Skulptur Projekte
Die Skulptur.Projekte sind eine internationale Skulptur-Ausstellung im westfälischen Münster. Sie macht Münsters Innenstadt zu einem einheitlichen Kunstraum.
Konzept
Bei den Skulptur.Projekten lädt die Stadt Münster international renomierte Künstler ein, in situ zu arbeiten. Dabei wird die Frage nach der Beziehung von Kunst, öffentlichem Raum und urbanem Umfeld gestellt. Die Künstler suchen sich den Standort ihrer Skulptur selbst aus. Einzig gibt es die Vorgabe, dass diese, soweit möglich, innerhalb des Promenadenrings stehen sollen. Diese Vorgabe soll auch auswertigen Besuchern die Möglichkeit geben, sich eine Vielzahl von Skulpturen auszuschauen.
Die Leitung der Ausstellung liegt bei dem Leiter des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, Prof. Klaus Bußmann, der Kurator ist Prof. Kaspar König. Träger sind die Stadt Münster, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und das Landesmuseum, Unterstützung wird gewährt von der Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Westfälischen Wilhelms-Universität . Außerdem gibt es zahlreiche Sponsoren aus der lokalen Wirtschaft.
Die Skulptur.Projekte finden alle zehn Jahre statt, jeweils parallel zur documenta in Kassel und dauern ebenso 100 Tage.
Bisherige Skulptur.Projekte:
- 1977: Vom 3. Juli bis zum 13. November
- 1987: Vom 14. Juni bis zum 4. Oktober
- 1997: Vom 22. Juni bis zum 28. September: ca. 500.000 Besucher
Die nächste Ausstellung findet im Sommer 2007 statt. Die Kosten hierfür werden von der Stadt getragen, die ca. 1,5 Millionen Euro in das Projekt fließen lässt. Zusätztlich stellt der LWL eine Million Euro zur Verfügung. Auch das Land hat Unterstützung signalisiert.
Nach den 100 Tagen der Ausstellung läuft der Pachtvertrag mit dem Eigentümer des Geländes aus, die Skulpturen müssen abgebaut und den Künstlern zurückgegeben werden. Etliche Projekte werden jedoch von der Stadt Münster, dem Landschaftsverband oder dem Landesmuseum erworben und permanent ausgestellt. So bereichern heute zahlreiche Arbeiten der Skulptur.Projekte das Stadtbild der Westfalenmetropole. Andere Arbeiten, bei denen keine Einigung über die permanente Ausstellung getroffen werden konnte, stehen zum Beispiel in Hamburg, Berlin oder London.
Ausstellungen
1977
Vom 3. Juli bis zum 13. November fand die erste Skulptur.Projekte in Münster statt. Die wohl bekannteste Skulptur dieses Jahres waren die Giant Pool Balls von Claes Oldenburg. Er verteilte auf Zeichnungen, Aquarellen und Fotomontagen gigantische Billardkugeln über die ganze Stadt. Schließlich wurden drei dieser Betonkugeln (Durchmesser 3,5 Meter) an den Aaseeterrassen aufgestellt. Diese befinden sich seit 1987 im Besitz der Stadt und sind eines der bekanntesten Motive aller Ausstellungen.
Joseph Beuys ließ unter dem Titel Unschlitt/Tallow den exakten Nachbau eines Fußgängertunnels am Hindenburgplatz mit Stearin ausgießen und zerschnitt den entstehenden Block dann willkürlich. Die Schnittstücke wurden im Lichthof des Landesmuseums ausgestellt. Heute ist das Werk (welches Beuys auch dem Landesmuseum als Schenkung anbot) Teil der Sammlung Marx in Berlin.
Ebenfalls permanent in Münster steht ein Werk von Donald Judd ohne Titel. Am Aasee nahe des Allwetterzoos schuf er zwei konzentrische Ringe aus Beton, der innere Ring auf einer Höhe, die von 90 cm auf 2,10 Meter ansteigt mit einem Durchmesser von 13,50 Meter, während der äußere seine Höhe von 60 cm beibehält und 15 Meter im Durchmesser misst. Auf den sanft abfallenden Wiesen stellt das Werk laut Judd ein topografisches Regulativ dar.
Weitere temporäre Austellungen wurden erstellt von Carl André, Michael Asher, Richard Long, Ulrich Rückriem und Richard Serra.
1987
Das wohl bekannteste Projekt der Ausstellung 1987 ist Ein Schiff für Münster von Ludger Gerdes. Am Horstmarer Landweg, zum Zeitpunkt der Ausstellung ein unbebautes Wiesengebiet, ist eine 43 Meter lange in die Länge gezogene künstliche Insel geschaffen worden, umrahmt von einem Wassergraben. Die Insel in Form eines Schiffes, deren Mauern mit Sandstein eingefasst sind, zeigt mit dem Bug genau Richtung Innenstadt. Ein Holzpavillion mit zwei Pappeln imitieren die Brücke des Schiffes. Die Skulptur wurde der Stadt 1987 vom Künstler geschenkt.
