Aurobindo Ghose
Aurobindo (bengali: অরবিন্দ ঘোষ, Arabinda Ghosh) (* 15. August 1872 in Kolkata; † 5. Dezember 1950 in Pondicherry) war ein indischer Philosoph, Hindu-Mystiker und Guru.
Leben
Geboren wurde Aurobindo in Kalkutta (heute Kolkata), Indien. Sein Vater hieß Dr. K. D. Ghose und seine Mutter Swarnalata Devi. Der Vater, der selbst in England gelebt hatte, wollte für seine Kinder eine westliche Ausbildung und schickte Aurobindo und seine Geschwister auf die Loretto-Klosterschule in Darjiling. Im Alter von sieben Jahren kam Aurobindo an die St. Paul's School in London. Dort lernte er Latein, Griechisch und die klassischen westlichen Schulfächer. Während seiner Zeit an der St. Paul's School erhielt er den Butterworth Prize für Literatur, den Bedford Prize für Geschichte und ein Stipendium für die Universität Cambridge. Im Jahr 1893 kehrte er nach Indien zurück.
In den folgenden Jahren arbeitete Aurobindo für den Gaekwar von Baroda, Maharaja Sayajin Rao erst in der Verwaltung des Fürstentums Baroda (Varodada) und schließlich am Baroda-College als Französisch-Lehrer, später als Professor für Englisch und dann als Vorstand des Colleges. In Baroda lernte er Sanskrit und verschiedene andere indische Sprachen, besonders Bengali, Marathi und Gujarati. Während der Baroda-Zeit, im April 1901, heiratete Sri Aurobindo Mrinalini Bose, die 1918 einen frühen Tod starb.
1906 verließ Aurobindo Baroda und ging nach Kalkutta - als Vorstand des neugegründeten "Nationalen Bengalischen College". Ebenfalls 1906 begann Aurobindo mit der Herausgabe des Journals, "Bande Mataram", das zum Sprachrohr der "Nationalist Party" wurde. Er wollte die Idee der Unabhängigkeit im Denken seiner Landsleute festigen und gleichzeitig eine Partei und schließlich die ganze Nation zu intensiver und organisierter politischer Aktivität bewegen, die zur Verwirklichung dieses Ideals führen sollte. Sri Aurobindos erstes Anliegen in dem Journal war, die vollständige Unabhängigkeit Indiens als politisches Ziel offen und nachhaltig zu propagieren; er war der erste Politiker in Indien, der den Mut aufbrachte, dies öffentlich zu tun. Diese Tätigkeit als Herausgeber von Bande Mataram brachte ihn ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Von da an war er, was er faktisch schon eine zeitlang gewesen war, nämlich der prominenteste Führer der Partei. Während dieser Zeit politischer Aktivität wandte sich Sri Aurobindo verstärkt der Ausübung und des Studiums der indischen Yoga-Lehren und Yoga-Übungen zu. Eine entscheidende Wende nahm dieses Kennenlernen des Yoga, als er im Dezember 1907 mit dem Guru Vishnu Bhaskar Lele aus Maharashtra zusammentraf. Durch dessen Hilfe vertiefte sich Aurobindos Kenntnis und Erfahrungsweite der Yoga-Inhalte so sehr, dass er nun seiner eigenen Idee der Yoga-Entwicklung folgte.
Nach einem Jahr der Inhaftierung und dem folgenden Freispruch beendete Aurobindo 1909 seine politische Laufbahn und wandte sich nun der Weiterentwicklung seines Yoga-Ideals zu.
1910 fuhr Aurobindo nach Pondicherry in Südindien, wo er bis zu seinem Ableben am 5. Dezember 1950 blieb. Er begann nun den "Integralen Yoga" zu entwickeln, im Sinne einer modernen, zukunftsweisenden, umfassenden Bewußtseinsentwicklung (Integral = umfassend; Yoga = Bewusstseinsentwicklung).
