Kaspar Hauser
Kaspar Hauser (* angeblich am 30. April 1812; † 17. Dezember 1833 in Ansbach, Franken) war ein Findelkind ungeklärter Herkunft.
Gesicherte Daten

Am 26. Mai 1828 tauchte in Nürnberg am (heute noch gleichnamigen) Unschlittplatz 8 ein etwa 16-jähriger, verwahrlost aussehender Junge auf, der kaum reden konnte. Man brachte ihn zur Polizeiwache, wo er den Namen „Kaspar Hauser“ niederschrieb. In einem Brief an den Chevauleger-Rittmeister Friedrich von Wessenig, den der Junge mit sich führte, wurde dieser Name ebenfalls genannt. Der Brief gab auch das Geburtsdatum des Jungen mit dem 30. April 1812 an.
Sein geistiger Zustand erregte das Interesse von Juristen, Theologen und Pädagogen, die zahlreiche Untersuchungen mit ihm durchführten und ihm richtiges Sprechen beibrachten; Lesen und Schreiben lernte er bei dem Religionsphilosophen Georg Friedrich Daumer. Sein Förderer und Hauptvormund, der Rechtsgelehrte Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach, beschrieb, dass sich Kaspar anfangs vor Fleisch und Milch ekelte und nur Brot und Wasser zu sich nahm. Es wurde vermutet, dass Kaspar Hauser lange Zeit einsam in einem Verlies gefangen gehalten wurde. Das Geheimnis um seine Herkunft wurde dennoch niemals aufgeklärt.
Legende und sog. Hauser-Forschung
Schon zu Kaspar Hausers Lebzeit rankten sich Gerüchte um seine Abstammung. Anselm von Feuerbach war überzeugt, dass er ein badischer Erbprinz sei, der aus dynastischen Gründen nach seiner Geburt mit einem sterbenden Kind vertauscht wurde.
Selbst mit Hilfe von Genanalysen konnte Kaspar Hausers Herkunft bislang nicht entschlüsselt werden. 1996 ließen das Magazin Der Spiegel und die Stadt Ansbach die Blutspuren auf einer Unterhose untersuchen, die Kaspar Hauser gehört haben sollte. Nach dieser Untersuchung war Kaspar Hauser vordergründig kein badischer Prinz; bewiesen ist aber nur, dass die Person, die die Hose trug kein badischer Prinz war, wer der Träger der Hose war, konnte freilich nicht herausgefunden werden. 2002 analysierte jedoch das Institut für Rechtsmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Körperzellen aus dem Schweißband von Hausers Zylinderhut sowie Haare von einer Haarlocke aus dem Ansbacher Kaspar-Hauser-Museum (dessen Ausstellung aber auch Heute mit der Untersuchung des Spiegels endet) und aus dem Nachlass von Hausers früherem Ziehvater Anselm von Feuerbach. Die Wissenschaftler kamen nach sehr sorgfältigen Überprüfungen dabei zu einem anderen Ergebnis: "Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es unverantwortlich einen Ausschluss zu formulieren, so dass immer noch die Möglichkeit besteht, dass Kaspar Hauser ein biologischer Verwandter zum Hause Baden ist.", so Prof. Dr. Bernd Brinkmann. Zudem stellte sich heraus, dass der theatralisch aufgesetzte Blutfleck der untersuchten Unterhose nicht von Kaspar Hauser stammte. Der jetzt aufgeklärte genetische Fingerabdruck von Kaspar Hauser stimmt zu großen Teilen mit Astrid von Medinger (einer Nachfahrin Stéphanie de Beauharnais, der Ehefrau Karls von Baden) überein, wenn auch nicht zu 100 %.
Auch die Umstände seines frühen Todes blieben merkwürdig. Er fiel im Hofgarten zu Ansbach einem Attentat zum Opfer. Der ansbachische Amtsarzt Dr. Christian Wilhelm Albert führte zusammen mit seinem Kollegen Dr. Christoph Koppen die Obduktion durch. Zusätzlich waren die Ärzte Dr. Johann Karl von Horlacher und Dr. Friedrich Wilhelm Heidenreich als wissenschaftliche Zuschauer geladen worden. Nach Aussagen der obduzierenden Ärzte Albert und Koppen kann es ausgeschlossen werden, dass er sich die Stichverletzung, die am 17. Dezember 1833 zu seinem Tode führte, selbst beigebracht hat. Ebenso wurde ein nicht deutbares Bekennerschreiben gefunden. Auch konnte Hauser dieses Attentat wie auch die früher ausgeführten noch akkurat beschreiben.
