Preußenschlag
Der Begriff Preußenschlag (auch Preußenputsch genannt), bezeichnet die Auflösung der sozialdemokratischen Regierung Preußens durch eine Notverordnung des Reichskanzlers Franz von Papen und ihre Ersetzung durch einen Reichskommissar am 20. Juli 1932. Als Vorwand dienten die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen des Altonaer Blutsonntags vom 17. Juli 1932. Als Ergebnis des Preußenschlages war die letzte demokratisch legitimierte Landesregierung Preußens zerschlagen und die Weimarer Republik entscheidend geschwächt.
Landtagswahlen vom 24. April 1932
Der Freistaat Preußen wurde seit 1920 von einer stabilen Koalition aus SPD, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei regiert. Bei den preußischen Landtagswahlen vom 24. April 1932 kamen allerdings die drei Parteien der Regierungskoalition nur noch auf 206 von 456 Sitzen; Nationalsozialisten und die republikfeindlichen Deutschnationalen (zusammen 193) und die KPD-Fraktion (57) zählten 250 Abgeordnete. Somit war Preußen nun parlamentarisch unregierbar geworden. Man nutzte notgedrungen die in anderen deutschen Ländern bereits angewandte Lösung: Die alte Landesregierung wurde als "geschäftsführendes" Gremium beibehalten.
Der Reichskanzler Franz von Papen wollte für Preußen eine Koalition von Mitte und Rechts, weshalb er Gespräche über ein mögliches Zusammenwirken von NSDAP, Deutschnationalen und Zentrum initiierte. Diese scheiterten wegen des Totalitätsanspruches der NSDAP. Daraufhin visierte Papen Alternativen an: Die erste bestand in der Durchführung einer schon länger debattierten Reichsreform, die Preußen auflösen würde. Weil dieser Weg erst mittelfristig zum Ziel führen würde, nutzte von Papen die zweite Alternative. Er plante, wie bereits 1923 von Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) vorgemacht, die Reichswehr in Preußen einzusetzen und einen Reichskommissar zu berufen. Die Begründung war dieselbe, die schon Ebert angesichts demokratisch zustande gekommener Linksregierungen in Sachsen und Thüringen genutzt hatte: Er sah die Ruhe und Ordnung in diesen Ländern gefährdet. Er holte sich am 14. Juli eine entsprechende Verordnung des Reichspräsidenten, die ihn als Reichskommissar für Preußen einsetzte und ihn dazu bevollmächtigte, die preußische Landesregierung abzusetzen. Papen wählte den 20. Juli zum Datum der Inkraftsetzung.
Ablauf des Preußenschlages
Genau nach Plan begann an jenem Mittwoch um 10 Uhr mit der Einbestellung des amtierenden preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun wie des Innenministers Carl Severing und dessen Kollegen vom Finanzressort in die Reichskanzlei der so genannte Preußenschlag. Ihnen wurde die Hindenburg-Verordnung mitgeteilt, gegen die nur Severing Widerstand leistete: Er werde nur der Gewalt weichen! Die bekam er dann auch zu spüren: Die Reichswehr verhängte noch in derselben Stunde den militärischen Ausnahmezustand und besetzte das preußische Innenministerium, das Berliner Polizeipräsidium und die Zentrale der Schutzpolizei. Der Berliner Polizeipräsident, sein Stellvertreter und der Kommandeur der Schutzpolizei wurden in "Schutzhaft" genommen und erst entlassen, als sie sich per Unterschrift verpflichtet hatten, dass sie keinerlei Amtshandlungen mehr vornehmen wollen. Es trat auch deshalb kein wirklicher Widerstand auf, weil der SPD-Vorstand schon am 16. Juli beschlossen hatte, dass man die Rechtsgrundlage der Verfassung nicht verlassen werde, egal, was passieren würde.
Reaktion der Landesregierung
Die preußische Regierung lehnte es ab, auf Gewalt mit Gewalt - und sei es in passiver Form eines Generalstreiks oder eines Aufrufs zum zivilen Ungehorsam der Beamten - zu antworten. Dies ist ihr im Nachhinein häufig zum Vorwurf gemacht worden. Es gab jedoch berechtigte Ängste, die zahlreichen Arbeitslosen könnten im Falle eines Streiks die freien Plätze einnehmen. Einen gewaltsamen Widerstand hätten die schlagkräftigen Privatarmeen der Rechtsradikalen im Keim erstickt. Am 21. Juli wurden daher die rechtlichen Möglichkeiten, in Form einer Verfassungsklage beim Staatsgerichtshof des Reichsgerichts genutzt. Dieses nannte in seinem Urteil vom 25. Oktober die Maßnahmen des Reichskommissars Papen (der juristisch u.a. von Carl Schmitt vertreten wurde) gerechtfertigt zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit - aber die Regierung Braun behalte ihre staatsrechtliche Stellung gegenüber Landtag, Reichstag, Reichsrat und Reichsregierung. Daraufhin trat die nun staatsrechtlich rehabilitierte, aber ihrer realen Macht beraubte Braun-Regierung als so genannte "Hoheitsregierung" wieder zu ihren wöchentlichen Kabinettssitzungen zusammen. Die tatsächliche Macht lag aber bei den Vertretern der "Reichsexekution", der "Kommissarsregierung".
Quellen
- Preußen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof. Stenogramm der Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig vom 10. bis 14. und vom 17. Oktober 1932, Berlin, J.H.W. Dietz, 1933, 520 S.
- Lexikon der deutschen Geschichte – Ploetz, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, Österreich 2001