Maßtheorie
Die Maßtheorie ist ein Zweig der Mathematik, der die elementargeometrischen Begriffe Streckenlänge, Flächeninhalt, Volumen verallgemeinert und es dadurch ermöglicht, auch komplizierteren Mengen ein Maß zuzuordnen.
Die Maßtheorie bildet das Fundament der modernen Integrations- und Wahrscheinlichkeitstheorie (stochastische Analysis). Die Maßtheorie ermöglicht es, den Integralbegriff auf unstetige Integranden zu erweitern, die nicht Riemann-integrierbar sind.
Definitionen
Für eine exakte Definition der Grundbegriffe der Maßtheorie beginnen wir mit einer Grundmenge Ω. Wenn eine gewisse Menge X von Teilmengen von Ω eine σ-Algebra bildet, dann heißt die Menge Ω messbar (engl. measurable), und die Struktur (Ω,X) bildet einen Messraum (engl. measurable space).
- Die Forderung, dass X eine σ-Algebra ist, bedeutet, (1) dass X mit jeder Menge S auch deren Komplement Ω\S enthält, (2) dass X die leere Menge (und damit auch deren Komplement Ω) enthält, und (3) dass X bezüglich der abzählbaren Vereinigung abgeschlossen ist.
Ein Maß μ ist eine Funktion, die jeder Menge S aus X einen Wert μ(S) zuordnet. Dieser Wert ist entweder eine nichtnegative reelle Zahl oder ∞. Ferner muss gelten:
- Die leere Menge hat das Maß null: μ({})=0;
- Das Maß ist abzählbar additiv, will sagen: wenn E1, E2, E3, ... abzählbar viele paarweise disjunkte Mengen aus X sind und E deren Vereinigungsmenge ist, dann ist das Maß μ(E) gleich der Summe ∑μ(Ek).
Die Struktur (Ω, X, μ) eines Messraums, auf dem ein Maß definiert ist, heißt Maßraum.
Eine Nullmenge ist eine Menge S aus Xmit dem Maß μ(S)=0. Ein Maß heißt vollständig, wenn jede Teilmenge jeder Nullmenge in X enthalten ist.
Ein Maß heißt endlich, wenn μ(Ω)<∞. Ein Maß heißt σ-endlich, wenn Ω die abzählbare Vereinigung messbarer Mengen E1, E2, E3, ... ist, die alle ein endliches Maß μ('Ek)<∞ haben.
- Beispiel: die Menge der reellen Zahlen R ist bezüglich des kanonischen Lebesgue-Maßes unendlich, aber σ-endlich, denn sie kann als Vereinigung abzählbar vieler endlicher Intervalle [k,k+1] dargestellt werden.
- Bemerkung: σ-endliche Maße haben einige schöne Eigenschaften, die gewisse Analogie zu den Eigenschaften separabler topologischer Räume aufweisen.
Beispiele
Einige wichtige Maße:
- Das Nullmaß, mit μ(S) := 0 für alle S.
- Das Zählmaß, μ(S) := Anzahl der Elemente (Kardinalität) von S.
- Das Lebesgue-Maß, Default-Maß auf der Menge der reellen Zahlen R, mit der σ-Algebra aller Intervalle, definiert als translationsinvariantes Maß mit μ([0,1])=1.
- Das Haar-Maß auf lokal kompakten topologischen Gruppen.
- Wahrscheinlichkeitsmaße, mit μ(Ω)=1.
Ausblick
Beim Studium des Themas stößt man auf überraschende Dinge: so ist z.B. nicht jede Teilmenge der reellen Zahlen meßbar. Ein weiterer wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang ist damit der der Borel Mengen, welche genau die messbaren Teilmengen der reellen Zahlen sind.
siehe auch: Differentialgleichung, Elektrodynamik, Lebesgue-Maß, Haar-Maß