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Kirchensteuer (Deutschland)

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Die Kirchensteuer ist eine Steuer, die in Deutschland vom Staat im Auftrag der Kirchen von deren Mitgliedern erhoben und an die Kirchen weitergeleitet wird. Nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Verfassung sind diejenigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, berechtigt Steuern zu erheben. Die Religionsgesellschaften üben das Besteuerungsrecht nach Maßgabe von Kirchensteuergesetzen aus, die die Länder erlassen, und nach der jeweiligen Steuerordnung, die die Religionsgesellschaft für das jeweilige Gemeindegebiet erlässt.

Die Kirchensteuer leitet sich vom staatlichen Steuerbegriff her, ist aber in keiner Weise eine staatlich festgesetzte Abgabe. Sie wird ausschließlich von Mitgliedern der jeweiligen Kirche erhoben. Bemessungsgrundlage sind die Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer (Kircheneinkommensteuer, Kirchenlohnsteuer) und die Grundsteuer A (Kirchengrundsteuer). Rechtlich möglich ist auch die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Vermögensteuer sowie zum Solidaritätszuschlag; die Kirchen in Deutschland haben jedoch auf diese beiden Möglichkeit stets verzichtet.

Häufig stellt die Kirchensteuer, vor allem bei Einführung zusätzlicher staatlicher Belastungen (so waren die Austrittszahlen 1974 und 1991/92 besonders hoch), den letzten Anlass zum Kirchenaustritt dar. Der eigentliche Grund liegt hingegen zumeist in einer längst vollzogenen Entfremdung vom Glauben oder der Kirche.

Der staatliche Kirchensteuereinzug ist eine deutsche Besonderheit; zur Erhebung in anderen Staaten siehe unten.

Finanzierung der Kirchen

Biblische Quellen

Religiöse Steuern im Judentum

In der Bibel werden unterschiedliche Abgaben in Form von Geld oder Naturalien angesprochen:

Christentum

Lukas beschreibt die Kirche in ihren Anfängen als eine Gemeinschaft, die die Gütergemeinschaft pflegt. So sollen nach Apostelgeschichte 2,44f;4,32 in der Urgemeinde alle Gläubigen alles gemeinsam besessen haben. Die Habe wurde demnach eingesetzt "je nachdem einer bedürftig war". Für diese zuweilen als "urchristlicher Kommunismus" bezeichnete Gütergemeinschaft sind verschiedene Gründe denkbar:

  • Durch ihre Konversion zum Christentum fielen die Gemeindeglieder aus dem jüdischen Hilfesystem heraus und wurden aus dem familiären Rückhalt ausgeschlossen.
  • Jesus lebte mit seinen Jüngern ein entsprechendes Vorbild.
  • Besitz wurde als Gefahrenquelle für das endzeitliche Heil gesehen (vgl. Matthäus 19,24).
  • Es gab eine lebendige Erwartung der Wiederkunft Christi, durch die alles Materielle wertlos wurde.

Vermutlich hat es keine volle Gütergemeinschaft gegeben, wohl aber eine ausgeprägte Solidarität untereinander. Dafür sprechen etwa folgende neutestamentliche Belege:

Die Entwicklung bis zum 19. Jahrhundert

Die Kirche lebt seit dem 1. Jahrhundert von Schenkungen, Erbschaften und wie oben dargestellt von Kollekten, also Sammlungen unter Gliedern der christlichen Gemeinde. Ab dem 6. Jahrhundert lässt sich eine Finanzierung der Kirche durch Bewirtschaftung von Grund und Boden feststellen.

Die Synode von Mâcon (585) wandelt den einst freiwilligen Zehnt in eine allgemeine Pflichtabgabe um.

Seit dem hohen Mittelalter entwickelt sich ein reges Stiftungswesen. Patrizier, Zünfte, Ritter und Reichsstädte treten oft als Stifter von Kirchen, Kapellen, Klöstern und Pfarrstellen, für die sie dann die Patronate übernehmen, auf. Viele Pfarrstellen waren so abgesichert.

