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Softwarepatent

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Ein Softwarepatent ist ein Patent auf eine Methode zur Programmierung eines digitalen Rechensystems (eines Computers). Eine allgemein akzeptierte genaue Definition des Begriffs hat sich bisher noch nicht etabliert.


Einführung

Traditionelle Patente beziehen sich auf technische Erfindungen, das heißt auf Problemlösungen, deren Gültigkeit in Experimenten mit Naturkräften überprüft werden muss. Softwarepatente hingegen beziehen sich auf Ideen, deren Wirksamkeit allein durch logische Schlussfolgerungen bewiesen werden kann. Grenzfälle sind Prozesse, bei denen die traditionelle Steuerung unter Verwendung von Mechanik, Hydraulik, Pneumatik oder Elektronik durch eine Steuerung mit einem Computerprogramm ersetzt wird.

Es gibt keine juristische Definition des Begriffs Softwarepatent. Softwarepatente werden von manchen Autoren verstanden als Konzeptschutz, z.B. "Anwendung des Patentrechtes zur Realisierung eines konzeptionellen Schutzes von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen" (Rebentisch). Andere sehen in Softwarepatenten einen "Ideenschutz" für Software. Kritiker wie Richard Stallman sprechen auch von Softwareideenpatenten. Betont werden muss, dass die Unterscheidung zwischen Softwarekonzepten/Ideen und Software "als solcher" für Entwickler künstlich ist, Software kann wie die Mathematik als Ansammlung abstrakter Konzepte verstanden werden.

Nach deutscher und europäischer Praxis ist eine computerimplementierte Erfindung dann patentfähig, wenn sie einen technischen Beitrag liefert.

Es wird häufig die "Literaturtheorie" vertreten, um die Kommunikationsbarriere zu überwinden:

Bei Software sei es sehr ähnlich gelagert wie mit literarischen Werken. Nicht die Handlung ist von Interesse für den Schriftsteller, die erzählerische Handlung kann auch nicht deutlich von der Erzählung separiert werden, worauf es allein ankommt ist vielmehr seine glückliche schriftstellerische Umsetzung. Die Patentierung von Software werde daher von den IT-Professionellen ähnlich absurd empfunden wie die Patentierung einer erzählerischen Handlung. Und ebenso wie die Patentierbarkeit einer Erzählung gegeben sei, wenn Patente auf Handlungen vergeben werden, so sei es auch mit der Patentierbarkeit bei Software der Fall, wenn Patente auf Abstraktionen (Konzepte/Ideen) in Software vergeben werden. Es wird im allgemeinen verstanden, dass sich ein Patent auf eine zugrundeliegende Abstraktion bezieht, wobei der Schutz des Abstrakten die Realisation des Konkreten verunmöglicht. Politiker meinen hingegen häufig ein eingebildetes Missverständnis bereinigen zu müssen, in dem sie gegen den Terminus Softwarepatente zu Felde ziehen mit der Begründung Software "als solche" solle gar nicht patentiert werden, eine "Don Quichoterie" und typisch für die Kommunikationsbarrieren in diesem Politikfeld. Der Terminus Software-Ideenpatente (Stallman) ist eine Antwort darauf, das Einfügen des Wortes Idee ist aber sachlich genauso überflüssig wie die Erwähnung, ein Schimmel sei weiß.

Für die Realisierung eines Konzeptschutzes, so er denn benötigt sei, wird das Patentrecht von vielen Praktikern als ungeeignet betrachtet. Ein solcher Konzeptschutz mit Hilfe des Patentsystems wird aber massiv von Patentanwälten verfochten, wobei ihnen nicht selten der Vorwurf der Interessenkollision gemacht wird.

Softwarepatente werden in keinem Land offiziell als solche klassifiziert, was das Erstellen von Statistiken über ihre Verbreitung erschwert. In jüngster Zeit gibt es Bestrebungen, eine Community-basierte Klassifizierung nach Wiki-Art zu etablieren (Gauss-Projekt).

Rechtliche Situation

Die Möglichkeiten zur Patentierung von Software sind international sehr unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich ist Software weltweit ebenfalls durch das Urheberrecht geschützt. Das Urheberrecht schützt eine konkrete Implementierung, nicht aber das Verfahren an sich, das einem Programm zugrunde liegt. Es ist also möglich, dieselbe Idee in einem anderen Programm umzusetzen, ohne gegen das Urheberrecht zu verstoßen. Strittig ist, ob ein solches Schutzinteresse besteht und ob Patentrecht das ökonomisch angemessene Instrument für die behauptete Schutzlücke ist.

TRIPS-Vertrag

Es gibt zwei verschiedene Interpretationen des TRIPS-Vertrages von Befürwortern und Gegnern einer Softwarepatentierung.

1. TRIPS untersage Softwarepatente: Kritiker verweisen darauf, dass verkehrsfremde Patentrechte die Urheberrechtsdurchsetzung erschweren und zu einer "Verdünnung" von property rights führen. Mit Verweis auf den Artikel 10 des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) und des Artikels 4 des Urheberrechtsabkommens WIPO Copyright Treaty (WCT) wird weiterhin in Frage gestellt, ob ein patentrechtlicher Schutz eine vorgebliche Schutzlücke des Urheberrechtes füllen darf.

2. TRIPS fordere Softwarepatente: Eine andere Rechtsmeinung betont dagegen, Artikel 10 TRIPS und Artikel 4 WCT beziehen sich allein auf das Urheberrecht. Der patentrechtliche Artikel 27 TRIPS enthält aber das Minimalerfordernis, dass ein Patent erteilt werden muss, sobald es eine Erfindung in irgendeinem technischen Gebiet gibt, die neu, nicht-naheliegend und gewerblich anwendbar ist, wobei bei der Erteilung und Ausübung von Patenten nicht nach technischem Gebiet diskriminiert werden darf. Die EU Software-Urheberrechtsrichtlinie erwähne, dass diese Richtlinie, die klarstellt, dass Software urheberrechtlich geschützt wird, nicht einen patentrechtlichen Schutz ausschließe.

