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Tschetschenien

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Tschetschenien
Flagge Tschetscheniens Staatswappen Tschetscheniens
(Details) (Details)
Datei:Karte Russland Tschetschenien.png
Lage in Russland
Staat: Russland
Föderationskreis: Südrussland
Fläche: 15.700 km²
Einwohner: 1.121.414 (1. Januar 2004)
Hauptstadt: Grosny
Bevölkerungsdichte: 71 Einwohner/km²
Kfz-Kennzeichen: 20


Tschetschenien (Eigenbezeichnung: Itschkeria, russisch Чеченская Республика Российской Федерации, Tschetschenskaja Respublika Rossijskoi Federazii) ist eine autonome Republik in Russland.


Lage

Tschetschenien liegt im Generalgouvernement Südrussland. Es grenzt im Süden an Georgien, im Osten an die autonome Republik Dagestan, im Westen an die autonome Republik Inguschetien und im Norden an die russische Region Stawropol.

Bevölkerung

Die Bevölkerung setzte sich bei der Volkszählung 2002 aus 1.031.647 (=93,47%) Tschetschenen, 40.645 (=3,68%) Russen sowie 8.883 (=0,80%) Kumyken zusammen. Die früher zahlreichen Minderheiten, darunter Inguschen, Kurden und Ukrainer, haben das Land in Folge der Bürgerkriege verlassen. Das Ergebnis von 1.103.686 Einwohnern anlässlich der Volkszählung ist allerdings heftig umstritten (erstaunlich hoch angesichts der vielen tschetschenischen Flüchtlinge in anderen Gebieten Russlands). 160.000 Tschetschenen sind seit 1994 durch russische Truppen ums Leben gekommen. Das sind rund 20 Prozent der tschetschenischen Bevölkerung. Die Sprache der Tschetschenen gehört zu den kaukasischen Sprachen, sie bekennen sich überwiegend zum sufistischen Islam.

Städte

Neben der Hauptstadt Grosny gibt es in Tschetschenien folgende größere Orte: Schali, Urus-Martan, Gudermes, Kurtschaloj und Argun.


Städte (Einwohner 1. Januar 2004)

Wirtschaft

Tschetschenien ist ein Agrarland. Es besitzt zudem rund 30 Millionen Tonnen Erdölvorräte. Früher gab es hier die unterirdische Schwermaschinenfabrik "Roter Hammer", wo unter anderem Panzer gebaut wurden. In den Tschetschenienkriegen seit 1990 sind alle Betriebe Tschetscheniens zerstört worden.

Geschichte

Zur früheren Geschichte: siehe auch Tschetschenen

Nachdem zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert unter georgischem Einfluss die Christianisierung erfolgt war, verbreitete sich im 16. Jahrhundert der Islam, so dass die Sufis heute die Mehrheit bilden.

Die russische Einflussnahme in Tschetschenien begann bereits im 16. Jahrhundert, als 1559 die Kosakenfestung Tarki gegründet und 1587 das erste Kosakenheer entstand. Zu dieser Zeit lebten die Tschetschenen allerdings noch im gebirgigen Südteil, die allmähliche Besiedlung der Ebenen im Norden erfolgte im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts. Nachdem sich bis 1801 die orthodoxen Georgien und Ossetien unter den Schutz Russlands vor den Osmanen stellten, wurde die Georgische Heerstraße gebaut, die nah an Tschetschenien vorbeiführe. Sie stellte die strategisch wichtigste Verbindung Russlands nach Transkaukasien dar, doch regelmäßige Überfälle seitens der noch sehr archaisch strukturierten Tschetschenen- und Inguschen-Stämme störten die wirtschaftliche Entwicklung beträchtlich und kosteten vielen Reisenden das Leben. Dies und andere Plünderungszüge in die Gouvernements Stawropol und Krasnodar, im Zuge derer große Teile der Bevölkerung als Sklaven verschleppt wurden, veranlaßten die Russen zu Strafexpeditionen, die in langen Kriegen mündeten.

Die Bergvölker widersetzten sich zäh. In den so genannten Muriden-Kriegen von 1834 bis 1859 wurden sie von dem legendären Imam Schamil, einem Dagestaner, angeführt. Nach dessen Gefangennahme 1859 dauerte es noch bis 1864, bis die russischen Offiziere das Land unter ihre Verwaltung gebracht hatten. Allerdings erstreckte sich ihre Macht nur auf die militärischen Stützpunkte entlang der Heerstraßen. In den Bergen leistete ein Teil der Bevölkerung immer wieder weiteren Widerstand. Während des türkisch-russischen Krieges 1877/78 erhoben sich die Kaukasier erneut gegen Russland. Dieser Aufstand wurde niedergeschlagen.