Seit dem 8. Jahrhundert sind aber auch Entwicklungen zu verzeichnen, die die finanzielle Lage der Kirchen belasten. Einen großen Einschnitt bedeutet das Wirken von Karl Martell, der von 714 bis 741 fränkischer Hausmeier war. Für die 732 ausgetragene Schlacht gegen die Araber bei Tours gab er Bauern Land aus kirchlichem Besitz als Lehen, wenn sie ihrem Herrn schwergepanzert in den Krieg folgten. Pippin, von 741 bis 768 König, führt den geistlichen Zehnt als Ausgleich für die Enteignungen in der Zeit Karl Martells ein. Im 10. Jahrhundert wird der seit Karl dem Kahlen (843-877) eingesetzte Zerfall der abendländischen Kultur besonders stark. Viele Adlige erzwingen die Übertragung von Klöstern in privaten Erbbesitz, Laienäbte werden eingesetzt. Ähnliches bewirkt die Wirren im 16. Jahrhundert infolge der Reformation. Kirchen und Klöster werden säkularisiert. Weltliche Landesherren bereichern sich daran. Schließlich wird im Augsburger Religionsfrieden von 1555 das "Landesherrliche Kirchenregiment" festgeschrieben: "Wessen Region, dessen Religion". Für etliche Regenten scheint dies ein Freibrief zur persönlichen Bereicherung gewesen zu sein.

Noch weiter geht der 1789 gefasste Beschluss der französischen Nationalversammlung, in der das gesamte Kirchengut zu Nationaleigentum erklärt wurde. Dies wird für den Bereich der heutigen Bundesrepublik Deutschland durch die Abtretung der linksrheinischen Gebiete Deutschlands an Frankreich im Jahr 1797 relevant; in den Folgejahren bis zur Niederlage Napoleons 1815 werden die linksrheinischen Kirchen als staatliche Verwaltungseinheiten verstanden und somit auch aus dem Staatshaushalt finanziert. Schließlich wird 1803 im Reichsdeputationshauptschluss die Säkularisation und damit die Enteignung der Kirche beschlossen.

Die Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert: auf dem Weg zur Kirchensteuer

In der nachnapoleonischen Zeit finanziert sich die Kirche zunächst durch

  • Ertrag aus dem Restvermögen
  • staatliche Leistungen, die auf Grund des landesherrlichen Kirchenregimentes gewährt werden
  • staatliche Ergänzungsverpflichtungen wegen der Säkularisationen.

Im 19. Jahrhundert beginnt die Geldwirtschaft zu dominieren. Damit wird der Zehnte unpraktikabel. So beginnt 1827 die Einführung der Kirchensteuer, nachdem sie 1808 noch in Preussen gescheitert war, weil die Bürger die Erhebung von Kirchensteuer als Eindringen des Staates in die persönlichen Verhältnisse auffassten. Lippe-Detmold ist das erste deutsche Territorium, in dem sie erhoben wird. Es folgen 1831 Oldenburg, 1835 die preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen durch die rheinisch-westfälische Kirchenordnung, 1838 Sachsen, 1875 Hessen, 1888 Baden, 1892 Bayern und 1905/06 Preußen. Verschiedene Gründe sind für diese Entwicklung genannt worden. Es geht zum einen um den Versuch der Landesherrschaften sich aus dem Unterhalt der Kirchen zurückzuziehen, um so die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Zum anderen wird damit argumentiert, dass der Anteil der kirchlich gebundenen Bevölkerung zurückgehe und so eine grundsätzliche allgemeine Finanzierung durch das Ganze des Staates nicht mehr begründbar sei.

