*þeudiskaz
Der Begriff deutsch leitet sich vom Althochdeutschen th(i/e)(u/o)disk ab, was ursprünglich "diejenigen, die die Volkssprache sprechen" (germanisch theoda, Volk) bedeutete, im Gegensatz zu den "Welschen", also jenen, die eine keltische oder romanische Sprache sprechen. Das althochdeutsche Wort diutisc (im Gotischen diudisko, im Englischen dutch für "holländisch", im Italienischen tedesco für "deutsch") bedeutete auch "heidnisch" oder etwa volksmäßig bzw. "dem Volke eigen". Das Antonym für theodisk war somit waldisk und bezeichnete die welschen Bewohner eines Landstriches.
Auch der Teil, der später eine eigene, Niederländische (Holländisch oder Flämische) Identität entwickelte, gehörte anfangs in diese Kategorie. Jedoch waren die Grenzen zwischen "nederduits" bzw. "nederlands" und "duits" noch lange fließend z. B. bei den nach Westpreußen geflohenen Mennoniten, die einen niederdeutsch-niederländischen Ausgleichsdialekt sprechen und sich nach den Weltkriegen auf Grund des Drucks gegen alles Deutsche in den USA zum Teil als Niederländer umzudefinieren suchten, obwohl sie konsequente Pazifisten waren. Heute sehen sie sich, soweit sie sich nicht als eigenes Volk betrachten, wieder als Deutsche. Dagegen sehen sich die Elsässer und Lothringer in der Mehrzahl heute entweder als Franzosen elsässischer bzw. moselfränkischer Sprache oder als etwas Eigenes, in einer Minderheit aber auch als Deutsche. Entsprechendes gilt für die deutschsprachigen Belgier im Gebiet Eupen und Malmedy.
Das Wort theodisk stammt sehr wahrscheinlich aus dem längst ausgestorbenen und schriftlich nicht nachweisbaren Westfränkisch. Dies muss eine deutsche Mundart (Dialekt) gewesen sein, die die Franken auf dem Gebiet des heutigen Frankreich sprachen. Überliefert ist das Wort nur in der lateinischen Form theodiscus. Bis ins 8. Jahrhundert hinein sprachen die Franken, wenn sie ihre eigene germanische Sprache bezeichneten, von ihr als frengisk. Als aber die Franken ihr politisches und kulturelles Zentrum ins Gebiet des heutigen Frankreich verlagerten, verlor dort der Begriff frengisk seine Eindeutigkeit, da im westfränkischen Gebiet manche Franken lateinisch, manche "Bauernlatein" ("rusticam romanam", das spätere französisch) und manche theodisk ("deutsch") sprachen. So musste ein neues Wort gefunden werden, das die Sprache der theodisk sprechenden Franken eindeutig abgrenzte. Es entwickelte sich aus dem germanischen Wort theoda ("Volk") mit dem aus dem lateinischen stammenden Suffix -iscus (mit dem auch nhd. -isch verwandt ist) und heißt daher soviel wie "völkisch", also die "Volkssprache". Das Wort theodisk ist wohl erst langsam über die Jahrhunderte von der Sprachgrenze ins Zentrum des ostfränkischen Teiles (aus dem sich Deutsch-Land = deutschsprachiges Land, entwickelte) des Frankenreiches gewandert, denn im ostfränkischen Inneren benutzte man für die eigene Sprache noch viel länger das Wort "fränkisch", weil man sich nicht von Franken abgrenzen musste, die anders sprachen. So verwendete 865 Otfrid von Weißenburg in seinem Evangelienbuch zwar das lateinische Wort theodisce, übersetzt es aber mit frenkisg.
Lat. theodiscus bzw. das germanische Wort theodisk bezeichnete generell eine nichtlateinische, aber westgermanische Sprache oder Ausdrucksweise im germanischsprachigen Mitteleuropa (also Altsächsische bzw. spätere niederdeutsche, mittel- und oberdeutsche Mundarten). Es wurde sowohl im frühen Großbritannien als auch im gesamten teutschsprachigen Raum (Teutschland, einschließlich Niederlande und Schweiz) benutzt und zum Ausgang des Mittelalters zu düdesch (niederdeutsch, z.B. de Kooplüde vun de düdesche Hanse, übersetzt: die Kaufleute von der deutschen Hanse) und teutsch (deutsch) abgeschliffen. Aus diesem Wortstamm leiten sich die Worte dutch (deutsch, im englischen gemeint für Niederdeutsch bzw. Niederländisch) und deutsch (mittelhochdeutsch) ab. Als Regionalbegriff ist es bereits im Annolied (um 1080) belegt: Si hiezin un vehtin wider Diutsche lant und wird es z.B. auch im Sachsenspiegel von 1369 verwendet, wo es heißt: Iewelk düdesch lant hevet sinen palenzgreven: sassen, beieren, vranken unde svaven (Jegliches deutschsprachige (bzw. deutsche) Land hat seinen Pfalzgrafen: Sachsen, Baiern, Franken und Schwaben).
Ob der Name "Deutsch" auch mit dem Namen Tuisto, einem von den Germanen als erdentsprossener Ahnherr ihres Volkes verehrten Gott, zusammenhängt, muss als zweifelhaft angesehen werden.
Literatur
- Der Volksname Deutsch. Hrsg. von Hans Eggers, Darmstadt 1970 (Wege der Forschung 156): Beitr. zur Namenforschung NF 7
- Hans Eggers (Herausgeber) "Der Volksname Deutsch, 1970 (Wege der Forschung)