Hutterer
Die Hutterer sind eine täuferische Kirche, die in Gütergemeinschaft lebt und auf Jakob Hutter zurückgeht.
Glaubensinhalte
Das besondere Merkmal der hutterischen Bewegung ist das Leben ihrer Anhänger in Gütergemeinschaft nach dem Bibelvers aus der Apostelgeschichte 2,44: „Und alle, die da gläubig geworden waren, taten ihren ganzen Besitz zusammen“.
Geschichte

Was den Ausgangspunkt ihrer Geschichte angeht, berufen sich die Hutterer gemeinsam mit den anderen Täufern auf die erste Gläubigentaufe in Zürich um 1525. Sie bilden einen eigenen Flügel innerhalb der reformatorischen und insbesondere auch innerhalb der taufgesinnten Bewegung. Kern der hutterischen Überzeugungen ist, dass der Mensch frei über seine Taufe entscheidet. Die Taufe von unmündigen Kindern wird strikt abgelehnt und führte schon im 16. Jahrhundert zur Verfolgung der Täuferbewegung durch die lutheranischen, reformierte und katholische Kirche. 1529 wurde die Erwachsenentaufe bei Todesstrafe durch Kaiser Karl V. (HRR) verboten.
Durch die Verfolgung bildeten sich Glaubensinseln von Gleichgesinnten, besonders in Böhmen und Mähren, wo die Hutterer wegen ihres Fleißes willkommen waren und zunächst nicht verfolgt wurden. 1533 wurde Jakob Hutter zum Oberhaupt einer Gemeinschaft gewählt und verwirklichte dort seine Vorstellungen einer gottgefälligen Gemeinschaft. Neben einem arbeitsamen, keuschen und bibelgetreuen Leben gehörte dazu vor allem die Idee des gemeinsamen Eigentums. Die entstehenden Gemeinden würde man aus heutiger Sicht als kommunistische Gruppen einordnen.
Bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges blühte das hutterische Gemeindeleben, die Chroniken sprechen von den „guten Jahren“. Rund 100 Kolonien bestehen damals mit mindestens 20.000 Bewohnern. Während des Krieges werden die friedfertigen Hutterer immer wieder Ziel marodierender Landsknechte.

1622 befahl der Kaiser und böhmische König Ferdinand II. (HRR) den Hutterern, entweder zum katholischen Glauben überzutreten oder sein Land binnen vier Wochen zu verlassen. Damit begann die lange Wanderschaft der hutterischen Gemeinden, über den Balkan zogen sie nach Siebenbürgen, wo sie sich ansiedelten, das Land aber 1767 wieder verlassen mussten. Sie folgten dem Ruf der jungen russischen Zarin Katharina der Großen, die weite unbewohnte Landstriche besiedeln wollte und den Hutterern mit ihren Nachkommen Land und freie Religionsausübung versprach. 1874 sollte auch für die Hutterer die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden, woraufhin die Gemeinschafter beschlossen, nach Nordamerika auszuwandern.
Über Hamburg und New York kamen die Hutterer nach South Dakota, wo sie sich wiederum ansiedelten. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges kam es zu Ausschreitungen gegen die deutsch sprechenden Hutterer. Sie wurden als den Deutschen zugehörig empfunden, außerdem weigerten sie sich, den Militärdienst auszuüben. Zwei junge Hutterer starben, weil sie sich weigerten, Uniformen anzuziehen, und deshalb im Winter viele Stunden nackt im Freien verbringen mussten. Darauf beschlossen die Hutterer, geschlossen nach Kanada auszuwandern, doch zog sich der Prozess der Auswanderung (Verkauf all ihrer Ländereien, Kauf neuer in Kanada) so lange hin, dass zum Ende des Krieges noch nicht aller Besitz in den USA verkauft war.
Die Mehrzahl der Hutterer lebt heute in Kanada (British Columbia, Alberta, Manitoba, Saskatchewan) und in den USA (Washington, Oregon, Montana, Nord-Dakota, Süd-Dakota und Minnesota). Trotz abnehmender hochdeutscher Sprachkompetenz sprechen alle Hutterer noch immer ein dialektal gefärbtes Deutsch als Muttersprache und verwenden ein altertümliches Hochdeutsch als Gottesdienstsprache.
Eine Sonderrolle innerhalb der hutterischen Bewegung nehmen die Bruderhöfer oder Arnoldleut ein. Sie waren zeitweilig den Hutterern angeschlossen, aber sind seit 1995 wieder von ihnen getrennt. Die Bruderhöfer sind vom Ursprung her keine Althutterer, sondern ihre Gemeinschaft wurde in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg im Jahre 1920 von Eberhard Arnold und seiner Frau Emmy Arnold in Sannerz, Hessen gegründet, wo sie seit 2002 sich mit einer Gemeinschaft wieder angesiedelt haben. Weitere Neuhutterer sind die Murphy-Leut in Arizona (USA), die Juliusleut in Ontario (Kanada), die Owa-Leut in Japan und die Nigerialeut.
Vorsteher der Hutterer
- Quelle: Auszug und kurzer Durchgang unserer Gemein Geschichtbuch (Hrsg.: Plough Publishing House, Sussex / England)
Verbreitung
Heute (2005) gibt es etwa 465 Hutterer-Kolonien mit etwa 60 bis 150 Hutterern pro Kolonie. Die Hutterer leben fast ausschließlich in Kanada und den USA. Fast alle dieser Hutterer stammen von den 400 Hutterern ab, die nicht den Homestead Act von 1862 in Anspruch genommenen haben.