Beide Argumentationslinien sind jedoch wenig seriös, denn ein Doppelschutz durch Urheberrecht und Patentrecht ist möglich und ferner ist TRIPS 27 nur dann anwendbar, wenn Software als "Gebiet der Technik" im patentrechtlichen Sinne zu verstehen sei. Ferner ist der Erfindungsbegriff zu klären. Einen gesetzgeberischen Zwang zur Softwarepatentierung aus TRIPS 27 abzuleiten, ist höchst fragwürdig. In anderen Bereichen wurde die Formulierung von TRIPS 27 aber erfolgreich im lobbyistischen Kontext eingesetzt.

USA

Seit einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von 1980 (Diamond vs. Diehr) ist in den USA eine Patentierung von Software möglich, damals musste diese noch einen engen Bezug zu industriellen Prozessen haben, was aber 1994 vom US PTO aufgeweicht wurde. 1999 hat das Bundesberufungsgericht mit der Entscheidung "State Street Bank" die Patentierbarkeit auf Geschäftsideen ausgeweitet. Der Senat wurde dabei niemals nach seiner Meinung gefragt, Treiber dieser Entwicklung waren ausschließlich Patentanwälte bzw. deren Auftraggeber in Kombination mit der US-amerikanischen Tradition, Recht auf Grund von vorherigen Gerichtsentscheidungen fortzuentwickeln.

Europa

Seit dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) von 1973, das nach und nach in nationales Recht der EU-Mitgliedstaaten umgesetzt wurde, ist das Patentrecht innerhalb der EU einheitlich geregelt. Artikel 52 des EPÜ [1] enthält eine Aufzählung von nicht patentfähigen Erfindungen, darunter auch "Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten" sowie "Programme für Datenverarbeitungsanlagen".

"Programme für Datenverarbeitungsanlagen" sind nach Artikel 52(2) EPÜ von der Patentierung ausgeschlossen und werden nicht dem Begriff der Erfindung unterworfen. Aus der einschränkenden Formulierung des 52(3) auf die in 52(2) genannten Gegenstände und Tätigkeiten "als solche", leitet die EPO die Auffassung ab, nur Software "als solche" sei von der Patentierung ausgeschlossen. Diese Interpretation ist sehr umstritten, da insbesondere der Begriff "Software als solche" nicht definiert ist und der Art 52(3) im Einklang mit den anderen genannten Fallgruppen zu interpretieren ist.

Die als solche Klausel in Art 52(3) wurde Anfang der 90er Jahre dahingehend neu ausgelegt, dass sich der Ausschluss nur auf Software "als solche", nicht aber auf zugrundeliegende Konzepte beziehe. Eine angemeldete Erfindung darf also ein Computerprogramm enthalten, aber der Gegenstand der Erfindung muß einen sogenannten technischen Beitrag liefern. Der technische Beitrag ist ein unbestimmter Rechtsbegriff der durch die Rechtssprechung auszufüllen ist. Neuheit und erfinderische Tätigkeit müssen aber nicht zwingend außerhalb des Programms liegen, d.h. ein neuer und erfinderischer Algortithmus, der beispielsweise einen Roboter auf innovative Weise steuert ist patentierbar.

Bis Mitte der achtziger Jahre legte das Europäische Patentamt (EPA) das Übereinkommen restriktiv aus und erteilte keine Patente auf reine Softwareerfindungen. 1985 überarbeitete das EPA seine Prüfungsrichtlinien und erklärte, dass nur "nichttechnische" Neuerungen von einer Patentierung ausgeschlossen seien. Die Definition dieses Technizitätskriteriums ist bis heute umstritten. In der Folge wurde auch die Patentierung von Software möglich. Doch erst die dammbrechende EPO-Entscheidung IBM/Computerprogrammprodukt führte zu einem rasanten Anstieg der Patente. Die EPO Beschwerdekammer antizipierte damit eine für das Jahr 2000 erwartete EPÜ-Revision. Gegner dieser Entwicklung beziffern die Zahl der seither vom EPA erteilten Softwarepatente auf über 30.000 [2].

Europäische Union

Kampagne des FFI gegen EU-Softwarepatente

Anfang 2002 schlug die Europäische Kommission eine neue Richtlinie für "computerimplementierte Erfindungen" vor mit dem Ziel einer Harmonisierung der Patenterteilungspraxis in den Mitgliedsländern. Der Vorschlag richtete sich an der umstrittenen Erteilungspraxis des EPA aus. Von Februar bis September 2003 beschäftigten sich die Abgeordneten und Ausschüsse des Europäischen Parlaments mit dem Vorschlag der Kommission. Nach mehrfacher Verschiebung aufgrund zahlreicher Proteste wurde die Vorlage am 23. September 2003 debattiert. Am Tag darauf legte das Parlament seinen Standpunkt in erster Lesung fest, in dem es unter anderem die Technizität einer Erfindung, der deutschen Rechtspraxis folgend, über ihre Wirkung auf die Naturkräfte definierte und die Grenzen der Patentierbarkeit damit wesentlich enger zog als die Kommission.

