Schwerter zu Pflugscharen
Schwerter zu Pflugscharen ist ein zum geflügelten Wort gewordenes Teilzitat aus der Bibel, das das Ziel der internationalen Abrüstung, Rüstungskonversion und den Völkerfrieden symbolisiert. Menschen aus verschiedenen weltanschaulichen Traditionen wie Judentum und Christentum, aber auch Atheismus und Kommunismus haben sich seit 1945 verschiedentlich auf dieses Symbol bezogen. Seit 1980 wird es in Deutschland vor allem mit Initiativen der staatsunabhängigen Friedensbewegung in der DDR, darüberhinaus mit dem Pazifismus verbunden.
Biblische Herkunft
In der jüdischen Prophetie tauchen vor dem Untergang des Nordreichs (722 v. Chr.), vor allem aber vor, im und nach dem Babylonischen Exil (586 - 539 v. Chr.) immer wieder Visonen eines göttlichen Endgerichts auf, das den universalen Völkerfrieden bringen werde. So heißt es beim Propheten Micha (Kapitel 4,3):
- In den letzten Tagen aber wird der Berg, auf dem Gottes Haus steht, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des Herrn gehen und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Ländern. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des Herrn Zebaoth hat es geredet.
Mehrere Erwartungen sind darin verknüpft:
- Der Tempel auf dem Jerusalemer Zionsberg werde neu errichtet sein,
- der Gott Israels, JHWH, Schöpfer und Richter der Welt, werde von allen Menschen anerkannt werden (Motiv der "Völkerwallfahrt"),
- seine "Weisung" (hebräisch: Tora) werde alle Völker endgültig zur vollständigen Abrüstung, Abschaffung der Armeen und des Kriegsdienstes bewegen und so das friedliche Beieinanderwohnen der Menschen ermöglichen.
Dieser Heilszusage ging Michas Gerichtsankündigung über den Jerusalemer Tempelkult, die korrupten Autoritäten, Priester, Propheten und Richter voraus. Denn diese beuteten die Armen aus, wahrsagten für Geld und beriefen sich dabei auf göttliche Bestandsgarantie (Mi 3,9-12):
- Ist nicht Gott in unserer Mitte? Niemals kann Unheil über uns kommen! - Deshalb wird euretwegen der Zion als Feld umgepflügt, Jerusalem wird zum Trümmerhaufen, der Tempelberg zur bewaldeten Höhe.
Erst nach dem Gericht über Israel, das die Eigenmacht und Überheblichkeit seiner religiösen Führer brechen sollte, kündete Micha das weltweite Abrüstungsgebot seines Gottes für die Völker an. Jesaja (2,2-4) übernahm seine Heilsvision. Wie ein Kontrastbild dazu wirkt eine Weissagung des nachexilischen Propheten Joel (4,1.9-12), der 300 Jahre später ankündet:
- Denn siehe, in jenen Tagen zu der Zeit, da ich das Schicksal Judas und Jerusalems wenden werde, will ich alle Heiden zusammenbringen und sie ins Tal Josaphat hinabführen und dort mit ihnen Gericht halten wegen meines Volks...Ruft dies aus unter den Heiden: Bereitet euch zum Heiligen Krieg! Bietet die Starken auf! Lasst alle Kriegsleute herzukommen und hinaufziehen! Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße!...
Das Völkergericht erscheint hier als Entscheidungsschlacht Gottes mit den hochgerüsteten Fremdvölkern und als Rache an ihnen für das Schicksal des zerstreuten Judentums. Doch auch dabei geht es um das Schaffen von Frieden durch das endgültige Zerbrechen der Waffen und Überwinden der Feindschaft gegen Gott.
Neuzeitlicher Pazifismus
In der im 19. Jahrhundert entstandenen Bewegung des Pazifismus wird umfassende Abrüstung als politisches Ziel angestrebt. Dabei wurde das Zitat Schwerter zu Pflugscharen weitgehend aus seinem ursprünglichen religiösen Kontext gelöst und "säkularisiert". Das Gebot des Gottes Israels wurde in einen moralischen Appell an die Gewissen und die ethische Entscheidung des Einzelnen für einen Verzicht auf bewaffnete Selbstverteidigung transformiert (vgl. Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!).
