Barrierefreies Internet
Statistisch gesehen sind Menschen mit Behinderung überdurchschnittlich häufig im Internet. Doch die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen werden hier kaum berücksichtigt. Es ist zu wenig bekannt, dass sich blinde und sehbehinderte Nutzer Webseiten per Software vorlesen oder in Braille-Schrift ausgeben lassen. Bei der Gestaltung von Webangeboten (→ Webdesign) wird die Farbgebung zumeist gewählt, ohne auf Menschen mit Rot/Grün-Sehschwäche Rücksicht zu nehmen; Schaltflächen und Navigations-Elemente sind für Menschen mit motorischen Schwächen kaum zu erreichen. Sie alle benötigen aber Internet-Angebote, die ihren besonderen Bedürfnissen gerecht werden.
Europäische Union
In der EU gibt es 37 Millionen Menschen mit Behinderungen. Der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt stetig zu; derzeit sind ca. 20 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt. Die e-Europe-Initiative (Dezember 1999) zur Informationsgesellschaft benennt als eines von zehn Zielen die Teilhabe aller, ungeachtet von Alter und Behinderung. Der Aktionsplan zu e-Europe benennt hierfür u.a. die Vorhaben: Einführung der Richtlinien der Web Accessibility Initiative (WAI) (WAI englisch ) bis 2002 in der öffentlichen Verwaltung und Design-for-All-Standards bis 2003. In Bezug auf das erste Vorhaben hat die Bundesregierung bereits gehandelt:
Deutschland
In Deutschland gelten acht Millionen Menschen als behindert. Vier von fünf Menschen mit Behinderungen nutzen inzwischen das World Wide Web. Bereits im Juni 1996 wurde der Artikel 3 des Grundgesetzes geändert: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Zum 1. Mai 2002 ist das "Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze" (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) vom 27. April 2002 in Kraft getreten. Ziel des Bundes-Gesetzes ist es,
"die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu verhindern sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen? (§ 1, Gesetzesziel) .
In diesem Gesetz hat der Bund Regelungen zur Herstellung von Barrierefreiheit für seine Verwaltung gesetzt, die auch die Informationstechnik betreffen. Dabei verpflichtet sich die Bundesverwaltung u.a., ihre Internet- und Intranet-Angebote grundsätzlich barrierefrei zu gestalten.
Eine entsprechende Rechtsverordnung von Bundesinnenministerium und Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung regelt die Maßgaben hierfür. Die Anlage 1 der Rechtsverordnung enthält keine Vorgaben zur grundlegenden Technik (Server, Router, Protokolle) sondern listet Anforderungen auf, die sich an den Richtlinien der WAI orientieren. Der Bund führt zwei Prioritäts-Stufen mit insgesamt 28 Anforderungen und über 60 zu erfüllende Bedingungen auf. Für die Anpassung bestehender Angebote ist eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2005 vorgesehen; neue Angebote haben die Regelungen sofort zu berücksichtigen.
Beispiel USA
Nach vorsichtigen Schätzungen gelten 39,1 Millionen US-Amerikaner (15 Prozent der Bevölkerung) als behindert. Die USA sind bezüglich der Einführung der Barrierefreiheit in der öffentlichen Verwaltung auf Bundes- und Einzelstaats-Ebene Vorreiter: Bereits 1990 wurde mit dem Americans with Disabilities Act (ADA) ein Behindertengleichstellungsgesetz erlassen, dessen Umsetzung vom Bundes-Justizministerium überwacht wird. Der 1998 erweiterte Abschnitt 508 des Rehabilitation Act bindet alle Bundesbehörden bezüglich ihrer Informations-Angebote. Die hier durch eine unabhängige Bundeseinrichtung erarbeiteten Regelwerke wurden sogar in die Beschaffungsvorgaben aufgenommen und müssen von allen Firmen erfüllt werden, die an die Regierung Waren oder Dienstleistungen verkaufen.
Die meisten Einzelstaaten bieten ihre Internet-Angebote alternativ auch in einer "nur Text"-Version an oder erfüllen, wie beispielsweise Delaware , bereits vollständig alle Priorität-1-Anforderungen der WAI. Die eGovernment-Leitstelle von Delaware ist u.a. damit befasst, die Umsetzung der WAI-Richtlinien bei allen Verwaltungs-Angeboten des Staates zu befördern. Auch im kommunalen Bereich gibt es Beispiele. So erfüllt der Internet-Auftritt der Stadt Orlando (Florida) ebenfalls die WAI-Vorgaben der Priorität 1.
- Weblinks:
- http://bobby.watchfire.com/ (Englisch) - Online Test BOBBY: NUR-TEXT-SEITEN auf barrierefreien Zugang testen