1914 machte er die Bekanntschaft mit Mira Alfassa und ihrem Ehemann Paul Richard. Gemeinsam mit ihnen begann er die Veröffentlichung der philosophischen Zeitschrift "Arya", in der bis 1920 die meisten seiner Hauptwerke zum ersten Mal veröffentlicht wurden.
1920 kam Mira Alfassa, nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Japan, zu Aurobindo in Pondicherry und blieb dort bis zu ihrem Ableben am 17. November 1973.
Nach 1920 leitete sie den Haushalt der sich um Sri Aurobindo gebildet hatte.
Dieser Haushalt wuchs bis 1926 zu einer kleinen Gemeinschaft heran, die ab dem 24. November 1926 Sri Aurobindo Ashram genannt wurde. Während dieser Jahre begannen die Mitglieder des Haushalts und der Gemeinschaft Mira Alfassa mehr und mehr "Die Mutter" zu nennen, so dass sie im Laufe der Zeit allgemein als "Die Mutter" bekannt wurde.
Während der Zeit des Nazitums und des Zweiten Weltkriegs wandten sich Aurobindo und Mira Alfassa entschieden gegen Hitler und die Nazi-Ideologie, hinter denen sie zutiefst unmenschliche Kräfte und die Mächte des Bösen sahen, "deren Sieg die Versklavung der Menschheit an die Tyrannei des Bösen bedeutet hätte und einen Rückschritt auf dem Weg der Evolution, und besonders der spirituellen Evolution der Menschheit, der nicht nur zur Versklavung Europas, sondern auch von Asien und damit von Indien führen würde ..." (Aurobindo). Da es nach Aurobindos Ansicht um eine Verteidigung der Zivilisation ging, trat er für die Alliierten ein, obschon Indien damals von England beherrscht wurde. Er erhoffte sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ära von Frieden und Union unter den Nationen.
Nach 1945 besprachen Aurobindo und Mira Alfassa zukünftige Pläne für eine internationale Sri Aurobindo Universität und die Konzeption des Modells einer zukunftsorientierten Stadt geistiger Freiheit, die eine Heimat für Menschen aus aller Welt sein sollte, die ein Leben des Friedens und der bewußten Selbstentwicklung führen wollen.
Aurobindo verstarb im Dezember 1950.
Lehre
Aurobindo strebte auf vedantischer Grundlage eine neue Synthese indischer und abendländischer Gotteserkenntnis an. Er selbst bezeichnete seine Lehre als reinen Monismus; dieser weicht aber von Shankaras Advaita erheblich ab, da sein Monismus die als real anerkannte Pluralität nicht ausschließt. Das zwar unbeschreibliche, aber nicht vollständig unerkennbare Brahman ist nirguna (ohne Qualitäten), saguna (mit Qualitäten) und über diese Polarität erhaben. Das unpersönliche Göttliche (nirguna Brahman) und das persönliche Göttliche (saguna Brahman) sind gleichwertige und koexistente Aspekte des Ewigen, wofür er die Bezeichnung des Vedanta Sachchidananda verwendet. Dieses Sachchidananda ist das "Unbekannte, Allgegenwärtige, Unentbehrliche, das das menschliche Bewusstsein in seinem Erkennen und Fühlen, in Empfinden und Handeln ewiglich sucht".
Die phänomenale Welt, eine Selbstmanifestation des Ewigen, ist real, wiewohl sie nicht die gesamte Realität umfasst. Das göttliche Wesen wohnt in uns, wir sind es in unserem tiefsten Wesen. Das Verhältnis von Absolutem und Relativem ist also nicht ein kontradiktorisches, sondern Identität in der Verschiedenheit. Die Antwort auf die Frage, weshalb das Eine die Vielheit wurde, warum das in Brahman integrierte Universum transformiert wurde, sucht auch Aurobindo im göttlichen Spiel. Desintegration und Umwandlung sind der notwendige Ausdruck von Brahmans wesentlicher Macht.