1919 wird die Kirchensteuer in der Weimarer Reichsverfassung verankert. In Artikel 137, Absatz 6 heißt es: "Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben." Diese Steuern wurden vom Staat eingezogen und den Kirchen weitergeleitet, während im nationalsozialistischen Deutschland die Bestrebungen eher dahin gehen, die Religion zu unterdrücken und somit wird 1943 die Kirchensteuer wieder von der Kirche selber eingetrieben, z.B. in Bayern richteten die Kirchen eigene Kirchensteuerämter ein. 1939 werden in Österreich, das zu diesem Zeitpunkt wieder zu einem Teil des nun nationalsozialistischen Deutschen Reiches geworden war, Kirchenbeiträge als privatrechtliche Pflichtleistungen geordnet. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernimmt 1949 in seinem Artikel 140 die Weimarer Regelung. Es heißt dort: "Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes."

Der Mitgliedsbeitrag der Kirchen für die kirchliche Arbeit kann von den Kirchen deshalb erhoben werden, weil sie Körperschaften öffentlichen Rechts sind. Bis ca. 1956 wurden die Steuern in Haus-zu-Haus-Sammlungen monatlich oder quartalsweise erhoben. Von nun an wurde der Staat um Mithilfe gebeten.

Situation in Deutschland

Rechtliche Voraussetzungen

Voraussetzung für Kirchensteuererhebung sind

  1. die Anerkennung einer religiösen Organisation als Körperschaft des öffentlichen Rechts
  2. Kirchensteuerbeschlüsse der zuständigen Leitungsgremien (es handelt sich hierbei beispielsweise in der Ev.Kirche im Rheinland um die Presbyterien, in der Protestantischen Landeskirche der Pfalz um die Landessynode)
  3. die Anerkennung der Beschlüsse durch die zuständigen Landesministerien (meist: Finanzministerium).

Heute beträgt die Kirchensteuer in den meisten Kirchen und Bundesländern, die in ihren Kirchensteuergesetzen eine Obergrenze festlegen, 8% bzw. 9% von der Einkommensteuer und erbringt je nach Kirche unterschiedlich etwa 63% bis 80% der kirchlichen Einnahmen. Davon ist ein Teil – z.B. sind es 2004 in Rheinland-Pfalz 4% – an die Finanzbehörden abzuführen als Betrag für die Dienstleistung der Steuererhebung.

Zur Kirchensteuererhebung sind alle religiösen Körperschaften des öffentlichen Rechts in Deutschland berechtigt. Die evangelischen Freikirchen verzichten bewusst auf dieses Recht, da sie sich lehrmäßig zur Trennung von Kirche und Staat bekennen. Sie finanzieren ihre Arbeit durch freiwillige Mitgliedsbeiträge, die allerdings in der Regel höher sind als die Kirchensteuer. Diese Beiträge können bei den Finanzämtern jedoch als Kirchensteuern und "mildtätige Spenden" geltend gemacht werden.

Derzeit nutzen die Möglichkeit des Kirchensteuereinzugs durch staatliche Organe:

Die Pflicht zur Zahlung an die Kirchensteuer ist an die Zugehörigkeit zu den jeweiligen religiösen Organisationen gebunden und erlischt mit dem formalen Schritt des Kirchenaustritts.

Die Kirchensteuer kann in voller und unbegrenzter Höhe als Sonderausgabe steuerlich geltend gemacht werden. Damit ist die durch die Kirchensteuer verursachte zusätzliche Belastung des Kirchensteuerzahlers bei Spitzenverdienern nur etwa halb so groß wie der der Kirche zufließende Betrag. Der Staat verzichtete infolge dieser Regelung im Jahr 2002 auf 3,58 Mrd. Euro. Bei einem Kirchensteueraufkommen der ev. und kath. Kirche von 8,5 Mrd Euro refinanziert der Staat die Kirchensteuer in der Höhe von ca. 40%

Im Jahr 2003 betrug das Kirchensteueraufkommen in Deutschland:

  • Katholische Kirche 4,499 Mrd. Euro
  • Evangelische Kirche 4,012 Mrd. Euro
  • Gesamt 8,511 Mrd. Euro

Berechnung

Der Kirchensteuersatz beträgt in Bayern, Baden und Württemberg 8 %, in den übrigen Ländern 9 %.

