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Synästhesie

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Die Synästhesie (griechisch συναίσθηση, sinästhissi - die Mitempfindung, auch zeitliches Zusammen-Fühlen) hat mehrere Bedutungen:

Physiologische Normvariante

Überwiegend versteht man darunter die Kopplung zweier physikalisch getrennter Domänen der Wahrnehmung, etwa Farbe und Temperatur ("warmes Grün"), im engeren Sinne die Wahrnehmung von Sinnesreizen eines Sinnesorgans als die eines anderen. Menschen, bei denen derart verknüpfte Wahrnehmungen regelmäßig auftreten, werden als Synästhetiker bezeichnet.

Synästhesie tritt familiär gehäuft auf, was die Vermutung einer Vererbbarkeit nahelegt.

Synästhesie kann auch als vorübergehender Effekt nach der Einnahme von Halluzinogenen auftreten.

Synästhetiker haben also häufig zu einem Sinnesreiz zwei oder mehrere Wahrnehmungen. Sie können beispielsweise Geräusche nicht nur hören, sondern auch Formen und Farben dazu sehen. Das Geräusch bekommt zusätzlich zu den üblichen Eigenschaften diese weiteren Eigenschaften. Das Bild, das dabei entsteht, überlagert sich jedoch nur bei den wenigsten Synästhetikern mit dem Gesehenen, sondern wird vor einem "inneren Auge" sichtbar.

Synästhesien müssen nicht notwendigerweise mit den fünf Hauptsinnen zu tun haben. Bei Gefühlssynästhetikern erzeugen beispielsweise Sinnesreize Gefühle, oder umgekehrt. Auch abstrakte Begriffe wie eine Jahreszahl oder der Charakter einer Person können bei einem Synästhetiker als Form, als Farbe oder sonstige Sinnesqualität wahrgenommen werden.

Diese Synästhesien sind

  • individuell verschieden
  • nicht umkehrbar (z. B. ruft ein bestimmtes Grün eine Fünf hervor, aber nicht umgekehrt)
  • identitätsstiftend
  • für den Betroffenen "schon immer da gewesen", d. h., so lange dieser sich erinnern kann
  • unwillkürlich, treten also ohne Willensanstrengung des Betroffenen auf
  • ohne Einfluss von Alkohol, Drogen oder Medikamenten entstanden
  • nicht an eine bestimmte Situation, Erinnerung oder einen Eindruck gebunden

Alkohol, Lysergsäurediethylamid (LSD) und Tetrahydrocannabinol (THC) verstärken die Synästhesie, Amphetamine verringern sie.

Über die Häufigkeit synästhetischer Wahrnehmung gibt es widersprüchliche Angaben. In der Fachliteratur wird teilweise eine Häufigkeit zwischen 1:2000 und 1:500 bei Erwachsenen genannt, manche gehen aber wieder von einer viel grösseren Anzahl von Synästhetikern aus. Auch über die Verteilung der Häufigkeit zwischen Frauen und Männern liegen voneinander abweichende Angaben vor, diese reichen von 2:1 bis 7:1.

Viele Synästhetiker sind sich der Besonderheit ihrer Wahrnehmung selbst nicht bewusst und erkennen ihre Synästhesie erst, wenn man sie darauf aufmerksam macht. Daher gibt es eine hohe Dunkelziffer.


Synästhesie ist im deutschsprachigen Raum derzeit ein populärer Forschungsgegenstand, da man sich Erkenntnisse über die Funktionsweise der menschlichen Wahrnehmung erhofft. Auch die Medienaufmerksamkeit hat in den letzten Jahren stark zugenommen.

Für manche Betroffene gehört zur Synästhesie ein soziales Zusammengehörigkeitsgefühl. Früher wagten Synästhetiker selten, anderen von ihrer besonderen Wahrnehmung mitzuteilen, da Wahrnehmungsstörungen durch die Medien mit negativen Assoziationen besetzt waren.

Dies hat sich in jüngster Zeit stark verändert. Es ist inzwischen zweifelsfrei nachgewiesen worden, daß Synästhesie keine Wahrnehmungsstörung ist, sondern im Gegenteil eine bestimmte Wahrnehmungsform darstellt, die von den meisten Synästhetikern als sehr angenehm erlebt wird. Zur Zeit erscheinen in den Medien relativ viele Beiträge über Synästhesie, so dass die breite Masse inzwischen deutlich besser informiert ist als noch vor wenigen Jahren.

Pschyiatrisch: Eigenart von Halluzinationen

Im Rahmen von Halluzinationen, unabhängig von der Art ihrer Entstehung (aufgrund einer schizophreniformen Störung oder organisch durch Wirkung psychoaktiver Substanzen) spricht man von Synästhesien in der Hinsicht, dass mehrere Sinne gleichzeitig die Halluzination stützen (siehe auch zweite Übersetzung des Lemmas): Ein Patient meint sie z. B. zugleich sehen, anfassen und evtl. auch hören zu können.

Rhetorische Figur

In der Rhetorik steht der Begriff für stilistische Figuren wie in "der helle Klang der Glocken" [1].

Siehe auch