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Oktoberrevolution

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Andere Bedeutung Siehe unter Wiener Oktoberaufstand 1848 für die "Oktoberrevolution" in Österreich.

Unter Oktoberrevolution versteht man die Machtübernahme der russischen kommunistischen Bolschewiki (= Mehrheitler) im Jahre 1917 gegen die aus der Februarrevolution hervorgegangene Übergangsregierung der sozialdemokratischen Menschewiki (= Minderheitler) unter Kerenski. Die propagandistisch als Revolution verklärte Usurpation (gewaltsame Machtübernahme) bildete den Ausgangspunkt auf dem Weg Russlands zum Versuch einen sozialistischen Staat (RSFSR/Sowjetunion) aufzubauen.


Hinweis zur Datierung

Die Datumsangaben in diesem Artikel beziehen sich alle auf den Julianischen Kalender, der in Russland bis 1918 benutzt wurde. Zwischen dem Julianischen und unserem Gregorianischen Kalender bestand im 20. Jahrhundert ein Zeitunterschied von 13 Tagen. Die Oktoberrevolution fand also - nach westlicher Zeitrechnung - am 7. November 1917 statt - ein Jahr vor der Novemberrevolution im Deutschen Reich.

Ursachen

Die Februarrevolution von 1917 hatte in Russland zwar die Zarenherrschaft beendet, aber keine Lösung der wichtigsten sozialen und politischen Probleme des Landes gebracht. Die wichtigste Frage war dabei die Kriegsfrage. Russland war seit 1914 kriegsführende Partei im Ersten Weltkrieg. Die Anforderungen dieses "modernen" Krieges, der vom Industriezeitalter geprägt war, überstiegen die Kräfte des weitgehend von der Agrarwirtschaft geprägten Landes bei weitem und führten zu einer Zuspitzung der ohnehin gravierenden sozialen Probleme in Russland.

Nach der Februarrevolution herrschte in Russland ein Nebeneinander von Parlament (Duma) mit seiner Provisorischen Regierung unter Kerenskij und den Arbeiter- und Soldatenräten (den Sowjets) mit ihren Exekutivkomitees. Über die endgültige Verfassung sollte eine verfassungsgebende Versammlung entscheiden, die (zunächst) am 25. November gewählt werden sollte. Die Provisorische Regierung unter Kerenskij konnte sich nicht dazu durchringen, in Friedensverhandlungen mit dem Deutschen Reich und den übrigen Mittelmächten zu treten.

Am 17. April veröffentlichte Lenin seine Aprilthesen, in denen er seine Ansichten zur weiteren Entwicklung der Revolution darlegte.

Verlauf

Zusammenfassung

In der Führung der Partei der Bolschewiki war umstritten, ob sie sich an den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung beteiligen oder statt dessen auf einen gewaltsamen Aufstand setzen sollte. Nach hitzigen Debatten setzten sich schließlich Lenin und Trotzki durch. Lenin, der am 10. Oktober heimlich nach Petrograd zurückgekehrt war, versammelte 12 der 21 Zentralkomiteemitglieder der bolschewistischen Partei um sich. Nach zehnstündiger Diskussion wurde mit 10 gegen 2 Stimmen für die gewaltsame Machtübernahme zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgestimmt. Am 16. Oktober stellte Trotzki eine militärische Organisation auf welche die militärische Machtergreifung übernehmen sollte - das militärrevolutonäre Komitee von Petrograd (MRKP). Die Truppen beschränkten sich auf wenige tausend Soldaten der Petrograder Garnison, der Kronstädter Marine, der dem MRKP beigetretenen Roten Garden sowie wenige Hundertschaften aus den Arbeiterkomitees stammender militanter Bolschewiki.

In der Nacht zum 25. Oktober begann schließlich der Aufstand in Petrograd mit dem berühmten Schuss des Kreuzers "Aurora" auf den Zarenpalast. Aufständische Truppen besetzten strategisch wichtige Stellen in der Stadt sowie den Winterpalast, den Sitz des Zaren, der immer noch in seinem Palast lebte. In der Nacht zum 26. Oktober kapitulierte die Regierung Kerenskij und wurde durch ein kommunistisches Gewaltregime unter Lenin ersetzt.

