März 2001 wurde Brunner von einem französischen Gericht in Abwesenheit wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Sollte Alois Brunner noch am Leben sein, wäre er einer der letzten Hauptverantwortlichen des Holocaust, der sich bis heute der Verantwortung entzogen hat und ein unbehelligtes Leben in Freiheit führt.

Literatur

Siehe auch