Dabei blieb das Verhältnis von eigenem Gewaltverzicht zu politischer Macht und nationaler Souveränität ungelöst, so dass die besonders nach den beiden Weltkriegen erhoffte Ächtung des Krieges ausblieb. Der "Militärisch-industrielle Komplex" - die Abhängigkeiten und Verflechtungen von Rüstungsindustrie, Militär und Staatsführungen - wurde von vielen gesinnungsethischen Appellen ausgeklammert. Rüstungskonversion stand in den meisten Abrüstungsforderungen erst ganz am Ende eines internationalen Verständigungsprozesses.

Die Sowjetunion schenkte der UNO zu ihrer Aufnahme eine Skulptur von Jewgeni W. Wutschetitsch, die das Motiv "Schwerter zu Pflugscharen" bildlich-plastisch darstellt. Das Original steht auch in der Tretjakow-Galerie in Moskau, eine Kopie steht seit 1959 auf dem Gelände des UNO-Hauptgebäudes in New York City.
Die Skulptur zeigt einen muskulösen Heros, der im Sinne der Rüstungskonversion ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Sie ist im Stil des Sozialistischen Realismus gestaltet und hebt die Schöpferkraft der arbeitenden Menschen hervor. Zugleich appelliert sie an die Friedensziele der UN-Charta und die jüdisch-christlichen Wurzeln des Westens, dessen Führungsmacht, die USA, sich bis heute als Gods own country ("Gottes eigenes Land") versteht.
Damit bekräftigte die sowjetische Staats- und Parteiführung das Ziel des Völkerfriedens auf ihre Weise im Sinne einer "friedlichen Koexistenz" mit dem "Klassenfeind". Die Sowjetunion hat sich stets als Friedensmacht dargestellt und ihre Hochrüstung nicht für offensive, sondern defensive Ziele einzusetzen beansprucht - ebenso wie die USA und die NATO-Länder. Sie hat dies zwar mit eigenen Abrüstungsinitiativen unterstrichen, die aber durch aggressive Kriegshandlungen, Hegemeonie-Interessen und fortgesetzte Militarisierung im Innern konterkariert wurden.
Abrüstungsvorleistungen ohne multilaterale Vertragsbindung wurden von den Staatsführungen in Ost wie West im Kalten Krieg überwiegend als Gefährdung des "Gleichgewichts" und damit Destabilisierung des Nichtkriegszustandes betrachtet. Zeitweise Bevölkerungsmehrheiten für einseitige Abrüstungsschritte wurden erst seit den Abrüstungsofferten Gorbatschows 1985 in politisches Handeln umgesetzt.
Das Abbild der sowjetischen Skulptur zusammen mit dem Schriftzug "Schwerter zu Pflugscharen" wurde erstmals als Aufdruck für eine Einladung zum Gottesdienst am Buß- und Bettag des Jahres 1980 von evangelischen Jugendgruppen in der DDR verwendet. Dieser Feiertag war als Abschluss einer gemeinsamen "Friedensdekade" zwischen der westdeutschen EKD und dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR verabredet worden.
Die Einladung gestaltete der damalige Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider und verband sie mit dem Motto der Dekade: Frieden schaffen ohne Waffen. Dieses Motto ging auf ein weltweites Treffen des ÖRK zurück: Er hatte 1975 in Nairobi allen Mitgliedskirchen empfohlen, gegenüber den je eigenen Regierungen ihre Bereitschaft zu erklären, ohne den Schutz von Waffen zu leben. Dies blieb den meisten Kirchengemeinden zunächst unbekannt und wurde von kaum einer Kirchenleitung publik gemacht.
