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Benutzerin Diskussion:Motmel/Unterseite

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Anna Bon di Venezia

Die italienische Musikerin Anna Bon „di Venezia“ trat als Komponistin und Sängerin in Erscheinung. Sie wurde vermutlich 1739 oder 1740 geboren. Genaues Geburtsdatum und -Ort, sowie Sterbedatum und -Ort sind nicht bekannt. „Di Venezia“ könnte bedeuten, dass Venedig ihre Heimatstadt war. Da ihre Eltern zur Zeit ihrer Geburt als Opernkünstler in Russland verpflichtet waren, wird angenommen, sie sei dort geboren. Jedoch ist für die Mutter eine Urlaubszeit nachweisbar, in der sie ihre Heimat besucht haben könnte, wo Anna dann zur Welt kam. Anna Bon, nach Grove auch „Anna Lucia Boni“[1], stammte aus einer musikalischen Familie, die vorwiegend als reisende Theatertruppe die italienische Oper in Europa verbreitete. Im Laufe ihres Lebens verkehrten die Bons in den großen Städten und an den Fürstenhöfen Europas (Venedig, Bologna, Moskau, Petersburg, Frankfurt, Regensburg, Brüssel, Antwerpen, Dresden, Potsdam/Berlin, Bayreuth und in Ungarn/Esterhaza). Sie arbeiteten mit den Musikgrößen der Zeit Johann Adolf Hasse, Johann Friedrich Agricola, Christoph Willibald Gluck und Joseph Haydn zusammen.

Eltern

Die Mutter, Rosa Ruvinetti-Bon „di Bologna“, eine Sopranistin, später besonders im komischen Intermezzo-Fach, ist ab 1755 am Hofe des Bayreuther Markgrafenpaares Friedrich und Wilhelmine, letztere eine Schwester Friedrichs II., beweisbar. Der Vater Girolamo Bon, der sich „cittadino“ der Stadt Venedig und „dillettante di Musica“[2] nannte, erhält 1756 eine Anstellung als „Professore“ für Zeichenkunst und Perspektive an der in diesem Jahr gegründeten Bayreuther Kunstakademie. In der venezianischen Heimat wurde er „Momolo“ genannt (Verkleinerung von Girolamo). Als Allround-Künstler war er erfolgreicher Leiter einer der bekanntesten sogenannten „Wanderopern“ im 18. Jahrhundert.[3]. Ihre Route ging von Venedig und Bologna aus und führte sie vom russischen Zarenhof (Moskau, Petersburg), nach Dresden, Potsdam/Berlin, Regensburg, Frankfurt, Brüssel, Antwerpen und Bayreuth bis nach Ungarn an den Hof der Fürsten von Esterhaza. In Frankfurt führten sie neben Opern von Johann Adolf Hasse das berühmte Intermezzo „La Serva Padrona“ von Johann Battista Pergolesi auf, in Antwerpen kam die Oper „La cittadella ingannata“ von Johann Friedrich Agricola nach einem Libretto Girolamo Bons zur Aufführung. Diese Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Schüler Johann Sebastian Bachs dürfte von besonderer Bedeutung gewesen sein für die kompositorische Kompetenz der Familie Bon, die auch der Tochter Anna zugute kam.

Leben

Als kleines Mädchen trat Anna am 8. März 1743 als „figlia di spese“ im „Ospedale della Piètà“ in Venedig ein. Dies ist bisher das einzige sichere Dokument zu ihrem Leben. [4] Ob sie wirklich erst 4 Jahre alt war, als sie in diesem Konservatorium aufgenommen wurde, kann man nur der Altersangabe und dem Erscheinungsjahr ihrer Werke entnehmen, nach deren Titeln man 1739 oder 1740 als Jahr ihrer Geburt ausrechnen kann. Das Konservatorium war eine musikalische Einrichtung, die dem ursprünglich für Waisenkinder geschaffenen Haus angegliedert wurde und im Laufe der Zeit, aufgrund der glänzenden musikalischen Auftritte der Schülerinnen, ein musikalischer Anziehungspunkt der Lagunestadt wurde. Nicht nur Waisen, sondern auch Mädchen aus normalen Familien konnten nach einer Aufnahmeprüfung am Musikunterricht teilnehmen. Bei Anna wird wohl ausschlaggebend gewesen sein, dass ihre Eltern während ihrer Reisen das Kind auf diese Weise versorgen und ausbilden lassen konnten. Der Großvater Steffano Ruvinetti, ein Geiger, lebte auch in Venedig. Hier in Venedig wurden sicher die für ihre Karriere entscheidenden Wurzeln ihres Könnens gelegt. 1755 kam sie mit ihren Eltern nach Bayreuth. Von da ab sind sängerische Auftriite Annas mit dem Familie-Ensemble bezeugt (u.a. Opern Artaserse und Don Calandro). Sie hat auch selbst eine Oper (Pasticcio) geschaffen, deren Libretto in Preßburg erhalten sein soll. In Bayreuth veröffentlichte sie ab 1756 im renommierten Nürnberger Verlag alla Spese della Vedova di Balthasar Schmidt ihre drei ersten gedruckten und am Bayreuther Hof entstandenen Kammermusik-Werke (opus I-III).

