Clemens August Graf von Galen
Clemens August Graf von Galen (* 16. März 1878 in Dinklage, Oldenburger Münsterland; † 22. März 1946 in Münster, Westfalen) war ein deutscher Bischof und Kardinal.
Leben
Er wurde als 11. von 13 Kindern des Zentrumsabgeordneten Ferdinand Heribert Graf von Galen und dessen Ehefrau Elisabeth geb. von Spee geboren. Nach Studien in Freiburg im Üchtland, Innsbruck und Münster (Westfalen) wurde er 1904 zum Priester geweiht. Er war zunächst als Kaplan seines Onkels Maximilian Gereon Graf von Galen, des Weihbischofs von Münster, tätig. Später (1906 - 1929) hatte er Stellen als Pfarrer in Berlin inne. Dort äußerte er sich mehrfach kritisch gegenüber der modernen Gesellschaftsordnung und der parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik. 1929 wurde er Pfarrer der Gemeinde St. Lamberti in Münster.
Bischofswahl 1933
1933 wurde er zum Bischof von Münster geweiht. Seit der im Jahre 2003 erfolgten Öffnung der vatikanischen Archive für die Zeit bis 1939 ist Näheres zum Ablauf der Bischofswahl bekannt geworden: Von Galen stand zwar auf der Vorschlagsliste, die das Domkapitel eingereicht hatte, nicht aber auf der Dreierliste, die der Heilige Stuhl dem Kapitel zur Wahl vorlegte. Als ausschlaggebend wird hierfür die Einschätzung von Galens durch den Nuntius Cesare Orsenigo angesehen, der an Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli von herrischer (arroganter) Auftretensweise, Starrsinn und zu schulmeisterlichem Ton für einen einfachen Pfarrer schrieb. Erst als der zunächst gewählte, aus dem Bistum Münster stammende Berliner Domkapitular Heinrich Heufers die Wahl aus Gesundheitsgründen abgelehnt hatte und der sodann von den verblieben zwei Kandidaten gewählte Paderborner Professor Adolf Donders darum gebeten hatte, das Amt nicht antreten zu müssen, erweiterte der Papst - damit dem Kapitel überhaupt eine Wahl blieb - die auf einen Kandidaten (den Trierer Weihbischof Antonius Mönch) geschrumpfte Liste um von Galen, den das Kapitel am 18. Juli 1933 einstimmig wählte. Am 28. Oktober 1933 wurde er geweiht und in das Amt eingeführt. Als Wappenspruch wählte er ein Versprechen des Weihekandidaten aus der Liturgie der Bischofsweihe: Nec laudibus, nec timore (lat., Weder durch [Menschen-]Lob, noch durch [Menschen-]Furcht [weiche ich von Gottes Wegen ab]).
Galen war der erste deutsche Bischof, der nach Inkrafttreten des sogenannten Reichskonkordats sein Amt antrat. Wie im Konkordat festgelegt, leistete er daher als erster deutscher Bischof einen Treueeid auf den Staat. Die Eidesformel lautete: „Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande Preußen Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen.“ Diese Eidesformel gilt (mit kleinen Änderungen wie Bundesrepublik Deutschland statt Deutsches Reich und z. B. Nordrhein-Westfalen statt Preußen) noch heute; ungeachtet des Gebotes von Jesus Christus, dem Herrn und Gott, gemäß Matthäus 5, 34-37: "Du sollst nicht schwören".
