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Lochkarte

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Eine Lochkarte ist im heutigen Sinne ein mechanisches Speichermedium

Ursprung

Lochkarten und lochkartenähnliche Systeme werden seit Mitte des 18. Jahrhunderts in Bereichen der Automatisation und Datenverarbeitung eingesetzt um wiederkehrende Abläufe rationell zu wiederholen. So wurden lochkartengesteuerte Webstühle entwickelt deren erste Lochkarten hölzerne Plättchen waren, Drehorgeln werden noch Heute mit Lochkarten gesteuert, Charles Babbage sah für seine Analytical Engine eine Lochkartensteuerung vor, und frühe Datenverarbeitungs- und -registrieranlagen sind ohne Lochkarten nicht zu denken.

Die Ursprünge der Lochkarte finden sich in der Funktionsweise von Spieldosen und ähnlichen Geräten, in denen eine sich drehende Walze oder Scheibe mit darauf angebrachten Stiften oder Löchern die Wiedergabe von Musik ermöglicht.

Das Grundprinzip der Lochkarte ist, daß für eine spezielle Funktion eines Gerätes relevante Daten in geeigneter Form codiert werden, indem in das üblicherweise aus dünnem Karton bestehende Speichermedium in durch den Code vorgegebene Positionen Löcher gestanzt werden. Um die Funktion dann zu einem beliebiegen Zeitpunkt auszuführen, werden die Löcher des Speichermediums durch ein Lesegerät abgelesen und durch eine geeignete Vorrichtung decodiert.

In der damaligen Zeit boten mechanische und dann elektromechanische Speichersysteme, die Daten auf einem externen Medium aus Papier, Karton oder ähnlichem speicherten, im Gegensatz zu Systemen wie der Stiftwalze die wirtschaftlichste Möglichkeit, codierte Daten zu schnell zu vervielfältigen und mit einfachen Mitteln einen neuen Code zu schreiben.

Hollerith-Lochkarte

Das später im Computerbereich weit verbreitete Lochkartenformat geht auf die US-amerikanischen Volkszählung 1890 zurück, zu der Herman Hollerith ein Lochkarten basiertes Verfahren und Auswertemaschinen entwickelte. Die Lochkarte wurde nach der Volkszählung zunächst in mechanischen und elektrischen Rechen- und Sortiermaschinen eingesetzt. Es dauerte allerdings bis 1928 bevor sie ihr endgültiges, standardisiertes Format bekam. Nach ihrem Erfinder war für diese Art Lochkarten auch die Bezeichnung Hollerithkarte üblich.

Lochkarte

Eine Hollerith-Lochkarte ist ein rechteckiges, etwa 18,7 cm × 8,3 cm großes Stück 0,17 mm dünner Karton in das in vorgegebene Positionen spaltenweise Löcher gestanzt werden um eine Folge von Zeichen (heute würde man sagen: eine Zeile Text) zu codieren.

Als im 20. Jahrhundert Computer entwickelt wurden, boten sich die schon etablierten Lochkarten als Medium zur Datenspeicherung und Programmeingabe an. Bereits Konrad Zuses Z1 wurde durch in 35-mm-Film gelochten Code programmiert, später wurden für Computer jedoch fast ausschliesslich Lochkarten nach Hollerith verwendet.

Das ursprüngliche Code-Format für Hollerith-Lochkarten sah nur 240 Positionen für Löcher vor, es wurde jedoch bald auf 45 Spalten mit je 12 Positionen erweitert. Dies entsprach 45 Zeichen zu je 12 bit (später wurde eine 6-bit codierung erfunden die es erlaubte 90 zeichen zu speichern). IBM ließ sich 1928 ein 80-Spalten-Format mit rechteckigen Löchern patentieren, das die weiteste Verbreitung fand. Dabei entsprach eine Karte einer Zeile Text und eine Spalte eine Karte einer Zeichenposition der Zeile. Eine Lochkarte hatte somit ein Fassungsvermögen von etwa 80 Byte (eine heute übliche 80 GB Festplatte kann somit den Inhalt einer Milliarde Lochkarten speichern, das würde einem Lochkartenstapel von 170 km Höhe entsprechen).

