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Praxisgebühr

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Die sog. Praxisgebühr, richtiger: Kassengebühr, ist eine Zuzahlung zu Arzt-, Zahnarzt- und Psychotherapeuthenbesuchen in Höhe von 10 Euro pro Quartal, die die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland von ihren Versicherten seit dem 1. Januar 2004 verlangen.

Grundlage der Erhebung ist § 28 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) V, geändert durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November 2003. Ihre Höhe ergibt sich aus § 61 Satz 2 SGB V.

Offizielle Ziele der Praxisgebühr sind:

  • Finanzielle Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV);
  • Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten für ihre Gesundheit;
  • Reduzierung der pro Mitglied durch die GKV zu vergütenden Arztbesuche;

Zuzahlungspflichtig sind alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), die älter als 18 Jahre sind und sich in ambulante ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung begeben. Privatpatienten müssen die Zuzahlung nicht leisten.

Diese Praxisgebühr fällt in der Regel einmal im Vierteljahr beim ersten Arztkontakt an. Sie ist - auch bei telefonischen Beratungen - vor Behandlungsbeginn zu zahlen. Für die weiteren notwendigen Arztkontakte in dem Quartal beim selben Arzt wird keine weitere Gebühr fällig. Arztkontakte bei weiteren Ärzten in dem betreffenden Quartal sind gebührenfrei, wenn man eine Überweisung für diesen Arzt vorlegen kann. Hat man keine Überweisung und geht von sich aus ohne Überweisung zu einem weiteren Arzt, muß man die Gebühr noch einmal entrichten.

Wichtig ist die Dokumentation der gezahlten Praxisgebühr durch das Sammeln der Quittungen. So kann der Quittungsbeleg z.B. beim Notarzt vorgelegt werden. Die Ausstellung von Quittungsbelegen durch den Notarzt ist noch in der Diskussion. Beim Zahnarztbesuch muss das so genannte Bonusheft weiterhin abgestempelt werden, da die Quittungen über beim Zahnarzt bezahlte Praxisgebühren nicht als Nachweis für Prophylaxe und regelmässige Vorsorge anerkannt werden.

Der erste Arztkontakt im Quartal sollte also in der Regel bei dem Arzt stattfinden, bei dem man regelmäßig in Behandlung ist. Dieser Arzt kann dann Überweisungen für die notwendigen anderen Arztbesuche ausstellen. Für den Zahnarztbesuch ist eine separate Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal fällig. Derzeit (im 1. und 2. Quartal 2004 - weiteres Vorgehen ist noch nicht entschieden) wird jedoch eine seperate Praxisgebühr nicht beim Besuch eines Psychologischen Psychotherapeuten erhoben, falls die Überweisung eines Arztes aus dem gleichen Quartal vorgelegt wird. Im Falle des Erstbesuches im Quartal beim Psychologischen Psychotherapeuten (PP) stellt dieser eine Quittung (da der PP keine Überweisung ausstellen kann) über die Bezahlung der Praxisgebühr aus, diese Quittung befreit von einer weiteren Zahlungspflicht bei einem anschließenden Arztbesuch im gleichen Quartal. Einige Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen sind von der Praxisgebühr ausgenommen; so fällt beispielsweise bei der Zahnprophylaxe keine Praxisgebühr an. Dagegen wird selbst für eigentlich von der Praxisgebühr ausgenommene Behandlungen eine Praxisgebühr an, wenn es sich um den Erstkontakt mit dem jeweiligen Arzt handelt. Auch für ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus ist die Gebühr fällig, wenn keine Überweisung eines Kassenarztes vorliegt. Für private (Zusatz-) Leistungen des Arztes fällt dagegen keine Praxisgebühr an.

Die Praxisgebühr wird zwar durch die Kassenärzte eingezogen, diesen aber in voller Höhe wieder von ihrem Honoraranspruch gegenüber den Krankenkassen abgezogen. Die Praxisgebühr bedeutet für die Kassenärzte eine zusätzliche bürokratische Belastung und wird deswegen von den meisten Kassenärzten abgelehnt.

Siehe auch: Liste politischer Konzepte, Selbstbehalt, Gesundheitsreform, Sozialstaat, Sozialabbau

Zuzahlungsgrenze und Belastungs-Obergrenzen

Von der Praxisgebühr kann unter besonderen finanziellen Bedingungen befreit werden, wenn dies bei der Krankenkasse beantragt wird, denn es gibt für alle Zuzahlungen eine Obergrenze: Die jährliche Eigenbeteiligung der Versicherten (dazu zählen neben der Praxisgebühr auch Zuzahlungen bei Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie die Zuzahlungen bei Krankenhausaufenthalten) darf 2 Prozent des Bruttoeinkommens nicht überschreiten. Für chronisch Kranke liegt die Obergrenze bei 1 Prozent. Auf Familien wird besondere Rücksicht genommen: Freibeträge für Kinder und nicht berufstätige Ehepartner vermindern das zugrunde gelegte Bruttoeinkommen.

Mahnung und Inkasso

Ein Arzt kann die Behandlung verweigern, wenn die Praxisgebühr nicht bezahlt wird, es sei denn, es liegt ein lebensbedrohlicher Notfall vor. Zahlt ein Patient nach dem Arztbesuch die Praxisgebühr nicht, muss der Arzt ihm ein Mahnschreiben schicken. Mahngebühren bis zu vier Euro drohen dem säumigen Zahler. Bleibt die Mahnung unbeantwortet, übernimmt die Kassenärztliche Vereinigung das weitere Mahnverfahren, schickt eine zweite Mahnung. Bewegt auch diese den Patienten nicht zur Zahlung, muss die Kassenärztliche Vereinigung versuchen, das Geld gerichtlich einzutreiben. Zahlt der Patient auch danach nicht, übernimmt die Krankenkasse den Einzug der Gebühr, notfalls durch ein Inkassounternehmen.

Zitate

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: Wir haben sehr viele Folgeschäden, weil Leistungen nicht abgestimmt werden. Wenn zwei- oder dreimal geröntgt wird, ist das nicht nur teuer, sondern auch schädlich. Hiervon versprechen wir uns, dass die Ärzte miteinander reden und ihre Daten austauschen. Alles soll zum Wohl der Patienten geschehen.

Ambulanzgebühr (Österreich)

In Österreich wurde am 19. April 2001 eine der Praxisgebühr ähnliche Ambulanzgebühr eingeführt. Als Starttermin war zunächst der 1. Januar 2001 geplant. Diese wird seit 1. Mai 2003 nicht mehr erhoben. Die Aufhebung erfolgte unter anderem wegen ihrer ungerechten Wirkung, die Gesundheitversorgung sozial schwacher Patienten real zu verschlechtern. Weitere Probleme waren der hohe Verwaltungsaufwand und die vielen notwendigen und unhandlichen Ausnahmen.