Zum Inhalt springen

Gewaltfreie Kommunikation

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 8. Oktober 2005 um 19:32 Uhr durch 84.137.79.205 (Diskussion) (Geschichte). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) ist eine von Marshall B. Rosenberg entwickelte Kommunikations- und Konfliktlösungsmethode, die ohne psychische und physische Gewalt auskommen soll.

Geschichte

Rosenberg hat in Wisconsin in Psychologie promoviert. Das Konzept der gewaltfreien Kommunikation entstand aus Rosenbergs Auseinandersetzung mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den frühen 1960ern. Er half dabei, die Rassentrennung an Schulen und Institutionen auf friedvollem Wege rückgängig zu machen. Zu diesen Zwecke gründete er das "Center for Nonviolent Communication".

Rosenberg bietet Trainings in "Gewaltfreier Kommunikation" in Schweden, der Schweiz, Italien, Deutschland, Dänemark, Malaysia, Indien, den USA und vielen weiteren Staaten an. Er ist aber auch in Krisengebieten und ökonomisch benachteiligten Regionen, wie Israel, Palästina, Serbien, Ruanda tätig. Seit einigen Jahren gibt es auch im ehemaligen Jugoslawien Menschen, die nach seiner Methode arbeiten.

So haben 1994 serbische Pädagoginnen und Psychologen - unterstützt von Unicef - ein dreibändiges Werk zum Erlernen gewaltfreier Kommunikation nach Rosenbergs Methode für Kindergärten und Schulen entwickelt. Rosenberg hat auch ein speziell auf Kinder zugeschnittenes Konzept des Lernens der GfK entwickelt.

Viele Coaching- und Mediations-Agenturen bieten Fortbildungen und Seminare zur GfK an und nutzen sie zur Bearbeitung von Konflikten.

Theoretischer Hintergrund

Die GfK steht in der Tradition der klienten-zentrierten Gesprächstherapie, die von Rosenbergs Lehrer Carl Rogers entwickelt wurde. Das einfühlsame Zuhören steht bei Rogers im Mittelpunkt, die GfK geht jedoch über den gesprächstherapeutischen Rahmen hinaus. Beeinflusst ist die GfK auch von Gandhi und seinen Überlegungen zur Gewaltfreiheit, ahimsa genannt, die auf den Upanishaden basieren. Viele Elemente der GfK finden sich auch in anderen Konfliktlösungstechniken, wie im Gütekraft-Konzept von Martin Arnold, der Mediation und den Win-win-Strategien.

Erläuterung des Konzepts von Rosenberg

Rosenberg geht davon aus, dass die Form, in der wir miteinander kommunizieren, einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob wir Empathie für unser Gegenüber entwickeln und unsere Bedürfnisse erfüllen können. Im Zentrum steht ein Miteinander, das nicht verurteilt, sondern auf die Bedürfnisse und Gefühle gerichtet ist, die hinter Handlungen und Konflikten stehen. Sie kann in vielen Bereichen verwendet werden, so z.B. in Schulen, Universitäten, Organisationen, Institutionen, engen Beziehungen, Therapie, Beratung, Verhandlungen, Diplomatie und bei allen Arten von Konflikten. Die GfK ist jedoch weniger als Kommunikations-Technik zu betrachten, sondern als Bewusstwerdung über Möglichkeiten der empathischen Kommunikation. So reicht es dann nicht, das Grundmodell stur anzuwenden, sondern eine veränderte Einstellung zum Gegenüber ist notwendig, um die Kommunikation und das Wohlbefinden zu verbessern. Rosenberg betrachtet zwei gegenläufige Formen der Kommunikation, nämlich die Gewaltfreie Kommunikation und die Lebensentfremdende Kommunikation.

Lebensentfremdende Kommunikation

Unter 'Lebensentfremdender Kommunikation' versteht Rosenberg Formen der Kommunikation, die langfristig zu Gewalt gegen uns selbst und anderen beitragen, wobei mit Gewalt keineswegs nur die physische gemeint ist. Sie vermindert auch die Empathie mit uns und anderen. Es sind vor allem drei Elemente, die Teil der Lebensentfremdenden Kommunikation sind:

