Mehrwert (Marxismus)
Als »Mehrwert des Kapitals« eine zwischen bürgerlicher Volkswirtschaftslehre und der marxistischen Kritik der politischen Ökonomie umstrittene Kategorie.
Außerhalb eines marxistischen Kontextes wird der Begriff des Mehrwertes in der Regel als Synonym für Wertschöpfung verstanden, etwa im Fall der Mehrwertsteuer.
Anders als Marx versteht Oppenheimer unter »Mehrwert« denjenigen Wert, den ein Kontrahent im Tauschakt aufgrund seiner Machtposition als Aufpreis erzielen kann.
Als »Mehrwert des Geldes« ein Begriff, den der Augsburger Staatsrechtsprofessor Dieter Suhr anstelle von "Urzins" in die Diskussion um die Freiwirtschaftslehre eingebracht hat.
Mehrwert der Produktion - Begriff aus der Politischen Ökonomie nach Marx
- (nach Marx Kritik der politischen Ökonomie)
Kapitalismus im Unterschied zu früheren Produktionsweisen
Der Mehrwert ist laut Marx die spezifisch kapitalistische Form des Mehrprodukts. In vorkapitalistischen Klassengesellschaften eignen sich die Herrschenden einen Teil der Arbeit unmittelbar durch Zwang an (z.B. als Fronarbeit) an. Durch die Theorie des Mehrwerts erklärt Marx, wie im Kapitalismus Ausbeutung möglich ist, obwohl die Proletarier als formal freie Subjekte, wenn sie ihre Arbeitskraft verkaufen, wie alle anderen Warenbesitzer das bekommen, was ihre Ware wert ist.
Der Wert der Ware Arbeitskraft
Der Wert der Ware Arbeitskraft bemisst sich wie der aller Waren nach dem Aufwand, der zur "Herstellung" dieser Ware aufgewendet wird. Das können die Kosten für Lebensmittel und Kosten für Unterkunft (Lebenshaltungskosten) sein, die der Arbeiter hat. Hinzu kommen die Kosten einer Ausbildung zur Qualifikation der Arbeitskraft (etwa als Facharbeiter oder durch ein Studium). Außerdem gehören noch die Kosten dazu, um die "Ersatzmannschaft", also um die Kinder der Arbeiter, die diese eines Tages ersetzen sollen, groß zu ziehen. Die Gesamtheit dieser Kosten entsprechen dem Wert dessen, was der Arbeitnehmer auch als Lohn auf dem (Arbeits-)Markt angeboten bekommt (besser gesagt angeboten bekommen sollte. Dazu ist ein ständiger Klassenkampf erforderlich.).
Neuwert, Wertschöpfung
Der Wert, den die Arbeitskraft selbst aber wiederum im Arbeitsprozess schafft, der Neuwert, richtet sich nach der Produktivität der geleisteten Arbeit im Verhältnis zur gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit (Arbeitswertlehre). Da der geschaffene Wert einen ganz anderen Bestimmungsgrund hat, kann er auch viel größer sein als der Wert der Ware Arbeitskraft, und dies ist die Praxis. Darin unterscheidet sich diese Ware grundsätzlich z.B. von Maschinen, die bei ihrer Vernutzung nur den Wert wieder übertragen, der in ihnen steckt.
Die Kapitalformel
Marx analysiert die kapitalistischen Marktbeziehungen in zwei Formeln:
Bei dem Austauschprozess Ware-Geld-Ware (W-G-W) geht es um den (in der Regel äquivalenten) Austausch von Gebrauchswerten; Geld hat eine Vermittlerfunktion.
Damit Geld zu Kapital wird, braucht ein Kapitalist einen anderen, ihm gemäßen Umgang mit dem Geld: Geld-Ware-Geld (G-W-G'). Damit diese Formel für den Kapitalisten nicht tautologisch und sinnlos ist, kommt es auf das "G'" am Ende an, also auf die Vergrößerung der ursprünglichen Geldsumme ("Mehrwert").
G' - das den so genannten Mehrwert beinhaltet - wird als neues G wieder Ausgangspunkt der Formel, der Kreislauf beginnt von vorne; diese Formel zielt also auf eine endlose, spiralförmige Bewegung ab. Entscheidend ist hier alleine die Vermehrung des Werts, der Gebrauchswert ist bloße Bedingung für die Verkäuflichkeit. Diese Kapitalisierung aller Lebensbereiche scheint heutzutage noch mehr als zu Marx' Zeiten durch die Globalisierung gegeben.
doppeltfreier Lohnarbeiter
Laut Marx kann die Kapitalvermehrung nicht aus der Sphäre der Warenzirkulation erklärt werden: Wenn z.B. der Kapitalist als Verkäufer einen Preisaufschlag erheben könnte, müsste er ihn als Käufer beim "G-W" wieder verlieren. Die Wertvergrößerung muss also aus der Benutzung der gekauften Ware entspringen: Sie entsteht durch Kauf und produktive Anwendung der menschlichen Arbeitskraft. Damit das Geld in der Hand des Kapitalisten zum Kommandomittel über menschliche Arbeit wird, ist das Vorhandensein einer eigentumslosen Klasse unterstellt, die keine Mittel besitzt, um selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen - also auch kein anderes Lebensmittel hat, als ihre eigene Arbeitskraft zu verkaufen: Der "doppelt freie Lohnarbeiter" (Marx).
Rechnerisch
Rechnerisch ist der Mehrwert dann die Differenz zwischen dem Wert geleisteter Lohnarbeit - dem Erlös aus ihrem Ergebnis (Produkt) - und dem gezahlten Lohn.
Mehrwertproduktion:
- C1 + V + M = C2
wobei
- C1 = vorgeschossenes ("Constantes") Kapital (Maschinen, Bauten, Material)
- V = Lohn ("Variables Kapital" (Historisch-gesellschaftliche Reproduktionskosten der Arbeitskraft)
- M = Mehrwert (Ergebnis der unbezahlten Mehrarbeit)
- C2 = Verwertetes, erweitertes Kapital
einige Schlussfolgerungen
An ein gegebenes Quantum Kapital (Produktionsmittel, C) werden Arbeitende (klassisch "Arbeiter" oder Proletarier) zur Produktion gestellt. Sie erhalten dafür Lohn, müssen dem Kapitalisten aber den Mehrwert M lassen, den er aus dem Verkauf der produzierten Waren zieht.
Wenn also Geld angelegt wird und Rendite bringt, steckt dahinter - nach Marx - letztlich immer der Mehrwert, den Andere mit ihrer Arbeitskraft geschaffen haben (obwohl man auch gerne sagt, das Geld arbeitet).
Zentral für das Verständnis der Marx'schen politischen Ökonomie ist die Unterscheidung von abstrakten, gesellschaftlich durchschnittlich zu verstehenden Begriffen wie Wert und Mehrwert einerseits und konkreten Preisen und Profiten im vorgefundenen Einzelfall.
Weiterführende Hinweise
Siehe auch
- Objekt klein a, Mehrwertsteuer, Wertparadoxon, Wertschöpfung, Fairer Handel,Arbeitsmarkt, Arbeitswerttheorie
Literatur
- Michael Heinrich: Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung, Stuttgart: Schmetterling Verlag, zweite durchgesehene und erweiterte Auflage 2004, ISBN 3-89657-588-0
- Dieter Suhr: Geld ohne Mehrwert, 1983, Knapp, Frankfurt