Anhörungsrüge
Die Anhörungsrüge oder Gehörsrüge ist ein besonderer Rechtsbehelf im deutschen Prozessrecht, der es erlaubt, Verstöße einer Entscheidung gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Vorlage:Zitat Art Abs. 1 GG) geltend zu machen, wenn gegen die Entscheidung sonst ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist.
Im Zivilprozessrecht ist die Anhörungsrüge in Vorlage:Zitat § ZPO geregelt und wurde durch Gesetz vom 9. Dezember 2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2005 neu gestaltet. Hintergrund der Neuregelung war eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts, wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde müsse der Schutz gegen Verletzungen des rechtlichen Gehörs in erster Linie durch die Fachgerichte selbst erfolgen, hierzu müssten entsprechende Rechtsbehelfe im Gesetz vorgesehen werden.
Die Bezeichnung ergibt sich nicht aus der Paragraphenüberschrift oder dem Gesetzestext (§ 321a ZPO spricht nur von "Rüge"), allerdings trägt das Gesetz vom 9. Dezember 2004 den Kurztitel "Anhörungsrügengesetz". In der Literatur ist auch der Ausdruck "Gehörsrüge" im Gebrauch, der den Bezug zum Anspruch auf rechtliches Gehör verdeutlicht.
Die Rüge ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung rechtlichen Gehörs schriftlich bei dem Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Ist die Rüge begründet, wurde also das rechtliche Gehör verletzt, wird das Verfahren in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor der Entscheidung befand. Anderenfalls wird die Rüge durch unanfechtbaren Beschluss verworfen oder zurückgewiesen.
Das aktuelle Problem der Anhörungsrüge ist Folgendes: Kann neben der Anhörungsrüge auch eine Gegenvorstellung erhoben werden? Die Frage ist, ob das neue Rechtsinstitut die bisher von der Rechtsprechung anerkannte Gegenvorstellung gegen nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidungen verdrängt oder ob neben der Anhörungsrüge auch die Gegenvorstellung wegen schwerwiegender formeller oder materieller Rechtsfehler möglich ist. Dazu werden unterschiedliche Meinungen vertreten. Derzeit scheint die Meinung zu überwiegen, dass nach wie vor eine Gegenvorstellung erhoben werden kann.
Ähnliche Vorschriften über Anhörungsrügen wurden auch in anderen Verfahrensgesetzen geschaffen, zum Beispiel:
- Vorlage:Zitat § FGO
- Vorlage:Zitat § und Vorlage:Zitat § StPO
- Vorlage:Zitat § FGG
- Vorlage:Zitat § VwGO
Literatur
- Gehb, Jürgen: Vom landsamen Ende eines verfassungsrechtlichen Dogmas? - Der trickreiche Weg des Bundesverfassungsgerichts zum Anhörungsrügengesetz -, DÖV 2005, S. 683 - 687.
- Treber, Jürgen: Neuerungen durch das Anhörungsrügengesetz, NJW 2005, 97-101.
- Ulrici, Bernhard: Das Anhörungsrügengesetz, Jura 2005, 368-372.
- Zuck, Rüdiger: Das Verhältnis der Anhörungsrüge und Verfassungsbeschwerde, NVwZ 2005, 739-743.
- Schenke, Wolf-Rüdiger: Außerordentliche Rechtsbehelfe im Verwaltungsprozessrecht nach Erlass des Anhörungsrügengesetzes, NVwZ 2005, 729-739.