  1. Das (moralische) Urteilen oder Verurteilen von Leuten, die sich nicht in Übereinstimmung mit unseren Werten verhalten
  2. Das Leugnen der Verantwortung für eigene Gefühle und Handlungen
  3. Das Stellen von Forderungen
  • zu 1. Das Urteilen über Leute geht oft mit dem Gefühl von Ärger einher. Das Fehlverhalten der anderen wird analysiert und verurteilt. Der andere wird als schlecht, egoistisch oder böse gesehen. Als Ursache eines Konflikts gilt das falsche Verhalten anderer. Die hinter den Handlungen liegenden Bedürfnisse werden eher verschleiert als offen gelegt. Rosenberg unterscheidet zwischen moralischen Urteilen und Werturteilen. Wenn wir nun ein Verhalten antreffen, das unserem Werturteil widerspricht, neigen wir dazu, die andere Person moralisch zu verurteilen. Rosenberg schlägt vor, das Werturteil zu verteidigen, ohne die Person zu verurteilen, so kann das Verhalten von der Person getrennt werden. Wenn sich z.B. ein Vorgesetzter über einen Mitarbeiter lustig macht, können wir sagen: Mir ist es wichtig, sich über Fehler anderer nicht lustig zu machen, ich habe Angst, dass man sich auch über mich lustig macht, wenn ich einen Fehler mache! Lebensentfremdende Kommunikation wäre: Sie sind arrogant. Der Verzicht auf moralische Urteile kann ganz pragmatisch sein, die Chance, dass unser Bedürfnis erfüllt wird, steigt, wenn wir den anderen nicht verurteilen.
  • zu 2. Eine andere Form der Lebensentfremdenden Kommunikation sieht Rosenberg im Leugnen von Verantwortung. Wir können sowohl die Verantwortung für Handlungen als auch für Gefühle leugnen. Wir können andere für unsere Handlungen verantwortlich machen, aber auch gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen: Ich muss heute Abend lustig sein, weil das eine gesellige Runde ist (und man dort lustig ist). Man kann auch die Verantwortung für die eigenen Gefühle leugnen oder sie anderen zuschieben. Eine Mutter sagt z.B. zu ihrem Kind Es macht mich traurig, dass du die Hose schmutzig gemacht hast. Dabei steht hinter diesem Gefühl ein Bedürfnis (z.B. heute einen arbeitsfreien Tag zu haben) und es ist keine zwangsläufige Reaktion. Die Mutter könnte sich auch freuen, dass das Kind mit Freunden gespielt hat. Rosenberg schlägt vor, in der Ich-Form zu reden und von den eigenen Bedürfnissen auszugehen. Eine häufige Form des Leugnens der Verantwortung für eigene Gefühle ist auch das Äußern von Pseudogefühlen, z.B. ich fühle mich provoziert. Hier handelt es sich nach Rosenberg um ein Pseudogefühl, das ein Urteil über den anderen impliziert.
  • zu 3. Das Stellen von Forderungen anstatt von Bitten ist eine weitere Form der Kommunikation, die die Empathie zwischen Menschen verringert. Der Unterschied zwischen Bitte und Forderung ist, dass eine Bitte auch nicht erfüllt werden kann, bei einer Forderung drohen hier negative Sanktionen. Dies muss nicht immer in Form von offensichtlichen Strafen, wie z.B. Taschengeldabzug in der Erziehung oder aggressivem Verhalten passieren, es kann auch durch die Erzeugung von Angst oder Schuldgefühlen beim Gegenüber passieren. Wenn in einer Partnerschaft geäußert wird: Ich möchte, dass Du mehr Zeit mit mir verbringst dann kann dies eine Bitte, aber auch eine Forderung sein. Erst wenn dies nicht passiert und er ihr zu verstehen gibt Du lässt mich total alleine, du bist egoistisch zeigt sich, dass es eine Forderung war. Hier weist Rosenberg darauf hin, dass die GfK keine Methode ist, um andere zu manipulieren, auch eine in GfK gestellte Bitte kann abgelehnt werden. Allerdings erhöht diese Form der Kommunikation die Chance aller, ihre Bedürfnisse besser zu erfüllen.

Grundmodell der GfK

Rosenberg geht davon aus, dass Menschen unter freien Bedingungen gerne geben und die empathische Verbindung zum Mitmenschen suchen. Die GfK soll helfen, sich ehrlich auszudrücken und empathisch zuzuhören. Empathie ist nach Rosenberg ohnehin eine Grundvoraussetzung gelingender Kommunikation und sie hilft auch mit Menschen zu kommunizieren, die selbst nicht gewaltfrei kommunizieren oder aggressiv sind. Sie gibt dem anderen die Möglichkeit, sich zu verändern ohne das Gesicht zu verlieren. Das Grundmodell kann uns also helfen, uns verständlich zu machen, aber auch genutzt werden, um die Aussagen anderer zu verstehen.