Die jüngste Hypothese fügt der langen Reihe von mehr oder weniger nachvollziehbaren Spekulationen eine neue Abstammungsvariante hinzu: Stéphanie de Beauharnais-Napoleon, eine Nichte von Kaiserin Josephine, der Frau Napoleons, führte über lange Jahre ein unglückliches Eheleben. Napoleon hatte sie 1799 nach Paris geholt, aus politischen Gründen 1806 adoptiert sowie mit dem neuen nur für sie geschaffenen Titel Tochter von Frankreich ausgezeichnet, um sie überhaupt standesgemäß mit dem Haus Baden verheiraten zu können. Erbprinz Karl von Baden führte zunächst sein ausschweifendes Junggesellenleben fort, so dass sich Napoleon 1810 zu einer offiziellen Beschwerde an die Adresse seines Großvaters veranlasst sah. Trotz sofortiger Versöhnung mit ihrem Ehemann könnte es im Dezember 1811 kurz vor Kriegsausbruch mit Russland zu einer intimen Zusammenkunft von Stéphanie de Beauharnais mit ihrem Idol Napoleon Bonaparte gekommen sein. Eine Ähnlichkeit Kaspar Hausers mit Napoleon II., der sehr jung kurz vor Kaspar starb, ist vorhanden (gleicher Abstand von Nase zur Oberlippe, gleiches Kinn, gleiche Stirnlocken usw.). Ein außereheliches Kind der Großherzogin wäre sowohl für die badische Dynastie wie auch für den biologischen Vater untragbar gewesen.
Es ließe sich durch diese Theorie auch erklären, weshalb Kaspar Hauser seine ersten Lebensjahre in Freiheit in Schlössern verbracht hätte (Erinnerungen von Kaspar) und erst danach (nach dem Sturz Napoleons) versteckt worden wäre. Einige nehmen an, ein von solchem Unrecht und seinem Gewissen getriebener Mitmensch habe deshalb den Hilferuf in einer merkwürdigen Flaschenpost geschrieben, die angeblich September 1816 am Oberlauf des Rheins gefunden wurde: "...Ich werde in einem Kerker in der Nähe von Laufenburg festgehalten ... Mein Kerker liegt unter der Erde und ist sogar demjenigen unbekannt, der sich meines Thrones bemächtigt hat..." Hierbei könnte keineswegs der badische, sondern es müsste der französische Thron gemeint sein, da Großherzog Karl erst 1818 starb und sich vorher niemand "des Thrones bemächtigt" haben konnte. Auch wäre ein außereheliches Kind auch im Kaiserreich Frankreich niemals erbberechtigt gewesen. Die Zuordnung der Flaschenpost zur Hauser-Legende krankt zudem daran, dass es sich nicht überprüfen lässt, wie lange sie bis zu ihrer Auffindung schon im Rhein gelegen hatte - falls sie überhaupt mehr war, als eine Zeitungsente.
Den zweiten Teil seiner angeblichen Gefangenschaft als Kind und Heranwachsender habe Kaspar Hauser in Schloss Pilsach verbracht. Das Schloß liegt im gleichnamigen Ort unweit von Neumarkt in der Oberpfalz, ca. 35 km vom Ort der Auffindung in Nürnberg entfernt. In dem kleinen Wasserschloss befindet sich ein versteckter Raum, 1924 zufällig entdeckt, dessen Lage und Gestalt mit den Beschreibungen Kaspar Hausers übereinstimmt. Bei Umbau-Arbeiten im Jahr 1982 wurde dort unter Schutt ein Spielzeugpferd gefunden, das ebenfalls ziemlich genau den Beschreibungen Kaspar Hausers entspricht, samt ebenfalls aufgetauchten halbvermoderten Resten von Kleidungsstücken. Indessen dürfte es im 19. Jahrhundert ungefähr genau so viele Spielzeugpferdchen wie spielende Buben gegeben haben, und die Textilreste scheinen niemals genauer untersucht worden zu sein
Bei all' diesen Spekulationen darf keinesfalls vergessen werden, dass nicht eine davon bewiesen ist, dass jeweils die eine Hypothese auf der vorigen aufbaut, und die wahrscheinliche Möglichkeit, dass Hauser nur ein weiteres vernachlässigtes Kind aus der Zeit der Napoleonischen Kriege gewesen ist, hinter dessen Schicksal sich kein politisches Geheimnis verbirgt, behält in jedem Falle ihre volle Berechtigung.