Auf der Titelseite der IV Sonate da Camera per il Flauto Traversiere e Violoncello o Cembalo (op. I) wird auch Annas Titel „Virtuosa di Muscia di Camera“ präsentiert, der ihr vom Markgrafen verliehen worden war, sowie das Druckjahr 1756 und ihre Altersangabe presentamente in eta d'anni sedeci (16 Jahre). Diese 6 Sonaten sind ein großer Wurf der 16-Jährigen, sie wurden in unserer Zeit international bekannt und sind mehrfach auf CD eingespielt worden. Die ausführliche Widmung darin an ihren Brotherrn Markgraf Friedrich[5]gibt uns Auskunft über Anna's persönliche Umstände. Man entnimmt z.B. ihr spezielles Instrument, das Cembalo, das bedeutete damals vorwiegend, den Generalbass zu beherrschen, eine Grundlage zum Komponieren. Annas Opus II, Sei Sonate Per il Cembalo, sind Ernestina Auguste Sophia, Principessa Di Sachsen Weimar (1740-) gewidmet, gedruckt 1757, in eta d'anni dieci sette. Diese Prinzessin, eine Nichte des Markgrafenpaares, lebte ab 1748 am Bayreuther Hof, nachdem ihre Eltern in Weimar gestorben waren. Sie sollte später noch Bedeutung für Annas weiteres Leben bekommen. Das opus III, Sei Divertimenti a Due Flauti e Basso ist Kurfürst Carl Theodor von Mannheim gewidmet, dessen Residenz damals als musikalisch besonders glänzend beschrieben wird. Hier fehlt eine Altersangabe, aber presentemente in età d'anni dieci nove zeigt, dass diese Trios wohl nach dem Tode der Markgräfin Wilhelmine (1709-1758) erschienen sind. Durch den Verlust der musikbegeisterten Markgräfin wurde bei Hofe eine Neu-Orientierung notwendig, aber eine Reaktion des Kurfürsten von Mannheim ist nicht bekannt. Opernreisen der Bontruppe nach Wien und Eisenstadt sind jetzt zu verfolgen. 1762 erhielt die Familie Bon ein Engagement beim Fürsten von Esterhaza in Eisenstadt, der Vertrag datiert vom 1. Juli 1762. Von Joseph Haydn, Annas neuem Dienstherrn, hat sich eine Kantate erhalten, in der er die Besetzumng mit den beiden Bon-Damen selbst eingetragen hat. Anna Bon ist zwar altersmäßig eine Zeitgenossin Joseph Haydns (1732-1809), der Stil ihres op. I-III passt sich allerdings, bedingt durch den höfischen Geschmack in Bayreuth, der in der fränkischen Residenz gepflegten Rokokomode an. Gleichwohl trägt Annas Kammermusik den Stempel geschickt angewendeten gründlichen Schulung. Erst ihre Werke aus vermutlich späterer Zeit, zum Beispiel die Arie Astra coeli für Sopran und Streicher weisen auf die beginnende Klassik. Kürzlich wurde auch ein größeres geistliches Vokalwerk, ein Offertorium für Solisten und Orchester von Anna Bon bekannt, auf dessen Notenausgabe (Furore-Verlag) man gespannt sein kann.

Merkwürdig ist, dass Anna Bons Name niemals unter den Musikern und Musikerinnen im Bayreuther Hofkalender genannt wurde, so wie es z.B. bei ihrer Mutter der Fall war. Auch in Eisenstadt wird sie stets nur als „Tochter“ (des Girolamo Bon) gehandelt, die Ehren einer „Virtuosa di Musica di Camera“ genoss sie nur in Bayreuth. Bis 1765 ist sie in den Eisenstadter Akten zu verfolgen, danach verschwinden ihre Spuren. Laut Nikolaus Gerber (ATL,NTL) hilt sie sich im Jahr 1767 bei der Herzogin von Hildburghausen in Thüringen auf, der ehemaligen Prinzessin von Weimar (s.o.), die sie aus Bayreuth kannte. Annas angebliche Ehe dort mit dem sehr braven Tenor Mongeri in Hildburghausen ist zumindest nicht durch Tatsachen zu belegen, denn laut Kirchenbuch ist der dortige „hochfürstl.[iche] Hof- u. Cammer Sänger“ Francesco Mongeri in der fraglichen Zeit in Hildburghausen nur bis 1766 nachweisbar und mit einer anderen Frau verheiratet.[6] Späteres oder Weiteres, bzw. Nachrichten über einen anderen Sänger unter diesem Namen waren nicht zu finden. Wo Anna geblieben ist, bleibt ungewiss. Ihre Werke op. I-III werden 1771 in Johann Georg Sulzers „Allgemeinen Theorie der schönen Künste“ angeführt. Sie finden sich heute in Moskau, Regensburg, Brüssel, Berlin, Gotha und Kopenhagen und neuentdeckte in Osteuropa auf Schloss Český Krumlow im ehemaligen Böhmen. Die Wiederentdeckung Anna Bons begann im Jahr 1982 (Aaron Cohen, Irene Hegen). Seidem ist ihr Ansehen stetig gewachsen.

