Bipolare Störung
Als Bipolare Störung oder "Bipolare affektive Störung" wird eine affektive Störung bezeichnet, bei der wiederholt depressive Phasen (mit übernormal gedrückter Stimmung und vermindertem Antrieb) und manische Phasen (mit überdrehter gehobener oder gereizter Stimmung und vermehrtem Antrieb, oder abgeschwächt als so genannte hypomanische Phasen) auftreten. Dazwischen tritt in der Regel eine Besserung ein. Bei längerem Verlauf mit mehreren Episoden können jedoch Residual-Symptome zurück bleiben. Die Bipolare Störung ist also eine sehr ernste "Stimmungs- und Antriebskrankheit". Sowohl für manische als auch für hypomanische und depressive Episoden gibt es Kriterien-Kataloge, bei denen einige Symptome erfüllt sein müssen und auch über eine definierte Zeit lang anhalten müssen, um eine Diagnose zu treffen. Eine solche Auflistung von Symptomen findet sich beispielsweise in der "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems" (ICD), einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegebenen internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen. Die aktuelle Ausgabe der ICD wird als ICD-10 bezeichnet. Ein nationales (US-amerikanisches) Klassifikations-System findet sich im "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen, abgekürzt als DSM IV). Seit 1996 existiert eine deutsche Publikation des DSM 4 (DSM-IV). Typische Symtome finden sich aber auch in den Wikipedia-Artikeln über Depression und Manie.
Früher wurde für diese Störung auch der Begriff "manisch-depressive Erkrankung" oder gar "manisch-depressives Irresein" (Emil Kraepelin) verwendet, umgangssprachlich wird sie mitunter als "manische Depression" bezeichnet. Auch die Bezeichnungen "manisch-depressive Erkrankung(en)" oder "manisch-depressive Krankheit" sind noch heute gebräuchlich.
Ein unter Psychiatern und Behörden übliches, aber nicht immer ganz korrekt benutztes Synonym für die Bipolare Störung ist bipolare Psychose oder affektive Psychose. Der Begriff "Psychose" wird in der Fachwelt unterschiedlich verwendet: Einige subsumieren nur "Wahn" darunter, andere gebrauchen ihn für gravierende psychische Störungen, zu denen die Bipolare Störung - trotz des vielleicht "harmlos" erscheinenden Wortes "Störung" sicher gehört.

Forschungsgeschichte und Bezeichnungen
Die bipolare Störung - eine Krankheit mit drastischen Auswirkungen - ist schon seit langem bekannt. Erste Schriftzeugnisse aus der Antike belegen bereits Kenntnis der beiden Zustände (Hippokrates) und eine Erkenntnis der Zusammengehörigkeit von Depression (Aretaeus von Kappadokien). Hippokrates von Kos beschrieb bereits im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt die Melancholie (heute "Depression"). Er nahm an, dass sie durch 'schwarze Galle' entsteht, die von der organisch erkrankten Milz ausgeschieden werde, den gesamten Körper überflute, ins Gehirn eindringe und Schwermut verursache. Hippokrates verwendete auch bereits den Begriff "Mania (Manie)", um einen Zustand der Ekstase und Raserei zu beschreiben. Dieser griechische Begriff hielt sich seitdem in der Wissenschaft. Statt "Melancholie" verwendet man heute den Facjbegriff "Depression". Der griechische Arzt Aretaeus von Kappadokien vermutete ähnliche körperliche Ursachen, erkannte aber bereits im 1. Jahrhundert nach Christus eine Zusammengehörigkeit der beiden extremen Zustände, die als Gegenpole so weit auseinander liegen und beschrieb somit als erster die Bipolare Störung: "Meiner Ansicht nach ist die Melancholie ohne Zweifel Anfang oder sogar Teil der Krankheit, die Manie genannt wird ... Die Entwicklung einer Manie ist vielmehr eine Zunahme der Krankheit als ein Wechsel in eine andere Krankheit."Vorlage:Ref Während des Mittelalters geriet dieses rationale Konzept in Vergessenheit, ebenso die Ursachensuche auf körperlich bedingte Faktoren. Dämonen und Hexen galten nun als Ursache der Erkrankung, und nicht wenige der Betroffenen und derer, die der Hexerei bezichtigt waren, fielen diesem "Irrsinn" der "normalen" Bevölkerung und Instanzen zum Opfer. Das wesentlich "modernere" und aufgeklärtere Konzept des Aretaeus von Kappadokien griffen erst