Piraterie
Ein Pirat ist ein Räuber, der von einem Schiff oder Boot aus sein Opfer attackiert und ausplündert, wobei manchmal auch Küstenorte Angriffsziele sind. Manche Piraten arbeiten auch mit der küstennahen Bevölkerung zusammen, die das Strandrecht besitzt.
Geschichte
Bereits Homer schildert im 8. Jh. v. Chr. in seinen Epen Kaperfahrten zum Haupterwerb. Insbesondere die Küsten der Ägäis luden als Versteck und Schlupfwinkel geradezu ein. Korrespondenzen des Herrschers von Zypern aus dem 14. Jh. v. Chr. belegen Piraten an der kleinasiatischen Südküste. Ausgangspunkt soll vor allem Lykien in der heutigen Südwest-Türkei gewesen sein. Auch in vielen späteren antiken Quellen galt diese Region als Heimat von Piraten, die die Gewässer großer Teile des östlichen Mittelmeers unsicher machten. Die überhandnehmende Seeräuberei in der Ägäis wurde - laut Herodot und Thukydides - erstmals durch die kretische Marine bekämpft. Eine wahre Piraten-Plage z. Z. des römischen Imperiums veranlasste den Senat, Pompeius (67 v. Chr.) mit besonderen Vollmachten auszustatten. Sein regelrechter Seekrieg gegen die Piraten führte zum vorläufigen Ende der Piraterie (man soll jedoch nicht vergessen, dass das Imperium selbst Beutezüge unternahm, auch wenn diese nicht mehr den Namen Piraterie trugen); Byzanz, am Ende seiner Macht, wurde wiederum von arabischen Seeräubern beeinträchtigt.
Auf den Schiffen herrschte eine gewisse Form der Demokratie. So wurden oft wichtige Entscheidungen durch Abstimmungen der Besatzung getroffen. Ein Grund für den anfänglichen Zulauf zum Piratentum war die erbarmungslose Unterdrückung auf den offiziellen Handels- und Kriegsflotten der einzelnen Länder. Als die Zeit der "klassischen Piraterie" kann man den Zeitraum zwischen etwa 1650 und 1730 bezeichnen, als Seeräuber europäischer Herkunft gestützt auf korrupte Gouverneure und Regierungsbeamte vor allem die Karibik unsicher machten. Nach Eliminierung ihrer Stützpunkte im karibischen Meer verlegten einige Piratenführer ihre Wirkungsstätte in den Indischen Ozean, wo in einem Teil der Insel Madagaskar eine Art Piratenrepublik entstanden war, die bis etwa 1730 existierte.
Eine spezielle Form der Piraterie existierte im Mittelmeer. Diese ging hauptsächlich von den sogenannten Barbareskenstaaten aus, also den Staaten moslemischer Machthaber in Nordafrika (Tunis, Algier). In diesen Ländern wurde die Seeräuberei staatlich betrieben und war die Haupteinnahmequelle des Staates. Dieses Unwesen ging noch Ende des 18.Jahrhunderts so weit, dass einige europäische Länder (etwa die seinerzeit unabhängige Hansestadt Hamburg) aber auch die noch jungen USA sich lieber zu regelmäßigen Zahlungen an die Regierungen der "Barbareskenstaaten" verpflichteten, damit ihre Handelsschiffe nicht behelligt wurden. Erst im Jahr 1830 setzte Frankreich diesem Treiben mit der Eroberung Algeriens ein Ende.
Weitere Namen und Synonyme
- Freibeuter waren staatlich geduldete oder gar beauftragte Piraten, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert auf Kaperfahrt gingen. Dabei hatten sie das verbriefte Recht (durch einen Kaperbrief), die Schiffe anderer Nationen aufzubringen, nicht jedoch Schiffe der eigenen Nation. Oft hielten sich die Freibeuter weder an Rechte noch an Pflichten, die in den Kaperbriefen festgelegt waren, ähnlich wie deren Aussteller.
- Seeräuber
- Korsar ist die im Mittelmeer gängige Bezeichnung (franz.) für Seeräuber gewesen.
- Bukaniere waren Piraten mit fester Basis in der Karibik, wie etwa der Insel Île de la Tortue. Sie sicherten ihren Lebensunterhalt aber auch durch Jagd im Hinterland.