Im Mai 2004 wurde im Rat der Europäischen Union ein sogenanntes "Kompromisspapier" als "gemeinsamer Standpunkt" beschlossen, der allerdings keine der substanziellen Änderungsanträge des Parlaments aus erster Lesung aufgenommen hatte und den Gerichten die Anerkennung der vom EPA erteilten Softwarepatente aufzwang und dem Parlament zur Abstimmung vorlag. Dieser Vorschlag ging dabei in der Patentierbarkeit sogar noch über den ursprünglichen Entwurf der Kommission hinaus und er konnte nur in einem umstrittenen Verfahren formal als "gemeinsamer Standpunkt" im Sinne des Mitentscheidungsverfahrens angenommen werden. Dabei wurde sowohl ein Antrag des Parlaments auf Neuverhandlung der gesamten Richtlinie von der Kommission abgelehnt, als auch der bindende Beschluss des dänischen Parlaments von dessen Ratsvertreter missachtet, das für eine erneute Diskussion im Rat votiert hatte. Auch die deutsche Regierung verhielt sich im Rat entgegen dem interfraktionellen Bundestagsbeschlusses und hat den "gemeinsamen Standpunkt" mit nur unwesentlichen Änderungen durchgewunken. Da sich Österreich, Italien und Belgien bei der Abstimmung der Stimme enthielten, acht Staaten ihre Bedenken als Zusatzerklärung zum Beschluss formuliert haben, und die Änderungsanträge des Parlaments nicht berücksichtigt wurden, kann somit in keiner Weise von einem "gemeinsamen Standpunkt" gesprochen werden.

Für die zweite Lesung im Parlament wurden 256 Änderungsanträge vorgelegt, die im Rechtsausschuss (JURI) gesichtet und zusammengefasst wurden. Am 20.6.2005 stimmte dieser Aussschuss über die Abstimmungsvorlagen ab, über die dann am 5./6./7.Juli im Parlament debattiert und abgestimmt wurde. Bei dieser Abstimmung im Rechtsausschuss schwenkten die Mitglieder größtenteils in die Linie des EU-Rates ein. Der rechtspolitische Sprecher der christdemokratischen Volkspartei Klaus-Heiner Lehne hatte in seiner Fraktion seinen patent-freundlichen Kurs durchsetzen können.

Das Parlament hatte die Wahl, den "gemeinsamen Standpunkt" anzunehmen, insgesamt zurückzuweisen oder erneute Änderungen zu fordern. Allerdings waren nach den Verfahrensregeln des Mitentscheidungsverfahrens die Hürden für eine Ablehnung bzw. Änderung hoch angesetzt, da das Parlament durch absolute Mehrheit bestimmen musste. Wäre es zur Ablehnung oder zu Änderungsanträgen gekommen, hätte der Richtlinienentwurf an den Rat zurückverwiesen werden müssen, der in der sogenannten dritten Lesung dann durch ein Vermittlungsverfahren einen Kompromiss mit dem Parlament hätte suchen müssen. Allerdings wies das Verhalten von Ratspräsident Juncker und Bundesjustizministerin Zypries darauf hin, dass durch ein sogenanntes "TRILOG"-Verfahren bereits vor der Abstimmung des Parlaments eine Lösung gefunden werden sollte, die eine solche dritte Lesung verhindern würde. Bei den deutschen EU-Parlamentariern waren Grüne-, FDP- und PDS-Fraktion einstimmig gegen den Ratsentwurf, in der größten Fraktion der CDU/CSU waren die Abgeordneten anfänglich mehrheitlich dafür, während bei der SPD keine einheitliche Linie feststellbar war.

Am 6. Juli 2005 stimmten mit großer (95-prozentiger) Mehrheit 648 von 680 Abgeordneten gegen die Richtlinie zur Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen".

Zitate nach der Entscheidung:

Katja Husen, Mitglied im Bundesvorstand und Reinhard Bütikofer, Vorsitzender von Bündnis 90 / Die Grünen: "Auch wenn es stimmt, dass keine Richtlinie besser ist als eine schlechte, so besteht kein Grund zum Feiern. Die Kehrtwende der Konservativen und Liberalen zeigt immerhin, dass die beharrliche Kritik an der geplanten Richtlinie Wirkung gezeigt hat. Konservative und Liberale sahen sich gezwungen, darauf zu reagieren. Aber nationale Patentämter und das europäische Patentamt haben entgegen dem Europäischen Patentübereinkommen bereits Tausende Softwarepatente erteilt, darunter zahlreiche sogenannte Trivialpatente. Auch wenn diese jetzt erst mal nicht durchgesetzt werden können - diese Zeitbombe wurde nicht entschärft, sondern tickt weiter! Jetzt muss dringend eine Evaluierung der Erteilungspraxis der Patentämter in die Wege geleitet werden, um die Erteilung neuer und die Durchsetzung alter Softwarepatente einheitlich in Europa zu verhindern."

Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: "Die Ablehnung der Richtlinie ist ein großer Tag für den Parlamentarismus. Lobbyisten, Microsoft & Co und Patent- Beamte sind mit ihrem Versuch eines kompromisslosen Durchmarsches kläglich gescheitert. Die überparteiliche gemeinsame Initiative des Deutschen Bundestags mit einer Beratung unsicherer EU-Parlamentarier bis in die letzten Tage hinein bedeutet zugleich auch ein völlig neue Form parlamentarischer Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg."

Matthias Wissmann (CDU), Vorsitzender des Europaausschusses des Deutschen Bundestages: "Allen mittelständischen Unternehmen, die innerhalb der EU Handel treiben mit Elektronik in Maschinen, Autos und Mobilfunkgeräten kann heute ein Stein vom Herzen fallen."

Alexander Alvaro (FDP), innenpolitischer Sprecher der Liberalen im Europaparlament: "Bevor eine unüberschaubare Flut von Änderungsanträgen die Richtlinie verwässert hätte, ist es besser, keine Richtlinie als eine schlechte zu haben. Statt Klarheit hätten wir Verwirrung gestiftet und womöglich das Gegenteil von dem erzielt, was wir ursprünglich wollten: Rechtssicherheit für die Bürger."

Mark MacGann, Sprecher des Dachverbandes der europäischen High-Tech-Industrie EICTA: "Dies ist eine kluge Entscheidung. Damit wird eine Gesetzgebung verhindert, welche die Patentierbarkeit in Europa möglicherweise zu Lasten der Industrie eingeschränkt hätte. Das Parlament hat sich heute für den Status Quo entschieden, der den Interessen unserer 10.000 Mitgliedsunternehmen bisher gut gedient hat.

