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Vermisste Person

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Private Plakate zu vermissten Personen in New York City kurz nach den Terroranschlägen am 11. September 2001

Eine vermisste Person ist im allgemeinen Sprachgebrauch, jedoch nicht rechtlich, eine Person, die kraft besonderer Ereignisse wie Krieg, Vertreibung, Katastrophen, Unfällen oder aufgrund eines Verbrechens verschollen ist. Ihren rechtlichen Status regelt in Deutschland das Verschollenheitsgesetz (VerschG), in Österreich das Todeserklärungsgesetz. Man unterscheidet Kriegsvermisste und zivile Vermisste, wobei zu den Kriegsvermissten nur Soldaten zählen, bei denen somit unbekannt ist, ob sie gefallen sind, versprengt oder gefangen genommen wurden.

Vermisstenfall im polizeilichen Sinn

Voraussetzung für einen Vermisstenfall im polizeilichen Sinn (Vermissung im polizeilichen Sprachgebrauch) sind bei der deutschen Polizei[1]:

  • Hilflose Lage aufgrund einer Krankheit oder Behinderung
  • Begründeter Verdacht auf ein mögliches Verbrechen oder Suizidalität
  • Minderjährigkeit ohne Begleitung

Vermisstenanzeige

Eine Meldung eines Vermisstenfalls – die Vermisstenanzeige – erfolgt bei der örtlich zuständigen Schutzpolizei, die umfangreiche Ermittlungen und Fahndungen mit Hilfe kriminalistischer Methoden anstellt. Die Maßnahmen umfassen also unter anderem

  • Durchsuchung aller Wohnungen, in denen die Person gelebt hat
  • Abgleich mit Daten, zum Beispiel Passagierlisten, Kreditkartenumsätze, Telefonverbindungen, Krankenhäuser, unbekannte Tote und eventuell über die Register der Botschaften (z.B. Deutschenliste)
  • Befragung der Personen im sozialen Umfeld
  • Auswertung von Tagebüchern, Adressbüchern, Briefen, Computerdaten usw.
  • Ortungen
  • Absuche bestimmter Gebäude und Landstriche
  • Personenfahndungen, z. B. Zielfahndung, Öffentlichkeitsfahndung, Funkrundsprüche
  • Einsatz von Personenspürhunden

Die zuständige Organisationseinheit wird VUT („Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“) genannt.[1]

Diese Maßnahmen können unter Umständen die Rechtsnatur einer doppelfunktionalen Maßnahme aufweisen, das heißt sie zielen aufgrund ihrer Unbestimmtheit sowohl auf die Gefahrenabwehr als auch auf die Strafverfolgung ab.

Eine Vermissung kann unter anderem zum Schluss führen, dass die Person einer Straftat zum Opfer gefallen ist (z. B. Mord, Entführung), in Gefangenschaft ist, eine Straftat begangen hat und flüchtig ist, wohlauf ist (z. B. Aussteiger), eines natürlichen Todes gestorben ist oder verschollen ist. Ein weiterer Grund kann sein, dass die vermisste Person in kriegerischen Auseinandersetzungen gestorben ist.

Eine Vermisstenanzeige kann jedermann bei jeder Polizeidienststelle erstatten.

Zahlen

Täglich werden in Deutschland zwischen 150 und 250 Personen als vermisst gemeldet. 50% dieser Vermisstenfälle erledigen sich innerhalb einer Woche, 80% binnen eines Monats, 97% innerhalb eines Jahres. Die Personenfahndung wird nach 30 Jahren eingestellt. Im Jahr 2001 wurden insgesamt 14.658 Kinder unter 14 Jahren als vermisst gemeldet, im Jahr 2002 waren es 14.220.[2]

Im Juli 2007 wurden in Deutschland 6.400 Personen vermisst.[2]

Seit 6. Juni 1950 sind beim deutschen Bundeskriminalamt etwa 830 offene Vermisstenfälle von Personen unter 14 Jahren registriert.[2]

Das größte Ereignis in jüngster Zeit, aufgrund dessen auch mitteleuropäische Personen zu Vermissten wurden, war das Seebeben im Indischen Ozean 2004 mit den dadurch ausgelösten Tsunamis. Im Zusammenhang mit der Katastrophe wurden zeitweise über 1.000 deutsche Staatsangehörige vermisst, hauptsächlich Urlauber an den Küsten Thailands, Indiens und Sri Lankas. Noch ein Jahr später – nach der Identifikation von über 500 Leichen und dem Abgleichen der Vermisstenmeldungen – beläuft sich die Zahl der Vermissten auf 15 Personen (Dezember 2005).

