Das egoistische Gen
Das egoistische Gen ist ein Werk des Evolutionsbiologen Richard Dawkins (im Original "The selfish Gene"). Für seine in diesem Buch postulierte Theorie wird die gleiche Bezeichnung verwendet.
Herleitung
Dawkins geht von der Überlegung aus, dass in der Evolutionsforschung eine Zeit lang Arten als Einheit der Selektion angesehen wurden. (Wie es in älteren Dokumentationen immer noch heißt: Tiere "opfern sich zum Wohl der Art"). Inzwischen geht die allgemeine Tendenz jedoch eher in die Richtung, einzelne Individuen und ihre Konkurrenz um Ressourcen in den Vordergrund zu stellen. Dawkins denkt diesen Ansatz radikal weiter: warum sollten nicht die Gene selbst miteinander "im Wettstreit stehen"? Denn zumindest bei Lebewesen, die sich sexuell vermehren, können ja nicht ganze Individuen in die nächste Generation weitergegeben werden, sondern nur eine mehr oder weniger willkürliche Auswahl ihrer Gene. Insofern besteht eine Konkurrenz der Gene um ihre Verteilung in der nächsten Generation. Besonders allele Gene stehen in direkter Konkurrenz, also solche, die an der gleichen Stelle im Genom sitzen können und die gleiche Aufgabe erfüllen, sich aber darin voneinander unterscheiden können, wie sie diese Aufgabe erfüllen. Gene müssen deshalb immer "egoistisch" sein, d.h. in diesem Zusammenhang ihre Verbreitung auf Kosten von anderen Genen vergrößern. (Bitte jetzt nicht den Fehler machen, Genen Gefühle zuzuschreiben, aber man kann es so veranschaulichen.)
Entwicklung des Lebens
Dawkins führt die gesamte Entwicklung des Lebens auf die Selektion von Genen zurück, die jeweils die meisten Kopien von sich anfertigen konnten. Im Laufe der Evolution hätten sich diese immer raffiniertere "Überlebensmaschinen" in Form von pflanzlichen oder tierischen (auch menschlichen) Körpern geschaffen. Dabei können Gene, die keine Allele sind und deshalb auch nicht in direkter Konkurrenz stehen, durchaus auch kooperieren. Erst dadurch werden die komplexen Wechselwirkungen in heutigen Lebewesen überhaupt möglich.
Verwandtenselektion
Aber Dawkins zufolge lässt sich auch eindeutig altruistisches (selbstloses) Verhalten von Individuen durch den Egoismus der Gene erklären. Hilfe unter Verwandten ist ein selbstloser Akt, denn das einzelne Individuum hat dadurch meist keinerlei Vorteile. Für das Gen, welches die Veranlagung zur Verwandtenhilfe festlegt, kann es jedoch unter bestimmten Bedingungen durchaus günstig sein, das andere Individuum zu retten. Denn unter den engsten Verwandten (Eltern, Kinder, Geschwister) ist die Chance, dass der andere das gleiche Gen trägt, 50%. Wenn also die Gefahr oder der Schaden für den Helfer weniger als halb so groß ist wie der Gewinn für den Empfänger, wird sich auf diese Weise das Gen stärker verbreiten. Denn im Mittel werden dann über die Generationen mehr Kopien des Gens erhalten. (Am einfachsten nachzuvollziehen ist das vielleicht am Extrembeispiel, wenn jemand sein Leben für das von Verwandten opfert: wenn ich sterbe, aber zwei Geschwister dafür überleben, macht das für meine Gene keinen Unterschied; rette ich drei Geschwister, ist das für meine Gene im Durchschnitt ein Gewinn.)
Meme
Als Entsprechung zu seiner Sicht des Gens führt Dawkins in seinem Buch auch die Idee des Mems ein: eine Art Gedankenbaustein, der weitestgehend unverändert weitergegeben werden kann, aber auch ähnlich wie Gene mutieren kann und durch die "Eingängigkeit", seine Speicherfähigkeit im Gehirn, unter Selektion steht. Dazu zählt Dawkins Ideen, Melodien, Theorien, Phrasen; im Grunde jegliches Gedankengut kann demnach im Meme zerlegt werden.