Oliver Moldenhauer, Sprecher von Attac: "Für Europa ist die Entscheidung von Straßburg ein guter Tag. Die Bürger Europas haben einen wichtigen Erfolg gegen Softwaremonopole errungen. Trotz massivem Lobbyeinsatz der Softwaregiganten konnte sich diesmal die Partikularinteressen der Großindustrie nicht durchsetzen. Allerdings ist die Ablehnung der Richtlinie nur die zweitbeste Lösung. Besser wäre ein Beschluss des Parlamentes gewesen, die Richtlinie so zu ändern, dass Softwarepatente effektiv ausgeschlossen werden. Die aktuelle rechtswidrige Patentierungspraxis des Europäischen Patentamtes muss gestoppt werden - entweder durch die nationalen Gerichte oder durch eine neue Richtlinie."

Deutschland

Das Deutsche Patentgesetz ist in allen wesentlichen Punkten mit dem europäischen Recht identisch, insbesondere bezüglich der Fragen, was patentierbar ist.

Mehr noch: Europäische Patente können nach Ablauf der Einspruchsfrist nur noch vor nationalen Gerichten für das betreffende Land nichtig geklagt werden und auch im Fall einer Patentverletzung entscheiden die nationalen Gerichte. Die Rechtsprechung macht - gerade wegen der Identität der gesetzlichen Bestimmungen - bei ihren Entscheidungen zwischen deutschen und europäischen Patenten keinen Unterschied. Letzte Instanz für deutsche und europäische Patente ist in Deutschland der Bundesgerichtshof.

Die im EPÜ genannten Ausschlüsse von der Patentierbarkeit, insbesondere für Computerprogamme, finden sich z. B. in § 1 des deutschen Patentgesetzes (PatG) wieder. Die Technizität einer Erfindung - die Voraussetzung für eine Patentierung - ist nach deutscher Rechtsprechung dadurch gekennzeichnet, dass sich die Erfindung zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges des Einsatzes von Naturkräften bedient. Nach nunmehr wohl als ständig zu bezeichnender Rechtsprechung des Bundespatentgerichtes und des Bundesgerichtshofes ist die lediglich bestimmungsgemäße Benutzung eines Computers kein Einsatz von Elektrizität als Naturkraft. In Grenzfällen, wie bei Methoden zur Druckwegoptimierung oder zur Speicherverwaltung kam es dennoch zu umstrittenen Interpretationen, nach denen beispielsweise eine Reduzierung des Speicherverbrauches bereits Technizität herstellt.

Allerdings spielt die Frage der Technizität des patentierten Gegenstands - also ob dieser technischer Natur ist - im Zusammenhang mit Softwarepatenten nur eine untergeordnete Rolle. Software ist wohl immer irgendwie technisch und insofern patentfähig. Entscheidend ist, dass die Erfindung technisch ist und einen technischen Beitrag leistet, d.h. ein technisches Problem muß mit technischen Mitteln löst und die Lösung auch neu ist und sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Dazu ein paar Beispiele:

Eine PKW-Motorsteuerung, z.B. zur Festlegung des Zündzeitpunkts, ist eine technische Vorrichtung und ist - als Vorrichtung oder als Verfahren - auch dem Patentschutz zugänglich. Im alten VW Käfer gab es dafür eine "Unterdruckdose", bei der über einen Schlauch zum Vergaser der Unterdruck dort eine Membran bewegte, die ihrerseits über einen Mechanismus den Zündzeitpunkt bei höherer Drehzahl (= stärkerer Unterdruck im Vergaser) vorverlegt.

Heute hat man eine elektronische Zündung; die Drehzahl und vieles andere am Motor wird elektronisch gemessen, und ein Computer bzw. ein Mikroprozessor ist so programmiert, dass er entsprechend den Messwerten im richtigen Zeitpunkt den Zündfunken auslöst.

Für unser Beispiel gäbe es nun eine technische Idee, durch eine etwas andere Festlegung des Zündzeitpunkts Treibstoff zu sparen. Früher wurde dafür eine anderere Unterdruckdose konstruiert, die genau dasselbe tut. Heute ändert man dafür die Software. In beiden Fällen wird dasselbe technische Problem (Benzin sparen) mit denselben Mitteln (besserer Zündzeitpunkt) gelöst. Eine solche Erfindung ist nach wie vor patentfähig, auch wenn sie heute durch Software realisiert wird.

Im Gegensatz hierzu löst eine Software zum Auffinden von Bibelstellen oder für astrologische Vorhersagen kein irgendwie geartetes technisches Problem und realisiert daher auch keine Erfindung. Sie ist dem Patentschutz nicht zugänglich.

Wo die genaue Grenze dazwischen verläuft, scheidet sich gemäß dem BGH an der Frage, ob ein technisches Problem benannt werden kann, das von der Erfindung gelöst wird. Ein bemerkenswerter BGH-Beschluss hierzu betraf ein medizinisches Gerät (Kernspintomografen), bei dem die Software aus den Betriebsdaten die Auslastung des Geräts ermittelte. Entsprechend diesen Daten wurde dann dem Betreiber angezeigt und vorgerechnet, ob die Anschaffung eines neuen Geräts oder sogar eines Zweitgeräts unter betriebswirtschaftlichen Gesichtpunkten günstiger ist, wobei auch Verschleiß, zu erwartende Reparatur- und Wartungskosten u.v.m. berücksichtigt wurden. Es handelt sich hier also um ein technisches Gerät, es wurden technische Daten erfasst und (mittels Software) ausgewertet, nicht anders als bei der Motorsteuerung. Allerdings: das Problem, das mit der vermeintlichen Erfindung gelöst wurde, war nicht technischer, sondern betriebswirtschaftlicher Natur, denn es geht ausschließlich um die Entscheidung, ob ein Ersatz- oder ein Zweitgerät anzuschaffen sei oder nicht. Der BGH hat daher festgestellt, dass so etwas keine Erfindung ist, und er hat die Erteilung des Patents versagt (BGH Beschluss vom 19. Oktober 2004 - X ZB 34/03 "Rentabilitätsermittlung").

