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Preußisch Litauen

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Kleinlitauen (litauisch Mažoji Lietuva, lateinisch Lithuania Minor) bezeichnet den Siedlungsraum eingewanderter Litauer (hauptsächlich Schamaiten) im Nordosten Ostpreußens (heute Oblast Kaliningrad) einschließlich des Memellands. Von 1422 (Friede von Melnosee) bis zur Vertreibung der Bevölkerung 1945 gehörte dieses Gebiet dem Deutschen Orden, nach dessen Säkularisierung 1525 zum Herzogtum Preußen, ab 1871 zum Deutschen Reich; daher rührt auch die Bezeichnung "Preußisch-Litauen". Die preußischen Litauer bezeichneten sich selbst als Lietuvininkai und waren meist zweisprachig (litauisch und deutsch). Sie siedelten vor allem in den ehemaligen Wildnisgebieten Ostpreußens und stellten dort mehrheitlich die Landbevölkerung, während die Deutschen vorwiegend in den Städten (Memel, Tilsit, Insterburg, Gumbinnen) lebten. Durch weitere Zuwanderung (u.a. Salzburger, französischsprachige Schweizer) entstand eine multi-ethnische Bevölkerung, die schließlich im Deutschtum aufging, lediglich im Memelland konnte sich die litauische Sprache, bzw. der dortige Dialekt, länger halten. Der preußisch-litauische Ethnos ist heute erloschen, und mit ihm das Preußisch-Litauische, das nach dem Altpreußischen, das an gleicher Stelle untergegangen ist, als die archaischste indo-europäische Sprachvarietät Europas gilt. Aus Preußisch-Litauen stammen u.a. die kurischen Vorfahren des Philosophen Immanuel Kant und der Dichterpfarrer Christian Donelaitis, der heute in der aus dem ehemals polnischen bzw. russischen Litauen hervorgegangenen Republik Litauen als Nationaldichter Anerkennung findet.

Vorgeschichte des Raums

Siedlungsgeschichte

Um 1400 ist das Gebiet des späteren Kleinlitauen Wildnis und bis auf Siedlungsreste von prußischen Schalauern und Nadrauern und Kuren bei Memel in der Nähe der Ordensburgen unbewohnt. Nach der Niederlage des Deutschen Ordens in der Schlacht von Tannenberg 1410 und der Festlegung einer Grenze zu Polen-Litauen 1422 beginnt die Neubesiedlung des Wildnisgebiets. Zunächst lassen sich dort vereinzelt Prußen und Deutsche nieder, an der Ostseeküste siedeln kurische Fischer. Im letzten Viertel des 15.Jahrhunderts beginnt die Einwanderung von Litauern, die sich in freier Landnahme unter Duldung des Ordens niederlassen. Ihre Einwanderung gilt um 1550 als abgeschlossen. Die Bevölkerungszahl in dieser Zeit wird auf etwa 30 000 Menschen geschätzt. Die weitere Erschließung der Wildnis geschieht nun hauptsächlich durch Binnenwanderung und erstreckt sich bis ins erste Viertel des 17. Jahrhunderts. Bei der Großen Pest von 1709/10 stirbt die Hälfte der litauischen Bevölkerung, von der Epidemie weniger betroffen ist das Memelgebiet. Im Laufe des vom preußischen König durchgeführten "Retablissement" übernehmen angeworbene Neusiedler (Glaubensflüchtlinge aus Salzburg, deutsch-und französisch-sprachige Schweizer und Pfälzer) die wüst gewordenen Höfe, vorwiegend im Raum Gumbinnen. Begünstigt durch die bis 1800 vollzogene landesweite Alphabetisierung beginnt eine Assimilierung an das Deutschtum. Ab Mitte des 19.Jahrhundert wandern viele Ostpreußen in andere Landesteile Preußens (Berlin, Ruhrgebiet) aus. Friedrich Kurschat beschreibt 1876 die Grenze zum prußisch-deutschen und prußisch-masurischen Siedlungsgebiet wie folgt: "Die Grenze des litt. Sprachgebiets geht, von dessen nördlichstem an der Ostsee gelegenen Punkt ab, etwa von dem russischen Grenzorte Polangen in südlicher Richtung bis Memel längs der Ostsee, von da ab längs dem Kurischen Haff und dem Deimefluss bis gegen Tapiau. Von da ab zieht sie sich den Pregel entlang bis hinter Wehlau nach Insterburg zu, zwischen welchen beiden Städten sie diesen Fluss überspringt, dann in südöstlicher Richtung hinstreicht und in der Gegend von Goldap sich in östlicher Richtung hinziehend die polnische Grenze überschreitet." Die litauische Siedlung spiegelt sich auch in den Orts- und Flussnamen. Eine häufige Endung ist "-kehmen" (wie in Darkehmen), von litauisch "kemas" oder prußisch "caymis" (Dorf). 1938 werden unter dem Nationalsozialismus viele dieser baltischen Namen durch deutsche ersetzt (Darkehmen wird zu Angerapp).

Terminologieprobleme

Sprache

Verhältnis zum preußischen Staat

Verhältnis zu Großlitauen

Familiennamen

Literatur

Als Memelland wurde zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg der Landesteil des damaligen Ostpreußens bezeichnet, der nördlich der Memel gelegen ist und seit 1918/23 zu Litauen gehört, also der heute litauische Teil des historischen Preussisch-Litauen.