- Als Flibustiere (Filibuster) bezeichnete man eine hauptsächlich aus Franzosen bestehende Vereinigung von Seeräubern, die im 17. Jahrhundert die Karibik heimsuchten. Später wurden dann generell Seeräuber und Freibeuter so bezeichnet.
- Mit dem Standortwechsel der Bukaniere von Hispaniola nach Île de la Tortue wählten weitere Piraten der Karibik Île de la Tortue als Basis. Sie bezeichneten sich nicht mehr als „Brüder der Küste“, sondern als Flibustier. Die Herkunft dieses Namens ist nicht eindeutig geklärt. Eventuell leitet er sich aus dem französischen Wort flibot ab, was „leichtes Boot“ bedeutet. Denn zu Beginn ihrer Tätigkeit benutzten viele Flibustiers tatsächlich kleine offene Boote, wenn sie spanische Schiffe in den seichten Küstengewässern der Inseln überfielen. Sie besaßen allerdings auch größere selbstgebaute Segler, um den spanischen Schiffen auf offener See auflauern zu können.
- Ab 1655 wurde Port Royal auf Jamaika zum zweiten Stützpunkt der Karibik-Piraten. Hier fanden vornehmlich englische Piraten ihren Stützpunkt, auf Île de la Tortue hauptsächlich französische. Port Royal wurde 1692 von einem Erdbeben und der nachfolgenden Flutwelle zerstört. Danach wichen die Piraten auf die Bahamas-Inseln (bis 1718) und nordamerikanische Häfen wie z. B. New York aus.
Symbole und Klischees
Der Jolly Roger ist die schwarze Flagge (meist mit einem Totenkopf) von Piratenschiffen. Sie wurde erstmals 1700 am Mast des Piraten Emmanuel Wynne gesichtet.
Zum Ursprung des Namens „Jolly Roger“ gibt es mehrere Versionen: - das Englische Roger bezeichnet sowohl einen Vagabunden als auch den Teufel (Old Roger). - Französische Bukaniers nannten ihre ursprünglich rote Flagge joli rouge („schönes Rot“). - Es gab einen indischen Piraten mit dem Namen Ali Rajah, von den Briten Olly Roger ausgesprochen.
Edward England war anfänglich der einzige Pirat, der in seiner Flagge den bekannten Totenkopf mit gekreuzten Knochen zeigte. Da die Flagge zur Identifikation der Piraten diente, hatte jede Mannschaft ein individuelles Zeichen.
Bekannte Piraten
- John Hawkins (Karibik, um 1565)
- François l'Ollonais (Karibik, um 1666)
- Michel de Granmont bzw. Grammont (Karibik, gegen 1686)
- Anne Bonny (Karibik, 1690-1720)
- Mary Read (Karibik, 1690-1720)
- Henry Every (Karibik, Atlantik & Indischer Ozean 1694-95)
- Edward Teach, besser bekannt als Blackbeard (Karibik, später Carolina 1716-18)
- Bartholomew Roberts, auch Black Barty (Karibik, später Westafrika 1718-1722)
- Edward England (Karibik bis 1718, später Madagaskar)
- William Condon („Billy One-Hand“, Karibik bis 1718, später Madagaskar und Indien)
- Charles Vane (Karibik, um 1718)
Bekannte Freibeuter
- Klaus Störtebeker und Gödeke Michels, die Anführer der Vitalienbrüder und Likedeeler (Nord- und Ostsee, 14./15. Jhd.)
- Walter Raleigh (diverse Meere, 1585)
- Francis Drake (diverse Meere, vgl. Armada 1588)
- Piet Heyn (Karibik, Niederlande, um 1628)
- Henry Morgan (Karibik um 1670)
- William Dampier (diverse Meere, um 1685)
- William Kidd (Madagaskar, 1696-1701)
- Pierre le Grand (Karibische See, 17. Jahrhundert)
- Tom Tew (Madagaskar, 17. Jhd., Kompanen von Misson (Priester und Piratenanhänger)
- Jean Bart (Frankreich, gegen 1700)
- Robert Surcouf (Frankreich, um 1800)
- Richard Sievers (†1700), Hamburger, Ende 17. Jhd., indischer Ozean, der einzige deutsche Pirat von internationalem Rang
Fiktive Piraten
- Guybrush Threepwood, der unheldenhafte Held der Videospiel-Reihe Monkey Island
- Geisterpirat LeChuck, der Bösewicht der Monkey Island-Spiele
- Captain Hook, der Schurke aus Peter Pan
- Long John Silver aus der Schatzinsel
- Feuerbart, einer der Piraten aus George MacDonald Frasers Roman Die Piraten.