Missing in Action

POW/MIA-Flagge

Missing in Action (MIA) ist im angloamerikanischen Sprachgebrauch die Statusbezeichnung für einen Soldaten, der wahrscheinlich im Kampf gefallen ist oder vermisst wird, über dessen Verbleib jedoch keine weiteren Informationen bekannt sind.

Die Abkürzung „MIA“ findet neben den Abkürzungen „WIA“ (Wounded in Action), „POW“ (Prisoner of War; Kriegsgefangener) und „KIA“ (Killed in Action) häufig in Verlustlisten angloamerikanischer Streitkräfte Verwendung.

Auch die Einsatzkräfte des New York City Fire Department und des New York City Police Department, die während der Rettungseinsätze nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 im World Trade Center umkamen, werden mit "Missing in Action" bezeichnet.

Identifizierung von Leichen zur Klärung von Vermissten-Schicksalen

Früher war das sichere Identifizieren von Kriegs- und Katastrophenopfern nicht leicht möglich. Bei Soldaten geschah dies oft nur durch die Kennmarke, die die Soldaten immer tragen mussten und auf der Namen und Personalkennziffer eingestanzt waren. Diese Marken sind auch heute bei vielen Militärs üblich. So konnten Leichen auch viele Jahre nach ihrem Tod durch Vergleich mit den vorhandenen Karteien noch identifiziert werden. Eine weitere Möglichkeit ist ein auch im zivilen Bereich verwendetes System, das auf der Untersuchung von Gebissen (Zahnstatus) beruht. Heute wird weitgehend ein DNA-Abgleich durchgeführt.

In Deutschland ist jede Person, die den Betroffenen gekannt hat, als Zeuge verpflichtet, an einer Leichenidentifizierung mitzuwirken (§ 88 StPO iVm §§ 48 ff StPO).

Rechtsfolgen

Neben den psychischen Folgen bei den Angehörigen Vermisster treten auch oftmals rechtliche Schwierigkeiten auf, die sich über Jahre hinziehen können und auch existenzgefährdend für die Hinterbliebenen sein können. Bis zu einer Todeserklärung können Pensionszahlungen verweigert werden. Auch Erbschaften können oft nicht abgewickelt werden. In Deutschland regelt dies das Verschollenheitsgesetz.

Aber auch bei Wiederauffinden Vermisster nach einer Todeserklärung kann es zu Rückforderungen von Erbschaften kommen. Speziell nach dem Krieg tauchten Vermisste zu einem Zeitpunkt auf, als die vermeintliche Witwe bereits wieder verheiratet war.

Suche nach Vermissten

Für die unterschiedlichen Gruppen von Vermissten gibt es individuelle Datensammlungen, die der weiteren Erhellung dienen können.

Adressbuch

Historische Adressbücher, aktuelle Telefonbücher sowie Personensuchmaschinen[3][4] und Suchmaschinen geben erste Hinweise darauf, wie lange die vermisste Person noch aufgeführt war und im Internet oder in Publikationen erwähnt wurde. Ferner gibt es interaktive Suchmaschinen für vermisste Personen.[5]

Zweiter Weltkrieg

Denkmal für Vermisste des Zweiten Weltkrieges in Neustadt am Rübenberge

Während die Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges aus den Lagern der westlichen Alliierten relativ bald entlassen wurden und auch während der Gefangenschaft Kontakt mit ihren Angehörigen hatten, waren es vorwiegend Vermisste, die über viele Jahre in sowjetischer Gefangenschaft waren, von denen man nichts über ihren Verbleib wusste. So kamen viele Österreicher erst bei Abschluss des Staatsvertrages von der Gefangenschaft der UdSSR frei.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und eine Reihe von nationalen Gesellschaften der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung betreiben Suchdienste, die auch noch nach Jahrzehnten, speziell nach Öffnung verschiedener Archive, Erfolge bei der Klärung von Vermisstenschicksalen aufweisen können, wenn auch meist nur Todeszeitpunkte oder -orte. Nur selten werden auch nach Jahrzehnten noch Überlebende gefunden.