1978 führte die SED das Pflichtfach "Wehrerziehung" an DDR-Schulen ein. Der Kirchenbund legte dagegen erfolglos Widerspruch ein und stellte ein Alternativprogramm "Erziehung zum Frieden" vor. Daraufhin entstanden in vielen Kirchengemeinden staatskritische, unabhängige Friedensinitiativen. Regelmäßige Seminare, etwa in Königswalde, zogen Jugendliche aus der ganzen DDR an. Im Juni 1980 griff die Evangelische Studentengemeinde Dresden als erste dieser Gruppen die Idee von Nairobi auf, um einen Diskussionsprozess in den Gemeinden auszulösen. Unter dem wachsenden Druck der kirchlichen Jugend beschloss die Konferenz der Kirchenleitungen daraufhin die erste Friedensdekade.
Im Frühjahr 1981 schlugen einige Kirchengemeinden ihren Synoden vor, einen zweijährigen "Sozialen Friedensdienst" als gleichberechtigte Alternative zum staatlichen Wehrdienst in der NVA und zu den Bausoldaten einzuführen. Alle Landessynoden stellten sich bis zum Jahresende öffentlich hinter diese Forderung. Ein Treffen der Kirchenleitungen mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen Klaus Gysi im September endete jedoch mit ihrer strikten staatlichen Ablehnung.
Da nicht mit einer Druckgenehmigung der DDR-Behörden für Aufkleber oder Buttons zu rechnen war, wurde das Symbol "Schwerter zu Pflugscharen" für die folgende Friedensdekade auf Vliesstoff gedruckt. Dies galt als erlaubte "textile Oberflächenveredelung". Der Aufnäher traf die Friedenssehnsucht vor allem vieler Jugendlicher: Sie trugen ihn nun spontan überall auf ihrer Straßenkleidung, an Mänteln, Taschen und Mützen in Schule und Öffentlichkeit.
Während Schullehrer, Volkspolizei und Betriebsfunktionäre die Entfernung forderten, nahmen Kirchenvertreter die Träger in Schutz, wiesen auf die Herkunft des abgebildeten Symbols und die offizielle Propaganda hin. So war das sowjetische Denkmal auch im DDR-Geschichtsbuch für die 6. Klasse abgebildet, und das Lehrbuch für die Jugendweihe von 1975 erläuterte: Wir schmieden Schwerter zu Pflugscharen um. Die DDR-"Deutsche Zeitschrift für Philosophie" zitierte zum Jahresbeginn 1982 die Jesajastelle und schrieb dazu:
- Welcher Marxist würde behaupten wollen, dass religiöser Glaube in dieser Form reaktionär sei und, obwohl er selbst noch kein wissenschaftlich fundiertes Bewusstsein darstellen konnte, unvereinbar mit Wissenschaftlichkeit sei? Dieser [...] Glaube ahnt gewissermaßen die wissenschaftliche Erkenntnis von einer klassenlosen Gesellschaft, in der es keine Kriege mehr gibt, voraus.
Unter Berufung darauf gelang es den Kirchenbehörden zunächst, ein Verbot des Aufnähers abzuwenden. Doch ab November 1981 erhielt Bischof Hempel die amtliche Mitteilung: Wegen Missbrauchs dürfen diese Aufnäher in Schule und Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden. Dahinter stand das Bemühen der SED, Akzeptanz für das neue Wehrdienstgesetz zu organisieren. Die Aufnäherträger wurden nun mit massiven Vorwürfen konfrontiert: Der undifferenzierte Pazifismus sei friedensfeindlich, die Aufnäher seien westliche Importe und schulfremdes Material, wer sie trage, übe Wehrkraftzersetzung aus und untergrabe die staatliche und gesellschaftliche Tätigkeit zum Schutz des Friedens. Sie seien zum Zeichen einer unabhängigen Friedensbewegung geworden, die nicht geduldet werden könne.
