Ontologie (Informatik)
Ontologien sind durch die Idee des Semantic Web in den letzten Jahren einem größeren Kreis von Wissenschaftlern aber auch der Internet-Community bekannt geworden. Da der Ontologiebau bislang ein Cutting-Edge-Gebiet war, also eine final frontier der Künstliche-Intelligenz-Forschung, war es schwierig den hier gebräuchlichen Begriff der Ontologie genau zu erfassen. Zu groß war die Unübersichtlichkeit der zahlreichen Formate und Ansätze. Mittlerweile sind verschiedene Bücher zum thema erschienen, ein Indiz dafür, dass etwas Ruhe in die Forschung gekommen ist und sich nennenswerte Standards etabliert haben. Dieser Artikel soll unter Rückgriff auf nun vorhandene Fachliteratur das zerklüftete Gebiet der Ontologie-Forschung und des Ontologiebaus referieren. Die Erstellung von Ontologien wird in dem separaten Artikel Ontologiebau dargestellt. In dem Artikel Ontologiedatenbank sollen die inzwischen verfügbaren Ontologie-Bibliotheken und -Datenbestände zusammengetragen werden. Besonders hervorgehoben seien an dieser Stelle die Bestrebungen, das Wikipedia als semantisches Netz aufzurüsten: Semantisches Wikipedia.
Geschichte
Ursprünglich ist Ontologie ein philosophischer Begriff. Siehe Ontologie. Als Vorläufer einer expliziten Formalisierung des Ontologiebegriffs müssen Charles S. Peirce, Edmund Husserl und Nino Cocchiarella genannt werden.
Willard Van Orman Quine hat in Ontologische Relativität (engl. Orig. 1969) einen Ontologiebegriff vorgetragen, der mit der Tradition der klassischen Auffassung des Ontologiebegriffs in der Philosophie brach. Nach Quine ist Sein: Gehalt einer gebundenen Variable zu sein. In Unterwegs zur Wahrheit findet sich folgende Darstellung: "Empirisch von Belang sind an einer Ontologie ausschließlich die besagten neutralen Knoten, die sie zur Struktur der Theorie beiträgt." (W.V.O.Quine, Unterwegs zur Wahrheit, §13 Auflösung der Ontologie, Paderborn u.a. 1995, S.45.). Siehe auch Stellvertreterfunktion.
Im Bereich der künstliche Intelligenz Forschung wurde der Begriff Ontologie wohl zuerst in einem Artikel von R. Neches u.a. 1991 vorgestellt.
Heute am häufigsten im Web of Science zitiert ist der Artikel von Thomas R. Gruber, A Translation Approach to Portable Ontology Specifications. Technical Report KSL 92-71. Knowledge Systems Laboratory, Stanford University, Revised April 1993. http://tomgruber.org/writing/ontolingua-kaj-1993.htm. Grubers Definition siehe unter Definitionen.
Von da an hat sich der Begriff Ontologie als explizite Formalisierung ausgebreitet, wurde von künstliche Intelligenz Forschung verwendet und von der Bioinformatik (Ashburner 2000) und weiteren Fächern aufgegriffen.
1999 stellte Tim Berners Lee seine Vision des Semantic Web vor. Heute am häufigsten zitiert ist Berners Lee 2001.
Abschließend eine grafische Darstellung des Zitationsraums.
Definitionen
Unter einer Ontologie versteht man in der Informatik im Bereich der Wissensrepräsentation ein formal definiertes System von Begriffen und/oder Konzepten und Relationen zwischen diesen Begriffen. Zusätzlich enthalten Ontologien - zumindest implizit - Regeln.
In vielen Fällen handelt es sich bei den als Ontologien bezeichneten Strukturen lediglich um kontrollierte Vokabularien wie Klassifikationen oder Thesauri. Von der Möglichkeit von Relationen über Relationen (in RDF als Reification bezeichnet) und Regeln wird unter anderem aufgrund ihrer Komplexität relativ selten Gebrauch gemacht, obwohl gerade diese Merkmale Ontologien von anderen Begriffssystemen unterscheiden.
