Deutscher Sprachpurismus
Unter Sprachpurismus (auch Sprachreinigung) wird der Versuch verstanden, alle Fremd- und Lehnwörter aus einer Sprache zu entfernen, indem aus dem Material der eigenen Sprache neue Wörter gebildet werden.
In einer globalisierten Welt verliert der Sprachpurismus zunehmend an Praktikabilität. Zu aktuellen Formen siehe auch Frankreich. Im deutschsprachigen Raum fühlen sich viele Menschen bei Sprachpurismus mitunter an die Sprachpolitik der Nazis erinnert. Victor Klemperer beschreibt in seinem Buch „LTI“ jedoch auch, dass im Dritten Reich gerade Fremdwörter als Mittel der Verschleierung verwendet wurden. Zitat: Ein schön gelehrtes Signum, wie ja das „Dritte Reich“ von Zeit zu Zeit den volltönenden Fremdausdruck liebte: Garant klingt bedeutsamer als Bürge und diffamieren imposanter als schlechtmachen. (Vielleicht versteht es auch nicht jeder, und auf den wirkt es dann erst recht.)
Oft gilt Purismus als unnötig, doch eigensprachliche Bildungen haben die deutsche Sprache durchaus auch bereichert (z. B. Stelldichein für Rendezvous oder Rechner für Computer). Puristische Bildungen, die sich nicht durchgesetzt haben, wirken dagegen kurios und scheinen zu beweisen, dass Purismus unnötig oder sogar lächerlich ist (z. B. Gesichtserker für Nase, Schlappscheibe für Diskette oder Krummfrucht für Banane).
Bei Nationalisten ist es üblich, restlos alle Anglizismen durch deutsche Entsprechungen zu ersetzen, etwa „Weltnetz“ für Internet oder „T-Hemd“ für T-Shirt.
Damit sich eine eigensprachliche Bildung durchsetzen kann, muss sie kurz oder treffend-bildhaft sein, und das ersetzte Fremdwort muss störend wirken, etwa durch seine Aussprache oder Betonung.
Einer der frühesten deutschen Puristen war der Philosoph Christian Wolff (1679–1754), der philosophische Begriffe aus dem Lateinischen, dessen damals nur Menschen mit Zugang zu höherer Bildung mächtig waren, ins Deutsche übertrug und damit die Grundlage für den Aufschwung der deutschen Philosophie im 18. Jahrhundert legte (Grundlage ist eine Bildung Wolffs für lat. fundamentum). Lateinische Begriffe sind aber selbst heute noch in der deutschen Philosophie durchaus üblich.
Siehe auch: Sprachpflege, Sprachkritik, Sprachschutzgesetz, Sprachpolitik, Sprachverfall, Académie française, Joachim Heinrich Campe, Sprachpanscher, Fremdwortpurismus, Isländischer Sprachpurismus.
Literatur/Weblinks
- Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart: 17. und 18. Jahrhundert, Band 2, de Gruyter Berlin-New York 1994, 498 Seiten.
- Sprachgeschichte und Sprachkritik, Festschrift für Peter von Polenz zum 65. Geburtstag. de Gruyter, Berlin 1993
- Sprachreinigung. Eintrag in Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl., 1888, Band 15, Seite 182
- Dr. Michael Klemm: Wenn die Sorre im Gilbhart durch die Zeugemutter fährt... Kleine Geschichte der sprachpflegerischen Eindeutschungen – von erfolgreich bis skurril. Lingua et Opinio (studentische Zeitschrift an der TU Chemnitz), 18. Januar 2005