Islamischer Zentralrat Schweiz
Der Verein Islamischer Zentralrat Schweiz (IZRS) ist eine islamistisch-neofundamentalistische Organisation in der Schweiz. Die Organisation ist als Verein mit Sitz in Bern im Handelsregister eingetragen.[1]
Ziele
Wie den Statuten zu entnehmen ist, will der Verein Vorurteile in der Bevölkerung gegenüber dem Islam abbauen helfen. Zudem sollen islamische Bildungsprojekte in der Schweiz gefördert werden, so auch Koranschulen.[2][3] Als Ziel wird die Konstitution eines islamischen Selbstverständnisses auf der Basis des Korans, der Sunna sowie der Fiqh genannt. Der Verein beansprucht die alleinige öffentliche Vertretung islamisch-normativer Positionen in der Schweiz.[4]
Der Verein ziele nicht auf die Vereinigung spezifischer ethnischer Gruppen ab, sondern hat sich selber gewissermassen zur „Hüterin der islamischen Normativität“[5] unter den muslimischen Gemeinschaften erklärt. Willkommen sei jeder, der sich auf den gemeinsamen Nenner von Koran und Sunna verständigen könne.
Gegründet wurde der Verein an einer konstituierenden Generalversammlung am 25. Oktober 2009 in Aarau. Nach eigenen Angaben wohnten dieser Gründungsversammlung um die 20 Personen aus verschiedenen Landesteilen bei, die bereits in der Vergangenheit in ihren Regionen durch gemeinschaftliche Aktivitäten hervorgetreten seien.[6] Der Öffentlichkeit stellte sich der Islamische Zentralrat Schweiz im Januar 2010 als eine Organisation vor, die für eine strikte Auslegung des Korans steht.
Innerhalb des Vereins soll eine Madschlis asch-Schura (Schura-Rat), also eine Ratsversammlung nach islamischem Recht aufgebaut werden, der IZRS bezeichnet sie als «Rat von Delegierten islamischer Institutionen».[7] Auf deren Zusammensetzung und Entscheide hat die Generalversammlung keinen Einfluss.[8]
Gemäss Statuten kommt dem Präsidenten des Vereins grosse Entscheidungskraft zu. Er hat für jeden Entscheid der Generalversammlung ein Vetorecht, das nur durch eine 2/3-Mehrheit überstimmt werden kann. Für Entscheide des Schura-Rates hat er das absolute Vetorecht.[8]
Mitglieder
Dem Verein können ausschliesslich Männer beitreten, der Verein beruft sich dabei auf den Koran.[9] Vormals sunnitischer Ausrichtung nimmt der Verein heute auch Männer anderer islamischer Gemeinschaften auf.[7]
Laut Handelsregistereintrag versteht sich der Verein als sunnitisch-islamische Körperschaft[1] und nur als Vertreter der Sunniten.[10] Nach Revision der Vereinsstatuten im Mai 2010 könne jede Person islamischen Glaubens als Aktivmitglied durch die Generalversammlung aufgenommen werden.[8]
Gemäss einem Bericht der Zeitung Der Sonntag hatten sich bis am 17. April 2010 960 Mitglieder eingeschrieben. Demnach seien rund 60 Prozent der passiven Mitglieder Männer und 40 Prozent Frauen. Rund 10 Prozent aller Mitglieder sollen Schweizer Konvertiten sein. Die Mehrheit der Mitglieder stamme jedoch aus dem Balkan, aus der Türkei, aus dem Irak und anderen arabischen Staaten, aber auch aus Pakistan und afrikanischen Staaten wie Libyen, Eritrea oder Somalia.[11]
Gemäss eigenen Angaben zählte der Islamischer Zentralrat Schweiz per 23. Mai 2010 36 Aktivmitglieder, davon sechs Frauen, und etwas mehr als 1100 Passivmitglieder.[12] Dem zusammenfassenden Bericht der Generalversammlung vom 23. Oktober 2011 folgend, verfügt der Islamische Zentralrat über 45 Aktivmitglieder, mehr als 2000 Passivmitglieder und 13 angegliederte Institutionen.[13]
Mediale Resonanz