- Dotterbart (im Original "Yellowbeard") aus dem gleichnamigen satirischen Film
- Captain Jack Sparrow aus dem Film Fluch der Karibik, gespielt von Johnny Depp
- Captain Joshua Flint (Die Schatzinsel), evtl. nach unbekanntem historischen Vorbild
- Der rote Korsar aus dem gleichnamigen US-Film von 1952, gespielt von Burt Lancaster
- Captain Blood aus dem gleichnamigen US-Film von 1935, gespielt von Errol Flynn
- Der rote Korsar aus der gleichnamigen französischen Comic-Serie, 1959 geschaffen von Jean-Michel Charlier und Victor Hubinon
- Captain Pugwash, britische Cartoonfigur
- Der einäugige Willy, aus dem Abenteuerfilm The Goonies
- Monkey D. Ruffy aus One Piece.
Moderne Piraterie
Auch heute gibt es noch Piraterie. Besonders in den Gebieten Süd- und Südostasien im Südchinesischen Meer, in Teilen von Südamerika, Westküste Afrikas und vom Süden des Roten Meers über den Golf von Aden um die Insel Sokotra bis an den Indischen Ozean attackieren die Piraten heute die modernen Schiffe. Auch die Straße von Malakka und die Gewässer um Sri Lanka gelten als unsicheres Seegebiet. Müssen die großen Schiffe wegen Defekten oder wegen Wetter bzw. aus Zeitgründen in den Meerengen bzw. in Küstennähe fahren, verringern sie ihre Geschwindigkeit und können dann oft mit Schnellbooten leicht von Piraten geentert werden. Bei voller Fahrt ist dies wegen der Geschwindigkeit moderner Schiffe, den hohen Bordwänden und der Wellenbildung am und besonders hinter dem Schiff nicht möglich. Sollte die Gefahr eines Überfalls bestehen, so schließt die Besatzung alle offenen Türen und Luken, auf den unteren Decks werden Türen teilweise verschweißt. Die Abwehr erfolgt dann effektiv mit Wasserschläuchen, aus denen mit hohem Druck Wasser auf angreifende Piraten gespritzt wird. Es existieren auch Elektrozaun-Systeme, die das Erklettern von Bordwänden unmöglich machen sollen.
In den meisten Fällen sind die modernen Piraten nicht an der Ladung interessiert, sondern eher am Inhalt des Schiffs-Safes, der häufig große Bargeldsummen enthält, die für die Bezahlung der Gehälter und der Hafengebühren bestimmt sind.
In einigen Fällen zwangen die Piraten die Besatzung, das Schiff zu verlassen, und fuhren mit dem gekaperten Schiff in einen Hafen, wo es falsche Papiere bekam und dann unter anderem Namen weitergenutzt wurde.
Im modernen Völkerrecht gelten als Piraterie nur Überfälle, die auf hoher See durchgeführt werden. Das folgt aus den Definition der Artikel 15 der Geneva Convention on the High Seas und Artikel 101 der United Nations Convention on the Law of the Sea. Angriffe von Piraten, die als Piraterie zu werten sind, können von jedem Land das diese Konventionen unterzeichnet hat bekämpft werden.
1992 wurde das Piracy Reporting Centre des International Maritime Bureau (IMB Piracy Reporting Centre)[1] in Kuala Lumpur gegründet. Es sammelt Meldungen über Piraterie und wertet sie aus, um Schiffseigner warnen und schützen zu können. Außerdem hilft es bei der Suche nach geraubten Schiffen.
Im Jahr 2004 sind bei Seeräuberüberfällen mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen, neun mehr als noch im Vorjahr, teilte das Anti-Piraten-Zentrum des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB) in Kuala Lumpur mit. Bereits 2003 hatte sich die Zahl der Todesopfer durch Piratenattacken mehr als verdoppelt. Gleichzeitig registrierte das IMB im vergangenen Jahr jedoch einen Rückgang der registrierten Überfälle von 445 auf 325. Brennpunkt der Seeräuberei sind den Angaben zufolge nach wie vor die Gewässer Indonesiens, wo es 2004 zu 93 bekannten Angriffen kam. Rang zwei belegt die Straße von Malakka zwischen der indonesischen Insel Sumatra und Malaysia mit 37 Überfällen.