Hat der Steuerpflichtige Einkünfte, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, ist für die Kirchensteuer der volle Betrag dieser Einkünfte Bemessungsgrundlage. Zur Berechnung der Kirchensteuer wird eine zweite Steuerberechnung durchgeführt, aus der eine fiktive Einkommensteuer berechnet wird. Hiervon werden (ähnlich wie beim Solidaritätszuschlag) noch Kinderfreibeträge abgezogen.

Die Kirchensteuer beträgt dann 8% oder 9% der so berechneten fiktiven Einkommensteuer. Vereinfachend kann man sagen, daß auf Dividendeneinkünfte etc. die doppelte Kirchensteuer anfällt.

Ein verheirateter Arbeitnehmer mit einem Monatsbruttolohn von bis zu 1500 € zahlt zum Beispiel gar keine Kirchensteuer; bei einem Monatsbruttolohn von 2000 € würden 3,70 € monatlich fällig. Wer monatlich 3000 € brutto verdient, zahlt als Verheirateter 24,86 €, mit einem Kind 14,13 €, mit zwei Kindern 4,87 €.

Verwendung

Die Kirchen verwenden die Kirchensteuereinnahmen nach eigenen Angaben folgendermaßen (gerundet):

  • Katholische Kirche:
    • Personalkosten: ca. 20%
    • Sachkosten, Verwaltung: ca. 20%
    • Kirchenbauten: ca. 50%
    • Schule und Bildung: ca. 5%
    • Soziales und Caritatives: ca. 5%
  • Evangelische Kirche:
    • Personalkosten: ca. 70%
    • Sachkosten, Verwaltung: ca. 10%
    • Kirchenbauten: ca. 10%
    • Schule, Bildung, Soziales und Caritatives: ca. 10%

Deutsche Freikirchen

In Deutschland verzichten die in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen zusammengeschlossenen Konfessionen - aber auch andere freikirchliche Gemeinden - auf die Erhebung von Kirchensteuern. Ihnen ist eine deutliche Unterscheidung zwischen Staat und Kirche wichtig. Die Mitgliedsbeiträge werden als freiwillige Spenden gegeben; sie können wie die Kirchensteuer steuerlich abgesetzt werden. Viele Mitglieder orientieren sich für die Höhe ihres Beitrags am biblischen "Zehnten". In manchen Gemeinden wird der biblische Zehnte als verbindliche Regel vorgegeben, wobei die Gemeindemitglieder in vielen Fällen frei darüber entscheiden können, wohin sie ihren Zehnten überweisen; denkbar sind Spenden für Bedürftige, freie Missionswerke oder "Brot für die Welt" und ähnliche Verwendungszwecke. Einige Gemeinden verzichten auf eine Kontrolle, ob der Zehnte tatsächlich gegeben wird (vgl. dazu zum Beispiel den Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland oder die Evangelisch-methodistische Kirche.)

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die keine Kirchensteuer erheben

Außer den genannten Freikirchen erheben auch weitere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und deshalb das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer haben, keine Kirchensteuer. Dazu gehören u.a. die orthodoxen Kirchen, Christian Science, die Neuapostolische Kirche, die Christengemeinschaft sowie der Bund für Geistesfreiheit, der Humanistische Verband Nordrhein-Westfalen, die Freien Humanisten Niedersachsen und Die Humanisten Württemberg.

Situation in anderen Ländern

Der staatliche Kirchensteuereinzug ist im Wesentlichen eine deutsche Besonderheit, in anderen Ländern ist die Kirchensteuer weitgehend unbekannt. Dort erfolgt die Finanzierung der Kirchen über interne Beitragserhebungen oder Spenden, ähnlich dem teilweise auf Gemeindeebene erhobenen Kirchgeld. Ansatzweise vergleichbar sind noch die Modelle in Schweden, Dänemark sowie die Kirchengemeindesteuer in mehreren Kantonen der Schweiz und der, allerdings ohne staatliche Mithilfe, erhobene Kirchenbeitrag in Österreich. In Italien, Ungarn und Spanien wurden andere im Artikel Mandatssteuer beschriebene Verfahren eingeführt.