französische Forscher wieder auf. Jean-Pierre Falret beschrieb im Jahr 1851 "la folie circulaire" (= zirkuläres Irresein) als einen Wechsel von Depressionen, Manien und einem gesunden Intervall, Jules Baillarger drei Jahre später sein Konzept der "folie à duoble forme" als unterschiedliche Erscheinungsformen der selben Krankheit, wobei nicht unbedingt ein freies Intervall zwischen diesen beiden Extremzuständen liegen muss.Vorlage:Ref Der deutsche Psychiater Emil Kraepelin nannte 1899 diese Erkrankung des "circulären Irreseins" auch "manisch-depressives Irresein", wobei er auch schon Mischzustände erkannte, bei denen manische und depressive Symptome gleichzeitig vorkommen. Auch für Kraepelin waren Manien und Depressionen Ausdrucksformen ein- und derselben KrankheitVorlage:Ref. In der NS-Zeit machten sich die Psychiater zu Helfershelfern des Nazi-Rassenwahns, wenn sie ihn nicht selbst - wie oft - hervorzubringen halfen und sich aktiv an den Untaten beteiigten. Enthusiastisch machten prominente deutsche Psychiater bei der "Vernichtung unwerten Lebens" mit. Zehntausende psychisch kranker Menschen, darunter als "cirkulär Irre" eingestufte bipolar Erkrankte wurden in den Vergasungs-Anstalten der "Aktion T-4" ermordet. Es hieß, man habe ihnen "Euthanasie" angedeihen lassen, eine "schönen Tod", der für sie "Erlösung" gewesen wäre und man habe den "Volkskörper" von kranken, schwächenden, unwerten Elementen und Erbgut gereinigt. 1949 traf Karl Kleist eine erbbiologische Unterscheidung unipolarer und bipolarer Krankheitsformen und 1966 unhterschieden Jules Angst und Carlo Perris bipolare Erkrankungen und unipolare Depressionen.Vorlage:Ref
Ursachen
Die Ursachen-Forschung für manisch-depressive Erkrankungen steht erst am Anfang. Die Ursachen für die Entstehung der Krankheit sind noch weitgehend unklar. Dennoch verdichten sich Hinweise für folgende Faktoren: Bipolare Störungen kommen in Familien gehäuft vor. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Verwandte ersten Grades von Menschen mit einer Bipolar I-Störung ebenfalls daran erkranken, ist gegenüber der normalen Bevölkerung siebenfach erhöht. Das Risiko, an irgend einer Form von Gemütsleiden zu erkranken, ist sogar um das 15- bis 20fache erhöhtVorlage:Ref. Bei eineiigen Zwillingen - sie sind genetisch völlig identisch - ist bei 60 Prozent der Fälle der zweite Zwilling ebenfalls von der bipolaren Störung betroffen, falls der erste erkrankt ist. Allerdings wird daraus auch deutlich, dass trotz 100prozentig gleichen Erbguts keine 100prozentige Übereinstimmung bei der Krankheit bestehtVorlage:Ref. Dies weist darauf hin, dass genetische Faktoren eine wichtige Rolle bei den Ursachen, bei der Krankheits-Entstehung spielen, dass aber auf der anderen Seite bei dieser Krankheit das Erbgut nicht die einzige Rolle spielt. Unterschiedliche Faktoren aus der Umwelt, die in der Lebensgeschichte wirken, wie traumatische Ereignisse (Trennungen, Mobbing und Bossing, Verlust des Arbeitsplatzes, Vertreibung und Verfolgung), sind hier von Bedeutung, ebenso verheerend wirkt sich auch sonstiger Stress aus (hierbei sind Bipolare viel verletzlicher als Nichtbetroffene, so kann sogar Wohnungswechsel Phasen auslösen), vor allem auch psychosozialer Stress, Konflikte in der Partnerschaft, in Familie und Beruf (auch hier sind Betroffene viel mehr gefährdet). Eine große Rolle bei auslösenden Faktoren spielt ein unregelmäßiger Tag-/Nacht-Rhythmus z.B. durch Schichtarbeit oder Lebenswandel, Schlafmangel, Überarbeitung, Alkohol - und sonstiger Drogenmissbrauch. Schlussendlich können jegliche Veränderungen phasenauslösend wirken. Bis zu 75 Prozent der Betroffenen berichten im reflektierenden Rückblick, dass sie unmittelbar vor der ersten spürbaren Krankheits-Episode intensiven Stress hatten, Stress allerdings, der bei nicht vulnerablen (= solcherart verletzlichen, von Vulnerabilität betroffenen) Menschen keine manische oder depressive Episode ausgelöst hätte, da sie Stress besser körperlich verarbeiten.Vorlage:Ref Spätere Krankheits-Phasen können immer weniger mit stressenden Ereignissen erklärt werden, bzw. minimaler Stress kann sie bereits auslösen.