1. Zuerst beschreiben wir eine konkrete Handlung, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigt. Hierbei ist es wichtig, tatsächlich eine Beobachtung zu äußern und sie nicht mit einer Bewertung zu vermischen. So ist die Aussage Du beachtest mich nicht in einer Ehe keine Beobachtung. Erstens impliziert sie eine Bewertung, ein Urteil über den anderen, und zweitens ist sie zu abstrakt und allgemein. Du hast in der letzten Woche keinen Abend mit mir verbracht spezifiziert die Aussage, ohne den anderen zu bewerten. Wird eine Beobachtung mit einer Bewertung vermischt, neigt das Gegenüber dazu, nur die Kritik zu hören. Die Chance, dass unsere Bedürfnisse gehört werden und dass auch wir die Bedürfnisse des anderen hören, verringert sich. Es kommt vor, dass trotz bewertungsfreier Äußerungen vom Gegenüber eine Kritik herausgehört wird. Hier hilft es, den anderen das Gesagte paraphrasieren zu lassen (siehe auch: aktives Zuhören).

2. Dann bringen wir unsere Gefühle mit dem in Verbindung, was wir beobachten. Wir erklären dem anderen, was wir dabei fühlen und können ihn auch nach seinem Gefühl fragen. Ob wir nun bei unserem oder seinem Gefühl bleiben, beides hilft, um in einen empathischen Kontakt zu kommen. Ich fühle mich einsam wäre hierbei die Äußerung eines Gefühls, ich fühle mich vernachlässigt dagegen die Äußerung eines Pseudogefühls . Wichtig ist es hierbei, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen. Manchmal reagieren wir oder andere auf bestimmte Situationen mit mehreren Gefühlen. Hier hilft es, die Gefühle nacheinander zu betrachten.

3. Nun betrachten wir Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche, aus denen Gefühle entstehen. Hinter bestimmten Gefühlen stehen nach Rosenberg immer Bedürfnisse. Vielleicht steht hinter dem Gefühl der Einsamkeit das Bedürfnis, beachtet und geliebt zu werden. Oftmals sind die Bedürfnisse aber nicht auf den ersten Blick erkennbar und bleiben uns selbst und anderen verborgen, dann können wir uns ratend den Bedürfnissen des anderen nähern. Gerade bei Handlungen oder Aussagen, die uns ärgern, hilft es uns, die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erfragen und zu verstehen. Möglicherweise lehnen wir z.B. rassistische Aussagen ab, verstehen wir jedoch die dahinter liegenden Bedürfnisse, kommt es zur Empathie. Wir können dann unsere Wertvorstellung durchaus verteidigen, die aus unseren Bedürfnissen entspringt, ohne den Kontakt zum anderen zu verlieren.

4. Zum Schluss äußern wir eine konkrete Handlung, um die wir bitten mögen, "damit unser Leben reicher" wird. Um Bitten verständlich zu äußern, müsse man sie mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen in Verbindung bringen. Rosenberg schlägt vor, Bitten in einer "positiven Handlungssprache" zu formulieren. Zum einen bedeutet dies nicht zu sagen, was jemand tun oder nicht tun sollte, sondern was man sich von jemandem erbittet. Wenn ich sage: Ich möchte, dass du nicht mehr die ganze Zeit weg bist!, dann ist noch lange nicht sicher, ob er verstanden hat, was ich eigentlich möchte. Je konkreter die Handlung, um die gebeten wird ist, umso besser: Ich bitte dich, dass du in der nächsten Woche einige Abende mit mir verbringst. Auch hier hilft es, das Gesagte paraphrasieren zu lassen, um herauszufinden, ob es Missverständnisse gab.

Rosenberg fasst die Kommunikationsart der GfK in folgendem Satz zusammen:

  • "Wenn a, dann fühle ich mich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d."

An unserem Beispiel:

  • "Wenn du keinen Abend in der Woche mit mir verbringst, dann fühle ich mich einsam, weil ich Liebe und Beachtung brauche. Deshalb möchte ich dich gerne darum bitten, diese Woche einige Abende mit mir zu verbringen."

