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Nikolai Frederik Severin Grundtvig

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N.F.S. Grundtvig im hohen Alter

Nikolai Frederik Severin Grundtvig, bekannter als N.F.S. Grundtvig, (* 8. September 1783, † 2. September 1872 in Kopenhagen) war ein dänischer Schriftsteller, Dichter, Philosoph, Historiker, Pfarrer, Pädagoge und Politiker, kurz: interdisziplinärer Philologe.

N.F.S. Grundtvig ist eine der bedeutendsten Personen in der Geschichte Dänemarks. Er war stark beeinflusst von Johann Gottfried von Herder. Grundtvig ist Begründer der Volkshochschule.

Leben

Als Sohn des Priesters Johan Grundtvig wird Nikolai Frederik Severin am 8. September 1783 in Udby auf der Insel Seeland in Dänemark geboren. Ab 1800 besucht er die Aarhus Katedralskole. Er lernt dort Latein und bezeichnet diese Zeit später als eine Phase, wo er sich in eine kalte und altkluge Person verwandelt habe.

1803 wird er Kandidat der Theologie an der Københavns Universitet (Universität Kopenhagen). Danach kehrt er nach Udby zurück.

1805-1803 ist er Privatlehrer auf dem Landgut Egelykke auf der Insel Langeland. Dort verliebt er sich unglücklich in die Frau des Hauses, Constance Leth. In seiner Biografie wird das als eine Modeerscheinung der damaligen Zeit geschildert, wo sich alle jungen Männer unglücklich verlieben mussten – ganz nach dem Vorbild der Leiden des jungen Werther von Goethe, was seinerzeit sehr prägenden Einfluss auf die Jugend hatte. Danach ist er bis 1811 Geschichtslehrer am Scousboeske Institut.

Bei der Predigt anlässlich seiner Katechisation 1810, welche für die folgende Zeit mustergültig werden sollte, eifert er gegen seine rationalistischen Kollegen, die seiner Meinung nach das Wort Gottes nicht richtig verkündeten.

Im selben Jahr durchlebt er eine, sein ganzes weiteres Leben prägende, gesundheitliche und mentale Krise. Ihm erscheint nach eigenen Angaben im Gasthof Vindbyholt kro der Teufel. Er soll so laut gebetet haben, dass er alle anderen Gäste aufweckte. Danach verfasst er seinen ersten Psalm Dejlig er den himmel blå – Schön ist des Himmels Blau.

1811-1813 ist er Kaplan in Udby und hilft seinem Vater, welcher 1813 verstirbt. Vergeblich bewirbt er sich um seine Nachfolge als Pfarrer und geht so nach Kopenhagen. Dort schlägt er zunächst die Laufbahn des Dichters ein (siehe Abschnitt Der Nationaldichter).

1816-1819 erscheint seine Monatszeitschrift Danne-Virke, welche sich mit den Themen Vernunft und Offenbarung beschäftigt. Weitere Schwerpunkte ist die Rolle der Phantasie in Kunst und Poesie. Hier veröffentlicht er auch diverse Gedichte und Aufsätze über Kirche, Staat und Schule. Parallel dazu entsteht sein interdisziplinäres Werk über die Weltgeschichte (siehe Abschnitt Der Historiker).

Am 12. August 1818 heiratet er nach siebenjähriger Verlobungszeit Elisabeth (Lise) Blicher.

1821-1822 wird er Priester in Præstø. Hier wird sein erster Sohn Johan geboren, und hier begräbt er auch seine Mutter.

Der Nationaldichter

Datei:Grundtvig1820.jpg
N.F.S. Grundtvig, der Dichter (1820)

Nach dem Tod des Vaters 1813 und seinem Gang nach Kopenhagen, lässt sich N.F.S. Grundtvig dort in der Straße Løngangsstræde nieder. Dieser Ort bezeichnet seine schriftstellerische Phase bis 1821. Nachdem man ihm seinen Wunsch, Priester zu werden, ausgeschlagen hat, wollte er stattdessen Dichter werden – und das mit bis heute andauerndem Erfolg bei seinen Lesern.

Bruch mit der Romantik

Er spezialisiert sich in (Älterer) Skandinavistik und Anglistik. Gleichzeitig bricht er mit der damals vorherrschenden Stilrichtung der Romantik. Er selber nennt diese Zeit rückblickend seine Bücherwurmzeit.

In seiner Zeitschrift Danne-Virke 1816-1819 erscheinen zahreiche Gedichte, neben philosophischen und theologischen Essays.

1818-1822 übersetzt und veröffentlicht Grundtvig Saxo og Snorre, 1820 Beowulf.

Grundtvigs unabhängiger Geist manifestierte sich 1832 in seiner Mythologie des Nordens (bereits 1808 erschien ein ähnlich benanntes Werk von ihm, damals noch national-romantisch geprägt).