Werke

Die gedruckten Werke und Abschriften Anna Bons befinden sich in Moskau, Berlin, Kopenhagen, Brüssel, Gotha, Regensburg und Český Krumlow. Neudrucke aller Werke sind mehrfach erschienen. Die Veröffentlichung des Offertorium ist in Vorbereitung.

  • Kammermusik:
  • Op. I

VI/ Sonate da Camera/ per il/ Flauto Traversiere/ e Violoncello o Cembalo/ dedicate/ All' Altezza Serenissima/Di/ Federico7 Margravio Regnante/ Di/ Brandenburg Culmbach etc:etc:etc:/ Composte/ da/ Anna Bon di Venezia/ Virtuosa di Musica di Camera/ all' attuale Servizio/ dell'/ Altezza Serenissima sudetta/ e presentemente in età d'anni sedeci/Opera prima/ Stampate alle spese della Vedova di Baltas: Schmidt/ in Norimberga/ 1756/ Nro. XXXXVI.

  • Op. II

Sei Sonate/ Per il Cembalo/...Ernestina Augusta Sophie/ Principessa/ Di Sachsen Weimar etc:etc:/...in eta d'anni/ dieci sette/ Opera secunda/...1757./ Nro. XXXXIX.

  • Op. III

Sei Divertimenti/ a Due Flauti, e Basso/ Dedicate/ All'Altezza Serenissima Elettorale/ Di/ Carlo Teodoro/...d'anni dieci nove./ Opera Terza/ [ohne Jahr]...Nro. LIII.

  • Vokalmusik:
  • Aria Astra Coeli a Canto Solo [Sopran], Violini I, Violini 2, Alto Viola, Basso, Del: Sig: Di Anna Bon.
Tschechische Nationalbibliothek bzw. Schlossbibliothek Český Krumlov.
  • Offertorium a 4 Vocibus, 2 Violinis, Viola di Alto, 2 Obois aut Clarinettis in B, 2 Cornis in B et D con Organo, Dal. Sign: la Bona.

Tschechische Nationalbibliothek, bzw. Schlossbibliothek Český Krumlov. Aus ehemaligem Besitz des Komponisten Szedenko Fibich.

  • Oper Artaserse, Musik von Anna Bon und vier „bekannten“ Autoren (Pasticcio). Verschollen, Libretto in Pressburg(?).[7]

Einzelnachweise

  1. The New Grove Dictionary of Women Composers, edited by Julie Anne Sadie and Rhian Samuel, New York 1994
  2. Siehe Titelseite Sei Facili Sonate Di Violino con il Basso. Composte Da Girolamo Bon, Cittadino di Venezia e Dillettante di Musica... Vedova di Balthasar Schmidt, Nro. LX.
  3. Wilhelm Pfannkuch in: Organisationen der Musik in: „Musik in Geschichte und Gegenwart“ (MGG 1) Band 10, 1962, Spalte 206.
  4. G. Rostirolla: L'Organizzatione musicale nell' Ospedale veneziano della Pietà al tempo di Vivaldi, NRMI, XIII (1979), S. 168-195, hier S.191-171 (zitiert nach: The New Grove Dictionary a.a.O. S. 74)
  5. Nicht „Frederick the Great of Prussia“, wie in The New Grove zu lesen!
  6. Kirchenbuch Hildburghausen, Hofkirche 1751-1776, Maria Gemarckin.
  7. Zdenko Novácek: Hudba v Bratislave, Seite 173.

Literatur

Irene Hegen: Anna Bon di Venezia. Eine verschollene Komponistin entdecken. In: Annäherung VII -an sieben Komponistinnen, hg. von Clara Mayer, Furore Kassel 1996, S. 23-40 (nach dem in Viva Voce, Frau und Musik Nr. 36|Kassel 1995 erschienenen Aufsatz der Verfasserin).