Die bipolare Erkrankung ist also keine klassische, reine Erbkrankheit, die etwa gemäß der Mendelschen Regeln dominant oder rezessiv vererbt würde. Dennoch tragen nach heutigem Wissensstand verschiedene Gene zum Erkrankungs-Risiko bei. So wurden bei Manisch-Depressiven Veränderungen vor allem auf den Chromosomen 18, 4 und 21 festgestelltVorlage:Ref, so z.B. an einem Gen, das sich auf Wirkungen von Stress auf das Nervensystem auswirkt. Auch genetische Codierungen für das episodenhafte Denken können betroffen sein. Weiter ist ein Gen wirksam, das für Stoffe zur Ausbildung von Nervenscheiden und auch bei Veränderungen in der Pubertät verantwortlich ist. Das Gen für Monoaminoxydase, für Serotonin-Transport, für den Aufbau des Noradrenalin-Stoffwechsels ist ebenfalls betroffen.Vorlage:Note Jedes einzelne Gen bzw. jeder einzelne genetische Defekt hat hierbei nur einen relativ geringen Effekt. Solche Anlagenträger sind recht verbreitet. Kommen allerdings - zufälligerweise - viele solcherart wirkende Gene bei einer Person zusammen, so hat sie eine große Disposition, bei auslösenden Faktoren im Laufe des Lebens an der bipolaren Störung zu erkranken.Vorlage:Ref Die Entstehung der bipolaren Störung ist also höchstwahrscheinlich multifaktoriell bedingt. Sowohl biologisch-genetische Faktoren als auch psychosoziale Auslöser dürften eine Rolle spielen, d.h. das Erbgut gibt vor und die Umgebung hat weiteren Einfluss.
Verlaufsformen
Episoden beider Art treten häufig, aber nicht ausschließlich nach einem belastenden Lebensereignis auf. Die Betroffenen sind wie oben ausgeführt sehr empfindlich gegenüber Stress, genetische Veranlagung spielt ebenso eine Rolle. Nach einigen Phasen der Krankheit können sich innere Rhythmen ausbilden, die auch unabhängig von äußeren Ereignissen wirken. Während mitunter - vor allem wenn schnell erkannt und richtig behandelt - nach der ersten oder den ersten Episoden keine weiteren mehr auftreten, tritt die Bipolare Störung bei vielen als eine lebenslange, chronische Erkrankung in Erscheinung. Oft erkennen die Betroffenen ihre Krankheit lange nicht, denn man geht meist davon aus, dass es anderen innerlich genauso geht. Nichtbetroffene kennen auch glückliche oder gereizte Zustände auf der einen, und depressive Stimmungen auf der anderen Seite. Auch ihre Stimmung und ihr Antrieb pendelt und ist nicht immer gleich. Bei der Bipolaren Störung werden allerdings die normalen Ausschläge überschritten, die Gegenpole sind viel extremer. Das können Nichtbetroffene meist nicht nachvollziehen. Eine Depression wird als viel schlimmer empfunden als das "Depressiv-Drauf"-Sein, das auch viele gesunde Menschen manchmal durchmachen. Eine Manie ist viel stärker als normale Glücksgefühle, oder als normale Gereiztheit und als normaler Antrieb und Euphorie.
