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Schuldnerberatung

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Schuldnerberatung oder Schuldenberatung (SB) bezeichnet die Hilfestellung, die Menschen mit Schuldenproblemen in Form von Rat und Hilfe in psycho-sozialer, finanzieller und rechtlicher Hinsicht gewährt wird. Die Verbraucherzentralen der Bundesländer bezeichnen die Beratung aus Anlass von Schuldenproblemen als Schuldenberatung ähnlich den Begriffen Rentenberatung und Steuerberatung, bei denen das Sachgebiet und nicht der zu beratende Personenkreis zum Ausgangspunkt der Begriffsbildung genommen wird.

Ursachen für Schuldenprobleme natürlicher Personen

Die meisten ratsuchenden natürlichen Personen (Juristische Personen wie eine GmbH oder eine AG werden in SB-Stellen nicht beraten.) geraten in Folge eines sogenannten "kritischen Lebensereignisses" in eine beratungsbedürftige geldliche Situation, beispielsweise durch Verlust des regelmäßigen Einkommens durch Personal-Abbau oder Betriebs-Schließung oder durch Entzweiung einer Partnerschaft. Auch Kurzarbeit, ungeplante Schwangerschaft, Bürgschaften, eine fehlgeschlagene Baufinanzierung oder eine erfolglose Selbstständigkeit können ein solches kritisches Lebensereignis darstellen. Wenn dann die verschlechterte Einkommens-Situation nach Vorweg-Abzug des pfändungsrechtlich für den Lebensbedarf zu Belassenden die Erfüllung der Zahl-Pflichten (oft für ein betagtes Verbraucherdarlehen) nicht ermöglicht, ist zwar die Situation der Zahlungs-Unfähigkeit (Insolvenz) gegeben, nicht jedoch schon die Situation der verbraucher-insolvenzrechtlichen Überschuldung, die neuerdings vermehrt als Zahlungsüberpflichtung bezeichnet wird. Definitionsgemäß ist (nach den aktuellen Vorgaben der Insolvenzordnung) als zahlungsüberpflichtet anzusehen, wer als natürliche Person voraussichtlich nicht in der Lage ist, seine Schulden mit dem Veräußerungserlös seiner zwangsvollstreckungsrechtlich aktuell verwertbaren Vermögensgegenstände zuzüglich der pfändbaren Einkommens-Anteile der nächsten sechs Jahre vollständig zu tilgen. (Lewerenz) Bei einer solchen Sachlage ist die Beantragung der gerichtlichen Schuldenbefreiung nach den Vorschriften der Insolvenzordnung anzuraten.

Bei einem geringen Anteil der Beratungs-Fälle (etwa 10%) sind Schulden-Probleme auf die unzureichend ausgebildete Fähigkeit zurückzuführen, mit Geld umzugehen. Das Angebot des Handels, auf Darlehensbasis zu kaufen, bzw. der Banken, das Konto zu überziehen, verführt oftmals dazu, mehr Geld auszugeben, als eingenommen wird. Es ist natürlich schwieriger, die eigenen Lebenshaltungskosten zu erfassen als Kredite in Anspruch zu nehmen. Auch der bargeldlose Zahlungsverkehr ist eine Schuldenfalle. Da heutzutage das Konsumieren von Waren und Dienstleistungen mit dem Bezahlen meist nicht mehr zeitlich zusammenfällt (Gebührenrechnungen kommen erst einen Monat später, automatische Abbuchungen vom Konto) entsteht die Vorstellung, unbegrenzt über Geldreserven verfügen zu können. In diesen Fällen sind die betroffenen Menschen bei Lektüre der entsprechenden Abrechnungen (z.B. Handy-Rechnungen) sehr überrascht und reagieren dann zum Teil mit Verdrängung.

Arbeitsweise der Beratungsstellen

Gut entwickelte Schuldenberatungsstellen orientieren sich an einem ganzheitlichen Beratungskonzept, im besten Falle unter Einbindung von Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen, Psychologinnen, Betriebswirten, Ökotrophologinnen und Juristen. Vordringlichstes Ziel der Einzelberatung ist es zunächst, die elementaren Lebensbedürfnisse der ratsuchenden Menschen und ihrer Angehörigen (z. B. beheizbarer Wohnraum mit Kochgelegenheit, Strom und gesunde Lebensmittel) durch Ausschöpfung aller tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zeitnah abzusichern. Mittelfristig wird dann auch eine psycho-soziale Stabilisierung, die Aktivierung des Selbsthilfe-Potenzials und langfristig die Schuldenbefreiung angestrebt. In Deutschland ermöglichen die gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung ("InsO") zahlungsüberpflichteten Menschen die Beantragung der Eröffnung eines gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahrens. Dieses führt nach Ablauf einer sechsjährigen Treuhandzeit ("Wohlverhaltensperiode") zu einer Zahlungs-Entpflichtung durch Gerichts-Beschluss ("Restschuldbefreiung").

