Paul Ricœur
Paul Ricœur (*27. Februar 1913 in Valence, † 20. Mai 2005 in Châtenay-Malabry) war ein französischer Philosoph.
Ricœur beschäftigte sich vor allem aus phänomenologischer und psychoanalytischer Perspektive mit den Grundbegriffen der Geschichtswissenschaft. Sein Denken war stark von Martin Heidegger, Edmund Husserl, Sigmund Freud und Karl Jaspers beeinflusst.
Der am 27. Februar 1913 in Valence geborene Ricœur wuchs bei Pflegeeltern in der Bretagne auf, da seine Mutter nach seiner Geburt und sein Vater 1915 an der Front gestorben waren. Er studierte Philosophie an der Sorbonne wurde 1939 eingezogen und kam nach Pommern in Kriegsgefangenschaft. Während dieser Zeit lernte er Deutsch und begann mit dem Studium der deutschen Philosophie. 1950 promovierte Ricœur an der Sorbonne über die christliche Existenzphilosophie Gabriel Marcels und die phänomenologische Methode Husserls. 1957 erhielt er dort eine Professur für Allgemeine Philosophie. Zunehmend rückte für Ricœur das Problem der Sprache und ihrer Phänomene in den Fokus seiner Arbeit. 1966 wechselte er an die Universität Paris-Nanterre, wo er 1969 Rektor wurde. Von diesem Amt trat er 1970 zurück, als der Staat infolge der Studentenproteste massiv in die Hochschulautonomie eingriff. Im selben Jahr wurde er an der University of Chicago Lehrstuhlnachfolger Paul Tillichs, wobei er aber die Lehrtätigkeit in Paris mit Unterbrechungen beibehielt.
In seinem 1975 verfassten Werk La métaphore vive (Die lebendige Metapher) behandelt Ricoeur die poetische Funktion der Sprache. 1983 folgte anknüpfend an die Poetik des Aristoteles das dreibändige Opus Temps et récit (Zeit und Erzählung), in dem er Gemeinsamkeiten in der Zeitlichkeit von Historiographie und Dichtung herausarbeitet. Auch nach seiner Emeritierung 1987 (Paris) und 1990 (Chicago) widmete sich Ricœur weiter geschichtsphilosophischen Untersuchungen im sprachlich-phänomenologischen Kontext. Die Debatte um "Gedächtnis" und Gedächtniskultur bereicherte er mit dem im Jahre 2000 erschienenen Buch La mémoire, l'histoire, l'oubli (Gedächtnis, Geschichte, Vergessen). Aus historischer, erkenntnistheoretischer und phänomenologischer Sicht untersucht er darin das Problem des Erinnerns und den Zusammenhang mit dem (kulturellen) Gedächtnis.
Paul Ricœur gehörte mit Reinhart Koselleck und anderen zu den Philosophen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur zu untersuchen und den Mangel an Selbstreflexion der Historiographie herauszuarbeiten. Auch war er stets bemüht, als Vermittler zwischen den Kulturen und Denktraditionen im angelsächsischen, deutschen und französischen Sprachraum zu wirken.
Für sein Lebenswerk wurden Ricœur zahlreiche Preise verliehen, u.a. die Ehrendoktorwürde der Pariser Universität, der Karl-Jaspers-Preis der Universität Heidelberg und der Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen.
Werke
- Vom Text zur Person - Hermeneutische Aufsätze ISBN 3787317228.
- Wege der Anerkennung ISBN 3518292625.
- Gedächtnis, Geschichte, Vergessen ISBN 3770537068.
- Die Religiöse Kraft des Atheismus (zusammen mit Alasdair McIntyre) ISBN 3495480668.
- Das Selbst als ein Anderer ISBN 3770529049
- Das Rätsel der Vergangenheit ISBN 3892443335
- Symbolik des Bösen ISBN 3495480749.
- Die Fehlbarkeit des Menschen ISBN 3495480730
- Zeit und Erzählung 3 Bände ISBN 3770525469
- Geschichtsschreibung und Repräsentation der Vergangenheit ISBN 3825863204.
- Die lebendige Metapher ISBN 3770523490
- Geschichte und Wahrheit ISBN 3471665498
- Die Interpretation ISBN 351827676X
- Staat und Gewalt
Literatur
- Jens Mattern: Ricoeur zur Einführung, Hamburg: Junius, 1996, ISBN 3885069199
Links
- Vorlage:PND
- Paul Ricœur. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Nachruf der taz und Berichtigung eines Fehlers im Text
- Nachruf der „Welt“
- Nachruf des Spiegel-Online
Personendaten | |
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NAME | Ricoeur, Paul |
ALTERNATIVNAMEN | Ricœur, Paul |
KURZBESCHREIBUNG | Französischer Philosoph |
GEBURTSDATUM | 27. Februar 1913 |
GEBURTSORT | Valence, Frankreich |
STERBEDATUM | 20. Mai 2005 |
STERBEORT | Paris, Frankreich |