Beim Internationalen Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes gehen heute täglich bis zu zwanzig Suchanfragen ein, davon immer noch mehrere zu Vermissten aus dem Zweiten Weltkrieg. Aus diesem Krieg gelten noch heute 1,3 Millionen Schicksale als ungeklärt, obgleich durch die Öffnung sowjetischer Archive seit 1991 200.000 Fälle geklärt werden konnten und auch heute noch am Tag drei bis vier Angehörige kriegsbedingter Trennung wieder zusammengeführt werden. Es wird mit einer Million endgültig unklärbarer Schicksale des Zweiten Weltkrieges gerechnet.

Die Suche nach Verschollenen sowohl des Zweiten Weltkriegs als auch aus bewaffneten Konflikten und Katastrophen weltweit wird vorgenommen, geordnet nach den Namen, von Deutsches Rotes Kreuz, Suchdienst München, Chiemgaustr. 109, 81549 München, Deutschland.[6]

Bei der Familienzusammenführung mit vermissten Personen hilft der DRK-Suchdienst Hamburg, Amandastr. 74, 20357 Hamburg, Deutschland. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Personengruppe der Aussiedler und der Suche nach vermissten Kindern.[7].

Auskünfte über Vermisste und Grablagen von Gefallenen gibt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. in 34112 Kassel in seiner online Gräberdatei.[8]. Suchanzeigen nach Vermissten der Kriege bzw. Rückmeldungen von Zeitzeugen sind aufgeführt unter Mitmachaktion letzte Hoffnung.[9]. Grabnachforschungen für den Bereich der österreichischen Kriegsgräberanlagen gibt Österreichisches Schwarzes Kreuz (ÖSK), Kriegsgräberfürsorge, Wollzeile 9, 1010 Wien, Österreich.[10].

Die Klärung speziell von Kriegsvermisstenschicksalen des Zweiten Weltkrieges ist eine der Aufgaben der Deutschen Dienststelle (WASt) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht.

Im Bundesarchiv-Militärarchiv in 79115 Freiburg,[11] werden Kurzauskünfte gegeben und sind eigene Recherchen im Lesesaal möglich. In den Kriegstagebüchern der Einheiten sind Verlust- und Vermisstenmeldungen enthalten. (Militärkarten > Einheiten > Kriegstagebücher der Einheiten).

Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dokumentationsstelle Dresden, Dülferstr. 1, 01069 Dresden, Deutschland verfügt über Daten von rund 250.000 sowjetischen Gefangenen des Zweiten Weltkrieges.[12]

Flüchtlinge und Vertriebene

Ein Informationsforum für Flüchtlinge und Vertriebene aus Ostpreußen ist die Landsmannschaft Ostpreußen, Buchtstr. 4, 22087 Hamburg mit Landesgruppen in den Bundesländern, Heimatkreisgemeinschaften und Heimattreffen.[13] Der Kirchliche Suchdienst, Lessingstr. 1, 80336 München, Deutschland, forscht, geordnet nach den Heimatwohnorten der Vertriebenen, nach Familienmitgliedern, Freunden und Arbeitskollegen.[14].

Spätere Kriege

Bezüglich der Jugoslawienkriege werden bis heute noch rund 21.000 Personen vermisst.