Im ersten Halbjahr 2005 ging die Zahl der Überfälle weiter zurück und zwar auf 127 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2004. Das Zentrum ist weiterhin der Raum um Indonesien, doch vor der Küste Somalias hat sichdie Lage besonders verschlimmert, auch durch stark erhöhte Lösegeldforderungen.
Luftpiraterie
Bei Flugzeugentführern spricht man auch von Luftpiraten.
Siehe Spezialartikel: Flugzeugentführung
Software- und Marken-Piraten
Die Figur des Piraten wird wegen ihrer Symbolkraft in der Gegenwart immer wieder instrumentalisiert, um beispielsweise Verstöße gegen das Urheber- und Markenrecht in den Augen einer breiten Öffentlichkeit zu stigmatisieren. Aus diesem Grund spricht die Medien- und Softwareindustrie heute im Rahmen von Werbekampagnen gegen unrechtmäßiges Kopieren von Musikstücken und Anwendungsprogrammen beispielsweise von Softwarepiraterie. Dieser Ausdruck ist jedoch umstritten.
Siehe auch: Schwarzkopie
In Anspielung auf dieses umstrittene Stilmittel der Medien- und Softwareindustrie entwirft Stephan Eissler im Gegenzug den "Modernen Freibeuter" als rethorische Figur, um den Missbrauch des Urheber- und Markenrechtes (beispielsweise im Zusammenhang mit zweifelhaften Abmahnungen) als zwar legalen aber dennoch moralisch verwerflichen Akt zu brandmarken, und um auf etwaige gesellschaftliche Folgen hinzuweisen.
Literatur
Eine eher literarische Darstellung des Freibeuterwesens im Elisabethanischen Zeitalter findet sich in dem von Andreas Venzke herausgegebenen Buch Gasparan oder Die letzte Fahrt des Francis Drake (Benziger-Verlag, Zürich 1996, ISBN 3-545-36531-X).
Aus erster Hand vom Leben der Freibeuter der Karibik lesen kann man in Das Piratenbuch von 1678 - Die Amerikanischen Seeräuber von Exquemelin (Tübingen 1968, Erdmann-Verlag), wo unter anderem die Eroberung Panamas durch Henry Morgan beschrieben wird.
Ein interessantes wissenschaftliches Buch zum Thema ist die Dissertation Freibeuter in der Karibischen See. Zur Entstehung und gesellschaftlichen Transformation einer historischen Randbewegung von Frank Bardelle (Münster 1986, Verlag Westfälisches Dampfboot). Hier findet man auch eine umfangreiche Bibliographie.
Ein Buch, das sich ausschließlich mit der modernen Piraterie befasst, ist Piraten. Das organisierte Verbrechen auf See von Douglas Stewart (Hamburg 2002, Mare-Verlag).
In der Belletristik dürfte am bekanntesten der Roman Die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson sein, der die Suche nach einem vergrabenen Piratenschatz schildert.
- Siedler, Söldner und Piraten : Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung im Focke-Museum/Bremer Landesmuseum vom 8. März bis 14. Mai 2000 / Dieter Bischop. Mit Beitr. von Peter Krull [Hrsg. Manfred Rech]. - Bremen : Landesarchäologe, 2000. - 136 S. : zahlreiche Illustrationen, (= Bremer archäologische Blätter : Beiheft ; 2)
- David Cordingly: Unter schwarzer Flagge: Legende und Wirklichkeit des Piratenlebens. – Sanssouci Verlag, Zürich 1999. – ISBN 3725411476
- David Cordingly: Piraten: Furcht und Schrecken auf den Weltmeeren. – VGS Verlagsgesellschaft, 1999. – ISBN 3802527089
Weblinks
- Weekly Piracy Report - aktuelle Nachrichten über Überfälle
- http://www.piratehaven.org/~beej/pirates/ - englische Seite mit vielen Abbildungen von Piraten
- http://www.cindyvallar.com/pirates.html Informationsseite (historisch; Englisch)