Zum Inhalt springen

Täve Schur

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. Dezember 2011 um 21:40 Uhr durch Zitronenpresse (Diskussion | Beiträge) (Leben). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Gustav-Adolf „Täve“ Schur (* 23. Februar 1931 in Heyrothsberge) ist ein ehemaliger deutscher Radrennfahrer und der populärste Sportler in der Geschichte der DDR. Als jeweils erster Deutscher konnte er die Straßenrad-Weltmeisterschaft der Amateure und die Friedensfahrt gewinnen. Von 1959 bis 1990 war Schur als Abgeordneter für die SED in der Volkskammer und von 1998 bis 2002 für die PDS im Deutschen Bundestag.

Leben

Gustav-Adolf Schur bei der Friedensfahrt 1955
Gustav-Adolf Schur bei der ersten Etappe der Friedensfahrt 1960

Der unter seinem Spitznamen Täve (abgeleitet von Gustav) berühmt gewordene Gustav-Adolf Schur wuchs in Biederitz in der Nähe von Magdeburg auf. Erst mit 19 Jahren begann er seine Karriere als Radsportler. Von 1950 bis 1964 wurde Schur sechsmal DDR-Meister und gewann viermal die DDR-Rundfahrt. Er war 1953 maßgeblich daran beteiligt, dass die DDR-Friedensfahrtmannschaft unter Kapitän Paul Dinter zum ersten Mal das Blaue Trikot der besten Mannschaft gewinnen konnte. Seinen echten Durchbruch erlebte er aber 1955, als er als erster Radfahrer aus der DDR die Internationale Friedensfahrt – das bedeutendste Amateur-Etappenrennen überhaupt – für sich entscheiden konnte. Schur wiederholte seinen Erfolg bei der „Tour de France des Ostens“ 1959.

Als Mitglied der gesamtdeutschen Olympiamannschaft gewann er 1956 in Melbourne Bronze und 1960 in Rom die Silbermedaille im Mannschaftsfahren. Von 1955 bis 1963 studierte Schur an der DHfK Leipzig und erwarb ein Diplom als Sportlehrer. Ende der 1950er Jahre befand er sich auf dem Höhepunkt seines Könnens, was er durch zwei aufeinanderfolgende Siege bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft der Amateure 1958 und 1959 bestätigen konnte.

Den Gipfel seiner Beliebtheit in der DDR erreichte Schur, als er als Titelverteidiger und Favorit bei der Straßen-WM 1960 antrat, die diesmal auf dem Sachsenring stattfand. Vor heimischem Publikum verzichtete Schur aus taktischen Gründen auf seine Siegchance, um seinen Teamkollegen Bernhard Eckstein zu schützen, der das Rennen schließlich gewann. Diese selbstlose Haltung setzte dem „Mythos Täve“ die Krone auf.

In einer Umfrage wurde Schur im Jahre 1990 also 25 Jahre nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn mit fast der Hälfte aller Stimmen zum größten DDR-Sportler aller Zeiten gewählt. Schon während seiner aktiven Zeit konnte Schur neunmal hintereinander die Wahl zum DDR-Sportler des Jahres gewinnen.

Sein Sohn Jan wurde zusammen mit Uwe Ampler, Mario Kummer und Maik Landsmann bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul Olympiasieger im 100-km-Mannschaftsfahren.

Von 1959 bis 1990 saß er als Abgeordneter der SED in der Volkskammer der DDR. Nach der Wende – 1990 hatte Schur im Spielfilm Letztes aus der Da Da eR eine Nebenrolle übernommen – blieb er, auch nach der Umbenennung in PDS, Mitglied. Auf deren Landesliste Sachsen zog er in den Bundestag ein, dem Schur von 1998 bis 2002 angehörte. Für die Fraktion fungierte er als sportpolitischer Sprecher und setzte sich nach eigener Auskunft insbesondere für den Breitensport ein, welchen er im Vergleich zum Spitzensport als benachteiligt betrachtete.

Schur unterstützt das Kuratorium Friedensfahrt Course de la Paix e. V. für den Erhalt und die Fortsetzung des gleichnamigen Radrennens und das Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen (Sachsen-Anhalt), wo Exponate zur Friedensfahrt – Preise, Trikots, Bilder und anderes – besichtigt werden können.