Wesentliches Anliegen von Aurobindos Philosophie ist die Evolution der niedrigen Formen zu den höheren. Es ist die irdische Aufgabe des Menschen, die Identität mit dem Absoluten erreichen und zwar dadurch, dass er über die Sphäre des Geistigen hinaussteigt.
Der integrale Yoga
Der integrale Yoga ist die praktische Anwendung von Aurobindos Philosophie. Es handelt sich jedoch nicht um eine Form des Yoga mit fest definierten Übungen, wie z.B Hatha Yoga oder Raja Yoga. Er heißt integral, weil die traditionellen Disziplinen Jnana Yoga, Karma Yoga und Bhakti Yoga miteinander verknüpft werden, wie Aurobindo es in der Synthese des Yoga beschreibt. Integral ist er aber auch deshalb, weil Aurobindo die Welt nicht ablehnt oder überwinden will, sondern sie mit dem Göttlichen zu durchdringen sucht. Dazu müssen alle Wesensteile des Menschen umgewandelt und dem Göttlichen dargebracht werden. Diese Wesensteile sind:
- Physis (Körper)
- Vital (Emotionen, Gefühle, Triebe)
- Inneres Vital
- Wahres Vital (die ursprüngliche evolutionäre Kraft im Vital)
- Seelisches Wesen (individualisierte Seele)
- Mental / Geist (Gedankenfabrik, höhere mentale Ebenen siehe unten)
- Inneres Mental
- Wahres Mental (die ursprüngliche evolutionäre Kraft des Mental)
- Zentrales Wesen (universelle Seele, das Atman des Vedanta)
Es reicht nicht, wenn die Seele aufsteigt und sich mit dem Göttlichen vereint, oder der Geist im Nirvana aufgeht. Für Aurobindo steht das Nirvana nur am Anfang des Weges. Ein Aufstieg alleine kann nicht das Ziel sein, eine Herabkunft muß folgen. Damit die Welt transformiert werden könne, dürften keine Stufen des Weges übersprungen werden. Genau das aber wirft or sowohl Shankara als auch Buddha vor. Philosophisch läßt er sich also nicht unter dem Advaita Vedanta Shankaras einordnen, den er Mayavada nennt. Er steht dem Bedhabedha näher, also der Philosophie, die sowohl die Einheit, als auch die Verschiedenheit lehrt. Traditionelle Methoden können beim Sadhana des integralen Yoga benutzt werden, sofern dies unter dem Aspekt der Akzeptanz und Transformation der Welt geschieht. Im Vordergrund steht dabei die Entdeckung des seelischen Wesens, die der individualisierte Gotteskern im Menschen ist.
Die dreifache Anstrengung ist Streben nach dem Göttlichen ohne Vorbedingungen, Zurückweisung von Ideen, Vorlieben, Stolz des Geistes, oder der niedrigen vitalen Natur, und Hingabe an das Göttliche, die ohne Bedingungen des Ego oder persönlichen Gewinnstreben zu geschehen hat. Letztlich kann nur das Göttliche selbst diese Umwandlung bewirken, was ein Zurücktreten des Individuums voraussetzt. Die dreifache Wandlung ist die psychische Transformation, bei der alles durch das seelische Wesen in Verbindung mit Gott steht, die spirituelle Transformation, in der alles durch das kosmische Bewusstsein in Gott versenkt wird, und schließlich die supramentale Transformation, in der alles im göttlichen gnostischen Bewusstsein supramentalisiert wird. Nur mit letzterer könne die vollständige Transformation von Körper, Leben und Geist beginnen.
Das Supramental stellt Aurobindo als einen Bereich zwischen der höheren Triade, Sat (Sein), Chit (Bewusstsein), Ananda (Seligkeit) und der niederen Mental (Geist), Vital (Leben, Emotionen) und Physis (Körper). Das Supramental vereint in sich alle Gegensätze und besitzt ein inneres Wissen um alle Dinge, ein Wissen durch Identität. Aurobindo postuliert eine Supramentalisierung allen Lebens auf der Erde, die die nächste Stufe der Evolution darstelle. Das Supramental würde sich seine eigenen Instrumente im Menschen und auf der Welt schaffen, doch dafür sei ein Streben des Menschen zum Göttlichen nötig.