Lochkartenleser von IBM

Die feste Ausrichtung an den Spalten der Lochkarten hatte Auswirkung auf die Syntax mancher Programmiersprachen. Bei alten Fortran-Varianten waren die ersten acht Spalten für ein numerisches Label vorgesehen. Bei zügiger Durchsicht der Lochkarten konnte sehr einfach erkannt werden, wenn ein Label oder der Quellcode falsch positioniert waren. Auch die Datenkarten hatten normalerweise ein festes Format wobei ein Datensatz einer Karte entsprach und dort die Eingabedaten wie beispielweise Betrag, Kundennummer und Datum festen Bereichen der Spalten zugeordnet waren.

Arbeitsweise

Um Lochkarten zu beschreiben bzw. zu stanzen, gab es Lochkartenstanzer. Diese Geräte hatten eine Schreibmaschinentastatur und eine Zuführvorrichtung für eine Karte. Wegen der häufigen Tippfehler gab es eine Kopiertaste, mit der die gerade gestanzte Karte bis zu einer gewünschten Spalte kopiert werden konnte. Diese Funktion wurde später von Betriebssystemen mit Terminalgesteuerter Eingabe übernommen um eine editierte Zeile auf einem Fernschreiber oder später auch Monitor neu auszugeben. Die zuletzt eingegebene Zeile kann noch heute z. B. bei der Windows Eingabeaufforderung zeichenweise durch die Cusor-rechts-Taste kopiert werden.

Lochkartenstanzer wurden auch von Programmen wie ein Drucker als Datenausgabegeräte angesteuert. Neuere Geräte druckten zusätzlich zum gestanzten Code den Inhalt als Klartext mit auf die Karten, erfahrene Programmierer konnten die Lochkarten jedoch auch lediglich anhand der Lochpositionen lesen.

Eingelesen wurden die Lochkarten durch optische oder mechanische Lesegeräte. Der Lochkartenstapel wurde in ein Lesefach eingelegt und mit einem Gewicht beschwert. Auf Knopfdruck wurde das Gerät angeschaltet. Durch ein Gebläse wurde der Stapel aufgelockert und eine Karte nach der anderen wurde eingelesen. Der Lesevorgang selbst erfolgte entweder durch mechanisches Abtasten oder durch eine Lichtschranke.

Damalige Programme waren nicht interaktiv; ein Programm wurde gestartet, las Eingabedaten, verarbeitete sie und gab Ausgabedaten wieder aus. Diese Arbeitsweise bedingte drei Sätze von Lochkarten: Einen Satz für die Eingabedaten, einen Satz für das Verarbeitungsprogramm, und einen Satz Ausgabedaten die vom Programm durch die Verarbeitung der Eingabedaten erzeugt wurden. Die englische Bezeichnung für einen Kartenstapel ist Batch und der ganze Prozess der Verarbeitung sowie auch der Programmstapel war ein Job. Daraus wurden die Begriffe Batchjob, Batchdatei und auch die Dateiendung bat für eine DOS-Stapelverarbeitungsdatei.

Spätere Geschichte

Die Einführung von Magnetbändern als schnellen und transportablen Massenspeichern verdrängte beginnend Mitte der 1960er Jahre die Lochkarte als Speichermedium für Computer immer mehr. Eine in den späten 1960er Jahren von IBM vorgestellte kleinere Karte höherer Kapazität konnte sich nicht mehr durchsetzen.

Das Lochkartensystem fand wegen seiner Robustheit jedoch immer neue Anwendungen in anderen bereichen, so z. B für Schlüsselkarten und Ausweiskarten. Diese sind jedoch fast überall durch Chipkarten ersetzt worden.

Lochkarten im Hollerith-Format gibt es heute noch bei einigen mechanischen Stempeluhren und sie finden noch in amerikanischen Wahlautomaten Verwendung. In der Computertechnik sind sie nicht mehr von Bedeutung.

Eine historische Randbemerkung: Die von Hollerith gegründete Firma "Tabulating Machine Company" wurde später IBM. (Deren Chef auf einem Meeting, auf dem man sich über die Größe der Lochkarte nicht einigen konnte, schließlich eine 10 Dollar-Note auf den Tisch knallte, sagte: "so wird sie", und den Raum verließ.)


siehe auch: Lochstreifen