Dieses Grundmodell soll nach Rosenberg nicht stur angewendet werden, variiert in der Reihenfolge und ist eher eine Hilfe, in soziale Beziehungen mit einem anderen Bewusstsein zu treten, als eine Technik. Die GfK ist nicht von heute auf morgen anwendbar und bedarf einer gewissen Übung. Ob man mit der GfK bei massiven Übertretungen durch den anderen Grenzen ziehen kann, darüber wird gestritten. Sie ist jedoch in der Praxis ein bewährtes Mittel, um in konfliktreicher Kommunikation die Chance zu erhöhen, empathisch miteinander umzugehen, und die gegenseitigen Bedürfnisse zu erfüllen.

Schaubild

Gewaltfreie Kommunikation versus Lebensentfremdende Kommunikation


(Beispiel: schmutzige WG-Küche)

Gewaltfreie Kommunikation: Lebensentfremdende Kommunikation
Situation Konkrete Handlungen, die wir beobachten und die unser Wohlbefinden beeinträchtigen.
  • "In der letzten Woche hast du dein Geschirr dreimal nach dem Essen auf die Spüle gestellt und es stand dort jeweils bis zum Morgen. Dann habe ich es abgespült"
Beobachtung und Bewertung werden vermischt:

Personifizierung.

  • "Du verhältst dich in der Küche total schlampig"
Gefühl Die Gefühle werden mit dem in Verbindung gebracht, was wir beobachten.
  • "Ich bin sauer,"
Keine Erläuterung über Zusammenhang der Situation mit dem Gefühl, sondern: Eine Interpretation wird als Gefühl geäußert. Schuldzuweisungen, Vorwürfe, Pauschalierungen.
  • "Ich fühle mich provoziert, es ist dir total egal, dass hier so ein Dreck ist"
Bedürfnis Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche, aus denen Gefühle entstehen, werden betrachtet und mitgeteilt.
  • " weil ich Ordnung in der Küche brauche und mir Respekt wichtig ist."
Das Bedürfnis wird nicht (klar) geäußert, stattdessen wird der andere moralisch verurteilt.
  • "Du bist ein Schlamper"
Bitte/Forderung Um eine konkrete Handlung wird gebeten.
  • "Wärest du bereit, das nächste Mal dein Geschirr sofort nach dem Essen abzuspülen?"
Es wird eine Forderung gestellt. Bei nicht beachten drohen Sanktionen.
  • "Wenn in zwei Wochen nicht sauber ist, dann schmeiß ich dein Geschirr weg!"

Kritik

Kritik aus systemischer Sicht

Kritiker dieser konkreten Ausgestaltung von Kommunikation, insbesondere wertfreien, ausschließlich würdigenden und monokausalen Interventionen (der Redner bleibt bei sich, er respektiert sein Gegenüber vollständig) stellen die Tauglichkeit der GFK insbesondere dann in Frage, wenn das angesprochene Gegenüber selbst ebenso reagiert und vollständig bereit ist, seine Haltung zu erläutern, auf die Meta-Ebene der Kommunikation einzugehen und für sich das Recht in Anspruch nimmt ebenso liebevoll und würdigend Nein zu sagen, also die gebotenen Interventionen spiegelt.

Bei konsequenter Fortsetzung der GFK unter geübten Kommunikationspartnern kann es so dazu kommen, dass ein zeit- und energieverschwendender Austausch von würdigenden, einfühlsamen und egoistischen Standpunkten zu keinerlei Systemveränderung führt.

Aus systemischer Sicht gehören Provokation, Machtdemonstration und Wettbewerb zum gesunden menschlichen Erleben, welches auch ein Bestandteil ganzheitlicher Kommunikationsprozesse ist. Aus Sicht der Themenzentrierten Interaktion wird ebenfalls darüber gesprochen die eigenen Interpretationen so lange wie möglich zurückzuhalten (Hilfsregel der TZI), jedoch wird selbst hier dem Urteil und der Wertung nicht völlig der Nutzen abgesprochen. Im Umfeld von Deeskalation und Konfliktmanagement klammern auch andere Konzepte den ganzheitlichen Umgang mit Drohungen und liebevollem Umgang nicht so kategorisch aus. Auch die Mäeutik des Sokrates will nicht die Wertung vollkommen bannen, sondern stellt ihren Nutzen in würdigender Form zur Verfügung. Nicht zuletzt fordert das aus dem Businessbereich stammende sog. Harvard-Konzept explizit sogar Hart in der Sache - weich zum Menschen.