Die Phasen der Manie äußern sich häufig in starker Aktivität in Beruf und freiwilligem Engagement. Gerade diese Aktivität wird dem Betroffenen aber an dieser Stelle möglicherweise zum Verhängnis, da sie von Außenstehenden als übertrieben, aufdringlich oder gar anmaßend empfunden werden kann. Oft führt eine Manie zu Selbstüberschätzung und Übertreibung, schließlich dazu, dass jedem Reiz nachgegangen werden muss und die stark ausgeprägte Ablenkbarkeit und Aktivitätsschübe nichts mehr vollenden lassen und ein wirres Chaos verschiedener, oft paralleler Aktivitäten entsteht. Der Betroffene kann sich angeblich vollbrachte Leistungen durchaus auch nur einbilden.
Während einer Manie konzentriert der Betroffene oft seine volle Kapazität auf Teilaspekte seine Lebens, wobei andere Aspekte vernachlässigt werden oder völlig ignoriert werden. So kann es vorkommen, dass der Betroffene seine gesamte Energie auf sein berufliches oder freiwilliges Engagement oder für einen neuen Partner verwendet, gleichzeitig aber seine sozialen Kontakte oder seinen Haushalt völlig vernachlässigt. In der Tat kann die vermehrte Leistungsbereitschaft zunächst auch zu Erfolgen führen. So kann der Erkrankte während einer Manie, mehr noch aber bei einer Hypomanie, bei vorhandener Begabung sehr respektable Leistungen vollbringen. Unter einer "Hypomanie" versteht man eine nicht so stark ausgeprägte Manie, eine Hypomanie liegt jedoch bereits deutlich über einem normalen Aktivitäts- und/oder Stimmungs-Ausschlag "nach oben".
Die Auswirkung der Krankheit auf ein Engagement bezieht sich also insbesondere auf dessen Umfang sowie die Interpretation des Geleisteten durch den Erkrankten. Der Betroffene kann sich aber auch in Dinge hineinsteigern, die absolut realitätsfremd sind (Wahn). Dies ist vor allem der Fall, wenn er während der Manie in einen Größenwahn verfällt (Megalomanie). Dabei kann auch ein religiöser Größenwahn auftreten, in dem Betroffene sich für auserwählte Propheten oder für große Rächer im Namen Gottes halten können, neue Schriftzeichen entwickeln, ihre eigene Himmelfahrt vorhersagen, Berechnungen des Datums für den drohenden Weltuntergang anfertigen, der Phantasie für weitere Aktivitäten sind keine Grenzen gesetzt. Auch wegen des durch die Manie hervorgerufenen, oder sie auslösenden, teils extremen, Schlafmangels können solche Wahnvorstellungen, aber auch Halluzinationen hervorgerufen werden.
Wenn dann berechnete Ereignisse nicht eintreffen, fallen die Betroffenen oft in die Depression, oder sie ändern ihre Strategie und entwickeln neue Taktiken, mit denen sie mitunter effektiv ihre Angehörigen terrorisieren können. Auch kann der Tod und das Böse verherrlicht werden, in diesen Phasen besteht hohes Suizidrisiko.
Die Depression verkehrt alle Aspekte der Manie ins Gegenteil und zwingt den Betroffenen zu Apathie und Lustlosigkeit. Bei dieser Erkrankungsphase höchsten Leidens erscheint sehr oft der Tod als besserer Zustand, man ist hoch suizidgefährdet. Auch beschämen dann oft Dinge, die man in der Manie gemacht hat (oft wahllose Affären, unüberlegte schädigende Geldausgaben, zu deutliche Worte z.B gegenüber dem Arbeitgeber, Chaos, fehlende Rücksicht auf Beziehungen, ...).
Das erstmalige Auftreten der Krankheit kann in jedem Alter geschehen. Häufigkeit und Dauer der einzelnen Phasen sind sehr unterschiedlich; generell lässt sich jedoch sagen, dass manische Phasen in der Regel etwas kürzer dauern als depressive Episoden, dass die Intervalle zwischen den Phasen im Lauf der Zeit kürzer werden und dass mit zunehmendem Lebensalter häufiger depressive Phasen auftreten und diese länger andauern.
