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Sikh

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Die Sikh-Religion liegt einer einheitsstiftenden und zugleich die Pluralität wahrenden Vision zugrunde. Ihre Lehre hat zum Ziel, Menschen von sozialen Vorurteilen, Egoismus, Aberglauben und Ritualtum zu befreien sowie einen Weg aufzuzeigen, wie ein religiöses Leben innerhalb sozialer Gemeinschaft zu meistern ist. Die Gründer, die zehn Gurus, betonen in ihren Lehren folgende Grundhaltungen:

▪ Gotteshingabe sowie Dienst am Menschen

▪ Die Menschheit als Einheit anzuerkennen

▪ Gleichberechtigung von Frau und Mann

▪ Gerechtigkeitsdenken und demokratischer Konsens, der auf Qualität beruht

▪ Wichtigkeit von Bildung (Gian), offener Diskussion sowie kritischer Reflexion (Wichar)

▪ Harmonie von Wissen und Religion

▪ Ablehnung sozial konstruierter Vorurteile (Rassismus, Ethnozentrismus)

▪ Konzentration auf innerer und äußerer Stimmigkeit

▪ Regelmäßiges Gebet mit dem Ziel der alltäglichen Umsetzung

▪ Haltung und Tat sind maßgeblich, nicht fromme Worte

▪ Wertschätzung von Gastfreundschaft, Heirat und Familie

▪ Jeder Mensch soll seinen eigenen Glauben wahrhaftig leben. (Sikhs missionieren daher auch nicht. Demnach soll zum Beispiel ein bekennender Christ versuchen, ein guter Christ zu werden.)

▪ Ablehnung religiöser (bezahlter) Würdenträger wie Priester. Jeder Mensch kann für sich Gott erfahren.


Die Sikh-Religion – Eine junge Weltreligion

Die Sikh-Religion (Sikhi) wurde von Guru Nanak, der 1469 in Talwandi (heute Pakistan) geboren wurde, gegründet und hat derzeit über 20 Millionen Gläubige weltweit. Die Anhänger dieser Religion nennen sich Sikh (Schüler). Sie erkennen Guru Nanak und seine neun Nachfolger als Gottesoffenbarer an. Sikhs kommen aus den unterschiedlichsten nationalen und kulturellen Hintergründen. Die Mehrheit der Sikhs lebt nach wie vor in der Ursprungsregion im Bundesstaat Panjab in Nordindien. In England und in Nordamerika leben über 1 Millionen Sikhs, in Deutschland mehrere Tausend. In der Bundesrepublik haben sich Sikhs vor allem in Ballungszentren wie Frankfurt, Köln und Stuttgart niedergelassen.

Sikhs sind leicht zu erkennen, denn sie bewahren ihre Haare ungeschnittenen und bedecken diese. Sikh-Frauen ist es freigestellt, ob sie ihr Kopfhaar mit einem Turban oder einer Tschuni, einem dünnen Tuch, bedecken. Die Kopfbedeckung samt Haar steht für ein würdevolles Leben voller Gottesrespekt. Sie symbolisiert die Übereinstimmung innerer Werte und Tat.

Die Sikh-Religion ist eine eigenständige Universalreligion, die ein weltzugewandtes Leben der Hingabe als vorbildlich erachtet. Sie zeigt, wie andere Religionen auch, auf welche Weise der Mensch im Einklang mit dem Schöpfer und seiner Schöpfung leben kann. Ich faste nicht, noch begehre ich den Monat Ramadan. Ich diene nur dem Einen, der mich am Ende schützen wird. […] Er erteilt Gerechtigkeit an Hindus und an Muslimen. Pause. Ich mache keine Wallfahrt nach Mekka, noch bete ich in den heiligen Schreinen der Hindus. […] Ich vollziehe keine Anbetungsrituale der Hindus, noch rezitiere ich die Gebete der Muslime. Ich habe den einen formlosen Schöpfer in meinem Herzen aufgenommen, dort verehre ich ihn voller Demut. Weder bin ich ein Hindu noch ein Muslim. Mein Körper und mein Lebensatem gehören Allah (Bezeichnung Gottes bei Muslimen), Ram (Bezeichnung Gottes bei Hindus) – dem Gott aller. Guru Arjan (Guru Granth Sahib, S. 1136)