Im Kontext von Thema, Gruppe und Ich sollten, so die Kritik an GFK, immer der situative Kontext und die Machtverhältnisse sowie unausgesprochene Werteordnungen und Ressourcen der Beteiligen angemessen angesprochen werden. Die Reduzierung auf eine zwar gelungene gewaltfreie verbale Kommunikation führe sonst, so die Kritik, letztlich nicht grundsätzlich zu einer gewaltfreien, sondern vielmehr zu einer kompensierenden Kommunikation, welche gesunde Dominanzbestrebungen und den Wettbewerb um die erfolgreichere Gesamtstrategie sowie eine Ressourcenorientierung und -Wertung ausblendet und in der Praxis, wenn es z.B. um die Lärmbelästigung von Nachbarn oder Kundenwünsche geht, eher wirkungslos bleibt weil bis zum Ende der Diskussion die Polizei bereits im Hausflur stehen kann oder der Kunde längst abgesprungen ist.

Anders gesagt, kann aus Sicht der Kritik an der GFK der Entzug von Ressourcen, die Darstellung von finanziellen oder familiären Konsequenzen bzw. letztlich auch die Androhung von exekutiver (polizeilicher) Gewalt durchaus geeignet sein eloquente Rhetoriker oder gewaltbereite Gesprächspartner dazu zu bewegen, sich in Zukunft ethisch zu verhalten und ggf. dem Gruppendruck einer WG, eines Teams im Unternehmen, der Familie oder Sozialgemeinschaft bzw. des Partners oder der Familienangehörigen oder Freunde, mithin jedes betroffenen Systembeteiligten zu folgen.

Aus systemischer Sicht gehört die würdigende Aussprache auch von provokativen und wertenden Elementen zu einem sachlich vollständigen, ehrlichen und konfliktverkürzendem Umgang miteinander, insbesondere in betriebswirtschaftlichen und elementaren privaten Kontexten, bei denen es um das gemeinsame (wirtschaftliche) Überleben oder die Verteidigung von Angriffen von außen geht. Nach Meinung der Kritiker verweist die GFK in keiner Weise auf die überwiegende Untauglichkeit der Methode in solchen Kontexten hin.

Kritik aus GFK-Sicht und Kritik an der Kritik

Prinzipiell wirkt GFK in jedem Kontext, wenn sich eine Partei in der Haltung und mit den vier Schritten ausdrückt.

Unter Zeitdruck und ohne Bereitschaft von beiden Seiten zu verhandeln, kommt es dann meist zu dem Einsatz von "schützender Macht". Das ist auch ein wesentliches Element der GFK im Gegensatz zum Einsatz "bestrafender Macht". Wenn es z.B. zu einer Lärmbelästigung kommt (laute Musik nach 22 Uhr) und ein Gespräch mit dem Nachbarn nicht fruchtet, dann gibt es auch innerhalb der GFK die Möglichkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen, in dem z.B. die Polizei gerufen wird und eine Anzeige wegen Lärmbelästigung aufgegeben wird.

Das Miteinander Sprechen funktioniert also nur, wenn Zeit und Bereitschaft von beiden Beteiligten vorhanden ist und zumindest eine Person den Fokus auf Gefühle und Bedürfnisse richtet, die GFK anwendet. Auch kann es vorkommen, dass "Anfänger" sich leicht im Kreise drehen oder nicht zum Punkt kommen, weil oftmals der Kontakt zu den eigenen/ fremden Gefühlen und Bedürfnissen nicht so leicht gefunden werden kann. Aber das ist eine Frage des Lernens und Übens.

In bestimmten Kontexten kann es unangemessen sein, über Gefühle zu reden (z.B. in der Wirtschaft). In diesem Fall ist es sinnvoll nur auf die Bedürfnisse/ Werte/ Motive einzugehen oder Gefühlsworte zu verwenden, die wenig Widerstand hervorrufen (z.B. "Sie sind einfach vorsichtig?", statt "Sie haben Angst, weil...?"). Die Erfolge in der Wirtschaft sind leider nur sehr wenig erforscht, aber es gibt durchweg positive Erfahrungen bei einigen zertifizierten GFK-Trainern.

Expertii credit (man glaubt denjenigen, die es erfahren haben)

Siehe auch

Literatur

  • Rosenberg, Marshall B., Gewaltfreie Kommunikation, 5. Auflage Paderborn 2004: Junfermann
  • Rosenberg, Marshall B., Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation. Ein Gespräch mit Gabriele Seils, Freiburg/Basel/Wien: Herder, 2004