Bei bipolaren Erkrankungen werden Erkrankungsformen unterschieden, die mit "Bipolar I", "Bipolar II" oder "Zyklothymie" klassifiziert werden. "Bipolar I" nennt man eine Bipolare Krankheit, bei der mindestens eine voll ausgeprägte Manie vorkommt oder vorgekommen ist. "Bipolar II" charakterisiert eine Erkrankungsform, die mit Hypomanien und - oft schweren - Depressionen einhergeht. "Zyklothymie" ist eine in den Ausschlägen schwächere Verlaufsform, die allerdings immer noch deutlich über den normalen Schwankungen liegt ("himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt"). Bei so genannten rezidivierenden Depressionen, das sind Depressionen, die - nach einem Zwischenzustand des Normalen - immer wieder kommen, steckt meist bei näherem Hinsehen eine "Bipolar II"-Störung dahinter. Die Hypomanien kommen Ärzten oft nicht zur Kenntnis, so dass die Bipolare Störung dann nicht angemessen behandelt wird.
Je nach der Häufigkeit der Stimmungsumschwünge unterscheidet man weiterhin auch Rapid Cycling (mindestens vier Stimmungsumschwünge im Jahr), Ultra Rapid Cycling (Stimmungsumschwünge innerhalb von wenigen Tagen) und Ultra Ultra Rapid Cycling (Umschwünge innerhalb von wenigen Stunden, das Selbstmord-Risiko ist bei rapid cycling besonders hoch und die Prognose besonders schlecht).
An Bipolarer Störung Leidende haben aber generell ein um ein Vielfaches erhöhtes Selbsttötungsrisiko. 15% begehen Selbsttötung. Besonders riskant sind Depressionen, bei denen die Lähmung des Antriebs noch nicht da ist oder bereits wieder etwas verbessert ist, so dass man seinen tödlichen Vorsatz, der durch die verzerrte Sicht der Realität verursacht ist, umsetzen kann. Auch gemischte Phasen (Mischzustände), bei denen manische und depressive Symptome zugleich auftreten, bergen infolge der dysphorischen bzw. verzweifelten Stimmung und des enorm hohen Antriebsniveaus ein großes Selbsttötungs-Risiko. Ein weiterer Grund kann sich sogar bei klarer Überlegung zwischen den Phasen halten: Viele Experten halten die Depression für die Krankheit, bei der man am Meisten leidet. Bipolare mit ungünstiger Prognose und vielen Phasen zuvor wissen darum, dass wieder und wieder Depressionen kommen werden. Viele Menschen überleben schon ihre erste Depression nicht.
Behandlung
Eine medikamentöse Behandlung erfolgt in der Regel mit Stimmungs-Stabilisierern wie Valproat oder mit atypischen Neuroleptika bei akuten Manien und/oder Antidepressiva; eine vorbeugende Behandlung erfolgt mit Stimmungs-Stabilisierern wie Lithium oder Antiepileptika wie Carbamazepin, Valproinsäure oder Lamotrigin. Neuerdings ist auch das Neuroleptikum Olanzapin als Phasenprophylaxe zugelassen. Die genauen Wirkungsweisen, insbesondere die des Lithiums, in Form von Lithiumcarbonat eingenommen, sind bisher noch ungeklärt.
Bei vielen Antidepressiva kann es bei Betroffenen zu einem Umschlagen in die Manie oder Hypomanie kommen ("Switch", "Switch-Risiko"), deswegen sind nicht alle Antidepressiva bei Bipolaren gleichermaßen geeignet.
Sinnvoll ist auch oft eine auf die Krankheit abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie (Psychotherapie) oder Soziotherapie oder Psychoedukation. Empfehlenswert sind außerdem Selbsthilfegruppen. Aufgrund der mangelnden Krankheitseinsicht der Betroffenen, insbesondere in manischen Episoden, muss eine Behandlung in der akuten Krankheitsphase oft gegen den Willen der Patienten erfolgen. Das in einer Manie gesteigerte Selbstbewusstsein kann auch dazu führen, dass der Betroffene seine Medikamente selbstständig absetzt, was das Risiko eines erneuten und stärkeren Ausbruchs der Störung in sich birgt. Partnerschaft und Beruf sind durch die langen und wiederkehrenden Episoden in Gefahr. Die Bipolare Störung gehört zu den zehn Krankheiten, die weltweit am meisten zu Behinderung führen. Die Lebenserwartung ist - auch ohne die erhöhte Suizidrate - verkürzt.