Der IZRS lenkte durch seine Aktivitäten schon kurz nach seiner Gründung die Aufmerksamkeit der Medien auf sich. Der Verein trat in den Schweizer Medien erstmals nach der Minarettabstimmung vom 29. November 2009, im Zusammenhang mit seiner Kundgebung auf dem Berner Bundesplatz, in Erscheinung.[14] Im Zentrum der Berichterstattungen stehen der Präsident Nicolas Blancho, der PR-Sprecher Qaasim Illi, dessen Ehefrau und Zuständige für Frauenangelegenheiten Nora Illi,[15][16] der IZRS-Eventmanager Gibril Muhammad Zwicker (vormals Benjamin «Benny» Zwicker)[17][18][19][20] sowie der politische Berater Oscar A.M. Bergamin.[21] Sie sind allesamt Schweizer Konvertiten und IZSR-Mitglieder. Der Letztgenannte schweiz-niederländische Doppelbürger und ehemalige Journalist war 2003 als Verbindungsoffizier für die Swisscoy auf dem Balkan im Einsatz, 2005 war er als internationaler Berater für die Nato in Afghanistan.[22]
Projekte
Pro Hijab
Der Verein IZRS ist verantwortlich für das Projekt «Pro Hijab», das für das Tragen des Hidschab in den verschiedenen Formen wirbt – von der einfachen Bekleidung Abaya und den Kopftüchern Khimar oder Al-Amira über die den ganzen Körper inklusive das Kopfhaar bedeckenden Dschilbab oder Tschador bis hin zu dem das Gesicht der Trägerin verhüllenden Niqab sowie der Burka, bei der auch noch die Augen verschleiert sind.[23] Zuständig für das Projekt ist Nora Illi, sie trägt in der medialen Öffentlichkeit ausschliesslich einen Niqab.
Volksinitiative gegen Minarettverbot
Der Verein bezeichnet die Annahme der Eidgenössischen Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» als politischen Fehlentscheid, weshalb mit einer weiteren Initiative gegen das Bau-Verbot von Minaretten vorgegangen werden soll.[21] Dazu wurde ein eigenständiges Komitee lanciert, wobei Oscar A.M. Bergamin und Qaasim Illi als Initianten und Vertreter des IZRS dem Initiativ-Komitee angehören.[21] Für die Initiative suchte der IZRS Geldgeber in Kuwait und Katar.[3]
Gross-Moschee Bern
Der Verein will im Berner Stadtteil Brünnen eine mehrstöckige Moschee bauen, das Prestigeprojekt soll dereinst als modernste Moschee der Schweiz gelten. Geplant sei ein Gebtsraum für 270 Männer und 174 Frauen, Verkaufsgeschäfte sowie Räume für Konferenzen und Schulungen. Dabei ist der Verein auf Spenden aus dem Ausland angewiesen, für das Bauvorhaben suchte der IZRS Geldgeber in Kuwait und Katar.[24][3][25]
Muslim-TV
Der Verein will einen Internet-Fernsehkanal realisieren. Das Fernsehprogramm soll einen Polittalk, ein Wochenmagazin sowie Serienpredigten in einem Vereinseigenen Fernsehstudio produziert werden. Es wollen vorwiegend Sendungen auf Deutsch, jedoch auch in Arabisch, Bosnisch und Albanisch mit deutschen Untertiteln gesendet werden.[26][27]
Swiss-Muslim-Card
Der Verein plant eine «Swiss-Muslim-Card» (SMC), welche Mitgliedern des IZRS in ausgewählten Fitness-Centern, Hallenbädern, Restaurants, Hotels, Läden sowie bei Krankenkassenprämien Rabatte von 5 bis 15 Prozent bescheren soll.[26][27]
Kritik
Hassprediger
Für Kontroversen sorgte wiederholt die Einladung des Hasspredigers Pierre Vogel zu Auftritten in der Schweiz. Vormals an der Schweizer Grenze abgewiesen konnte Vogel 2010 zu einem Symposium einreisen und stand unter Beobachtung der Bundespolizei.[28] Zu Diskussionen anlass gaben auch die an einer Tagung in Disentis durch Muhamed Ciftci geäusserten Ansichten betreffend Enthauptung von ungläubigen Muslimen.[29] Der Verfassungsschutz von Niedersachsen bestätigte 2010 die Verbindungen des Vereins zur Organisation «Einladung zum Paradies» (EZP) der deutschen Islamisten, Vogel und Ciftci stehen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.[30]