Dänemark

Die Kirchensteuer ist in Dänemark bekannt. Sie wird mit den Kommunalsteuern erhoben und ist regional unterschiedlich geregelt. Ihre Höhe beträgt rund 1% des zu versteuernden Einkommens. - Die lutherische Staaatskirche wird zudem über den Staat finanziert.

Österreich

In Österreich ist die Erhebung eines Kirchenbeitrages in den Kirchen bzw. den römisch-katholischen Bistümern gesetzlich geregelt. Das System wurde in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft am 1. Mai 1939 eingeführt. Nach eigenen Angaben beabsichtigten die Nationalsozialisten, die kirchlichen Organisationen damit letztendlich zu beseitigen; denn mit der Einführung des Kirchenbeitrages wurden zugleich alle alle früheren gesetzlich garantierten Staatsleistung, die als Abgeltung für die Säkularisierung, d.h. Enteignung und Verstaatlichung, des Kirchenguts gezahlt wurden, gestrichen.

Die österreichischen Kirchen können mit den Beiträgen, die bei 1,15% des Einkommens bzw. 7‰ bis 2% vom landwirtschaftlichem Vermögen liegen, ihre Ausgaben weitgehend decken; in der Verwendung des Geldes sind die Kirchen frei. Ausstehende Beträge können heute - anders als 1939 - zivilrechtlich eingeklagt und gepfändet werden. Da die Kirchen und Bistümer keinen Einblick in die staatlichen Steuerlisten haben, geht ihnen etwa ein Drittel der Soll-Einnahmen durch falsche Angaben der Kirchenmitglieder verloren. Erhebung und Mahnwesen machen in der kleinen (lutherischen) Kirche Augsburgischen Bekenntnisses zzt. 28%, in den größeren römisch-katholischen Diözesen etwa 15% des Beitragsaufkommens aus.

Als ein "österreichisches Kuriosum vor tragischem Hintergrund" muss es angesehen werden, dass die israelitische Kultusgemeinde auf Grund einer Regelung des Israelitengesetzes von 1890 weiterhin den Kultusbeitrag mit staatlicher Verwaltungshilfe erheben kann.

Schweden

In Schweden wird die Kirchensteuer ausschließlich für die evangelisch-lutherische "Schwedische Kirche" erhoben. Sie beträgt 1,25% des zu versteuernden Einkommens. Wer der Staastskirche nicht angehört, zahlt rund 30% der Kirchensteuer für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch die Kirche in den Bereichen Bevölkerungsregistrierung und Begräbniswesen. Geschuldete Abgaben können wie in Deutschland und bei staatlichen Steuern gegebenenfalls hoheitlich im Wege des Verwaltungszwangs, also ohne vorherige Klageerhebung beigetrieben werden.- Andere Kirchen finanzieren sich vollständig aus Sammlungen.

Schweiz

Das Staatskirchenrecht ist in der Eidgenossenschaft kantonales Recht. Dem folgt auch die - sehr unterschiedliche - Ordnung der Kirchensteuern. Ein Versuch, Staat und Kirche vollständig zu trennen und damit die Kirchensteuer abzuschaffen, wurde in einer Volksabstimmung im Jahr 1980 mit 79% der Stimmen abgelehnt. Die Kirchensteuer ist immer eine gemeindliche Steuer. Kontalskirchen- oder Diözesankirchensteueren sind - anders als in Deutschland möglich und teilweise praktiziert - nicht möglich. Die Kirchengemeinden sind in der Mehrzahl der Kantone durch die jeweilige Verfassung als staatliche Sondergemeinden eingerichtet; daher können sie gemäß staatlichen Vorgaben Steuern einziehen und verwalten. Diese decken weitgehend die Ausgaben für die örtlichen kirchlichen Aktivitäten. Die Kirchensteuer wird vom Einkommen errechnet. In einigen Kantonen ist außerdem die – auch in Deutschland rechtlich mögliche – Erhebung vom Vermögen möglich. Mancherorts fordern die Kirchengemeinden die Steuern selbst ein, andernorts ziehen Staat oder politische Gemeinde gegen ein Entgelt von rund 3% die Kirchgemeindesteuer ein.