Negative Auswirkungen der Krankheit
Diese Krankeit, die mehrfach Erkrankte wie z.B. Krebspatienten, die gleichzeitig Depressionen entwickelten, als die mit dem höchsten Leiden einschätzten, hat sehr oft dramatische Auswirkungen - oft tödliche (Suizid, Erhöhung der Todeswahrscheinlichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ...), sozioökonomische (lange Fehlzeiten durch Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Frühberentung, Therapien, ...), drastischer Verlust an Lebensqualität, Trennungen, Scheidungen, Mobbing und Bossing am Arbeitsplatz, Stigmatisierung, vielfaches unbeschreibliches Leid, auch in der 'Hölle der Depression', die bei Bipolaren meist immer wiederkehrt. Eine Schätzung des "US-Departement of Health, Education and Welfare" legte 1979 folgenden bedrückenden Befund vor, der als statistisches Mittel gilt: "Eine Frau, die mit 25 Jahren an einer bipolaren Störung erkrankt (was dem Durchschnittsalter entspricht), hat - eine um 9 Jahre verkürzte Lebenserwartung und - verliert 12 Jahre normalen gesunden Lebens, sowie - 14 Jahre normaler beruflicher und familiärer Aktivität.Vorlage:Ref"
Positive Auswirkungen von Bipolarität und affektiven Störungen für die Menschheit
Viele Besucher von Kunstmuseen, Konzerten und viele Leser sind sicherlich überrascht, wenn sie erfahren, wie viele solcher Kunstwerke, Musikstücke, lyrische Texte und Prosa von affektiv Erkrankten, meist Bipolaren, geschaffen wurden, die in der Hypomanie oder auch zwischen den Phasen bei vorhandener Begabung durchaus zu Höchstleistungen fähig sind, sich mitunter allerdings total auspowerten, als Depressive hingegen sehr empfindsam sind und ein breiteres Gemüts-Spektrum erfahren haben als normale Menschen. Die Liste berühmter affektiv Gestörter, meist Bipolarer, - auch Wissenschaftler, Entdecker und Staatsmänner gehören dazu - ist lang. Allerdings suizidierten sich - eine Folge dieser Krankheit - auch viele dieser Personen wie Virginia Woolf, Sylvia Plath, Robert Schumann und Vincent van GoghVorlage:Refum jeweils Beispiele aus den Bereichen Prosa und Lyrik, Musik und Kunst zu nennen. Als Veranschaulichung sowohl des Beitrags bipolarer Menschen für die Menschheit, als auch bipolarer Zustände, soll in diesem Artikel das bekannte Gemälde "Sternennacht" von Vincent van Gogh dienen. Es vermag Empfindungen während einer Hypomanie oder Manie wie Grandiosiät, Beschwingtheit, überstarkes Farbempfinden, Euphorie, Einheitsgefühle mit dem Kosmos, Expansion usw. aufzuzeigen - unabhängig von anderen Deutungen und Bezügen, die in dem Bild stecken. Vincent van Goghs "Sternennacht" kann man auch als Metapher für Bipolarität sehen, gibt es doch kaum einen größeren Farbkontrast als "Gelb-Blau". In seinen Tagebüchern und Briefen berichtete van Gogh über seine Depressionen und einige Ärzte diagnostizierten eine Manie. Seine Phasen brachten in bis ins "Irrenhaus". Sein