Keith Haring realisierte mit dem Red Dog for Landois eine Skulptur, die am ehemaligen Gelände des Zoos steht und seinem Gründer Hermann Landois gewidmet ist. Sie stellt einen zweidimensionalen stilisierten, feuerroten Hund aus Stahl dar, der sein Maul bellend gen Himmel erhebt. Damit wollte Haring gegen den dort entstandenen Bürohausneubau protestieren. Laut Haring ist er ein spielerischer Protest gegen blinden Fortschritt und ein Denkmal für die Imagination. Nach über 10 Jahren in Münster steht die Skulptur, die eine Leihgabe der Galerie Hans Meier aus Düsseldorf war, inzwischen nicht mehr an dem Platz, dem sie gewidmet ist.
Ein inzwischen von der Stadt wieder installiertes Projekt von Rebecca Horn im Zwinger (Das gegenläufige Konzert) stellt eine Symbiose zwischen der Natur und dem dort geschehenen Unrecht während der Zeit des Nationalsozialismus dar. Mit flackernden ewigen Lichtern, metallenen, rhytmisch klickenden Hämmern und einem stetigen Wassertropfen, der 12 Meter in eine Zisterne fällt, schafft Horn eine beklemmende Atmosphäre in dem ehemaligen Gefängnis, in dem die Gestapo Hinrichtungen durchführen ließ. Erst diese Skulptur enttaburisierte den Ort und machte die Installation eines Mahnmals dort möglich.
Am Harsewinkelplatz ließ Thomas Schütte eine Säule aus Sandstein errichten, auf der er zwei leuchtend rote Kirschen platzierte. Die Säule stellt eine Anspielung auf den Wiederaufbau der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg dar. Durch den Sandstein sieht sie älter aus als sie ist, ähnlich wie die Stadt, die 1945 zu 90% in Schutt und Asche lag und heute im Stil des späten Mittelalters glänzt. Auch die nicht ganz stimmigen Proportionen der Säule unterstützen dies. Die Farbe der Kirschen jedoch soll um die Wette strahlen mit dem Lack der Autos, die auf dem Harsewinkelplatz stehen, ein Symbol der Moderne auf der „historischen“ Säule.
Rémy Zaugg versetzte die Bronzeskulpturen „Knecht mit Pferd“ und „Magd mit Stier“ wieder an den Eingang der Stadt an die Bundesstraße 54. Dort hatten sie um 1912 die in die Stadt zum Markt ziehende Landbevölkerung besucht. Heute heißen sie Besucher der Stadt am Eingang des großen Kreisverkehrs Willkommen. Die Umsetztung löste heftige Debatten über die historische Identität der Stadt aus und über die Eingriffe, die die Moderne vorgenommen hat, besonders als bekannt wurde, dass der ursprüngliche Aufstellungsort durch zahlreiche Verschiebungen in Vergessenheit garaten war.
Weitere temporäre Projekte:
Reiner Ruthenbeck ließ im Lichthof des Altbaus des Landesmuseums eine 14x2,4 Meter große Fahne aus Wollstoff an einem 5,6 Meter hohen Fahnenmast aufhängen. Die auf dem Boden liegenden Teile drapierte er um eine Gruppe Fahrräder, eine Hommage an die Fahrradstadt Münster.
Richard Serra platzierte auf dem Ehrenhof des Erbdrostenhofes zwei Plastiken aus insgesamt 24 Tonnen Stahl (Trunk - Johann Conrad Schlaun Recomposed). Die zwei Stahlplatten, gewölbt wie das Gebäude von Johann Conrad Schlaun und in der Höhe bis zur Unterkante der Balkone reichend, sind hochkant aufgestellt, dazwischen ein Hohlraum. Die Skulptur, die massiven Protest der Bevölkerung auslöste steht seit 1988 in St. Gallen.
Thomas Struth projizierte in seinem Nachtprojekt während der Ausstellung Nachts bis 1 Uhr klassische Vorstadtarchitektur auf die Fassanden in der Innenstadt.

Sol LeWitt platzierte einen 1,75 x 5,20 x 1,75 Meter großen schwarzen Betonblock so vor dem Schloss, dass der Blick auf das Eingangsportal versperrt wurde. Hinter dem Schloss, im Botanischen Garten, platzierte er in einer Linie zu Block und Eingang eine weiße Pyramide. Laut Ikonografie sind dies die Symbole von Tod und Leben. Im offiziellen Katalog zur Skulptur.Projekte firmierte dieses Werk noch als White Pyramid/Black Form, jedoch wurde der Block vom Künstler kurze Zeit später mit dem Zusatz Dedicated to the missing Jews versehen. Dieses Mahnmal widmete sich damit nicht nur den ermordeten, sondern auch den fehlenden Juden, also den Kindern der während der Zeit des Nationalsozialismus umgekommenen Juden. Der Platz vor dem Schloss (das heute Sitz der Westfälischen Wilhelms-Universität ist) sollte symbolisieren, dass diese fehlenden Menschen dort hätten studieren oder lehren können. Der Plan, diese Skulptur am selben Ort permanent aufzustellen, scheiterte am Widerstand der Universität. Heute steht sie zur Erinnerung an die dortige ehemalige jüdische Gemeinde vor dem schneeweißen Rathaus von Hamburg-Altona. Auch die Pyramide wurde abgebaut und befindet sich im Besitz der Stadt Hamburg.