Die kantonalen Unterschiede sind zum Teil erheblich. In 20 der 26 Kantone werden Kirchensteuern von natürlichen wie juristischen Personen erhoben. In Genf wird die Kirchensteuer gemeinsam mit den Kommunalsteuern in Rechnung gestellt. Gezahlte Beiträge werden gegen eine Vergütung von 2% der eingegangenen Gelder an die Kirchen weiter geleitet. – Allerdings ist die Kirchensteuer fakultativ, so dass nur rund 30% der zu erwartenden Kirchensteuer eingehen. In Glarus müssen jene, die nicht zu einer anerkannten Konfession gehören, zwar keine reguläre Kirchensteuer zahlen; der halbe Satz ist aber für die Aufwendungen, die den Kirchen in Wahrnehmung bürgerlicher Aufgaben entstehen, fällig. Die Kantone Genf, Neuenburg, Waadt, Wallis und Tessin kennen die Kirchensteuer im engeren Sinne nicht. Teilweise übernehmen hier die Kantone oder Kommunalgemeinden direkt die Finanzierung der Kirchen und Kultusausgaben. In Neuenburg gilt für die Kirchen eine privatrechtliche Organisationsform. Im Tessin steht eine rechtliche Regelung seit 1886 aus. Derzeit übernehmen die Ortsgemeinden Kosten katholischer Kirchengemeinden.

Im Kanton Bern werden zwar Kirchensteuern erhoben. Gleichwohl werden die Pfarrer vom Kanton besoldet und gelten als staatliche Beamte. Kirchliche Stiftungen tragen und verwalten in vielen Fällen die kirchlichen Gebäude.

Die Kirchensteuer in der Kritik

Die Kirchensteuer als bekannteste Form der Kirchenfinanzierung wird aus unterschiedlichen Perspektiven kritisiert. Die Kritik bezieht sich sowohl auf die Steuer als Instrument an sich als auch auf eine Reihe von Auswirkungen dieser Steuer und ihrer konkreten Handhabung in den staatlichen und kirchlichen Raum hinein.


Kritik aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

Von Gruppierungen wie dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA), der Humanistischen Union und dem Humanistischen Verband Deutschlands wird u.a. folgende Kritik vorgetragen.

  • Das Kirchensteuerprivileg, obwohl grundgesetzlich verankert, widerspricht im Kern der ebenfalls grundgesetzlich festgelegten Trennung von Staat und Kirche, also der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
  • Das Hoheitsrecht der Kirchen, als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern zu erheben, diskriminiert andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die diesen Status entweder nicht erwerben können oder aus Glaubensgründen nicht erwerben wollen.
  • Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer fordert von allen abhängig Beschäftigten, auf der Lohnsteuerkarte ihren Konfessionsstatus mitzuteilen. Darin wird ein Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit gesehen.
  • § 10 Abs.1 Nr. 4 EStG gestattet die unbegrenzte steuerliche Absetzbarkeit der gezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung hat dies die "Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen" zum Ziel. Diese Regelung bevorzugt solche Religionsgemeinschaften, die Kirchensteuern erheben gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Gruppen, deren Relevanz ebenfalls grundgesetzlich verankert ist, z.B. Parteien und Gewerkschaften.
  • Die "fiktive" Kirchensteuer: Bei allen, auch den konfessionslosen BezieherInnen von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, des Vorruhestands- und Unterhaltsgeldes sowie des Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeldes wurde (bis zum Jahr 2004 einschließlich) ein Abschlag in Höhe der "fiktiv" anfallenden Kirchensteuer vom Arbeitslosengeld vorgenommen, ein Betrag, der nicht den Kirchen zugute kam. Die Betroffenen wurden vielmehr Opfer der Verquickung von Staat und Kirche, denn die "einbehaltene Kirchensteuer" wurde als "gewöhnlich anfallender Entgeltabzug" bezeichnet. Erst mit der Neuregelung von ALG II ab 1. Januar 2005 ist diese Regelung weggefallen.