Bewusstseinsebenen
Unterhalb des Supramental gibt es noch verschiedene geistige Ebenen, die alle vom Yogi erklommen werden müssen.
- Das normale Mental: das ist die Ausgangsbasis, die Denkfabrik des Menschen. Der Mensch muss den andauernden Fluss von Gedanken und Assoziationen, das mentale Gefängniss, verlassen um zu höheren geistigen Ebenen aufzusteigen.
- Das höhere Mental: dies ist der Geist der Philosophen und Denker. Hier findet man abstraktes, höheres Denken, ein Denken das jedoch noch in Fragmente geteilt ist. Nur gelegentlich findet man hier blitzartige höhere Einsichten.
- Das erleuchtete Mental: nimmt das höhere Mental Ruhe und Stille an, so führt das zu wachsender geistiger Klarheit. Die nur gelegentlichen Einsichten werden zu einem steten Strom des Lichts der sich zur Flut auswächst, zu einer leuchtenden Invasion. Dies kann sich auf verschiedene Weise äußern, in der künstlerische Kreativität eines Dichters oder Musikers, den Erkenntnissen eines Wissenschaftlers, oder aber einfach in religiöser Erkenntnis und Hingabe. Aurobindo selbst war ein Dichter (sein größtes Werk war Savitri), und er förderte Dichtung und Kunst unter seinen Schülern.
- Das intuitive Mental: hier kommt die Klarheit und Erkenntnis direkt aus der Stille, direkt, blitzartig, und ohne die mentale Übersetzung, die noch im erleuchteten Mental eine Rolle spielt. Es ist kein Strom mehr, der von außen kommt, oben und unten verschmelzen zu einer Einheit. Der Sucher versucht weniger seine Erkenntnisse poetisch auszudrücken, sondern bewahrt die Stille und innere Klarheit.
- Der Overmind (Übergeist): hier ist das Bewusstsein eine Masse stabilen Lichts, die zu einer ungebrochenen universalen Vision führt; das Bewusstsein sieht hier nicht Punkt für Punkt, mit einem einzigen Blick sieht man eine große Weite von Zeit und Raum. Er ist voll von Lichtern und Kräften. Er entbindet Millionen von Gottheiten, jede mit der Kraft seine eigene Welt zu kreieren. Doch von hier beginnt auch die Trennung verschiedener Wahrheitsaspekte.
- Das Supramental: die supramentale Sicht ist eine globale Vision. Während der Übergeist alle Aspekte fragmentierter Sichtweisen des Geistes zu einem einzigen Strahl bündelt, endet dieser Strahl doch in nur einem Punkt, und man sieht alles unter diesem einem Aspekt; er ist universell und einheitlich, weil er andere Blickwinkel ausklammert oder einfach angliedert. Das Supramental hingegen sieht alles in einer einzigen Vision, der alle Strahlen ohne Widersprüchlichkeit verbindet, und gleichzeitig den Blickwinkel jeder einzelnen Sache sieht - eine abgerundete Vision die nicht in einem zentralen Punkt endet, sondern in einer Myriade von Punkten: ein einziger unzähliger Blick.. (Savitri)
Zitate
- Wenn dein Ziel groß ist und deine Mittel klein, handle trotzdem.
- Durch dein Handeln allein werden auch deine Mittel wachsen.
Sri Aurobindo
- Der erste Prozess im Yoga ist der: entschieden sich selbst hingeben wollen. Lege dich mit deinem ganzen Herzen und all deiner Kraft in Gottes Hände. Mache keine Bedingungen, bitte um nichts, nicht einmal um Vollkommenheit im Yoga, um überhaupt gar nichts außer um das eine, dass in dir und durch dich sein Wille direkt getan werden möge. Denen, die etwas von ihm wollen, gibt Gott, was sie wollen, denen aber, die sich selbst geben und nichts verlangen, gibt er alles, worum sie sonst vielleicht gebeten oder was sie gebraucht hätten, und sich selbst und die spontanen Gaben seiner Liebe gibt er noch dazu.