Bruder Cor beging Suizid, sein ihn aushaltender Bruder Theo beschrieb in seinen zahlreichen Briefen an Vincent van Gogh seinen Kampf mit der Depression. Auch Paul Gauguin, mit dem van Gogh teilweise zusammen lebte, war bipolar"Vorlage:Ref. Künstler müssen natürlich nicht unbedingt psychisch krank sein, um große Werke zu schaffen. Allerdings haben psychobiographische Untersuchungen kreativer Persönlichkeiten gezeigt, dass eine grosse Zahl anerkannter Künstler, Musiker und Schriftsteller an bipolaren Krankheiten gelitten haben muss. Nach einer Untersuchung von Kay Redfield Jamison von 1994 beträgt die Häufigkeit bipolarer Erkrankungen bei kreativen Persönlichkeiten das 10fache der Häufigkeit bei der Allgemeinbevölkerung. Mehr als ein Drittel aller zwischen 1705 und 1805 geborenen englischen und irischen Dichter litten gemäß Jamison an bipolaren Erkrankungen, mehr als die Hälfte an Stimmungsstörungen"Vorlage:Ref. Wolfgang Amadeus Mozart war bipolar, Ernest Hemingway, Georg Friedrich Händel, Edvard MunchVorlage:Note, ... die Liste eindeutig bipolarer Prominenter ist lang, und die Dunkelziffer sicherlich hochVorlage:Ref. Dies gilt auch für die Gegenwart: Weltberühmte Musiker wie Sting oder Tom Waits, national bekannte wie Falco, Filmregisseure wie Francis Ford Coppola ("Apoclaypse Now") oder Schauspieler wie Jean Claude van Damme sind bekanntermaßen von bipolaren Störungen betroffenVorlage:Note. Emil Kraepelin: "Die willentliche Erregung, die die Krankheit begleitet, kann ... Kräfte freisetzen, die sonst durch alle Arten von Hemmungen bezwungen ist"Vorlage:Ref. Solche Hemmungen finden sich kaum bei hypomanischen und gar nicht bei manischen Zuständen: Es verschwinden Versagensängste, es verabschiedet sich Gebundenheit durch andere Verpflichtungen und Gebremstwerden durch mehr oder weniger sanfte Hinweise der Mitmenschen. Gesellschaftliche und weltanschauliche Vorbehalte werden bedenkenlos überwunden, moralische Tabus gebrochen, Signale körperlicher Erschöpfung ignoriert. Darüber hinaus öffnen solch extreme Stimmungshöhenflüge oft den Zugang zu den "Pforten der Wahrnehmung". Musik, Malerei und Dichtung sucht solche Erfahrungen zu fassen und gibt den unbändigen Aktivitätsschüben Raum. Doch bipolare Kreative und Genies leben gefährlich, wenn auch "Musik", "Malerei" oder das "Schreiben" ihr Leben ist. Sie können in ihren hemmungslosen Aktivitätsschüben untergehen, sich zu immer größeren Ausschlägen hochtakten, von den folgenden schweren Depressionen mit ihrer Suizid-Gefahr aus dem Leben gerissen werden. Virginia Woolf kommentiert die Bipolarität zwischen der 'Raserei der Manie' und dem 'Gefängnis der Depression': "Die Schönheit der Welt hat zwei Schneiden, die das Herz zerteilen. Eine ist Gelächter, die andere Seelenqual"Vorlage:Ref. Doch schon Aristoteles gab zu bedenken: "Es gibt kein großes Genie ohne einen Schuss Verrücktheit"Vorlage:Ref!