Schweizer Rechtsordnung
Der Bundesrat beschloss 2009, unter der Leitung vom Bundesamt für Migration BFM den bestehenden Kontakt mit der muslimischen Bevölkerung im sogenannten «Muslim-Dialog» zu „intensivieren und vertiefen“.[31] Blancho und Illi wollten sich 2010 in einer Sitzung mit dem BFM nicht explizit von der Einführung eines Fatwa-Rats, von der Steinigung und dem Schlagen der Frau distanzierten sowie die in der Schweiz geltende Rechtsordnung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht klar akzeptierten, weshalb der Verein von den Gesprächen ausgeschlossen wurde.[32][33][34]
Finanzen
Die Finanzierung des Vereins und dessen Grossanlässe und Projekte ist nicht transparent. So sollen sogar Mitglieder keine Kenntnisse über die Finanzen haben, „an den Generalversammlungen des Vereins sei noch kein einziges Mal eine saubere Jahresrechnung vorgelegt worden“. Kritisiert wird vorallem der Kontakt des Präsidenten Nicholas Blancho zu Tareq al-Essa, Präsident der «Revival of Islamic Heritage Society» (RIHS). Die RIHS wird u.a. in Pakistan und Afghanistan von der UNO gemäss Resolution 1989 wegen Verbindungen zu al-Qaida und den Taliban sanktioniert.[3]
Als politisch problematisch wird die mögliche Finanzierung einer Volksinitiative durch Geldgeber aus der Golfregion beurteilt.[3]
Kritik von Seiten Muslimen in der Schweiz
Der in Genf lebende Islamwissenschaftler Tariq Ramadan meinte im Juli 2010, dass alle muslimische Organisationen, die seit 20 oder 30 Jahren in der Schweiz tätig sind, Blancho und dessen Islamischen Zentralrat als „eine Randerscheinung in der muslimischen Landschaft“ sehen. Blancho repräsentiere nur einen minimalen Teil des Islams in der Schweiz.[35] Der IZRS gilt bei gemässigten Muslimen in der Schweiz als verpönt.[36][37] Das Zürcher Forum für einen fortschrittlichen Islam tritt sogar für ein Verbot des Vereines ein, Gewalt sei ein Teil von dessen Ideologie.[38]
So stiess denn auch das durch den IZRS angekündigte Grossprojekt einer Moschee in Bern bei der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (Kios) als auch bei der Föderation Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz (Fids) als "Projekt einer muslimischen Splittergruppe" auf Ablehnung.[25][39]
Weblinks
- Website des Vereins Islamischer Zentralrat Schweiz
- Website des Projektes «Pro Hijab»
- Club: Muslime in der Schweiz – wie gefährlich sind Fundamentalisten? Schweizer Fernsehen, 30. März 2010.
- Arena: Radikale Muslime im Aufwind? Schweizer Fernsehen, 23. April 2010.
Einzelnachweise
- ↑ a b Eintrag des Islamischen Zentralrats Schweiz im Handelsregister des Kantons Bern
- ↑ Nicolas Blancho: Spuren führen zu al-Qaida. In: Tages-Anzeiger vom 25. April 2010, Zugriff: 19. Januar 2012.
- ↑ http://www.izrs.ch/index.php/de/statuten.html
- ↑ Burka und Minarett, NZZ Online
- ↑ Über uns, izrs.ch
- ↑ a b Türen auch für Institutionen offen: Der Zentralrat schafft eine zweite Kammer. In: izrs.ch, Zugriff: 21. Januar 2012.
- ↑ a b c Statuten des Islamischen Zentralrats Schweiz
- ↑ Neuer Islamischer Zentralrat setzt Informationsoffensive fort. In: Swissinfo vom 15. Januar 2010, Zugriff: 21. Januar 2012.
- ↑ Fromme Muslime mobilisieren, Schaffhauser Nachrichten, 16. Januar 2010
- ↑ Jung, weiblich, gut ausgebildet, Der Sonntag, 17. April 2010
- ↑ Ausserordentliche GV vom 22.05.2010: Zusammenfassung der Beschlüsse, Website des IZRS, 23. Mai 2010, abgerufen am 20. November 2011.