Am 26. Oktober tagte in Petersburg auch der "II. Allrussische Sowjetkongress". Die Bolschewiki besaßen in diesem zentralen Arbeiter- und Soldatenrat zunächst keine Mehrheit. Aus Protest gegen den gewaltsamen Putsch der Bolschewiki verließen jedoch viele Abgeordnete, darunter die Menschewiki, den Sitzungssaal und überließen den Bolschewiki das Feld.

Der Machtzuwachs der Bolschewiki

Die politische Unentschlossenheit der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre (August/September 1917) führte zu einer Polarisierung in den Arbeiter- und Soldatenräten. Es kam erneut zu einem Linksrutsch in Teilen der Bevölkerung. Die Bolschewiki beherrschte nun die wichtigsten Sowjets in Petrograd (Sankt Petersburg) und Moskau. Darüberhinaus bewaffneten sich die Parteianhänger der Bolschewiki. Als Vorwand galt der Schutz des Staates. Die Politikverdrossenheit des Volkes stärkte diejenigen Kräfte, die unter dem Berufsrevolutionär Vladimir Illjitsch Lenin zielstrebig an die Macht drängten, allen voran die Bolschewiki. Leo Trotzki wurde Vorsitzender des Petrograder Sowjets und Organisator der Machtübernahme. Im Oktober kehrte Lenin aus seinem finnischen Versteck nach Russland zurück. Er drängte die Partei zur alleinigen totalen Regierungsmacht, da er die Zeit für günstig hielt, die schwache Position der Regierung auszunutzen. Er motivierte seine Parteigenossen ungemein.

Die Sozialistische Revolution

Am 22. Oktober 1917 übernahm das „Militärrevolutionäre Komitee“ des Petrograder Sowjets unter Führung Trotzkis die Befehlsgewalt über die Garnison der Hauptstadt. In der Nacht vom 25. Oktober 1917 nahmen Truppenteile strategische Punkte der Stadt ein. Es kam zur Erstürmung des Winterpalais, das als Regierungssitz gedient hatte. Alle Regierungsmitglieder, außer Ministerpräsident Kerenski, wurden verhaftet. Die Machtübernahme der Bolschewiki erfolgte derart reibungslos und unauffällig, dass viele Bürger über die Geschehnisse erst durch die Zeitung erfuhren. Der 2. Allrussische Sowjetkongress wurde eingerufen, die Mehrheit hatten die Bolschewiki und linke Sozialrevolutionäre inne. Dieser Kongress bestätigte am 25. Oktober 1917 offiziell die Machtübernahme. Die Menschewiki und rechte Sozialrevolutionäre, die den bolschewistischen Staatsstreich nicht anerkannten, verließen den Kongress oder nahmen nicht daran teil.

Der Rat der Volkskommissare

Die neue Regierung nannte sich Rat der Volkskommissare. Lenin übernahm den Vorsitz. Die Regierung bestand nur aus Bolschewiki. Trotzki wurde Chef des Ressorts für Verteidigung. Tschitscherin für Außenpolitik. Stalin war zuständig für die Nationalitätenfrage. Die Machtübername gestaltete sich relativ einfach, die Erhaltung der Macht hingegen als ungleich schwerer, da die bolschewistische Machtübernahme nicht zu der erhofften Weltrevolution führte. Am 26. Oktober 1917 wurde das Dekret über den Frieden erlassen. Sofortige Verhandlungen über einen gerechten Frieden wurden von Russland angeboten. Die europäischen Regierungen lehnten das Friedensangebot jedoch ab. Der Krieg setzte sich fort. Der „neue“ nun „revolutionäre Krieg“ war geprägt durch die mangelnde Kampfbereitschaft russischer Soldaten. Lenin war fest entschlossen, Teile des Landes den Deutschen zu opfern um eine „Atempause“ herbeizuführen. Das Ziel war die Behauptung der Macht.

Der Frieden von Brest-Litowsk

Russland akzeptierte den Diktatfrieden von Brest-Litowsk, dessen Auswirkungen den Verlust der Ukraine, des Baltikums, Finnlands und Georgiens bedeutete, sowie hohe Reparationszahlungen beinhaltete. Damit wurde der Hauptpunkt der Aprilthesen erfüllt, nämlich Beendigung des Krieges. Die Lenkung des Staates hingegen wurde der Partei der Bolschewiki übertragen und nicht wie angekündigt den Räten. Die Räteidee sah eine sozialistische Politik unter der Führung von Räten ohne die Festlegung auf eine bestimmte Parteilinie vor. Diese Räteidee war jedoch gescheitert, die Partei hielt an einer rigorosen Durchsetzung ihres Machtmonopols fest.