Literarische Wirkungen

Das Phänomen Kaspar Hauser hat zahlreiche Wissenschaftler, Schriftsteller und Filmemacher inspiriert. Bekannte Beispiele sind das Drama Gaspar Hauser (1838) des Franzosen Adolphe Philippe Dennery, der Roman Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens (1908) von Jakob Wassermann sowie Peter Handkes Drama Kaspar (1968).
Kurt Tucholsky schrieb u.a. unter dem Pseudonym Kaspar Hauser.
Auch im deutschen Chanson wurde die Figur von Reinhard Mey im Lied Kaspar besungen.
Werner Herzog verfilmte Kaspar Hauser 1975 mit dem Titel "Jeder für sich und Gott gegen alle" mit Bruno S. in der Titelrolle. Peter Sehr verfilmte den Stoff nochmals 1993 unter dem Titel Kaspar Hauser - Verbrechen am Seelenleben eines Menschen mit André Eisermann in der Hauptrolle. Peter Sehr vertrat darin die Geschichte im Sinne der Prinzentheorie.
In Ansbach finden alle zwei Jahre die "Kaspar-Hauser-Festspiele" statt. Dort befindet sich auch im Hofgarten ein Gedenkstein an der Stelle, an der Kaspar Hauser am 14. Dezember 1833 niedergestochen wurde. Ein Denkmal ist an einem kleinen Platz am Beginn der Platenstaße zu finden. Im Markgrafen-Museum beschäftigt sich eine Abteilung mit Kaspar Hauser. Seine unspektakuläre Grabstelle kann der Interessierte auf dem Ansbacher Stadtfriedhof besichtigen.
Der Name Kaspar Hauser hat als Fachbegriff Kaspar-Hauser-Versuch in die Fachsprache der Ethologie Eingang gefunden. Hierbei werden Jungtiere unter spezifischem Erfahrungsentzug aufgezogen, um angeborene von erlernten Verhaltensweisen zu unterscheiden zu können.
Man kennt auch das Kaspar-Hauser-Syndrom, wenn Babys oder Kinder lange Zeit ohne persönlichen Kontakt und ohne liebevolle Zuwendung oder Nestwärme aufwachsen und keinerlei Anregung erhalten.
Siehe auch
Im Jahr 2002 hatte das Musical "Caspar Hauser" von Tobias Weis und Heiko A. Neher bei den Kaspar Hauser Festspielen in Ansbach Weltpremiere.
Literatur
- Anselm Ritter von Feuerbach: Kaspar Hauser oder Beispiel eines Verbrechens am Seelenleben eines Menschen. Stuttgart: Klett. 1984. ISBN 3-12-260850-2
- Johannes Mayer und Peter Tradowsky: Kaspar Hauser das Kind von Europa Stuttgart: Urachhaus. 1984. ISBN 3-87838-3851
- Ulrike Leonhardt: Prinz von Baden genannt Kaspar Hauser Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1987. ISBN 3-499-13039-4
- Birgit Gottschalk: Das Kind von Europa. Zur Rezeption des Kaspar-Hauser-Stoffes in der Literatur. Wiesbaden: DUV. 1995. ISBN 3-8244-4166-7
Weblinks
- Vorlage:PND
- http://www.kassiber.de/hauser.htm
- http://www.bad-bad.de/kasparhauser
- http://www.bad-bad.de/gesch/karl.htm
- http://www.bad-bad.de/gesch/stephanie.htm
- http://www.kaspar-hauser-ansbach.de/
- Wilde Kinder - Kaspar Hauser
Personendaten | |
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NAME | Hauser, Kaspar |
KURZBESCHREIBUNG | Findelkind ungeklärter Herkunft |
GEBURTSDATUM | angeblich am 30. April 1812 |
STERBEDATUM | 17. Dezember 1833 |
STERBEORT | Ansbach, Franken |