Seit 1992 betreibt Gustav-Adolf Schur einen Fahrradladen in Magdeburg; Inhaber ist sein Sohn Gus-Erik Schur, der ebenfalls erfolgreich Radrennen bestritt. „Täves Radladen“ unterstützt den Radsportverein RC Lostau, dessen Mitglieder unter dem Namen „Team Täves Radladen“ europaweit an Radrennen teilnehmen.[1] Zudem hat Täve Schur zahlreiche Ehrenämter inne und hält Vorträge.[2]

Ehrungen

Im Jahre 2005 wurde der am 16. Oktober 2000 in der Volkssternwarte Drebach (Erzgebirge) entdeckte Asteroid 2000 UR nach Gustav-Adolf Schur benannt. Er bewegt sich zwischen den Planeten Mars und Jupiter um die Sonne und trägt die offizielle Bezeichnung (38976) Taeve.

Täve Schur gehört neben 22 weiteren Personen zu den Kandidaten für eine Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports, wurde aber nicht berücksichtigt.

Kritik

Schurs Nominierung für die Hall of Fame des deutschen Sports stieß beim Verein für Doping-Opfer-Hilfe auf Widerstände. So kritisierten Ines Geipel, Andreas Krieger und andere DDR-Dopingopfer in einem öffentlichen Brief, dass Schur eine „zentrale Propagandafigur des kriminellen DDR-Sports gewesen sei, der mehr als 30 Jahre Abgeordneter in der Volkskammer der DDR war“. Darüber hinaus warfen sie Schur, der stets ein Dopingopfer-Hilfegesetz für alle nachweislich geschädigten deutschen Sportler befürwortet hatte,[3] vor, im Bundestag gegen die Aufklärung des Körperlaboratoriums DDR sowie gegen eine Entschädigung der Opfer des DDR-Sports votiert zu haben und bezeichneten ihn als „notorischen Geschichtsverleugner... der das missbräuchliche Tun im DDR-Sport banalisiert und die Opfer kalt diskreditiert.“[4] [5] In einer öffentlichen Stellungnahme verteidigten die Verantwortlichen der Stiftung Deutsche Sporthilfe ihre Entscheidung zu Täve Schur, da „nach heutigem Kenntnisstand keine personifizierte, justiziable Belege für Verfehlungen existieren, die einer Kandidatur widersprochen hätten".[6] Im August 2011 leugnete Schur bei einer Buchpräsentation erneut systematisches Doping im DDR-Sport.[7]

Literatur

Bücher über Täve Schur
  • Andreas Ciesielski (Hrsg.): Typisch Täve. Eine Hommage an einen 75jährigen, Scheunen-Verlag, Kückenshagen 2006, ISBN 3-938398-22-1.
  • Klaus Huhn: Das vierte Buch über Täve, Spotless-Verlag, ; Berlin 1992, ISBN 3-928999-04-4.
  • Tilo Köhler: Der Favorit fuhr Kowalit. Täve Schur und die Friedensfahrt, Kiepenheuer, Leipzig 1997, ISBN 3-378-01015-0.
  • Gustav-Adolf Schur: Täve, die Autobiografie. Gustav Adolf Schur erzählt sein Leben, Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2001, ISBN 3-360-00948-7.
  • Klaus Ullrich: Unser Täve. Ein Buch über Gustav Adolf Schur, Sport-Verlag, Berlin 1962.
  • Uwe Johnson: Das dritte Buch über Achim; 1962
  • Stefan Schweizer: Täve Schur und das Bild der „Diplomaten im Trainingsanzug“, In: Karin Hartewig, Alf Lüdtke (Hrsg.): Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotografie im anderen deutschen Staat, Wallstein-Verlag, Göttingen 2004, ISBN 3-89244-790-X; S. 69–86.
  • Norbert Rossbach: Täve. Der Radsportler Gustav-Adolf Schur, In: Silke Satjukow, Rainer Gries (Hrsg.): Sozialistische Helden. Eine Kulturgeschichte von Propagandafiguren in Osteuropa und in der DDR, Links-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-86153-271-9; S. 133-146.
  • Alexander Osang: Ein brauchbarer Held, In Berliner Zeitung vom 4. April 1998[8]
Commons: Täve Schur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. S. 4–7: Ein Magdeburger Radsportidol, Interview mit Schur; abgerufen am 4. Februar 2010
  2. Der rastlose Täve, Beitrag in der Superillu vom 22. Februar 2006; abgerufen am 11. Februar 2010
  3. Beratungen zum Dopingopfer-Hilfegesetz bzw. zur Errichtung eines Fonds zur Unterstützung der Doping-Opfer der DDR, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 243. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2002.
  4. Banalisierung des Missbrauchs, Deutschland Radio.
  5. Dopingopfer kritisieren Hall of Fame, Der Spiegel.
  6. Die Brüche der Geschichte treffen auch den Sport, Badische Zeitung.
  7. Frank Bachner: "Ein Musterland an sportlicher Gesundheit", Der Tagesspiegel, 6. August 2011
  8. Ein brauchbarer Held, Ein Portrait, eingesehen am 5. August 2010