Die Wahlen zur Konstituante (Verfassungsgebende Versammlung)

Am 11. November 1917 fanden die Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung (Konstituante) statt. Die Bolschewiki trugen eine schwere Niederlage davon, sie erhielten nur 25 % der Stimmen. Lenin beschloss, dass es ein Missverhältnis zwischen dem Wahlresultat und dem inzwischen fortgeschrittenen Volkswillen gäbe. Er löste die Konstituante am 5. Januar 1918 kurzer Hand durch Waffengewalt auf. Der Aufstand der Massen blieb jedoch aus. Grund hierfür sind erste positive Reformmaßnahmen der Partei und Kampfmaßnahmen gegen die politische Opposition.

Die Umsturzdekrete

Ziel dieser Dekrete war primär eine Verbesserung der misslichen Lage des Staates sowie die Sicherung der Macht der Partei:

Dekret über Grund und Boden (26. Oktober 1917):

Der private Grundbesitz ging in die Verwaltung von Dorfagrarkomitees und Kreisbauernsowjets über; jeder Landbewohner hatte das Recht auf einen Anteil am Boden; Entstehung kleiner Privatwirtschaften; Befriedigung des Landhungers der Bauern

Dekret über Arbeiterkontrolle (14. November 1917):

keine sofortige Verstaatlichung der Industriebetriebe, sondern Kontrolle der Unternehmen durch die Arbeiter. Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Arbeitern funktionierte jedoch nicht; Folge: Verstaatlichung der Industrie, Prozess war bereits Mitte 1918 abgeschlossen.

Die Tscheka

Am 7. Dezember 1917 wurde die „Außerordentliche Kommission für den Kampf gegen die Konterrevolutionäre und Sabotage“ (Abkürzung: Tscheka) gegründet. Ihr Ziel war die Ausschaltung der politischen Opposition durch brutale Mittel. Durch die Tscheka erlangte die Partei auch auf dem Lande das Machtmonopol, obwohl sie dort selbst nach der Oktoberrevolution nur schwach vertreten war. Trotzki schuf die „Rote Armee“ als Schutz gegen äußere Feinde. Das Selbstverständnis der Partei war die Vorstellung, dass die Sowjetmacht eine Vorreiterrolle in der Welt einnimmt und sich politische und gesellschaftliche Strukturen international am Beispiel Russland orientieren.

Folgen

Die Oktoberrevolution sicherte den Bolschewiki um Lenin und Trotzki zunächst nur die Macht in Petersburg und bildet deshalb nur einen Schritt auf dem langen Weg der Kommunisten zur Herrschaft in ganz Russland. Immerhin war der wichtigste Gegner, die Regierung Kerenskij, gestürzt. Was nun folgte, waren lange und grausame Jahre des Bürgerkrieges und des Kriegskommunismus. Die sozialen Probleme des Landes wurden in dieser Zeit, bedingt durch die internationale Isolierung und den Bürgerkrieg gegen die "Weißen" nur unzureichend gelöst. Allerdings erfüllte sich sehr schnell eine der Hauptforderungen der Revolutionäre, es gelang dem neuen Regime unter dem Volkskommissar für äußere Angelegenheiten Trotzki, Frieden mit Deutschland zu schließen (Friede von Brest-Litowsk). Während der Zeit des Bürgerkrieges führte die neue Regierung jedoch auch Kriege gegen Polen, Finnland und Lettland.

Literatur

  • Karl Held, Das Lebenswerk des Michail Gorbatschow - Die Zerstörung der Sowjetunion (Von der Oktoberrevolution zur Perestroika), München 1992, ISBN 3929211009
  • John Reed, Ten days that shook the World, USA 1919; dt. Zehn Tage, die die Welt erschütterten, Berlin 1957
  • Maurice Brinton: Die Bolschewiki und die Arbeiterkontrolle. Der Staat und die Konterrevolution. Verlag Association, Hamburg 1976. ISBN 3-88032-045-4
  • Alexander Berkman: Der bolschewistische Mythos. Tagebuch aus der russischen Revolution. Edition AV, Frankfurt 2004. ISBN 3-936049-31-9
  • Manfred Hildermeier, Russische Revolution. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2004, ISBN 3-596-15352-2