Sri Aurobindo in Essays in Philosophy and Yoga. Übersetzung: Otto Wolff
- Die Realität des Bewusstseins ist die Essenz der Existenz. Wenn es sich selbst in der Form vergisst, wird es zum Elektron, dem Atom, dem materiellen Objekt. In Wahrheit ist es immer noch Bewusstsein, das in der Energie wirkt und die Form bestimmt. Wenn es sich selbst evolutionär aus der Materie befreit, tritt es als Leben, als Tier, als Mensch hervor, und kann sich auch noch weiter entwickeln. Befreit es sich von den Grenzen des Körpers, so kann es andere Welten oder Weltregionen betreten und dort wirken. Es kann zu kosmischem Bewusstsein aufsteigen und direkt die Kräfte erkennen und auf sie wirken. So wie das Mental ein permanenter Bewusstseinszustand der Menschheit ist, so möchten wir eine Rasse schaffen, in der der Supermind ein permanenter Bewusstseinszustand ist. Sri Aurobindo
Entwicklungen nach Aurobindos Tod

1951 gründete Mira Alfassa die Internationale Sri Aurobindo Universität in Pondicherry.
1956 gründete Mira Alfassa gemeinsam mit dem Inder Surendranath Jauhar den Sri Aurobindo Ashram in Delhi.
1968 gründete Mira Alfassa in Zusammenarbeit mit dem französischen Architekten Roger Anger das Stadtprojekt Auroville als Ausweitung des Sri Aurobindo Ashrams in Pondicherry.
1969 machte der Künstler, Philosoph und Musiker Michel Montecrossa die Bekanntschaft mit Mira Alfassa, die sich zu einer kreativen Freundschaft entwickelte. Aus dieser Begegnung und den gemeinsamen Gesprächen entwickelten sich, in der Zeit von 1969 bis 1973, die Grundlagen für Mirapuri die Stadt des Friedens und des Zukunftsmenschen in Italien.
Die Aurobindo-Bewegung in Europa
Michel Montecrossa gründete am 15. August 1978 Mirapuri in Norditalien und einige Jahre später Miravillage in Gauting (Süddeutschland) als erste Zweigstelle von Mirapuri.
Mirapuri, sich auf das Werk von Aurobindo und Mira Alfassa berufend, ist ein futuristisch ausgerichtetes Lebensgemeinschafts- und Stadtprojekt in Norditalien an dem Menschen teilnehmen können, die sich "den Traum eines freudigen, kreativen und innerlich wie äußerlich erfüllenden Lebens verwirklichen wollen". Innere Grundlage ist dabei der von Aurobindo und Mira Alfassa entwickelte Integrale Yoga. Das Ziel des Integralen Yoga von Sri Aurobindo und Mira Alfassa und das Ziel von Mirapuri und Miravillage ist es, "die bewusste Einheit von Geist und Materie zu leben und alle Entwicklungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben in Frieden, Freiheit und Weltoffenheit zu verkörpern".
Auroville, sowie auch der Sri Aurobindo Ashram, grenzen sich klar von Mirapuris Interpretation des Integralen Yogas ab.