Lehre des Einen Schöpfers

Die Sikh-Religion ist eine monotheistische Religion. Guru Nanak lehrte nur an den einen Schöpfer allen Seins zu glauben. Er sah sich weder als Hindu noch als Muslim sondern als ein Diener des Schöpfers. Guru Nanak betonte die Wichtigkeit der religiösen und sozialen Hingabe und die Gleichheit aller Menschen. Der Guru, der in einer Zeit aufwuchs, die von Intoleranz, religiöser Heuchelei und Unterdrückung durch tyrannische Herrscher wie Babar geprägt war, kritisierte die Gottverlassenheit und Ichbezogenheit der Menschen. Er lehnte das Kastensystem und die Unterdrückung von Frauen strikt ab und beanstandete die damals vorherrschen Formen der Religionsausübung wie Götzenanbetung und heilige Waschungen. Von der Grundprämisse des Einen Schöpfers leitete Guru Nanak Haltungen wie Gleichheit, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit, Respekt, Würde und Freiheit ohne Unterscheidung zwischen Herkunft, Glaube, Hautfarbe, Geschlecht oder dem sozialen Status ab.

Von der Frau wird man geboren, in der Frau wächst man heran, mit einer Frau verlobt und vermählt man sich. Von der Frau erfahren wir Freundschaft, durch die Frau setzt sich der Gang der Welt fort. [...] Wie kann man sie als minderwertig bezeichnen, wo sie doch Königen das Leben schenkt? Aus einer Frau entsteht eine Frau, niemand wäre ohne die Frau. Nanak sagt, ganz ohne Frau existiert nur der eine Schöpfer. Guru Nanak (Guru Granth Sahib, S. 473)

Das menschliche Leben ist für Sikhs eine kostbare Chance der Gotteshingabe. Ein wahrhaftes menschliches Leben besteht für sie in der Verinnerlichung des Schöpfers und der Nächstenliebe. Ein Leben nach den Vorstellungen des Schöpfers und Erhalters zu leben ist daher ein wichtiger Bestandteil des Sikh-Seins. Dies beinhaltet Respekt für die Schöpfung, Mitmenschen, alle anderen Lebewesen sowie der Umwelt. Der Gottesverbundenheit dient ihnen das tägliche Gebet.


Guru Granth Sahib – Der Guru der Sikhs

Woher erfahren Sikhs, was der Schöpfer erwartet? Sie finden die Antwort bei ihrem Guru. Die Botschaft der Gurus ist in ihren schriftlichen Niederlegungen festgehalten und somit zeitlos für alle Menschen einsehbar. So wie sich das Wort des barmherzigen Schöpfers mir offenbart, so verkünde ich es, O Lalo. Guru Nanak (Guru Granth Sahib, S. 722)

Guru Nanak und seine Nachfolger schrieben in einer außergewöhnlich poetischen und bildlichen Sprache zahlreiche Verse (Gurbani). Diese wurden vom fünften Guru, Guru Arjan zusammen getragen und in dem Werk Aad Guru Granth Sahib vereint. Einzigartig an dieser Komposition, die auf musikalischen Melodiefolgen (Rag) beruht, ist die Einbeziehung diverser Sprachen sowie Verse nordindischer Heiliger unterschiedlichster Glaubensrichtungen wie Sheikh Farid, Namdew oder Kabir.

Zu Anbeginn schuf Allah, der Schöpfer, das Licht. Dann alle sterblichen Wesen. Aus dem einen göttlichen Lichte, der Weltseele, entwickelte sich alles. Wen sollen wir da gut und schlecht nennen? Kabir (Guru Granth Sahib, S. 1349)


Gemeinschaft – Grundlage für Entwicklung

Der zehnte und letzte menschliche Guru, Guru Gobind Singh, gründete 1699 beim Bhaisakhi, einem populären Fest, den Khalsa. Dieser stellt die Gemeinschaft der Reinen dar. Amrit, ein freiwilliger Taufakt, markiert seither die Aufnahme in den Khalsa. Diese Gemeinschaft soll im demokratischen Konsens Entscheidungen für das Wohl der Menschen treffen. Repräsentiert wird sie durch den Rat der Fünf Geliebten (Panj Piare). Die spirituelle Guru-Autorität weilt seit dem Hinscheiden des zehnten Gurus ausschließlich im (Aad) Guru Granth Sahib, die weltliche Autorität in der Gemeinschaft der Sikhs (Guru-Panth).