Vermisste der DDR

Für Bewohner der DDR, die sich durch Flucht oder Inhaftierung aus den Augen verloren haben, gibt es Suchhilfen.[15]

Kinder und Eltern suchen sich

Die Initiative Vermisste Kinder in Hamburg gibt Hilfeanleitungen für die Suche nach vermissten Kindern und veröffentlicht eigene Suchmeldungen.[16] Familie international frankfurt e. V. hilft Adoptierten bei der Suche nach Verwandten.[17] Das Donor Sibling Registry hilft Kindern aus künstlicher Befruchtung bei der Suche nach ihren Vätern/Geschwistern.[18]

Mitglieder des Vereins ehemaliger Heimkinder (VEH e.V.) suchen nach Eltern, Geschwistern, Freunden.[19] Zwangsadoptierte Kinder in der DDR suchen nach ihren leiblichen Eltern.[20] [21]

Konflikte und Katastrophen

Die icmp International Commission on Missing Persons führt DNA-Untersuchungen für staatliche Stellen und Gerichte durch. Es handelt sich im wesentlichen um die Durchführung der Identifizierung von Toten nach Konflikten und Katastrophen, z. B. auf dem Westbalkan sowie in Asien, Südamerika und dem Nahen Osten. [22] Das Internationale Rote Kreuz sucht, unterteilt nach Ländern, nach vermissten Familienangehörigen aus Katastrophen und Konflikten.[23] Das Auswärtige Amt hilft bei der Suche nach vermissten Deutschen im Ausland.[24]

Erbenermittlung

Professionelle Erbenermittler können bezüglich Nachlässen, für die sich keine Erben melden, eingeschaltet werden.[25] Sie erhalten in der Regel 20 bis 30 Prozent des Nachlasswertes als Honorar, sofern sie die noch lebenden Erben auffinden und das Erbe ausgezahlt wird.[26]

Literatur

  • Peter Jamin: Vermisst – und manchmal Mord. Über Menschen, die verschwinden und jene, die sie suchen. Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 2007. ISBN 978-3-8011-0538-9[27]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Polizeidienstvorschrift 389 („Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen“)
  2. a b c Bundeskriminalamt: Die polizeiliche Bearbeitung von Vermißtenfällen, S. 7 Ziff. 5, Wiesbaden, 2003 (PDF)
  3. Quelle: Rechenzentrum der Universität Hannover
  4. Quelle: Personensuchmaschine Bing
  5. interaktive Suchmaschine von yasni für vermisste Personen
  6. Internetseite Deutsches Rotes Kreuz, Suchdienst München für Verschollene aus Kriegen und Katastrophen
  7. Internetseite DRK-Suchdienst Hamburg für Familienzusammenführung mit vermissten Personen
  8. Vermissten- und Gräberdatei des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
  9. Suchmeldungen nach Vermissten beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
  10. Internetseite Österreichisches Schwarzes Kreuz (ÖSK) > Grabnachforschung für Kriegsgräber in Österreich
  11. Miltärarchiv in Freiburg
  12. Internetseite Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dokumentationsstelle Dresden für ehemalige sowjetische Kriegsgefangene
  13. Internetseite der Preußischen Allgemeinen Zeitung mit Archivsuche
  14. Internetseite des Kirchlichen Suchdiensts nach Vertriebenen
  15. Internetseite Netzwerk Stasiopfer Selbsthilfe e. V.
  16. Internetseite der Initiative Vermisste Kinder > vermisste Kinder
  17. Internetseite für die Suche der Adoptierten nach Verwandten
  18. Internetseite zur Suche nach Angehörigen bei Kindern aus künstlicher Befruchtung
  19. Internetseite Verein ehemaliger Heimkinder e. V. > Ehemalige suchen
  20. Internetseite Hilfe für Opfer von Zwangsadoptionen in der DDR > Personensuche
  21. Internetseite Zwangsadoptionen in der DDR
  22. Internetseite der International Commission on Missig Persons
  23. Suchdienst des Internationalen roten Kreuzes nach vermissten Angehörigen
  24. Auswärtiges Amt > Hilfe in Haft-, Vermissten- und Todesfällen
  25. Quelle: Tätigkeitsfeld professioneller Erbermittler
  26. Quelle: Honorarforderungen von Erbenermittlern
  27. Buchvorstellung von Peter Jamin