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Arbeitswerttheorie

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Die Arbeitswerttheorie ist eine von Karl Marx herausgearbeitete ökonomische Theorie, die darlegt, dass der primäre, grundlegende Wertmaßstab für eine Ware (Warenwert) die in der Ware enthaltene zu ihrer Herstellung gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist.

Daraus lässt sich auch Ausbeutung ableiten. Wenn der Wert der Arbeitskraft, welche die Lohnarbeiter an die Kapitalisten wie eine Ware verkaufen müssen, niedriger ist als der Wert der Waren, die mit dieser Arbeitskraft produziert werden - die Differenz ist der Mehrwert, dann kann - zunächst durchaus "wertneutral" - von "Ausbeutung" (Exploitation) der Arbeiter gesprochen werden. Im Kapitalismus soll das nach Marx für jeden die Regel sein, da "Kapital" den Mehrwert sich aneignet und so durch Akkumulation (Ansammeln) des Mehrwerts immer größer wird. Würde man diese Strukturen abschaffen, ließe sich nach Marx der Kapitalismus beseitigen.

William Petty, David Ricardo, Adam Smith und Karl Marx werden sehr oft mit dieser Theorie verbunden, aber auch schon bei John Locke oder gar noch früher finden sich Ursprünge, wobei das Verständnis der Theorie zwischen den Autoren sehr unterschiedlich sein kann.

Beschreibung

Herleitung

Er stand vor einem Rätsel

Wird ein Paar Schuhe gegen zehn Brote getauscht, entsteht die Gleichung 1 Paar Schuhe=20 Brote. Dass Brote und Schuhe aber keineswegs gleiche Dinge sind, liegt auf der Hand. Wie Marx im Band 1 von Das Kapital, MEW 23, S. 73f. feststellt, zerbrach sich schon Aristoteles, allerdings vergeblich, den Kopf darüber, wie zwei so unterschiedliche Dinge wie Polster und Häuser gleich sein können, was sie offensichtlich sind, wenn im Tausch fünf Polster einem Haus gleich gesetzt werden:

5 Polster = 1 Haus.

Was nach Marx diese Waren vergleichbar macht, ist die in ihnen enthaltene Arbeit. Im ersten Beispiel hat ein Paar Schuhe den Wert von 20 Broten, d.h. zur Produktion von einem Paar Schuhe ist genau soviel Arbeit nötig, wie zur Produktion von 20 Broten. (Marx meint, dass zu Aristoteles' Zeiten diese Lösung noch nicht denkbar war, weil es noch nicht "die" menschliche Arbeit gab, sondern Sklavenarbeit stand neben verschiedenen Formen von mehr oder weniger freier Arbeit, Band 1, S. 74.)

Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit

Die Arbeitswerttheorie bezieht sich bei der wertschaffenden Arbeit nicht auf die tatsächliche, im Einzelfall geleistete, sondern auf die in einer Gesellschaft durchschnittliche Arbeitszeit, die zur Produktion einer Ware notwendig ist: auf die zur Wertschaffung gesellschaftlich notwendige Arbeit.

Der Wert von ein Paar Schuhen wird also nicht dadurch bestimmt, wieviel Arbeit ein konkreter Schumacher benötigt, sie herzustellen, sondern dadurch, wieviel Arbeit ein durchschnittlicher Schuhmacher der Gesellschaft benötigt, um ein vergleichbares Paar Schuhe herzustellen.

Deswegen haben die identischen Waren, egal ob vom faulen und ungeschickten langsam oder vom engagiert und rationellem Arbeiter schnell produziert, egal ob mit einer veralteten Technik langsam oder mit einer supermodernen Technik schnell produziert, den gleichen Wert, denn dieser bestimmt sich nach dem gesellschaftlichen Durchschnitt.

Abstrakte und konkrete Arbeit

Oben wurde auf das Paradoxon hingewiesen, dass unterschiedliche Güter (Schuhe oder Brote), was den Tauschwert anbelangt, einander gleichgesetzt werden im entsprechenden Tauschverhältnis. Damit werden auch die konkreten Arbeiten, die diese Güter hergestellt haben, einander gleich gesetzt, also soundsoviel Stunden Hemdennähen gleich soundsoviel Stunden Brot backen.