Guru Gobind Singh betonte die Notwendigkeit der spirituellen und körperlichen Einheit als getaufter Sikh. Jeder Getaufte soll seinem Wunsch gemäß fünf symbolträchtige äußere Merkmale (Kakar) tragen:

Kes – ungeschnittenes bedecktes Haar (Respekt vor der Schöpfung und weltzugewandtes Leben)

Kangha – Holzkamm (Reinheit)

Karra – eiserner Armreif (Allgegenwart und Unendlichkeit Gottes)

Kirpan – kleines Schwert (Aktivität, soziale Verantwortung und gerechtes Leben)

Kaschaira – eine Short (edler Charakter)

Grundsätzlich gelten alle Sikh-Gebote für Frauen und Männer. Die Gleichheit und Zusammengehörigkeit wird zusätzlich durch die für alle verbindlichen Nachnamen symbolisiert. Sikh-Frauen tragen den Nachnamen Kaur (Prinzessin), die Männer Singh (Löwe).


Respekt – Grundlage für Frieden

Die Sikh-Religion legt großen Wert auf gegenseitigen Respekt und Achtung. Im Abschlussgebet der Sikhs wird täglich für das Wohl aller Lebewesen gebetet. Dieser Gedanke drückt sich auch in den Gebetsstätten (Gurdwara) der Sikhs aus: Jeder Mensch, ungeachtet seiner Herkunft und Religion ist eingeladen, den religiösen Gesängen beizuwohnen und die Speisen der Freiküchen zu sich zu nehmen.


Wichtige Gebote für Sikhs

▪ Verinnerlichung des Schöpfers (Nam)

▪ Ehrlicher Verdienst des Lebensunterhaltes (Kirt)

▪ Teilen des Verdienstes sowie soziales Engagement (Daswand)

▪ Bewahrung ungeschnittener Haare

▪ Partnerschaftliche Treue

▪ Meidung von Drogen (inkl. Alkohol und Tabak) und geschächtetem Fleisch


Die Gurus – Vorbilder für ein wahrhaftes Leben

Die Wahrheit steht über allem, doch ein wahrhaftiges Leben steht noch darüber. Guru Nanak (Guru Granth Sahib, S. 62)

Die Gurus haben all die Tugendhaftigkeiten, die sie von einem vorbildlichen Menschen erwarten, nicht nur gelehrt, sondern hingebungsvoll gelebt. Der beeindruckende Zustrom, den die Bewegung der Gurus fand, rief heftigen Widerstand und Verfolgung von Seiten der mächtigen Herrscher wie Aurangzeb hervor. Der fünfte und der neunte Guru stellten sich den muslimischen Herrschern ihrer Zeit und waren nicht bereit, sich von ihrem Glauben loszusagen und zur Religion der Mächtigen überzutreten. Sie sahen nicht über Ungerechtigkeiten hinweg, sondern kritisierten diese mit Nachdruck und schufen ihren Möglichkeiten gemäß Raum für Verbesserungen. Sie ließen Folter und schließlich den Tod über sich ergehen, ohne sich von ihrer Haltung abbringen zu lassen. Die Gurus haben vorgelebt, wie notwendig ein Leben voller Respekt, Gerechtigkeit und Würde für den Menschen ist. Sie achteten stets auf die Taten der Menschen und nicht auf ihre soziale oder religiöse Herkunft.

Konsequenterweise wenden sich die Gurus mit ihrer Botschaft nicht an bestimmte Menschen oder an ein bestimmtes Land. Sie sprechen vielmehr über eine grundsätzliche menschliche Haltung dem Leben gegenüber, die durchdrungen ist von Liebe, Hingabe, Ehrlichkeit und Aktivität. Die Gurus wünschen sich dabei vor allem, dass Sikhs in ihrem Inneren als auch im Äußeren eine stimmige Balance wahren.

Der Schöpfer ist der Hüter aller Tugenden; den Heiligen ist er immer eine Stütze, aber selten sind jene, die Ihn finden. Oh mein Geist, meditiere über Gott, den Heger der Welt. Seine Heiligkeit suchend findet man Frieden und wird keinen Schmerz mehr erleiden Guru Arjan (Guru Granth Sahib, S. 617)

Weitere Informationen über die Sikh-Religion sind zu finden unter:

www.sikh-religion.de (Deutsch) www.allaboutsikhs.com (Englisch) www.sikhs.org (Englisch)