In der Bundesrepublik Deutschland kam es 1973 in Folge der "Freiburger Thesen" der FDP zur Diskussion, da dort die Trennung von Staat und Kirche und damit die Ersetzung des staatlichen Kirchensteuereinzugs durch ein kircheneigenes Beitragssystem gefordert wurde. In abgeschwächter Form befinden sich diese Forderungen auch heute noch im Programm der FDP. Ähnliche Positionen wurden früher außerdem von der Partei "Die Grünen" formuliert. Die PDS lehnt sowohl die grundgesetzliche Verankerung der Kirchensteuer als auch den staatlichen Einzug dieser Steuer ab.

Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive

Von kirchen-reformerischen Gruppen werden zusätzlich folgende Kritikpunkte u.a. angeführt:

  • Der Steuer-Charakter dieser Kirchenfinanzquelle verschleiert, dass es sich um den ganz persönlichen Mitgliedsbeitrag bei einer Glaubensgemeinschaft handelt.
  • Der staatliche Einzug der Kirchensteuer, der auch die Möglichkeit Zwangsbeitreibung beinhaltet, lässt die Kirchen als staatliche Einrichtungen erscheinen.
  • Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer lässt die Kirchensteuer teilhaben an den Ungerechtigkeiten und Verwerfungen dieser Steuerart. Des weiteren werden die Kirchen abhängig von der jeweiligen Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik des Staates und den Tarifpartnern.
  • Nur ca. 30 Prozent der Kirchenmitglieder tragen per Kirchensteuer zur Finanzierung der Kirchen bei.
  • Das sog. "Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe" ist eine echte Kirchensteuer. Sie wird von einigen katholischen Bistümern, z.B. in Nordrhein-Westfalen, nicht erhoben, weil eine größere Austrittswelle befürchtet wird.
  • Der staatliche Kirchensteuereinzug begünstigt und verfestigt bestimmte Kirchenstrukturen: die Entmündigung der Gemeinden und die Etablierung und Wucherung der Kirchenbürokratie.
  • Die Nicht-Zahlung von Kirchensteuern wird mit der härtesten Kirchenstrafe, der Exkommunikation, geahndet, obwohl dieses Delikt im Kirchlichen Gesetzbuch nicht existiert und nur einen deutschen Sonderstraftatbestand darstellt.
  • Ferner benutzen die Kirchen auch heute noch das Kirchensteuer-Zahlen als Druckmittel: ohne dieses können die Taufe von Kindern, die Patenschaft bei der Taufe und das Begräbnis verweigert werden.
  • Die Einrichtung der Kirchensteuer-Kappung stellt strukturell eine Option für die Reichen und Großverdiener dar.
  • Die Verquickung von staatlich verpflichtender Steuerzahlung und individueller Kirchenmitgliedschaft führt dazu, dass die Kirchen dogmatisch falsche Aussagen verbreiten: die Kirchen bezeichnen den standesamtlich bzw. amtsgerichtlich beurkundeten "staatlichen Kirchenaustritt" ihrerseits auch als Kirchenaustritt. Einen Kirchenaustritt allerdings kennt die katholische Kirche nicht, auch nicht als Straftatbestand im Kirchlichen Gesetzbuch (CIC von 1983). Die durch die Taufe begonnene Kirchenmitgliedschaft ist nach katholischer Lehre unumkehrbar (Lehre vom unauslöschlichen Siegel). Dem entsprechend ist die Kennzeichnung "Wiedereintritt in die Kirche" im Fall, dass per Eintrag auf der Lohnsteuerkarte wieder Kirchensteuer gezahlt wird, unzutreffend.