Benjamin Franklin, ein früher Vertreter der Arbeitswerttheorie

Das Paradoxon wiederholt sich also bei der Arbeit, indem verschiedene Tätigkeiten im Tausch - im richtigen Tauschverhältnis - einander gleich gesetzt werden. Marx führt deshalb den Begriff "abstrakte Arbeit" ein, also Arbeit, wenn man von allen besonderen Tätigkeitsmerkmalen der verschiedenen Arbeiten abstrahiert (absieht), und nur noch die nackte Arbeit, die abstrakte Arbeit übrigbleibt. Es ist die Zeitdauer dieser abstrakten Arbeit, die den Wert der produzierten Waren bestimmt.

Marx (Band 1 des Kapitals, MEW 23, S. 65) zitiert in diesem Zusammenhang Benjamin Franklin, der feststellte: "Da der Handel überhaupt nichts ist als der Austausch einer Arbeit gegen andre Arbeit, wird der Wert aller Dinge am richtigsten geschätzt in Arbeit." Marx ergänzt: "Franklin ist sich nicht bewußt, daß, indem er den Wert aller Dinge 'in Arbeit' schätzt, er von der Verschiedenheit der ausgetauschten Arbeiten abstrahiert - und sie so auf gleiche menschliche Arbeit reduziert. Was er nicht weiß, sagt er jedoch. Er spricht erst von 'der einen Arbeit', dann 'von der andren Arbeit', schließlich von 'Arbeit' ohne weitere Bezeichnung als Substanz des Werts aller Dinge."

Einfache und komplizierte Arbeit

Der Arbeitswert einer Ware lässt sich in Arbeitszeit ausdrücken. Ein Problem dabei ist allerdings, dass Arbeit verschieden Qualitäten haben kann. Die Arbeit eines Facharbeiter leistet mehr als die Arbeit eines einfachen Arbeiters. Wenn zum Beispiel ein Mikroskop den selben Wert hat wie hundert Brote, kann dies daran liegen, dass für ein Mikroskop 100 Stunden gearbeitet werden muss, für ein Brot aber nur eine Stunde. Es kann aber auch daran liegen, dass sowohl für ein Brot als auch für ein Mikroskop eine Stunde gearbeitet werden muss, dass aber, um ein Mikroskop herzustellen, eine hundertmal komliziertere Arbeit notwendig ist als die einfache Arbeit um ein Brot herzustellen. Marx meint aber, dass man komplizierte Arbeit auf einfache Arbeit umrechnen kann, indem man die Zeitdauern mit einem entsprechenden Faktor, der den Grad der Kompliziertheit wiedergibt, mulitpliziert. In unserem Beispiel also der Faktor 100.

Tauschwert

Der Wert einer Ware tritt als Tauschwert in Erscheinung. Da zum Tauschen immer mehrere Tauschpartner erforderlich sind, ist der Tauschwert einer Ware eine gesellschaftlich bestimmte Größe.

Verschleierung der Verhältnisse

Einem Benjamin Franklin im frühen Kapitalismus war es vielleicht noch offensichtlich, dass sich die Waren tauschen im Verhältnis zur Arbeitszeit, die zu ihrer Herstellung notwendig ist. Marx selbst stellt aber fest, dass die Arbeitswerte nur in erster Lösung die Werte der Waren sind, dass wegen des tendenziellen Ausgleichs der Profitraten zwischen den Branchen Produktionspreise die Gravitationszentren der Preisbewegung sind. Weil sich zwischen den Branchen eine einheitliche allgemeine Profitrate herausbildet, sind in den Branchen, wo vergleichsweise viel konstantes Kapital eingesetzt werden muss, die Produktionspreise höher als die Arbeits-Werte, und in den Branchen, wo vergleichsweise wenig konstantes Kapital eingesetzt werden muss, sind die Produktionspreise niedriger als die Arbeitswerte. Im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt gilt aber weiterhin die Arbeitswerttheorie. Weil aber die Preise um die Produktionspreise schwanken und diese von den Arbeitswerten abweichen, ist es nicht mehr offensichtlich, dass die Werte von der Arbeitszeit bestimmt werden. Im Gegenteil, dort wo viel konstantes Kapital eingesetzt wird, sind die Preise auch höher als die Arbeitswerte, so dass unmittelbar der Eindruck entsteht, der höhere Einsatz von konstantem Kapital führt auch zu höherem Wert, obwohl das konstante Kapital nicht zum Neuwert beiträgt, sondern sein Wert wird lediglich nach Maßgabe seiner Abnutzung allmählich auf die Endprodukte übertragen.

Siehe auch