Angara (Rakete)
Angara (russisch: Ангара, Angara ist ein Fluss in Russland, siehe Angara) ist der Name einer Raketenfamilie, die zurzeit in Russland von dem Unternehmen Khrunichev State Research and Production Space Center entwickelt wird. Sie soll ähnlich der US-amerikanischen Delta IV- und Atlas V-Raketen modular aufgebaut sein und somit in unterschiedlich starken Versionen zur Verfügung stehen: leichte Angara 1, mittelschwere Angara A3 und schwere Angara A5. Die Versionen unterscheiden sich in der Anzahl der standardisierten Booster, auch Common Rocket Module (CRM) (russisch: Универсальный Ракетный Модуль (УРМ), ausgesprochen als URM) genannt, wobei ein solcher Booster bei der leichten Angara 1 die Erststufe darstellt. Die Raketen werden vom russisch-amerikanischen Unternehmen ILS vermarktet, das auch die Proton-Rakete vermarktet. Die schwere Angara A5 soll die Proton nach und nach ersetzen, außerdem soll sie dem russischen Militär einen von Kasachstan unabhängigen Zugang zum Weltraum gewähren, indem mit ihr schwere Militärsatelliten von Plessezk aus gestartet werden. Startanlagen der Proton existieren dagegen nur in Baikonur, das auf kasachischem Boden liegt. Der Erststart einer Angara (vermutlich in der Version Angara A3) soll 2006-2007 von Plessezk erfolgen (Stand: März 2005).
Technik
Die Erststufe der Angara, das Common Rocket Module (CRM), wird von dem RD-191 Triebwerk angetrieben und verbrennt Kerosin und flüssigen Sauerstoff (LOX). Das Triebwerk wird von RD-171 abgeleitet, dem Haupttriebwerk der Zenit-Trägerrakete, verwendet aber anstatt von vier Brennkammern der Zenit nur noch eine Brennkammer (RD-171 gilt als das weltweit stärkste je gebaute Raketentriebwerk, die amerikanischen Atlas III und Altas V Raketen verwenden ebenfalls eine RD-171 Variante mit zwei Brennkammern namens RD-180). Dadurch sinkt der Schub des CRM und es kann als eine leichte Trägerrakete verwendet werden. Die mittelschwere Angara A3 verwendet drei dieser Booster, wobei zwei davon seitlich um den Zentralbooster angeordnet sind, und erreicht damit in etwa die Leistung einer Zenit-Rakete. Die schwere Angara A5 verwendet fünf Booster (einen zentralen und vier seitliche) und kommt so auf die Nutzlastkapazität einer Proton-Rakete. Das CRM hat einen Durchmesser von 2,9 m, ist 25,1 m lang und hat eine Leermasse von 9,75 t.
Die zweite Stufe der Angara hat einen Durchmesser von 3,6 m und eine Länge von 6,9 m. Sie wird von dem RD-0124A Triebwerk angetrieben, das auch in der dritten Stufe der neuen Sojus-2-Rakete eingesetzt wird. Die Stufe trägt die Bezeichnung Block I (I steht für 'i'). Das Triebwerk ist eine komplette Neuentwicklung und verbrennt wie auch RD-191 Kerosin und flüssigen Sauerstoff. Als zweite Stufe der leichtesten Version Angara 1.1 wird die in der Rockot-Rakete eingesetzte Breeze-KM-Stufe verwendet, alle anderen Versionen setzen die neue Stufe mit dem RD-0124A Triebwerk ein.
Als Oberstufe der Angara A3 und Angara A5 wird die von der Proton-Rakete bekannte Breeze-M verwendet. Als Upgrade-Möglichkeit steht die hochenergetische KVRB-Stufe zur Verfügung, die flüssigen Wasserstoff und flüssigen Sauerstoff (LH2/LOX) verbrennt. Die KVRB basiert auf der 12KRB Stufe, die von Russland an Indien für ihre GSLV-Rakete geliefert wird.
Bei der Entwicklung der Angara wurde darauf geachtet, dass die bestehenden Startplätze der Zenit-Raketen mit nur geringfügigen Veränderungen verwendet werden können. Der Erststart in Plessezk soll von einem ehemals für die Zenit angelegten Startplatz, der jedoch nie fertiggestellt wurde, erfolgen. Zurzeit wird an dem Aufbau des Startplatzes gearbeitet. Außerdem soll in Kooperation mit Kasachstan auch in Baikonur ein Startplatz für die Angara entstehen (Projekt Baiterek, russisch: Байтерек), allerdings soll von dort nur die schwere Angara A5 gestartet werden.
Baikal-Booster
2001 sorgte Khrunichev bei der Luft- und Raumfahrt Messe in Le Bourget mit dem Modell des Baikal-Boosters (russisch: Байкал) für Furore. Bei dem Baikal-Projekt soll ein wiederverwendbarer Booster für die Angara-Rakete entwickelt werden. Baikal soll zukünftig die erste Stufe der Rakete ablösen, dabei aber ebenfalls von dem RD-191 Triebwerk angetrieben werden und zudem über kleinere Flügel und einen Flugzeugantrieb verfügen. Damit kann Baikal nach dem Abtrennen von der Rakete selbstständig zu einem nahegelegenem Flugplatz zurückkehren. Auch mehrere gebündelte Baikal-Booster können bei der Angara A3 und Angara A5 verwendet werden. Ob Baikal jemals gefertigt wird, ist noch unklar, da die Entwicklungskosten eines wiederverwendbaren Boosters sehr hoch sind und nur bei einem kommerziellen Erfolg der Angara tragbar sind. Zurzeit (2005) erfolgt keine Finanzierung des Baikal-Projekts.
Versionen
Stand der Daten der Angara-Versionen ist 2002, Quelle ist [1]. Angaben der Nutzlastkapazität erfolgen für Starts von Plessezk aus, in Baikonur liegt die Nutzlastkapazität etwas höher.
Version | Angara 1.1 | Angara 1.2 | Angara A3 | Angara A5 | Angara A5/KVRB |
---|---|---|---|---|---|
Erste Stufe | 1xCRM, RD-191 | 1xCRM, RD-191 | 3xCRM, RD-191 | 5xCRM, RD-191 | 5xCRM, RD-191 |
Zweite Stufe | Breeze-KM | Block I, RD-0124A | Block I, RD-0124A | Block I, RD-0124A | Block I, RD-0124A |
Oberstufe | –- | –- | Breeze-M | Breeze-M | KVRB |
Schub (am Boden) | 196 t | 196 t | 588 t | 980 t | 980 t |
Startmasse | 149 t | 171,5 t | 478 t | 773 t | 790 t |
Höhe (maximal) | 34,9 m | 41,5 m | 45,8 m | 55,4 m | 64 m |
Nutzlast (LEO 200 km) | 2 t | 3,7 t | 14,6 t | 24,5 t | 24,5 t |
Nutzlast (GTO) | –- | –- | 2,4 t | 5,4 t | 6,6 t |
Nutzlast (GEO) | –- | –- | –- | 2,8 t | 4 t |
Es gibt Planungen für eine Angara A7 Schwertransport-Rakete, die über sieben gebündelte CRM's verfügt und eine Nutzlast von 41 t in eine erdnahe Umlaufbahn bringen kann. Diese Rakete wäre interessant, sollte sich Russland an dem von den USA ausgerufenen internationalen bemannten Mond- und Marsprogramm beteiligen.
Weblinks
- Angara family page by Khrunichev Center (russ.)
- Angara Seite bei ILS (engl.)
- Angara Seite bei der ESA] (engl.)
- Angara launch vehicle (engl.)
- Baikal (engl.)