Die damals in die USA einwandernden Hutterer hatten nur 15 Familiennamen: Decker, Entz, Glanzer, Gross, Hofer, Kleinsasser, Knels, Mändel, Stahl, Tschetter, Waldner, Walther, Wipf, Wollmann, Wurz. Seit dem sind nur wenige Menschen dauerhaft zu ihnen gestoßen.
Die Althutterer teilen sich in Schmiedeleit (schon immer etwas aufgeschlossener) unter Michael Waldner entstanden aus der Kolonie Bon Homme; Lehrerleut (früher liberaler, heute erstarrt) unter Jakopf Wipf entstanden aus der Kolonie Almspring; Dariusleut (relativ konservativ) unter Darius Walther entstanden aus der Kolonie Wolf Creek.

Darüber hinaus gab es die so genannten Prärieleut, ca. 800 der etwa 1.200 in den 1880er Jahren in die USA eingewanderten Hutterer. Die Prärieleut machten vom damaligen Homestead Act, Gebrauch, der jeder Familie, die eine von der eigenen Familie bewirtschaftete Farm gründen wollte, kostenfrei ein Stück Land zuwies, dass sie innerhalb einer gewissen Frist zu bebauen hatten. Die Prärieleut verloren aber relativ schnell ihre Hutterische Identität und dann auch ihren Hutterischen Glauben. Sie scheinen durch die repressiven Maßnahmen während des Zweiten Weltkrieges gegen alle deutschsprachigen in den USA endgültig als eigenständige Gruppe aufgehört zu haben zu existieren. Heute gehören viele mennonitischen Kirchen an.
Siehe auch: Urchristliche Gütergemeinschaft, Täufer, Mennoniten, Amische, Christentum, Brüdergemeine, Bruderhöfer, Hutterisch
Literatur
- Brednich, Rolf Wilhelm. Die Hutterer: Eine alternative Kultur in der modernen Welt. Verlag Herder, Freiburg/Breisgau 1998.
- Kienzler, Hanna. Gender and communal Longevity among Hutterites: How Hutterite Women establish, maintain and change Colony Life. Berichte aus der Ethnologie. Shaker, Aachen 2005.
- Hofer, John. The History of the Hutterites. D.W Freisen & Sons Ltd., Altona (Kanada) 1982.
- Holzach, Michael. Das vergessene Volk: Ein Jahr bei den deutschen Hutterern in Kanada. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1982.
- Hostetler, John A. Hutterite Society. The Johns Hopkins University Press, Baltimore (USA) & London (England) 1974.
- Hutterian Brethren (Hg.). Rechenschaft unsrer Religion, Lehre und Glaubens (Ridemans (sic!) Rechenschaft). Verlag der Hutterischen Brüder Gemeine, Falher (Kanada) 1988.
- Packull, Werner O. Hutterite Beginnings: Communitarian Experiments during the Reformation. Johns Hopkins University Press, Baltimore (USA) & London (England) 1995.
- Peters, Victor. Die Hutterischen Brüder 1528 - 1992: Die geschichtliche und soziale Entwicklung einer erfolgreichen Gütergemeinschaft. N.G. Elwert Verlag, Marburg 1992.
- Scheer, Herfried. Die deutsche Mundart der Hutterischen Brüder in Nordamerika. Beiträge zur Sprachinselforschung Band 5. VWGÖ, Wien 1987.
- Wipf, Andrew. Hutterite Telephone & Address Book. Lakeside Hutterian Brethren, Cranford, AB (Kanada) 1998.
- Wolkan, Rudolf & Hutterische Brüder in Amerika, Canada (Hg.). Das große Geschicht-Buch der Hutterischen Brüder. Standoff-Colony, MacLeod (Kanada) 1923.