Zeit des Nationalsozialismus
Von Galen wird von einer breiten Öffentlichkeit als Gegner des NS-Regimes angesehen. Kurz nach seiner Amtseinführung hatte er in einer Predigt in Xanten die Aktualität des Martyriums hervorgehoben. In einer breiten Öffentlichkeit wurde von Galen unter anderem deshalb als Widerstandskämpfer angesehen, weil er in seiner Diözese die gegen die Rassenideologie Alfred Rosenbergs gerichtete anonyme Schrift „Studien zum Mythus des 20. Jahrhunderts“ und die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ Papst Pius XI. verteilen ließ, an deren Beratung im Vatikan er vermutlich zuvor teilgenommen hatte. Als er eine Liste beschlagnahmter Klöster und kirchlicher Einrichtungen vorgelegt bekam, sprach er sich in Briefen an Amtsbrüder immer deutlicher gegen die leisetreterische Diplomatie der meisten Bischöfe hinter geschlossenen Türen und für die Einschaltung der Öffentlichkeit gegen die Machthaber aus. Die Enzyklika Mit brennender Sorge ließ er deshalb durch Sonderdrucke in seiner Diözese verbreiten. In drei im Juli und August 1941 gehaltenen und durch illegale Flugblätter sowie Nachdrucke der Alliierten in Deutschland weiterverbreiteten Predigten wandte er sich gegen die Maßnahmen der Gestapo gegen katholische Einrichtungen, Heime und Klöster und die Euthanasie im Rahmen der so genannten Aktion T4 an geistig Behinderten. Wegen der Tötung der Behinderten erstattete er schriftlich Strafanzeige wegen Mordes. Aufgrund seiner mutigen Predigten hat er im Volksmund den Beinamen „Der Löwe von Münster“ erhalten. Zeitweilig wurde das Euthanansieprogramm daraufhin unterbrochen. Martin Bormann erwog, von Galen hängen zu lassen. Joseph Goebbels sprach sich dafür aus, keine katholischen Märtyrer während des Krieges zu schaffen und die Beseitigung von Galens auf die Zeit nach dem Endsieg zu verschieben, womit er sich letztlich durchsetzte. Quellen, die der wissenschaftlichen Öffentlichkeit erstmals durch Dokumente aus dem Seligsprechungsprozess bekannt geworden sind, deuten darauf hin, dass von Galen Kontakte zum Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler unterhielt und Goerdeler im November 1943 in Münster getroffen hat.
Kritiker Galens weisen allerdings auch darauf hin, dass er ein scharfer Kritiker der Weimarer Verfassung war und dass er als streng antiliberal und antisozialistisch galt. Der spanische Putschist, Falangistenführer und Diktator Francisco Franco wurde von ihm als der „spanische Befreier“ bezeichnet, und er begrüßte ausdrücklich den Einmarsch deutscher Truppen in das seit dem Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinland 1936. Zum Zweiten Weltkrieg bemerkte er: „Der Krieg, der 1919 durch einen erzwungenen Gewaltfrieden äußerlich beendet wurde, ist aufs neue ausgebrochen und hat unser Volk und Vaterland in seinen Bann gezogen. Wiederum sind unsere Männer und Jungmänner zum großen Teil zu den Waffen gerufen und stehen im blutigen Kampf oder in ernster Entschlossenheit an den Grenzen auf der Wacht, um das Vaterland zu schirmen und unter Einsatz des Lebens einen Frieden der Freiheit und Gerechtigkeit für unser Volk zu erkämpfen“. Wie diese Äußerungen belegen, war auch von Galen unzweifelhaft ein typischer Vertreter seiner Zeit, der wie weite Teile der Eliten des Kaiserreichs die Weimarer Republik ablehnte und den Feldzug gegen die Sowjetunion als Kampf gegen die „Pest des Bolschewismus“ ansah.
Sein politisches Denken kann insofern als „obrigkeitsstaatlich“ angesehen werden, als er sich – als zutiefst schrifttreuer Christ – die Mahnung des Apostels Paulus zueigen machte: „Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt“ (Röm 13,1 f.). Gerade in der Erkenntnis, dass ein Regime, das die fundamentalen Menschenrechte verletzt, die Berechtigung seiner göttlichen Einsetzung verwirkt hat, sehen heute nicht wenige die herausragende Leistung von Galens.
Nachkriegszeit
1945 erklärte von Galen in seinem ersten Interview gegenüber der anglo-amerikanischen Presse, dass, obwohl er und andere gebildete Deutsche Antinazis sein könnten, sie trotzdem treu gesinnt sein müssten gegenüber dem Vaterland und sie daher die Alliierten als Feinde betrachten müssten. Von Galen kritisierte in den nächsten Monaten die Besatzungswillkür. John S. Conway (Department of History, University of British Columbia) ist in der unten zitierten Rezension der Auffassung, ein zutreffendes Epitaph werde von Galen mit der Einschätzung des britischen Foreign Office gesetzt, das ihn als the most outstanding personality among the clergy in the British zone.... Statuesque in appearance and uncompromising in discussion, this oak-bottomed old aristocrat ... is a German nationalist through and through. (zu deutsch: die herausragende Persönlichkeit des Klerus der britischen Zone, statuesk in der Erscheinung, unnachgiebig in der Diskussion, ist dieser fest verwurzelte Aristokrat ein deutscher Nationalist durch und durch) eingeschätzt hat.
Am 18. Februar 1946 wurde er von Papst Pius XII. als Kardinalpriester mit der Titelkirche San Bernardo alle Terme in das Kardinalskollegium aufgenommen. Er verstarb wenige Tage nach seiner Rückkehr aus Rom, zu der ihn die Stadt Münster zu ihrem Ehrenbürger ernannt hatte, an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs im St.-Franziskus-Hospital in Münster. Er wurde in der Ludger-Kapelle des Doms zu Münster beigesetzt.