Die russische Besatzung löste eine Emigrationswelle aus, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts anhielt. Tausende von Kaukasiern ließen sich in der Türkei und anderen Ländern des vorderen Orients nieder. In den eingenommenen Städten und Dörfern wurden Kosaken und Armenier angesiedelt.

1921 wurde Tschetschenien Teil der Gorskaja autonome sozialistische Sowjetrepublik und 1922 autonomes Gebiet, das seinerseits Mitte der 30er Jahre zur tschetscheno-inguschischen ASSR zusammengelegt wurde.

Anfang der 40er Jahre erfolgte auch hier die Kollektivierung und mit Kriegsbeginn Deportationen, in deren Folge 1944 die ASSR aufgelöst wurde, was erst 1957 rückgängig gemacht wurde.

General Dschochar Dudajew wurde im Oktober 1991 zum Präsidenten gewählt und leistete den Amtseid auf den Koran. Aufgrund separatistischer Bestrebungen, insbesondere der am 27. November einseitig erklärten Souveränität der tschetscheno-inguschischen ASSR und dem Austritt aus der UdSSR, wurde der Ausnahmezustand über Tschetschenien verhängt. Truppen des Innenministeriums wurden zurückgeschlagen. Es erfolgte eine Trennung der Inguschen von Tschetschenien, worauf seitens Russlands ein umfangreicher Boykott Tschetscheniens eingeleitet wurde.

1993 kam es in Tschetschenien zu Konflikten zwischen Parlament und Dudajew. 1994 scheiterte ein letzter inner-tschetschenischer Umsturzversuch.

Erster Tschetschenienkrieg

Zum ersten Tschetschenienkrieg, der bis zum August 1996 andauerte, kam es am 11. Dezember 1994 mit der Invasion russischer Truppen. Nach einem erfolglosen Sturm Grosnys, jedoch auch der Tötung von Dudajew, schlossen die Russen, vertreten durch General Alexander Lebed einen Friedensvertrag mit Tschetschenien und zogen sich aus der Republik zurück.

1997 wurde Aslan Alijewitsch Mashadow bei Neuwahlen Präsident. Er konnte sich jedoch nicht gegen die immer stärker werdenden radikalen Gruppierungen behaupten, die von eingeströmten ausländischen, zumeist arabischen, Warlords ideologisch inspiriert, finanziert und teilweise angeführt wurden. Mit der Zeit ließ sich Maschadow immer mehr auf eine Kooperation mit ihnen ein. Am 21. Mai 1998 hatte eine wahabitische Gruppe versucht, das Dagestaner Regierungsgebäude zu stürmen. Ein Terroranschlag in der Hauptstadt der benachbarten russischen Republik Dagestan Machatschkala vom 4. September, bei dem 17 Personen ums Leben kamen, wurde ebenso den tschetschenischen Separatisten angelastet wie der Mord am als gemässigt geltenden Oberhaupt der Muslime Dagestans, Mufti Said Muhammad Abubakarow.

Zweiter Tschetschenienkrieg

Am 7. August 1999 marschierten wahhabitische Einheiten der Rebellenführer Schamil Bassajew und Ibn al-Chattab in Dagestan ein, um es einem islamisch-fundamentalistischen Kalifatstaat anzuschließen, der in Perpektive den ganzen Nordkauskasus umfassen sollte. Es kam zu schweren Gefechten mit der russischen Armee. Sowohl vor als auch nach dem Einfall in Dagestan hatte es andere Terroranschläge auf russischem Gebiet gegeben, insbesondere Wolgodonsk und Moskau. Bis Ende September 1999 wurden die tschetschenischen Einheiten aus Dagestan vertrieben.

1999 kündigte Wladimir Putin, damals im Amt des Premierministers, eine militärische Lösung des Tschetschenien-Konfliktes an, um es wieder unter die vollständige Kontrolle der russischen Zentralregierung zu stellen. Am 1. Oktober 1999 marschierte die russische Armee in Tschetschenien ein und begann mit einer breit angelegten so genannten 'Antiterror-Operation' den zweiten Tschetschenienkrieg mit dem Ziel der Zerschlagung des tschetschenisch-islamistischen Terrorismus.

Bei einer Geiselnahme in dem Moskauer Dubrowka-Theaterzentrum, bei der Aufführung des Stückes "Nord-Ost", am 23. Oktober 2002 nahmen tschetschenische Selbstmordattentäter unter Führung von Mowsar Barajew etwa 700 Geiseln und forderten von der russischen Regierung die Beendigung des Krieges und den sofortigen Abzug des russischen Militärs aus Tschetschenien. Bei der Befreiungsaktion durch Spezialeinheiten unter Einsatz von Betäubungsgas kamen 41 Terroristen sowie 129 Geiseln um.

Ein Bombenanschlag auf das tschetschenische Regierungsbegäude in Grosny am 27. Dezember 2002 forderte 72 Todesopfer.