In genau diesem Zusammenhang ist die Bestimmung zu sehen, dass "Software als solche" nicht patentfähig ist: Es genügt nicht, dass Software vorliegt, die für sich zweifellos technisch ist: Sie muss auch ein technisches Problem lösen, damit ein Patent erteilt werden kann.

Wer sich also in Deutschland (gewerblich) mit technischen Sachverhalten beschäftigt, muss - wie schon immer - darauf achten, dass er dabei keine fremde, patentierte Erfindung benutzt, d.h. dass er kein Patent verletzt, und das gilt auch, wenn er "nur" Software erstellt. Wer jedoch Software außerhalb der Technik einsetzt - die also nicht dazu dient, Naturkräfte beherrschbar zu machen - braucht sich mit dem Patentrecht nicht zu befassen. Da dieser Sachverhalt aber erst in jüngster Zeit so deutlich herausgearbeitet wurde, wird durchaus noch das eine oder andere Patent in Kraft sein, das diesem Leitgedanken nicht entspricht. Ein solches Patent kann mit großer Aussicht auf Erfolg nichtig geklagt werden, sofern der Patentinhaber überhaupt wagt, es einzusetzen und jemanden wegen Patentverletzung abzumahnen.

Anhand des ersten Beispiels (Motorsteuerung) kann auch deutlich werden, warum diese Situation für Erfinder bzw. Patentanmelder unbefriedigend ist:

Das Patentrecht ist ein gewerbliches Schutzrecht, d.h. ein Privatmann kann ein Patent nicht verletzen. Wer durch den geänderten Zündzeitpunkt bei seinem Auto Benzin sparen will, der musste früher eine neue Unterdruckdose kaufen. Heute braucht er nur eine neue Software. Diese kann er sich unter Umständen selber aus den Internet herunterladen, genau wie er früher sich selbst die Unterdruckdose zusammenbasteln durfte, ohne Lizenzgebühren zu zahlen. Wenn auch das Einspielen von Software, mit der eine Erfindung realisiert wird, beim PKW heute vielleicht noch schwierig ist: Auf vielen anderen Gebieten ist es kinderleicht, und die Tendenz, dass immer mehr Erfindungen von Endbenutzer selbst privat installiert werden können, ist durchaus absehbar. Daher wird befürchtet, dass der Patentinhaber in immer mehr Fällen leer ausgeht, zumal wenn der, der mit der Verbreitung von Software befasst ist, genauso wenig die Erfindung selbst "benutzt" (und daher auch nicht wegen Patentverletzung verklagt werden kann) wie jemand, der ein Buch über diese Erfindung verkauft.

Bei Lösungsvorschlägen, "Softwarepatente" gesondert zu regeln, wird dabei leicht über das - durchaus berechtigte - Ziel hinausgeschossen. Vermutlich bedarf es im Hinblick auf Erfindungen, die mit Software realisierbar sind, gar keiner weiteren Präzisierungen, was patentfähig ist. Wichtiger wären genauere Festlegungen, wann im Lebenszyklus von Software der Tatbestand einer Patentverletzung, also einer Benutzung der Erfindung erfüllt sein kann und wann nicht.

Stand der Debatte

Aktuelle News gibt es jeweils bei de.WikiNews.org

Schutz contra Blockade

Softwarepatente sind um einiges umstrittener als Patente im allgemeinen. Befürworter argumentieren, dass Softwarepatente durchaus einen wirtschaftlichen Nutzen haben, da sie dem "Erfinder" ein Monopol auf Zeit für die Verwertung und Umsetzung seiner "Idee" geben. Kritisiert wird hingegen, dass die lange Laufzeit gerade bei Softwarepatenten eine große Einschränkung darstellt.

Begriffswirrwar

Vereinzelt gibt es bei Gegnern von Softwarepatenten wiederum die Bestrebung, das Wort "Softwarepatent" durch "Software-Ideen-Patent" zu ersetzen, um klar zu machen, dass nicht enge Ansprüche auf einzelne Werke samt aller individuellen Merkmale gemeint sind. Dies führt jedoch wiederum zu anderen Missverständnissen, beispielsweise sinnlosen Unterscheidungen zwischen "Ideenpatent", "Nutzungspatent", "Umsetzungspatent" und so weiter. Ein anderer um 2000 verwendeter Begriff war ePatent und Logikpatent.

Industrielle Verwertung

Von Befürwortern der Softwarepatente wird argumentiert, auch Erfindungen im Softwarebereich würden Forschung und Investitionen erfordern. Diese sollen geschützt werden, was im industriellen Bereich durch Patente geschehe. Als Beispiel wird die Firma Xerox angeführt, die nicht viel von der Idee der grafischen Oberfläche gehabt haben soll, da diese Idee sofort von anderen Herstellern (beispielsweise Apple) aufgegriffen wurde und diese damit Geld verdienten. Laut den Befürwortern hätte jedermann, der eine grafische Benutzeroberfläche benutzt oder Programme dafür veröffentlicht, 20 Jahre lang Lizenzkosten an Xerox zahlen müssen. Dabei hätte allein Xerox die Regeln bestimmt und Xerox hätte auch beliebig entscheiden können Verbote auszusprechen.