Wer die Aufnäher nicht entfernte, wurde aus Hochschulen und Erweiterten Oberschulen entlassen, erfuhr Strafversetzung, Nichtzulassung zum Abitur, Verweigerung der gewünschten Lehrstelle, Schulverbot oder Hinderung beim Betreten seines Betriebs. Pädagogen und Polizisten schnitten die Aufnäher aus Jacken heraus, wenn Jugendliche dies nicht freiwillig taten, oder beschlagnahmten die Kleidungsstücke. Anfang 1982 reagierte eine wachsende Zahl von Jugendlichen, indem sie sich runde weiße Flecken auf die Jacken nähten oder mit Filzstift auf den Ärmel schrieben: "Hier war ein Schmied".
Am 25. Januar 1982 veröffentliche Rainer Eppelmann, damals Pastor in Ostberlin, seinen "Berliner Appell": Darin forderte er den Abzug aller Atomwaffen aus der DDR, der Bundesrepublik und Mitteleuropa. Prominente DDR-Dissidenten wie Stefan Heym und Robert Havemann unterstützten den Aufruf und forderten öffentlich eine autonome Friedensbewegung in der DDR.
Damit war der Versuch der SED-Führung vorerst gescheitert, die westeuropäische Opposition gegen den NATO-Doppelbeschluss zu fördern, aber eigenständige ostdeutsche Abrüstungsinitiativen als Gefahr für den "sozialistischen Friedensstaat" zu unterdrücken. Sie reagierte darauf mit einer FDJ-Aktion unter dem Titel: Der Friede muss verteidigt werden - der Friede muss bewaffnet sein. Dabei wurde die Initiative für den Sozialen Friedensdienst als verfassungsfeindlich dargestellt. Damit zeigte die SED dem Kirchenbund seine Grenze: Zum Staatsvertrag gehörte, dass er sich nicht als politische Opposition betätigte. Die Bischöfe wollten diese Grenze achten, verteidigten aber Recht und Pflicht der Christen auf selbständiges Nachdenken über eigene Friedensbeiträge und Kritik an Militarisierungstendenzen im Rahmen des DDR-Systems.
Am 13. Februar 1982 riefen private Christengruppen aus Anlass des 37. Jahrestags der Luftangriffe auf Dresden zu einem Schweigemarsch für Frieden und Abrüstung auf. Die Dresdner Kreuzkirche bot stattdessen ein offenes "Forum Frieden" an, um die erwartete Konfrontation zwischen Demonstranten, Stasi und Volkspolizei zu vermeiden. Dies gestattete die SED. 5.000 freiwllig gekommene Besucher diskutierten frei über die außen- und innenpolitische Lage. Die Ablehnung der NATO-Aufrüstung war ebenso einhellig wie die Ablehnung der fortgesetzten DDR-Militarisierung und Knebelung eigener friedenspolitischer Betätigung.
Zwischen dem Aufruf Eppelmanns und dem Dresdner Forum bestand kein direkter Zusammenhang. Ostdeutsche unabhängige Friedensinitiativen waren nicht landesweit organisiert und bildeten gerade so eine echte Alternative zu staatlich verordneten, seit langem stagnierenden Vereinigungen wie dem "Friedensrat der DDR". Die westdeutschen Medien versuchten zwar, eine flächendeckende Systemopposition als Pendant zur westlichen Friedensbewegung herbeizuschreiben: Doch die meisten kirchlichen Jugendgruppen der DDR lehnten damals weitreichende Forderungen nach Abzug der Besatzungstruppen und Austritt der deutschen Teilstaaten aus den Militärbündnissen ab. Sie wollten zunächst die Spielräume für Eigeninitiative und soziales Engagement erweitern.
Dabei drückte der Slogan "Schwerter zu Pflugscharen" den Wunsch aus, die Christen und Marxisten gemeinsame Utopie einer befriedeten Welt zur Beendung des Wettrüstens zu nutzen und die militärischen Sicherheitskonzepte allmählich von politischer blockübergreifender Friedensfähigkeit abzulösen.
Literatur
Eine Beschreibung der damaligen Vorgänge, ihrer Vorgeschichte und Nachwirkungen enthält der Band:
- Uwe Koch (Hrsg.), 20 Jahre Friedensdekade, Frankfurt/Main und Bonn 2001