Analog zu einer Datenbank, wo Struktur (Datenbankschema) und Inhalt (Daten) ein Ganzes bilden, gehören auch bei einer Ontologie die Regeln und die Konzepte zusammen.
Sprachen zur Beschreibung von Ontologien sind zum Beispiel RDF-Schema, DAML+OIL, F-Logic, die vom World Wide Web Consortium (W3C) als Sprache des semantischen Webs propagierte Web Ontology Language (OWL), WSML oder die unter ISO/IEC 13250:2000 normierte XTM (XML Topic Maps)
Typen
Nach der Art der Repräsentation von Ontologien unterscheidet man folgende Typen:
- Taxonomie (= Systematik): Objekte werden streng hierarchisch klassifiziert (z. B. „A ist Kind von B“). Taxonomien werden häufig durch Bäume visualisiert.
- Thesaurus: Objekte werden beliebig miteinander in Beziehung gesetzt (z. B. „A ist ein B“, „A ist verwandt mit B“).
- Logisch-mathematische Repräsentation: Objektbeziehungen werden über formale Notationen dargestellt (z. B. „
synonym(a, b) := synonym(b, a);
“).
Auch beim Wissensbereich (oft Wissensdomäne genannt), aus dem die Begriffe und Relationen der Ontologie stammen, gibt es unterschiedliche, oftmals komplementäre Typen:
- eine Ontologie kann den Versuch darstellen, Allgemeinwissen oder umfassendes und möglicherweise alltägliches Weltwissen abzubilden,
- eine Ontologie kann einen eingeschränkten, fachspezifischen Wissensbereich abbilden.
Anwendung
Inferenzen
Wiederverwendung
Ontologiebau durch Aufbau auf bestehenden Ontologien
Anwendungsgebiete
weiterführende Themen
Die Anzahl der Methoden zur Erstellung von Ontologien ist groß. Zahlreiche Überlegungen sind erforderlich, bevor man sich für die Wahl einer Methode oder eines Systems entscheidet. Dieser Bereich ist heute bekannt als "Ontological Engineering". Das Gebiet des Ontologiebaus wird daher in einem separaten Artikel behandelt. Dort wird auf die Fragen nach unterschiedlichen Methoden der Erstellung und zu den existierenden Sprachen für die Erstellung eingegangen.
Nachdem sich die Wissenschaftsgemeine dieser welt und die Internetgemeinde anschickt, ein semantisches Netz des gesamten (Fach-)Wissens herzustellen, ist die Frage von größter Bedeutung, wie dieses bereitgestellte Wissen genutzt werden kann. Diese Frage wird in dem separaten Artikel Ontologiedatenbank behandelt.
Siehe auch
- Gerichteter azyklischer Graph (Repräsentationsmöglichkeit von Ontologien)
- Taxonomie
- Ontologie (Bioinformatik)
- Medizinische Ontologie (Onto Med)
Literatur
- Steffen Staab und Rudi Studer (Hg.), Handbook on Ontologies, Springer Verlag, Heidelberg, 2004
- Siegfried Handschuh und Steffen Staab (Hg.), Annotation for the Semantic Web, IOSPress, Amsterdam, 2003
- Clyde W. Holsapple und K. D. Joshi, A collaborative approach to ontology design, Communications of the ACM, Volume 45, Issue 2 (February 2002), S. 42 - 47, 2002, http://portal.acm.org/citation.cfm?id=503147
- Asunción Gomez-Perez, Mariano Fernando-Lopez und Oscar Corcho, Ontology Engineering, Springer Verlag, 2004
- Mike Uschold und Michael Grüninger, Ontologies: principles, methods, and applications, 1996, S. 93-155, Knowledge Engineering Review, Vol. 11, Nr. 2, http://citeseer.ist.psu.edu/uschold96ontologie.html
- Alexander Mädche, Ontology Learning for the Semantic Web, Kluwer Academic Publishers, 2002
Weblinks
- http://www-ksl.stanford.edu/kst/what-is-an-ontology.html "An ontology is a specification of a conceptualization." (Tom Gruber)
- http://www.onto-med.de Research Group: Ontologies in Medicine; imise, Universität Leipzig