In Dänemark berühmt sind folgende Zeilen aus der Feder N.F.S. Grundtvig:

Til et folk de alle høre,
som sig regne selv dertil,
har for modermålet øre,
har for fædrelandet ild

Aus dem Gedicht »Folkeligheden«, 1848. Zu deutsch etwa:

Zu einem Volk all die gehören,
die sich selber dazu zählen,
die in der Muttersprache hören,
für sich das Vaterland erwählen

Besonders die ersten beiden Zeilen werden gerne zitiert und gehören mit zum Selbstverständnis des dänischen Volkes.

Der Volkspädagoge

International bekannt sind die Schulen, welche Grundtvig begründet hat. Das sind nichtstaatliche Volkshochschulen in Dänemark, die sogenannten folkehøjskoler. Die Grundidee von Grundtvig war, eine Alternative zum staatlichen Erziehungssystem zu schaffen. 1849 und 1855 erkämpfte er in Dänemark die Schulfreiheit. Seitdem gibt es dort keine Schulpflicht mehr.

Sein pädagogisches Konzept war das lebendige Wort zwischen Lehrer und Schüler. In Grundtvig-Schulen gibt es keine Noten. Nicht die Lehrer dozieren monologartig einen Stoff, sondern sie lernen selber durch die Fragen der Schüler. All das unter dem Gesichtspunkt der Aufklärung. Grundtvig wollte die Schule des Lebens, was auch bedeutet: lebenslanges Lernen für alle Beteiligten.

Dieses System ist verwandt mit dem der Waldorfpädagogik von Rudolf Steiner, und den Projekten von Célesitin Freinet, Paulo Freire und Ivan Illich. Es wird auch als experimentelle Erziehung verstanden.

Die Theorie der Grundtvig-Schule ist in keinem kompakten Kanon (in dem Artikel zur Begriffserklärung des Kanon die Bedeutungen 3. und 4.) niedergeschrieben. Vielmehr wird sie in erster Linie mündlich und vorallem durch die Praxis überliefert.

F.S.V. Grundtvig hat durch sein pädagogisches Werk auch das staatliche Schulsystem Dänemarks nachhaltig beeinflusst. Konkurrenz und Schulnoten spielen dort eine untergeordnete Rolle. Das dänische Schulsystem gilt als besonders liberal und vorbildlich, so dass zum Beispiel die vom dänischen Staat betriebenen Schulen in Südschleswig inzwischen mehr von Kindern deutschsprachiger Eltern, als von Kindern der dänischen Minderheit besucht werden.

Der Theologe

N.F.S. Grundtvig, der Theologe (1843)

N.F.S Grundtvig gilt als der markanteste Theologe in Dänemark. Berühmt sind seine Psalme (dänisch.: salme), von denen er hunderte verfasste.

Weltanschaulich wandelte er sich vom Fundamentalisten zum Reformer. Er vertrat dann die Auffassung: Menneske først – kristen så = Erst Mensch – dann Christ.

Das dänische Internetprojekt Grundtvig på Nettet (deutsch: Grundtvig im Netz) hat sich zur Aufgabe gemacht, seine 600 überlieferten Predigten, die in Manuskripten erhalten sind, zu entziffern und dann (meist erstmals) zu veröffentlichen.

theologische Laufbahn

Grundtvig, der Pastorensohn, wird als Jugendlicher 1800 auf die Kathedralenschule in Aarhus geschickt, und studiert ab 1803 Theologie in Kopenhagen.

Vom Februar 1821 bis zum November 1822 ist Grundtvig endlich Priester, und zwar in dem Ort Præstø. Es ist überliefert, dass dort die „ Chemie stimmte“.

Der Philosoph

N.F.S Grundtvig war stark vom Gedanken der Volksaufklärung beseelt. Er vertrat eine emanzipatorische Sicht, welche sich nach dem nationalen Trauma von 1864 (Deutsch-Dänischer Krieg) in einer nationalen Position wiederfand, die man mit den Worten umschreiben kann: Was außerhalb verloren wurde, muss innerhalb wiedererlangt werden. Er verstand die nationale Krise Dänemarks als Chance zur nationalen Identitätsfindung.


Der Historiker

1812, 1814 und 1817 erscheint von N.F.S. Grundtvig das Werk Udsigt over Verdens-Krøniken, seine Weltgeschichte, wo er seine drei Schwerpunktgebiete Geschichtswissenschaft, Dichtkunst und Theologie in einem umfangreichen Werk zusammenfasst und dort die Zusammenhänge der drei Disziplinen untereinander beschreibt.

Der Politiker

Im 19. Jahrhundert war N.F.S. Grundtvig ein wichtiger dänischer Politiker. Zunächst ein überzeugter Monarchist und gegen den Liberalismus der deutschfreundlichen dänischen Bourgeoisie eingestellt, nahm er dennoch an der bürgerlichen Revolution von 1848 teil. Er wurde in der Folge Mitglied der dänischen Nationalversammlung, welche die erste Verfassung des Königreichs verabschiedete und so die konstitutionelle Monarchie einführte.

Von 1850-1858 war er Abgeordneter im dänischen Reichstag. 1866 hatte er ein spätes Comeback und profilierte sich als Führer der linken Opposition im Folketing.

Literatur