Konkurrenzsituation

In Europa wird weiter argumentiert, dass europäische Firmen Wettbewerbsnachteile hätten, da die Mehrzahl der Softwarepatente bereits von japanischen oder US-Firmen im eigenen Land registriert werden konnten. Auch gibt es in der EU bereits über 30.000 Softwarepatente, die zum Großteil aus diesen Ländern stammen (vergleiche dazu http://swpat.ffii.org/patente/zahlen/index.de.html#invland ). Dagegen ist der Aufwand für europäische Firmen, im Ausland Patente anzumelden, ungleich höher. Es ist daher zu erwarten, dass europäische Firmen insgesamt am wenigsten von einer Patentierbarkeit von Software profitieren.

Pro

Der EVP-Abgeordnete Joachim Wuermeling verwies auf den Fall Eolas vs. Microsoft als Beispiel eines durch Softwarepatente erfolgreichen Mittelständlers. Eolas ist in der Auseinandersetzung allerdings unterlegen.

Als besseres Beispiel könnte der Fall Kodak vs. Sun Microsystems (http://www.heise.de/newsticker/meldung/51951) dienen. Dem Fotospezialisten Kodak wurden nach anfänglicher Forderung nach Schadensersatz in Höhe von einer Milliarde US-Dollar immerhin noch 90 Millionen US-Dollar gezahlt. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass Kodak nicht wirklich als IT-Unternehmen anzusehen ist und die betreffenden Patente eingekauft (und nicht selbst entwickelt) hatte.

Die deutsche Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) weist in einem Interview darauf hin, dass viele Befürchtungen kleiner und mittelständischer Softwareunternehmer unberechtigt seien, denn Ehrlichkeit schütze vor Patentverletzungen: "Grundsätzlich gilt mal: Wenn er [der Programmierer] nicht abschreibt, ist die Gefahr sehr gering, dass er fremde Rechte verletzt. Um sicherzugehen, gibts die übrigens kostenlose Möglichkeit, in den Datenbanken des Patentamts nach dem Stand der Technik zu recherchieren." (Brigitte Zypries bei heise.de am 28.05.2004) Kritiker argumentieren allerdings, solche Äußerungen zeugten von mangelnder Sachkenntnis der Ministerin, da man als Programmierer im Falle der Patentierung von Ideen sehr wohl Patente verletzen könnte, auch wenn keine einzige Zeile Programmcode kopiert oder abgeschrieben wird und das bisherige Urheberrecht genau diesen Fall des reinen Kopierens bereits schützt. Des Weiteren ist eine umfassende Recherche in Patentdatenbanken sehr zeit- und kostenintensiv und in der Praxis zumindest für Freiberufler und kleine Unternehmen nahezu unmöglich.

Die Befürworter von Softwarepatenten verweisen auf den über 100-jährigen Erfolg des Patentsystems auf dem Gebiet technischer Innovationen. Gerade kleine und mittelständige Unternehmen konnten durch einen Patentschutz ihrer Produkte immer wieder verhindern, dass finanzstarke Konzerne eine Kopie der Produkte solange zu niedrigeren Preisen vermarkten, bis das Unternehmen des Erfinders finanziell bei dem Verdrängungswettbewerb nicht mehr mithalten kann. Nach Ansicht der Befürworter gibt es bisher kein sachliches Argument, warum dieser Erfolg auf dem Gebiet von Software nicht eintreten wird.

Die Kritiker fordern dagegen einen Nachweis für die Notwendigkeit von Softwarepatenten, immerhin hat sich die Softwarebranche in den letzten Jahrzehnten hervorragend ohne solche Patente entwickelt. Sie stellen darüberhinaus den technischen Charakter von Software im Sinne des Patentwesens generell in Frage und argumentieren, dass Software ein rein geistiges Werk, reine Logik, sei. Auch befürchten sie, dass Monopolisten wie Microsoft, die sich durch Kreuzlizenzierung in eine absolut überlegene Position bringen, die Patente kleinerer Unternehmen einfach ignorieren, bis diese die Gerichtskosten zur Durchsetzung ihrer Patente nicht mehr aufbringen können.

Contra

Banner der EU-Bananenrepublik-Kampagne gegen Softwarepatente

Ein häufig zitiertes Beispiel zum Erklären der Unsinnigkeit von Softwarepatenten lautet, dass man im übertragenen Sinne nicht mehr "eine bestimmte Mausefalle", sondern jedes "Mittel zum Fangen von Nagetieren" patentieren würde. Allerdings gilt, dass sich der Schutz eines Patentes auf den im einzelnen beschriebenen Gegenstand bezieht, und somit in dem zitierten Beispiel auf das Mittel zum Fangen von Nagetieren, das in den Patentansprüchen beschrieben wird. Eine allgemeine Beanspruchung eines Mittels zum Fangen von Nagetieren in welcher Form auch immer würde daran scheitern, dass es bereits solche Mittel gibt, und das Patent damit nicht mehr neu wäre. Entsprechend verhält es sich auch mit Softwarepatenten.

Als das Patentrecht während der Industrialisierung eingeführt wurde, lag der Sinn von Patenten darin, dass etwa eine finanzielle Investition - etwa ein neues Fabrikgebäude, in welchem die neue Erfindung als Verkaufsware serienmässig produziert wird - abgesichert wird. Die Herstellung von Software - das heißt prinzipiell das Abspeichern von Programmen auf Datenträger, die dann verkauft werden - bedingt keine riskanten Investitionen.

Studien ist es bisher nicht gelungen, eine Notwendigkeit oder eine positive Wirkung auf die Volkswirtschaft nachzuweisen. Es ist allerdings auch weitgehend unbestritten, dass außerhalb des Gebietes von Softwarepatenten Innovationen durch das Patentsystem gefördert werden, so dass es für die Kritiker schwierig ist, nachzuweisen, dass dies auf dem Gebiet der Softwarepatente nicht der Fall ist.