Angesicht des stetigen großen Zuwachses beim Kirchensteueraufkommens in den letzten 50 Jahren konnten die Kirchensteuerkirchen jegliche theologische Kritik an der Kirchensteuer abblocken und unterdrücken. Die Kirchentagsleitungen beider Konfessionen z.B. schlossen Diskussionen um die Kirchensteuer kategorisch aus. Lediglich nach 1990 gab es in der Evangelischen Kirche in Deutschland kurzfristig eine nennenswerte Diskussion, angestoßen von den evangelischen Landeskirchen im Bereich der früheren DDR. Auf Grund ihrer Geschichte in der DDR forderten sie eine größere Distanz zum Staat, was teilweise in die Forderung einmündete, die Kirchensteuer abzuschaffen.

Die Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive wurde katholischerseits von einzelnen Theologen (Prof. Dr. H.Mynarek, Prof. Dr. Horst Herrmann, in neuerer Zeit Prof. Dr. Paul Zulehner) und von verschiedenen kirchen-kritischen Gruppen vorgetragen, dem "Bensberger Kreis", dem "Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V.", der "Initiative Kirche von unten", Ikvu, dem "Arbeitskreis Halle" und der "Kirchenvolksbewegung" bzw. "Wir sind Kirche".

Auf evangelischer Seite war es z.B. der "Bund gegen Kirchensteuermißbrauch e.V. Bremen". Der Dietrich Bonhoeffer-Verein hat in den letzten Jahren einen Reformvorschlag erarbeitet ("Kultursteuer und Sozialsteuer statt staatlicher Kirchensteuereinzug") Pfarrer Karl Martin, hat diesen Vorschlag in der Publikation "Abschied von der Kirchensteuer" vorgestellt. Bereits 1972 hatte der Kirchenkritiker Horst Herrmann eine Alternative vorgeschlagen, die später z.B. in Italien und Spanien eingeführt wurde (mit Zustimmung des Vatikan) und gegenwärtig in weiteren europäischen Ländern diskutiert wird, gilt die sog. Mandatssteuer.

Siehe auch:

Literatur

  • Evangelische Kirche im Rheinland: Handbuch Gemeinde & Presbyterium. Kirche und Finanzen; Düsseldorf: Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland, 2005; ISBN 3-87645-106-X
  • Frerk, Carsten: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2002; ISBN 3-932710-39-8
  • Frerk, Carsten: Caritas und Diakonie in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2005; ISBN 3-865690-00-9
  • Herrmann, Horst: Kirche, Kapital, Klerus. Hintergründe einer deutschen Allianz; Münster: LIT, 2003; ISBN 3-8258-6862-1
  • Herrmann, Horst: Die Kirche und unser Geld. Daten, Fakten, Hintergründe; Hamburg: Rasch und Röhring, 1990; ISBN 3-89136-301-X
  • Herrmann, Horst: Kirchensteuer als Mandat? Eine Anfrage an Staat und Kirche; in: Stimmen der Zeit 97 (1972), S. 398-400
  • Walser, Markus: Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein bzw. Erzbistum Vaduz (Finanzierungsmodelle); in: Wille, Herbert; Baur, Georges (Hg.): Staat und Kirche : grundsätzliche und aktuelle Probleme; Symposium des Liechtenstein-Instituts 25. bis 27. März 1999; Vaduz: Verlag der Liechtensteinischen Akademischen Gesellschaft, 1999; Liechtensteinische politische Schriften, Bd. 26; S. 326-364; ISBN 3721110382. Walsers Artikel ist im Internet als htm- oder rtf-Datei verfügbar.
  • Literatur zur Kirchensteuer im Online-Katalog der Deutschen Bibliothek

Zahlen und Fakten

Kirchensteuer in der Kritik

Evangelische Freikirchen zur Kirchensteuer

Kirchensteuer international