Gesetzliche Regelungen zur Verbraucher-Entschuldung

Die Zahlungsüberpflichtung von Menschen (insolvenzrechtliche Verbraucher-Überschuldung) hatte in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts so stark zugenommen, dass schließlich auch der BRD-Gesetzgeber sich veranlasst gesehen hat, neue gesetzliche Regelungen zum Zwecke der Verbraucher-Entschuldung einzuführen, um diese wieder marktfähig werden zu lassen. Schätzungen zufolge war in Deutschland im Jahre 2003 rund 10% der erwachsenen Bevölkerung als zahlungsüberpflichtet anzusehen. Die Höhe des pfändbaren Betrages ist in der gesetzlichen Zumutbarkeitstabelle ("Lohnpfändungstabelle") festgelegt, die als Anlage zu § 850 c der Zivilprozessordnung (ZPO) veröffentlicht ist. Die ab Juli 2005 geltende Tabelle weist kleinere Verbesserungen zu Gunsten der zahlungspflichtigen Personen auf. (Bundesgesetzblatt Teil I vom 8.März 2005, Seite 494)

Die vom Insolvenzgericht (meistens das Amtsgericht am Ort des örtlich zuständigen Landgerichts) bestimmte Treuhandstelle ("Treuhänder") verwertet im Insolvenzverfahren zunächst die noch vorhandenen Vermögensgegenstände und beansprucht während der insgesamt sechs Jahre langen Treuhandzeit die nach der gesetzlichen Zumutbarkeitstabelle ("Lohnpfändungstabelle") pfändbaren Anteile der Leistungen von Lohnleister ("Arbeitgeber") oder Lohnersatzleister (Arbeitsagentur, Krankenkasse oder Rententräger).

Das so Angesammelte wird dann von der Treuhandstelle ("Treuhänder") im Abstand von 12 Monaten nach Maßgabe der entsprechenden Vorschriften an die beteiligten Forderungspersonen (Gläubiger und Gläubigerinnen) verteilt.

Während der Treuhandzeit ist der betroffene Mensch verpflichtet, im Falle einer gegebenen Arbeitslosigkeit -in nachweisbarer Weise- ein angemessenes Erwerbseinkommen anzustreben. Im Falle eines Umzugs oder wenn Änderungen bei Lohnleister oder bei Lohnersatzleister (bei Krankengeld die Krankenkasse und bei Renten der Rententräger) eintreten, sind die jeweiligen neuen Verhältnisse der Treuhandstelle mitzuteilen. Auch Erbschaften oder Vermächtnisse ("Vermögens-Erwerb von Todes wegen") müssen der Treuhandstelle mitgeteilt werden, die dann die Hälfte des jeweiligen Vermögenwertes zu Gunsten der Forderungspersonen beansprucht. Bei Nicht-Einhaltung dieser Verpflichtungen ("Obliegenheitsverletzungen") kann das Insolvenzgericht die Zahlungs-Entpflichtung auf Antrag mindestens einer Forderungsperson (Gläubiger oder Gläubigerin) verweigern ("Versagung der Restschuldbefreiung").

Die insolvenzrechtliche Treuhandzeit ("Wohlverhaltensperiode") endet nach 72 Monaten mit Ablauf des Tages, der in seiner nach Monat und Tag gebildeten Zahl dem Tage entspricht, an welchem das gerichtliche Insolvenzverfahrens eröffnet wurde.

Kriterien für "seriöse" SB-Stellen

Schuldnerberatungsstellen galten bis vor Kurzem nur dann als seriös, wenn durch sie von den Ratsuchenden keinerlei Entgelt erhoben wurde. Nach inzwischen wohl mehrheitlicher Auffassung wird jedoch auch in solchen Beratungsstellen ernsthaft und den fachlichen Standards entsprechend gearbeitet, die sich wegen fehlender oder nicht ausreichender anderweitiger Finanzierung zu einer Gebühren-Erhebung entschließen mussten, um Personal-Abbau oder gar die Schließung zu vermeiden. In manchen Schuldnerberatungsstellen ist die kostenfreie Beratung auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Als empfehlenswert gelten grundsätzlich Beratungsstellen, die von Kommunen, Verbraucherzentralen, Wohlfahrtsverbänden oder diesen angeschlossenen Organisationen getragen werden.

Auskünfte über die Erreichbarkeit der jeweiligen nächsten Beratungsstelle erteilen die zuständigen Kommunalverwaltungen. Im Auftrag des Bundes-Familienministeriums bearbeitet die Redaktion des "Forum Schuldnerberatung" ein Verzeichnis von allen seriösen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland. Die Liste ist unter www.forum-schuldnerberatung.de oder unter www.ass-ma.de zu erreichen.

Seit einigen Jahren entstehen jedoch immer mehr SB-Stellen, die keine soziale Arbeit sondern -ähnlich wie Mietervereine oder Lohnsteuerhilfevereine- ausschließlich Resolvenz-Beratung als Sachberatung anbieten.(z.B. Resolvenz-Bund)

Im Jahre 2004 war die Hälfte aller Schuldnerberatungsstellen in Deutschland nur mit einer einzigen Beratungskraft besetzt, so dass oft Wartezeiten von unzumutbarer Dauer entstanden. Die Verknappung der öffentlichen Mittel, die großenteils auf die politisch gewollte Ermäßigung der Besteuerung von supra-nationalen Wirtschafts-Unternehmen zurückzuführen ist, wird von den politisch Verantwortlichen gerne für den weiteren Personal-Abbau im Bereich der SB zum Anlass genommen.