- ↑ Zusammenfassender Bericht der ordentlichen GV vom 23.10.2011, Website des IZRS, 6. November 2011, abgerufen am 20. November 2011.
- ↑ Friedliche Demonstration gegen «Islamhetze» auf dem Bundesplatz, SF1
- ↑ Braucht die Schweiz ein Burka-Verbot?. In: Club, Schweizer Fernsehen, 11. Mai 2010.
- ↑ Hinter dem Schleier. In: Der Sonntag vom 25. Juni 2011, Zugriff: 17. Januar 2012.
- ↑ Fundamentalist plant Karriere in Armee In: Der Sonntag, 1. Mai 2010.
- ↑ Keine Glaubensfrage – radikal-islamistischer Offizier ist Sicherheitsrisiko. In: Tagesschau, Schweizer Fernsehen, 6. Mai 2011.
- ↑ Zum Islam konvertierter Offizier ist ein Sicherheitsrisiko. In: Tages-Anzeiger, 7. Mai 2011.
- ↑ Gibril Zwicker hält die Scharia für besser als die Schweizer Verfassung: Brauchen wir so einen Offizier? In: Blick, 8. Mai 2011.
- ↑ a b c Muslime planen eine Volksinitiative gegen das Minarettverbot. In: Berner Zeitung vom 29. November 2010, Zugriff: 21. Januar 2012. Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „BZ-2010-11-29“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Der Löwe Allahs. In: Tagblatt Online, 4. März 2010.
- ↑ Formen des Hijabs. In: Pro Hijab, Zugriff: 19. Januar 2012.
- ↑ IZRS sucht Geldgeber für Moschee in Bern. In: Schweizer Fernsehen, Tagesschau vom 15. Januar 2012, Zugriff: 21. Januar 2012.
- ↑ a b Moschee in Bern-Brünnen: Blancho wiegelt ab. In: Der Bund vom 16. Januar 2012, Zugriff: 21. Januar 2012.
- ↑ a b «Blancho lebt nicht vor, was er predigt». In: Tages-Anzeiger vom 22. Januar 2012, Zugriff: 22. Januar 2012.
- ↑ Islamprediger Vogel reist legal in die Schweiz ein, In: Tagesschau, Schweizer Fernsehen, 27. März 2010.
- ↑ Islamisten in Disentis: Video mit radikalen Aussagen aufgetaucht, In: Tagesschau, Schweizer Fernsehen, 10. März 2010.
- ↑ Blancho und das Paradies – Verbindungen des Islamischen Zentralrats nach Deutschland. In: NZZ am Sonntag vom 2. Mai 2010, Zugriff: 21. Januar 2012.
- ↑ Den Dialog mit den Muslimen fortführen und erweitern. In: Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement EJPD, Medienmitteilung vom 21. Dezember 209, Zugriff: 22. Januar 2012.
- ↑ Muslim-Dialog ohne Islamischer Zentralrat Schweiz IZRS. Bundesamt für Migration BFM, Medienmitteilung vom 04. Mai 2010, Zugriff: 22. Januar 2012.
- ↑ Muslim-Dialog ja, aber ohne Zentralrat. In: Swissinfo vom 4. Mai 2011, Zugriff: 22. Januar 2012.
- ↑ Bund bleibt hart - Muslim-Dialog mit Blancho "undenkbar". In: Swissinfo vom 4. Mai 2011, Zugriff: 22. Januar 2012.
- ↑ «Muslime sollen aufhören, sich als Opfer zu inszenieren», Blick, 18. Juli 2010
- ↑ Irgendwann laufen sie in den Hammer, 20min.
- ↑ Zwietracht unter den Muslimen, NZZ: "[...] Die Konvertiten werden [...] von den gebürtigen Muslimen in ihrer Erscheinung einerseits als lächerlich empfunden, andererseits auch als Bedrohung wahrgenommen."
- ↑ «Er hat es ja gesagt: Gewünscht sei eine Parallelgesellschaft» Tages-Anzeiger.
- ↑ Muslime lehnen "Zentralrat"-Moschee als Projekt einer Splittergruppe ab. In: kipa-apic.ch – Katholische Internationale Presseagentur vom 16. Januar 2012, Zugriff: 21. Januar 2012.