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Bürokratiewachstum

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Weshalb wächst die Bürokratie, d.h. die Staatsverwaltung? Dies ist eine der Fragen, denen sich die Finanzwissenschaft widmet. An der Stelle können zwei Modelle vorgestellt werden, die das Wachstum der Verwaltung (teilweise) zu erklären vermögen. Zume einen ist dies das Modell von Baumol (1967), zum anderen jenes von Niskanen (1971). Als drittes Erklärungsmodell kann man die Untersuchungen von Cyril Northcote Parkinson hinzuziehen.

Das Modell nach Baumol

In Baumols Konzeption ist das Bürokratiewachstum eine (natürliche) Folge von Strukturwandel und Produktivitätsunterschieden im privaten und im öffentlichen Sektor. Der Privatsektor - so Baumol - produziere kapitalintensive Industriegüter, während der öffentliche Sektor arbeitsintensive Dienstleistungen bereitstelle. Deshalb sei das Produktivitätswachstum im privaten Sektor grösser als in der Bürokratie. Somit kommt es zu einer relativen Verteuerung öffentlicher Dienstleistungen (der Relativpreis der öffentlichen Güter steigt). In dem Zusammenhang spricht man auch vom "unbalanced growth". Gleichzeitig aber steigen die Löhne in beiden Sektoren auf dasselbe Niveau, denn Lohnunterschiede würden zur Abwanderung von Arbeitskräften in den besser bezahlten Wirtschaftszweig führen. Somit erhellt sich, dass die Lohnkosten und insbesondere die Lohnstückkosten in der Bürokratie steigen, während sie im privaten Sektor konstant bleiben.

Baumols These kann kritisiert werden. Zum einen ist es teils fraglich, ob der private Sektor tatsächlich kapitalintensiv produziert. In den meisten hochentwickelten Länder trägt der (arbeitsintensive) Dienstleistungssektor einen überaus beachtlichen Teil zum BIP bei. Zum zweiten spricht die Forderung nach Lohngleichheit in sämtlichen Sektoren gegen dieses Modell. Wie allgemein bekannt sein dürfte, ist das natürlich nicht der Fall. Gerade die Lohnstruktur im öffentlichen Sektor unterscheidet sich von jener im privaten Sektor. Zudem ist es fraglich, ob die Wanderung von einem zum anderen Wirtschaftszweig dermaßen reibungslos vor sich geht (z.B. Umschulungen).

Dennoch: Baumol konnte mit seinem Ansatz eine plausible Erklärung für das Wachstum der Staatsverwaltung liefern. Selbst wenn man es vielseitig kritisieren mag, unter den gegebenen Voraussetzungen ist es in sich stimmig.

Das Modell nach Niskanen

Niskanen's Modell liegt ein wesentlich pessimistischeres Bild der Bürokratie zu Grunde. Wenn Baumol noch exogene Faktoren (Strukturwandel, Produktivitätsunterschiede) betrachtete, geht Niskannen davon aus, dass sich die Bürokraten am maximalen Eigennutzen orientieren. Um dies zu erhellen muss von einem herkömmlichen Nachfrage-Angebots-Modell ausgeganen werden. Im Schnittpunkt der beiden Kurven liegt die effiziente Menge an öffentlichen Gütern. Es gibt nun nach Niskanen drei Gründe, weshalb die Bürokratie diese wohlfahrtsoptimale Menge nicht oder nur unter gewissen Bedingungen bereitstellt.

  • Die Bürokratie maximiert ihren Nutzen, indem sie ihr Budget maximiert. Das führt zu einer Ausweitung des Angebots öffentlicher Güter über die wohlfahrtsoptimale Menge hinaus, nämlich bis zum sog. Niskanen-Punkt. Dort wird eine Menge bereitgestellt, die dem Parlament (dh. dem Volk) gerade noch einen minimalen Nutzen stiftet, sodass das Projekt angenommen wird. Da zwischen Bürokratie und Parlament eine Informationsasymmetrie besteht, weiss die Volksvertretung nicht, dass das eben bewilligte Budget nicht wohlfahrtsoptimal ist. Ein anschauliches Beispiel für die Einsichtigkeit dieses Arguments sind die Armeeausgaben. Die Verwaltung - i.d.R. das Verteidigungsministerium - beschafft regelmässig neue Kampfjets, Panzer, etc. mit dem Argument, die Sicherheit des Landes erfordere dies. In der Regel sind diese Budgets aber überdimensioniert und eine bescheidenere Anzahl Kampfjets würde die Sicherheit ebenfalls garantieren.
  • Eine zweite Möglichkeit der Nutzenmaximierung besteht für die Bürokratie in der Abschöpfung der Konsumentenrente durch gezielte Erhöhung der Fixkosten für ein Projekt. Dh. also, dass zwar eine wohlfahrtsoptimale Menge bereit gestellt wird, dies aber unter zu hohen Fixkosten. Bspw. könnte die Verwaltung zu Erfüllung ihrer Aufgaben angeben, diese oder jene "Luxusausstattung" an Produktionsfaktoren zu benötigen. Wiederum verhindert die eine Informationsasymmetrie die Kontrolle durch das Parlament. Überaus anschauliche Beispiele dieser Hypothese sind: die reich ausgeschmückten Regierungsgebäude, die luxuriösen Auto, die leicht höheren Löhne gegenüber dem Privatsektor, landesinterne Flugreisen, etc.
  • die letzte Möglichkeit besteht aus einer Kombination der beiden ersten. So bspw. kann die Bürokratie die Menge des öffentlichen Gutes leicht über das Wohlfahrtsoptimale aber nicht bis zum Niskanenpunkt anheben. Gleichzeitig wird ein wenige Rente abgeschöpft.

Siehe hierzu: X-Ineffizienz

Abschliessend sie bemerkt, dass Niskanens Modell durchaus kritisiert werden kann. So bspw. wird ein höheres Buget langfristig zu höheren Steuern führen, was natürlich unpopulär ist. Spätestens dann werden auch die parlamentarischen Abgeordneten nicht mehr jedes Budget absegnen. Es auch nicht zwingend, dass die Informationsasymmentrie zwischen Parlament und Verwaltung dermassen beträchtlich ist. Immerhin verfügen moderne Parlamente über Kommissionen, Fachausschüsse und in beschränkterem Umfang auch zu Expertenwissen. Ferner gibt es eine kritische Öffentlichkeit, in der Experten (z.B. Wissenschafter und Forscher) sehr gut in der Lage sind, überdimensionierte Projekte zu erkennen und dies entsprechend kritisch zu äussern. Letztlich ist auch die Annahme der Nutzenmaximierung mit neueren und neusten Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften nicht kompatibel.

Fazit: Niskanens Modell ist plausibel und mag wohl ein Stück weit das Wachstum der Bürokratie erklären. Jedoch kann/darf es nicht kritiklos hingenommen werden.

Das Modell nach Parkinson

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