Aurobindo und Nationalismus
Aurobindo war ein (anfangs revolutionärer) Kämpfer für die indische Unabhängigkeit und als solcher Nationalist. In seinen Veröffentlichungen trat er unter anderem für den Boykott ausländischer Waren, für passiven Widerstand und Nicht-Zusammenarbeit ein. Auch als Philosoph und Guru war er Nationalist: er forderte eine »nationale Erziehung«, sah die Nationen als natürliche Organisationsformen der Menschen an und sprach jeder Nation eine Seele zu. Dass sich Konflikte in den Menschen als Kriege zwischen Nationen manifestieren, fand er natürlich und unabdingbar – solange nicht alle Menschen Erleuchtung erlangt haben. Auch hegte er eine große Verehrung für Deutschland als Kulturnation, und so kam es, dass er sich in seinem während des Ersten Weltkriegs begonnenen und nach dem Zweiten Weltkrieg überarbeiteten Buch The Human Cycle (dt. 1952 als Der Menschliche Zyklus) auch sehr eingehend und kritisch mit dem deutschen Faschismus auseinandersetzte. Auch dieser habe die Subjektivierung zum Ziel gehabt – ein zentraler Begriff in Aurobindos Philosophie –, sei aber beim Streben danach vom rechten Weg abgekommen. Den Wahlspruch der Nazis »Der Zweck heiligt die Mittel« lehnt Aurobindo ab. (Quelle zu diesem Abschnitt: Kapitel 5 im genannten Werk; online: True and False Subjectivism).
In seiner Zeitschrift »Arya« veröffentlichte Aurobindo 1920 einen Artikel mit dem Titel Der Übermensch. Aurobindo stellt dem Übermensch Nietzsches einen Menschen der »integralen Selbsttranszendenz« gegenüber, der »in Einheit mit aller Welt lebt und alle Dinge akzeptiert, um sie zu verwandeln.« Wichtig dabei sei es, die eigenen egoistischen Instinkte zu überwinden. Gelinge das, würde der transzendente Mensch die Gesetzmäßigkeit im Handeln der anderen Lebewesen erkennen und sie von innen heraus verstehen. Aus diesem Verständnis wachse dann Mitgefühl, weil er in ihnen auch einen Teil von sich selbst erkenne. Offen bleibt die Frage, wie das Zusammenleben zwischen »Übermenschen« und anderen Menschen funktionieren soll.
Rezeption von Aurobindos Werk
Die Nobelpreisträgerinnen Gabriela Mistral und Pearl S. Buck schlugen Sri Aurobindo 1950 für den Literatur-Nobelpreis vor und erklärten, Sri Aurobindo sei einer, "der zu der Familie der Seher und Weisen der Welt gehört."
Rabindranath Tagore schrieb nach einer Begegnung, Aurobindo habe "die Seele gesucht und gefunden". Er nannte ihn ferner einen "Hindu-Seher", und man warte darauf, das "Wort" von ihm zu empfangen.
Der französische Dichter Romain Rolland erklärte, Sri Aurobindo sei "der größte Interpret Indiens", der die vollkommenste Synthese realisiert habe, welche das Genie des Westens und des Ostens wohl überhaupt erreichen könne.
In einem Interview mit der Zeitschrift Auroville Today erklärte der Dalai Lama im Dezember 1994, die Atmosphäre seiner Begegnung mit der Mutter (1973) sei angenehm und bedeutungsvoll gewesen, er habe mit ihr über die Zukunft seines Landes gesprochen.
Über Auroville sagte er, die umfassenden Erfahrungen, die dort mit der Aufforstung gewonnen wurden, könnten vielleicht eines Tages auch für eine Hochgebirgsregion wie Ladakh oder ein künftiges Tibet genutzt werden.
Er würdigte den Gemeinschaftssinn und die Vision der Aurovillianer ebenso wie deren "klare Akzeptanz des Wertes spiritueller Dinge". Man habe eine gute Synthese von praktischem Fortschritt und von Spiritualität gefunden. Das Schulsystem in Auroville sei ein "wunderbares Experiment".