Freiberufliche Entwickler ohne die Mittel für jahrelange Patentprozesse würden Wettbewerbsnachteile erfahren, das wird zumindest von einigen kleinen und mittleren Unternehmern so gesehen. So genannte Open Source Software erführe einen Wettbewerbsnachteil, weil die frühzeitige Veröffentlichung sie als Stand der Technik von der Patentierung ausschließt und die Anwender so in der Regel den Patentansprüchen dritter ohne eigene Tauschware in Form von Patenten gegenüberstehen. Patente stünden auch im Widerspruch zum Prinzip von freier Software. Zu beachten ist jedoch, dass eine solche Veröffentlichung jegliche spätere Patentierung auch für andere unmöglich macht, was dem Einzelnen jedoch nicht die Wahl der Veröffentlichung oder der Patentierung gibt, denn sie sind meist an die GPL gebunden. Das sehr erfolgreiche Konzept der OSS (Open Source Software) würde so sehr stark angegriffen.

Die Kritiker der Softwarepatente führen an, dass besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) ohne starken finanziellen Hintergrund sowie selbständige Programmierer die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung extrem eingeschränkt würden. Große Firmen können kleinere wegen Patentverletzungen verklagen, und da - besonders in den USA - Gerichtsverfahren teuer sind, geben die Kleinfirmen eher klein bei, da die Richter sehr oft keine Softwareexperten sind und Gutachten über Patentverstöße besser von Großfirmen als von Kleinunternehmen finanziert werden können. Es besteht dann die Gefahr, dass sich die Richter aus "Zufall" zu Gunsten des Großunternehmens entscheiden.

Patentrecherchen wären sehr aufwändig und teuer. Trotzdem, selbst nach einem aufwändigen, lange dauernden und ungewissen Lizenzierungsprozess gäbe es keine Garantie, nicht gegen ein Patent zu verstoßen, da eine zu patentierende Software mehrere Jahre lang beim Patentamt angemeldet sein kann, bevor sie für patentwürdig erklärt wird (trifft auf die USA zu). Die Kosten eines Patentprozesses lägen zum Beispiel in den USA bei einer bis fünf Millionen Dollar (bei äußerst hohen Streitwerten). Läge der Streitwert darunter, wäre es in jedem Fall besser, sich außergerichtlich zu einigen. Dabei hätten die Patentinhaber einen extremen Vorteil, da Patente Exklusionsrechte (siehe: Geistiges Eigentum) seien und daher kleinere Firmen, die weniger Zugang zum Patentsystem hätten, stark benachteiligt wären. Durch diese Verbotsrechte könnten Beschuldigte, die es sich nicht leisten könnten vor Gericht zu gehen, vom Patentinhaber zu allem gezwungen werden, da ein eventueller Schuldspruch in einem Gerichtsverfahren wirtschaftlich nicht zu überleben wäre. Hinzu käme, dass Recherchen nach bislang erteilten Patenten sehr schwierig sein könnten. So wäre es möglich, Patente unter Namen abzulegen, die über den eigentlichen Zweck und Inhalt erst mal keine oder sogar eine auf den ersten Blick falsche Aussage treffen würden. Zum Beispiel könne ein Patent zur Datenkompression unter dem Titel "Neue Methode zur Verwaltung digital gespeicherter Daten" abgelegt sein - die Suche nach "Datenkompression" gäbe wahrscheinlich gar keine nützlichen Treffer an. Die Tatsache, dass in den USA zwei Firmen - IBM und Sperry Corporation/UNISYS - zwei gültige Patente besaßen für die gleiche Technologie - die in GIF-Grafiken verwendete LZW-Kompression - zeige, dass die Recherche so schwierig wäre, dass manchmal auch das Patentamt die Übersicht verlieren könnte.

Viele Stimmen befürchten ebenfalls langfristig eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten der freien Software. Wettbewerbsverzerrungen seien gerade etwas, was die EU verhindern wolle.

Hiervon formal nicht betroffen wäre der Schutz von Software nach dem Urhebergesetz. Real bedeute jedoch eine Ausweitung der Patentierbarkeit im Bereich von Software eine Einschränkung des Urheberschutzes:

  • Ohne Softwarepatente hätte ein Urheber Rechtssicherheit darüber, dass er mit seiner selbst geschriebenen Software machen könne, was er will, also veröffentlichen, lizenzieren, etcetera.
  • Mit Softwarepatenten würde dem Urheber Rechtssicherheit fehlen. Da Software in der Regel komplex sei und (wie ein Buch aus vielen Sätzen) aus vielen Teil-Algorithmen bestünde, wäre die Wahrscheinlichkeit schon bei kleinen Softwareprojekten sehr groß, dass diese ein Patent verletzen könnten. Es gäbe bei Software (anders als bei Büchern) keine automatisierte Möglichkeit, zu überprüfen, ob alle benutzten Algorithmen (ob alle geschriebenen Sätze) in einer Liste von patentierten Algorithmen (patentierten Sätzen) enthalten seien. So wäre es nicht machbar, Software an bestehenden Patenten vorbeizuentwickeln, selbst wenn eine Software unter Umgehung dieser Patente geschrieben werden könnte, was dann die Entwicklung zugegebenermaßen beschleunigen würde.

Somit würde mit Softwarepatenten praktisch der gesamte Urheberrechtsschutz, den Software genießt, nicht verstärkt, sondern auf eine unsichere Grundlage gesetzt.

Aber nicht nur wirtschaftliche Gesichtspunkte sprechen gegen Softwarepatente. Das Patentwesen setzt einen technischen Beitrag der Erfindung voraus. Dieser technische Beitrag ist im Zusammenhang mit Software sehr schwer zu definieren und stellt einen Kernpunkt der Diskussion dar. Software bedient sich nicht klar definierter Naturkräfte, sondern nur der Repräsentationen von Information. Software kann somit losgelöst vom Gerät betrachtet werden (z.B. die Beschreibung eines Algorithmus' mit Pseudocode) und so wird es insbesondere dann schwierig wenn von reiner Software die Rede ist, die ausdrücklich nicht patentierbar sein soll, denn Software ist immer reine Software. Dieser Widerspruch ist kaum zu lösen und wird seitens der Befürworter meistens nicht beachtet. Ein Beispiel ist auch hier die Datenkompression. Während sie in einem Sender einen mehr oder weniger klaren technischen Beitrag leistet, tut der gleiche Algorithmus das in einer Datenbank nicht, weil das blosse Verwalten von Daten nicht notwendigerweise technischer Natur ist.