Seligsprechung
Der Seligsprechungsprozess wurde 1955 eingeleitet und im November 2004 positiv abgeschlossen. Am 9. Oktober 2005 soll Clemens August Graf von Galen durch Kardinal José Saraiva Martins im Petersdom in Rom seliggesprochen werden.
Werke
- Die 'Pest des Laizismus' und ihre Erscheinungsformen. Aschendorff, Münster 1932
- Akten, Briefe und Predigten, 1933-1946; bearbeitet von Peter Löffler, Matthias-Grünewald, Mainz 1988. ISBN 3786713944 (Rezension der englischen Ausgabe von John S. Conway, Januar 1997, bei H-Net Reviews)
Literatur
- H. Portmann: Kardinal von Galen, Aschendorf, Münster 1948
- M. Bierbaum: Nicht Lob, nicht Furcht. Das Leben des Kardinals von Galen nach unveröffentlichten Briefen und Dokumenten. Regensberg, Münster 1955
- Irmgard Klocke: Kardinal von Galen. Der Löwe von Münster. Pattloch, München 1978. ISBN 3557911543
- Marie-Corentine Sandstede-Auzelle: Clemens August Graf von Galen, Bischof von Münster im Dritten Reich. Aschendorf, Münster 1986. ISBN 3402032678
- Heinz Mussinghoff: Rassenwahn in Münster : der Judenpogrom 1938 und Bischof Clemens August Graf von Galen. Regensberg, Münster 1989. ISBN 3792305879
- Joachim Kuropka (Hrsg.): Clemens August Graf von Galen. Neue Forschungen zum Leben und Wirken des Bischofs von Münster. Münster, 2. Aufl. 1993 ISBN 3792306360
- Günter Beaugrand: Kardinal von Galen. Der Löwe von Münster. Ardey Münster, 1996 ISBN 3870230711
- Peter Loeffler (Hrsg.): Akten, Briefe und Predigten 1933-1946, in 2 Bdn. Schöningh, 1996 ISBN 3506798405
- Joachim Kuropka (Hrsg.): Clemens August Graf von Galen : Menschenrechte - Widerstand - Euthanasie - Neubeginn. Regensberg Münster, 1998. ISBN 3792307146
- Gottfried Hasenkamp: Der Kardinal. Aschendorff Münster, 2001 ISBN 3402051265
- Beth A. Griech-Polelle: Bishop von Galen: German Catholicism and National Socialism. New Haven and London: Yale University Press, 2002. ISBN 0300092237 (Rezension von John S. Conway, 2003, bei H-Net Reviews)
- Stefania Falasca: The bishops and the coup. 30Days, Januarheft 2005 Onlineausgabe
- Hermann Rieke-Benninghaus, Kardinal Clemens August Graf von Galen, Lebensbild, Dinklage 2005
- Bernd Haunfelder, Axel Schollmeier: Kardinal von Galen - Triumph und Tod, Aschendorff Münster, 2005 ISBN 3402003953
- Ludger Grevelhörster: Kardinal Clemens August Graf von Galen in seiner Zeit, Aschendorff Münster, 2005 ISBN 3402035065
Weblinks
- Vorlage:PND
- Online-Biografie von Rudolf Morsey
- Biographie auf dem Server der Gedenkstätte Yad Vashem
- SHOA.DE: Textauszug der so genannten "Euthanasiepredigt"
- ausführliche Biografie
- Die Zeit, Archiv, 11/1986: Euthanasie, Ernst Klee
- Beitrag der Wahington Post vom 20. Dezember 2004
- Lebensbild
- "Kirchensite" des Bistums Münster mit biographischen Artikeln, Originaltexten und Meldungen zum Seligsprechungsprozess
- Ekkehard Klausa in DIE ZEIT 40/2005: Ein Löwe für den Himmel. Auch über den Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing.
- Roman Heflik: Vom Hitler-Gläubigen zum Hitler-Feind. Beitrag zur Seligsprechung von Galens 2005 in spiegel.de vom 07. Oktober 2005.
- Biografie zur Seligsprechung des Vatican
Personendaten | |
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NAME | Galen, Clemens August Graf von |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Bischof und Kardinal |
GEBURTSDATUM | 16. März 1878 |
GEBURTSORT | Dinklage, Münsterland |
STERBEDATUM | 22. März 1946 |
STERBEORT | Münster, Westfalen |