Nach dem Krieg

2001 wurde der zweite Krieg von russischer Seite offiziell für beendet erklärt. De facto dauert er jedoch auch im Jahr 2005 noch an: es gibt täglich 20 bis 30 Überfälle.

Am 5. Oktober 2003 fanden in Tschetschenien Präsidentenwahlen statt, durch die Achmad Kadyrow, der Chef der Verwaltungsbehörde, Präsident wurde.

Die Wahl, zu der die OSZE nach offiziellen Angaben aus Sicherheitsgründen keine Beobachter entsandt hatte, wurde sowohl von westlichen Politikern und vom bisherigen, von Russland nicht anerkannten Präsidenten Maschadow, als Farce bezeichnet. Maschadow tauchte in den Untergrund ab und rief zum weiteren Kampf gegen die neue Regierung und gegen Russland auf.

Im Februar 2003 erließen die USA Sanktionen gegen tschetschenische Rebellengruppen und setzen sie auf ihre Liste terroristischer Organisationen, unter anderem infolge der Bombenattentate in Moskau. Ausserdem wurden verdächtige Bankkonten von den USA eingefroren. Bei einer Volksbefragung in Tschetschenien am 23. März 2003 stimmten laut offiziellem Ergebnis 95,5 % der Bevölkerung für den Verbleib in der Russischen Föderation.

Am 9. Mai 2004 wurde der tschetschenische Präsident Achmed Kadyrow bei einen Bombenanschlag getötet. Putin ernannte daraufhin den tschetschenischen Regierungschef Sergej Abramow zum provisorischen Präsidenten. Seit der Wahl im August 2004 ist Alu Dadaschewitsch Alchanow Präsident.

Nach einem Radiointerview des von Moskau nicht anerkannten Präsidenten Aslan Maschadow im Juni 2004 "Die Tschetschenen seien dabei, ihre Taktik zu ändern. Bislang haben wir uns auf Sabotageakte konzentriert, von nun an werden wir Großangriffe starten." Am 21. Juni 2004 griffen tschetschenische Rebellen die Nachbarrepublik Inguschetien an, bei dem nach Augenzeugen etwa 100 bis 200 schwer bewaffnete Rebellen mehrere Polizeistationen, Posten der Verkehrspolizei und eine Kaserne von Grenzsoldaten umringten und alle anwesenden Polizisten, Soldaten sowie Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft und des Inlandsgeheimdienstes FSB erschossen; dabei starben 47 russische Sicherheitskräfte, 28 Zivilisten, sowie der inguschetische Innenminister Abukar Kostojew.

Im August 2004 sprengten zwei tschetschenische Frauen zwei russische Tupolew-Passagiermaschinen mit etwa 90 Menschen an Bord. Am 1. September 2004 nahmen teilweise tschetschenische Terroristen in einer Schule in Beslan am ersten Schultag mehr als 1.200 Geiseln, darunter ein Großteil Kinder, um die Entlassung von in Inguschetien inhaftierten tschetschenischen Gesinnungsgenossen und den Abzug Russland aus Tschetschenien zu erwirken. Dabei kamen nach offiziellen Angaben 335 Geiseln ums Leben, sowie 3 Sicherheitskräfte und 30 Geiselnehmer. (Siehe auch: Geiselnahme von Beslan) Die Verantwortung für beide Terroranschläge übernahm der tschetschenische Rebellenführer (oder auch Warlord) Schamil Bassajew.

Am 8. März 2005 wurde Aslan Alijewitsch Mashadow bei einer Spezialoperation des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in der Ortschaft Tolstoj-Jurt getötet, nachdem er erst eine Woche zuvor erneut Gespräche zur Beilegung des Krieges angeboten hatte. Seine Leiche wurde im russischen Fernsehen öffentlich zu Schau gestellt. Seiner Familie wurde eine Beisetzung der Überreste nicht gestattet.

Gesellschaft für bedrohte Völker (gfbv) berichtet das mit 5.695 Personen in Tschetschenien im Jahr 2002 weltweit am meisten Menschen Opfer von Landminen geworden sind.

Siehe auch

Menschenrechte

Internationale Beobachter und Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen melden seit Beginn des Zweiten Tschetschenienkriegs immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen an der tschetschenischen Zivilbevölkerung und an Gefangenen der russischen Truppen in Tschetschenien. Obwohl seit 2003 mehrere Anklagen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gegen russische Truppenangehörige sowie verantwortliche Regierungsangehörige anhängig sind, ist der internationale Protest bisher ausgeblieben. Die Vorwürfe betreffen u.a. Massenvergewaltigungen und Folterungen. Der internationale Protest ist insbesondere zurückgegangen unter dem Eindruck der Geiselnahme von Beslan und nach dem Folterskandal von Abu Ghreib. Von russischer Seite hört man lediglich, man arbeite an dem Problem.

Vorlage:Verwaltungssubjekte Russlands