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich auch die Befürchtung, daß Softwarepatente der Patentierbarkeit von Geschäftsmethoden die Tür öffnen.

In Wien und München gab es im September 2003 aus diesem Anlass Demonstrationen vor dem österreichischen und dem europäischen Patentamt: Etwa 300 und etwa 500 Menschen protestierten gegen Softwarepatente. Am 15. Februar 2005 protestierten ca. 60 Demonstranten vor dem Bundesjustizministerium in Berlin, zwei Tage später zogen ca. 250 Demonstranten aus ganz Europa durch Brüssel. Seit April 2005 läuft eine gemeinsame Kampagne gegen Softwarepatente von Attac, Campact und dem Linux-Verband.

Beispiele für Softwarepatente

  • Ein Fortschrittsbalken, der den Fortschritt eines Prozesses anzeigt -- zum Beispiel beim Starten eines Computers oder beim Schreiben auf einen Datenträger --, war etwa acht Jahre lang patentiert, bis IBM das Patent 2003 auslaufen ließ [3].
  • Beim Musikkompressionsformat MP3 hat man auf Erkenntnisse der Gehörpsychologie zurückgegriffen: Man verzichtet bewusst auf einen Teil der Informationen, den man ohnehin nicht hören kann, um besser komprimieren zu können. Die Idee, diese bereits vorhandenen Erkenntnisse auf diese Weise zu nutzen, ist patentiert [4].
  • GIF-Grafiken verwenden den patentierten Kompressionsalgorithmus Lempel-Ziv-Welch (LZW, [5]), um die Datenmengen zu verkleinern. Das letzte nationale LZW-Patent der Firma Unisys ist am 7. Juli 2004 in Kanada ausgelaufen. Jedoch hielt auch AOL ein Patent für die gleiche Technologie.
  • Der elektronische Einkaufswagen, mit dessen Hilfe bei vielen Onlinehändlern Bestellungen zusammengestellt werden, ist eine patentierte Geschäftsmethode der Firma Sun [6].
  • Der Onlinehändler Amazon.com hält ein Patent auf "One-click-shopping", eine Methode um Bestellungen mit nur einem Mausklick in Auftrag zu geben [7].
  • Jegliche Methode zur Versendung von Geschenken an Dritte über einen Webshop ist durch die Firma Amazon.com patentiert [8]. Gegen dieses Patent haben die Gesellschaft für Informatik (GI), der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und der Blumenversender Fleurop im Jahr 2004 Einspruch eingelegt.
  • if-Abfragen, wie sie bei der Softwareentwicklung eingesetzt werden (eher: werden müssen), unterliegen auch einem Patent [9]


Diese Beispiele zeigen die Auswüchse einer Patentierung von Software, welche sich im wesentlichen auf die automatisierte Durchführung einer Geschäftsmethode beziehen. In den USA ist eine Patentierung von Geschäftsmethoden im Gegensatz zu Europa und Deutschland möglich. Bei einer Patentierung von Software ist es somit notwendig, dass die Patentämter unterscheiden, ob es sich um eine Software handelt, die einen Beitrag zum Stand der Technik liefert, das technische Wissen also weiterentwickelt, oder ob lediglich versucht wird, eine Geschäftsmethode zu automatisieren. Die Rechtsprechung in Europa und Deutschland zum bisherigen Patentsystem entscheidet im Gegensatz zu den USA anhand dieses Kriteriums.

Allerdings gibt es auch in Europa eine ganze Reihe strittige Patente (das FFII spricht von ca. 30.000 Softwarepatenten alleine in Europa). Der Einkaufskorb zum Beispiel ist auch in der EU durch Patente geschützt [10]. Insbesondere das Europäische Patentamt steht in der Kritik von Software-Patent-Gegnern, die Gesetze sehr lasch zu handhaben.

Inzwischen gibt es auch erste Berichte von Firmen, die selbst keine Innovationen schaffen, sondern das Patentsystem nur zum Geld eintreiben nutzen -- wie in dem Zeit-Artikel "In der Grauzone". Da der ursprüngliche Sinn von Patenten war, Innovationen zu stärken, stellt sich hier die Frage, inwiefern das Patentsystem heute nicht außer Kontrolle zu geraten droht.

Trivialpatente

Viele der von den Softwarepatentgegner angeführten Beispiele gehören zur Kategorie der sogenannten Trivialpatenten, die aufgrund mangelhafter Prüfung ins Register einzug gefunden haben, prinzipiell aber keine Schutzbeständigkeit aufweisen. Das berühmte Fortschrittsbalken-Patent ist ein typisches Beispiel für solch ein Trivialpatent. Trivialpatente existieren in allen Bereichen des Patentwesens, nicht nur im im Bereich der Softwarepatente. Von einem Trivialpatenten geht im allgemeinen wenig Gefahr aus, da ein Patent, das offensichtlich nicht den Schutzanforderungen des Patentgesetzes entspricht, in der Praxis wenig Wirksamkeit entfalten kann. Würde der Inhaber eines Trivialpatents es versuchen, Rechte daraus herzuleiten, so muß er nicht nur mit Erfolglosigkeit, sondern auch mit einer Nichtigkeitsklage - und damit der Vernichtung seines Patents - rechnen. Aus diesem Grund bleiben Trivialpatente meist unangegriffen bestehen, ohne daß jemand durch ihre Existenz beeinträchtigt wird.

Softwarepatente in Europa :



Siehe auch: Immaterielle Monopolrechte, Urheberrecht, Copyright, Trivialpatent