Quelle: Yoga Abenteuer Meditation - die besten Artikel aus internationalen Zeitschriften (ISBN 3-931172-09-0), S. 94-103
Werke
Auswahl an Werken Aurobindos
Titel in deutscher Sprache:
- Sri Aurobindo: Die Dichtung der Zukunft. (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-03-1
- Sri Aurobindo: Tagebuch einer Gefangenschaft. (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-12-0
- Sri Aurobindo: Über sich selbst. (Verlag Hinder und Deelmann)
Titel in englischer Sprache:
- Bases of Yoga, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-77-9
- Bhagavad Gita and Its Message, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-78-7
- Dictionary of Sri Aurobindo's Yoga, (compiled by M.P. Pandit), Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-74-4
- Essays on the Gita, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-18-7 (Essays über die Gita)
- The Future Evolution of Man, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-940985-55-1
- The Human Cycle: The Psychology of Social Development, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-44-6
- Hymns to the Mystic Fire, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-22-5
- The Ideal of Human Unity, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-43-8
- The Integral Yoga: Sri Aurobindo's Teaching and Method of Practice, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-76-0
- The Life Divine, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-61-2 (Das göttliche Leben)
- The Mind of Light, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-940985-70-5
- The Mother, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-79-5
- Rebirth and Karma, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-63-9
- Savitri: A Legend and a Symbol, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-80-9
- Secret of the Veda, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-19-5 (Das Geheimnis des Veda)
- Sri Aurobindo Primary Works Set 12 vol. US Edition, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-93-0
- Sri Aurobindo Selected Writings Software CD Rom, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-88-8
- The Synthesis of Yoga, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-65-5
- The Upanishads, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-914955-23-3
- Vedic Symbolism, Lotus Press, Twin Lakes, Wisconsin ISBN 0-941524-30-2
Literatur
- Richard Beiderbeck: Die Übermenschen von Pondicherry (Vergleich von Nietzsches Begriff mit den Vorstellungen vom Übermenschen bei Aurobindo, Mirra Alfassa, ihrem Schüler Bernard Enginger (genannt Satprem) und bei der Transzendentalen Meditation, John Humphrey Noyes und George Bernard Shaw)
- Jutta Ditfurth: Feuer in die Herzen. Gegen die Entwertung des Menschen. Konkret Literatur Verlag, Neuausgabe 1997, ISBN 3-89458-159-X
- Wilfried Huchzermeyer: Der Übermensch bei Friedrich Nietzsche und Sri Aurobindo.(Verlag Hinder und Deelmann) ISBN 3-87348-123-5
- Wilfried Huchzermeyer: Die Mutter - Eine Kurzbiographie. (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-18-X
- Michel Montecrossa: Mirapuri, Stadt des Friedens und des Zukunftsmenschen in Europa, Italien. Band 1: Grundlage im Werk von Sri Aurobindo und Mira Alfassa in der Zeit von 1872–1950. Mirapuri-Verlag, 2001, ISBN 3-922800-72-6
- Nirodbaran: Zwölf Jahre mit Sri Aurobindo. (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-02-3
- Nirodbaran: Gespräche mit Sri Aurobindo. Teil I-IV (edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-01-5
- Otto Wolff: Sri Aurobindo, Rowohlt, Reinbek 1988 (zuerst 1967), ISBN 3-499-50121-X
- Willers, Christiane: Die Aurobindo-Bewegung. Bestandsaufnahme und Strukturen in feldtheoretischer Perspektive. (Dissertation Univ. Tübingen 1987; Europäische Hochschulschriften 23/332) Lang, Frankfurt am Main (u.a.) 1988, ISBN 3-8204-1179-8
Weblinks
- Biografisches
- Biografien von Aurobindo Ghose (auch Sri Aurobindo genannt) [1] [2]
- Biografien von Mira Alfassa (auch bekannt als Mira Richard) [3] [4]
- Sri Aurobindo und Mira Alfassa - Die Mutter Biografie
- Werke
- Literatur
Personendaten | |
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NAME | Aurobindo, Śrī |
ALTERNATIVNAMEN | अरविन्द घोष |
KURZBESCHREIBUNG | indischer Philosoph und Guru |
GEBURTSDATUM | 15. August 1872 |
STERBEDATUM | 5. Dezember 1950 |