Die größte Stadt Kleinlitauens ist Klaipėda/Memel. Von der heutigen litauischen Bevölkerung wird das früher "Memelland" genannte Umland von Klaipėda meistens als integraler Bestandteil Niederlitauens angesehen.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs lebten hier viele Deutsche, heute bildet die Region einen Schwerpunkt der russischen Minderheit in Litauen. In rechtsgerichteten litauischen Kreisen wird auch häufig die heutige russische Oblast Kaliningrad als Bestandteil eines historisch größeren "Kleinlitauen" angesehen.

Geografie

Zum Memelland gehört die moränenreiche Landschaft direkt nördlich der Fluss von Schmalleningken/Šmaleninkiai bis zur Ostseeküste einschließlich der nördlichen Kurischen Nehrung (heutige Stadt Neringa) und der Region um die Stadt Klaipėda (Memel)).

Geschichte

Vor der Zugehörigkeit des späteren Memellandes zu einem Staat waren die baltischen Stämme der Schalauer und Kuren dort sesshaft. Die Kuren (der Name bedeutet "schnell zur See") galten als die Wikinger der Ostsee und werden in der Island-Saga erwähnt. Dänische Überlieferungen bezeugen, dass sie als Piraten gefürchtet waren. Es gab jedoch auch Handels- und Heiratsbeziehungen der Schalauer mit Dänemark. Die Schalauerburg Russ an der Memel galt als Ausgangspunkt dieser Beziehungen. Während die übrigen südlichen prußischen Stämme sich gegen den Deutschen Orden zu wehren hatten, gab es im Memelland friedliche Beziehungen zu den Wikingern. Über die Nehrungen wurden auch Beziehungen mit Mitteldeutschland und zu den Goten unterhalten. Entlang der Flusswege gab es Beziehungen bis in den nördlichen Kaukasus, mit den Litauern im Osten und Slawen im Süden.

Nach dem Festungsbau bei der Stadt Memel und der Eroberung des Umlandes durch den Deutschen Orden wurde das Memelland etwa 1328 Teil des Ordensstaats und nach der Reformation dann des Herzogtums Preußen. Mit dem Königreich Preußen kam es dann 1871 zum Deutschen Reich.

Die Grenze zwischen dem ostpreußischen Landesteil um die Memel und Litauen blieb von 1422 bis 1920 weitgehend unverändert, eine im Vergleich zum übrigen Europa seltene Konstellation (siehe z.B. erste Strophe des Lieds der Deutschen aus dem 19. Jahrhundert: Von der Maas bis an die Memel...).

Nach dem Ersten Weltkrieg trennte der Vertrag von Versailles in seiner Festlegung der neuen Grenzen Ostpreußens (Artikel 28) das von nun an in Deutschland "Memelland" genannte Gebiet ohne Abstimmung vom Deutschen Reich ab. Deutschland musste sich außerdem bereit erklären, eine später von den Alliierten zu treffende staatliche Zugehörigkeit des Memellandes anzuerkennen (Artikel 99). Diese Abtrennung erfolgte aufgrund der litauischsprachigen Minderheit, den so genannten Kleinlitauern.

Seit 1920 war das Memelland unter französischer Verwaltung (Schutzherrschaft), da Litauen als Staat nicht international anerkannt war. Im Januar 1923 ergriffen nationalistische Litauer und Freischärler unter Leitung von Erdmann Simonaitis die Macht in Kleinlitauen, als Deutschland durch die Besetzung des Ruhrgebiets durch Frankreich und Belgien geschwächt war. Diese Annektion wurde in der Memelkonvention vom Völkerbund anerkannt, allerdings wurde eine Autonomie des Memellandes innerhalb Litauens verlangt. Wahlen im Memelland erbrachten hohe Stimmenanteile (etwa 80%) für die deutschen Parteien, so dass 1926 per Kriegsrecht die Autonomie weitgehend aufgehoben wurde.

Im März 1939 wurde das Memelland nach intensivem Druck Deutschlands wieder Teil des Deutschen Reiches. Obwohl vorwiegend von der deutschen Bevölkerung erwünscht, waren auch viele (Klein)litauer von der Politik Litauens enttäuscht und unterstützten die Rückkehr zu Deutschland.

Mit Ankunft der Roten Armee am Ende des Zweiten Weltkrieges fiel Kleinlitauen unter sowjetischen Besatzung. Es wurde der litauischen Sowjetrepublik angegliedert, und bildet seit dem Zerfall der UdSSR den Hauptteil der litauischen Küstenregion.

Die Bevölkerung Kleinlitauens ist seit Flucht und Vertreibung der deutschsprachigen Bewohner am Ende des Zweiten Weltkriegs sowie einer folgenden innersowjetischen Umsiedlung verstärkt aus Menschen des restlichen Litauens sowie Russlands zusammengesetzt. Alteingesessene Kleinlitauer und Deutsche gibt es nur noch recht wenige. Dadurch ist das seit der Reformation evangelisch geprägte Gebiet heute vorwiegend katholisch geworden.