Richard Deacon verwirklichte an zwei Enden einer Straße zwei schlangenartige Skulpturen (Like a Snail A und B), die aus Holz und verzinktem Stahl bestehen. Heute stehen sie in der Londoner Tate Gallery.
Insgesamt 61 Künstler schufen Skulpturen, von denen einige jedoch auf Grund von Budgetüberschreitungen nicht realisiert wurden. Auch Joseph Beuys begann ein Projekt in den Rieselfeldern (eine Baumbepflanzung), verstarb jedoch vor der Fertigstellung.
1997
Permanent installiert wurde Blickst Du hinauf und liest die Worte von Ilya Kabakov in unmittelbarer Nähe zu den Betonringen der Skulptur.Projekte 1977. Es ist ein „Poetischer Sendeturm“. Auf den Querstreben in 13 Metern Höhe sind aus dünnem Draht Buchstaben geformt. Sie ergeben den Text: Mein Lieber! Du liegst im Gras, den Kopf im Nacken, um dich herum keine Menschenseele, du hörst nur den Wind und schaust hinauf in den offenen Himmel - in das Blau dort oben, wo die Wolken ziehen - das ist vielleicht das Schönste, was du im Leben getan und gesehen hast. Die Skulptur wurde vom Landesmuseum gekauft.
Jorge Pardo baute auf Grund des fast völligen Fehlens von Stegen einen ca. 40 Meter langen Pier in den Aasee hinein. Sein Ende besteht aus einer asymmetrischen Aussichtsplattform mit einem offenen sechseckingen Pavillion. Er besteht komplett aus Holz des kalifornischen Redwood.
herman de vries baute aus 20.000 Backsteinen sein Sanctuarium (lat: heiliger Raum), einen umbauten, wilden Garten. Aus allen vier Himmelsrichtungen gibt es ovale Öffnungen, die den Betrachter zum Hineinschauen einladen. Über den Fenstern ist ein Text in Sanskrit eingraviert: om. Dies ist vollkommen. Das ist vollkommen. Vollkommen kommt von vollkommen. Nimm vollkommen von vollkommen, es bleibt vollkommen.
Es gab wiederum zahlreiche temporäre Installationen. So haben Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt zum Beispiel vier Informationsstände aus Flaschentransportkisten errichtet.
Nam June Paik schuf eine der bekanntesten Skulpturen der Skulptur.Projekte 1997, die 32 cars for the 20th century: play Mozart's Requiem quietly: Er ordnete 32 Automobile der Baujahre 1920, 1930, 1940 und 1950 vor dem fürstbischöflichen Schloss zu vier Gruppen an, jeweils zu einer geometrischen Figur. Die Autos enthielten statt Motor und sonstigem Interieur Elektonikschrott wie alte Fernseher und Radios, aus einigen klang leise Mozarts Requiem.
Nicht realisiert wurde das Projekt von Gabriel Orozco, der in Anlehnung an den Jahrmarkt Send ein Riesenrad halb im Hindenburgplatz versenken wollte. Ebenfalls nicht realisiert werden konnte ein Projekt von Charles Ray, der einen Baum so pflanzen wollte, dass er sich, bewegt von einem Mechanismus unter der Erde, in zwei Stunden einmal um sich selber dreht.
2007
2007 werden etwa 35 Künstler eingeladen, Skulpturen im öffentlichen Raum zu entwerfen. Unter den elf Künstlern (Stand: Sommer 2005), die bereits Vorarbeiten in Münster geleistet haben, sind u.a. Rosemarie Trockel und Isa Genzken.
Presse
- Das Pionierprojekt Skulpturen hat es in Münster zu Popularität gebracht – und sprengt nun alle Gattungsgrenzen. (...) Während die Kasseler Schauräume noch fest verschlossen sind, wären in Münster die Vorbereitungen schon darum kaum geheimzuhalten, weil sie zumeist im Freien stattfinden. Der Spiegel 22/1997
- Magic Münster – die ganze Stadt ein Kunstwerk. Die documenta bekommt Konkurenz: Münster wird für drei Monate Europas Skulpturen-Hauptstadt. Bunte
- Nach Münster werden keine Werke bestellt sondern Künstler eingeladen. die tageszeitung
- Zehn Jahre sind keine Epoche - Die Skulptur-Projekte in Münster stehlen der documenta mit Phantasie und Witz die Schau. Süddeutsche Zeitung
Literatur
- Klaus Bußmann, Kasper König, Florian Matzner: Zeitgenössische Skulptur, Projekte in Münster 1997, Hatje Cantz Verlag, ISBN 3775706496
- Rainer Schnettler: Ausstellung von Skulptur im öffentlichen Raum. Konzeption, Vermittlung, Rezeption am Beispiel der "Skulptur" 1977 in Münster und der "Skulptur Projekte in Münster 1987", ISBN 3631438788