Referenzen
- Vorlage:Note[Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. - Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 47-54]
- Vorlage:Note[Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung, Stuttgart-New York 2003, S. 7f, ISBN 3-13-104993-6]
- Vorlage:Note[Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. - Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 47-54]
- Vorlage:Note[Bräunig, Peter; Gerd Dietrich: Leben mit Bipolaren Störungen. Trias-Verlag 2004, S. 42-47, ISBN: 3830430698]
- Vorlage:Note[W. Maier: Genetische Aspekte bipolarer Depression. Vortrag auf dem "Wissenschaftlichen Symposium" der "Deutschen Gesellschft für Bipolare Störungen am 2. September 2005 in Bonn, Kurzfassung unter: http://dgbs.de/download/pdf/Jahrestag2005Abstracts.pdf]
- Vorlage:Note[M. Bauer: Neue Forschungsergebnisse bei bipolaren Störungen. Vortrag auf dem "Wissenschaftlichen Symposium" der "Deutschen Gesellschft für Bipolare Störungen am 1. September 2005 in Bonn, Kurzfassung unter: http://dgbs.de/download/pdf/Jahrestag2005Abstracts.pdf]
- Vorlage:Note[Anna Forsthoff, Heinz Grunze: Breites Spektrum möglicher Ursachen Bipolarer Störungen. Forschungsansätze und Hypothesen, in: "Der Neurologe und Psychiater"-Sonderheft 1/05, S. 5-7, hier aus: http://dgbs.de/download/pdf/04_Ursachen%20Bipolar.pdf]
- Vorlage:Note[Jörg Walden, Heinz Grunze: Bipolare affektive Störungen. Ursachen und Behandlung, Stuttgart-New York 2003, S. 11, ISBN 3-13-104993-6]
- Vorlage:Note Frederick K. Goodwin und Kay Refield Jamison: Manic depressive illness, Oxford University Press 1990, S. 332 - 367
- Vorlage:NoteBlumer D.: The illness of Vincent van Gogh. American Journal of Psychiatry, 2002
- Vorlage:Note[Eberhard J. Wormer: Bipolar. Leben mit extremen Emotionen. Depression und Manie. - Ein Manual für Betroffene und Angehörige, München 2002, S. 131-138]
- Vorlage:NoteRothenberg A.: Bipolar illness, creativity, and treatment. Psychiatric Quarterly, 2001. (Hinweis auf Bipolare Störung Edvard Munchs)
Literatur
- Bräunig, Peter; Gerd Dietrich: Leben mit Bipolaren Störungen. Trias-Verlag 2004, ISBN: 3830430698
- Eberhard J. Wormer: Bipolar – Depression und Manie. Leben mit extremen Emotionen. Knaur, München 2003
- Andreas Erfurth (Redaktion): Weißbuch Bipolare Störungen in Deutschland, Stand des Wissens - Defizite - Was ist zu tun?, Kurzfassung: ISBN 3-8311-4520-2, Langfassung: ISBN 3-8311-4521-0
- Meyer, Thomas D., Martin Hautzinger: Manisch-depressive Störungen. Beltz Psychologie Verlags Union 2004, ISBN 3621275517
- Faust, Volker: Manie. Eine allgemeine Einführung in die Diagnose,Therapie und Prophylaxe der krankhaften Hochstimmung, Enke-Verlag 1997, ISBN 3432278616
- Kay Redfield Jamison: Meine ruhelose Seele. Die Geschichte einer manischen Depression. Goldmann-Verlag 1999, ISBN: 3442150302
- Petra Otto: Infarkt der Seele, Büro + Service GmbH Rostock, ISBN: 3899540395
- Dr. Renate Kingma (Redaktion): Mit gebrochenen Flügeln fliegen.... Menschen berichten über bipolare Störungen, Books On Demand 2003, ISBN 3-8330-0662-5
- Kay Redfield Jamison: Touched with fire. Manic-depressive illness and the artistic temperament, New York 1993, ISBN 0-684-83183-X
Weblinks
- http://www.dgbs.de/ Deutsches Standard-Internetangebot im Trialog
- http://www.forum-humanum.ch/ Schweizer Standard-Internetangebot, deutsche Sprache
- http://manic-depressive.de/ bedeutendes Forum für bipolar Erkrankte und Angehörige
- http://www.bipol-art.de/ Bilder, Lyrik, Prosa und Musik bipolar Erkrankter
- http://www.bipolar-netzwerk.dgbs.de/ Netzwerk der Selbsthilfegruppen bipolar Erkrankter, teilweise mit Angehörigenbeteiligung in Deutschland, dort auch Verortung möglicher Selbsthilfegruppen in der Nähe
- http://www.bipolar-netzwerk.de/ Netzwerk der Selbsthilfegruppen, eigene Seite
- http://www.change-of-moods.de/ bedeutendes Internet-Angebot einer Selbsthilfegruppe
- http://www.verein-horizonte.de/ Unterstützung affektiv Gestörter, Beratungs-Hotline bei Depression und/oder Manie, Chatraum für affektiv Gestörte
- http://www.psychose-chat.de/ Chat für Menschen, die an Psychosen leiden