Wienerisch
Wienerisch ist ein ostmittelbairischer Dialekt, dessen Verwendung geographisch weitgehend auf die österreichische Hauptstadt Wien beschränkt ist. Schon im umliegenden Niederösterreich sind viele seiner Ausdrücke und Redewendungen nicht mehr gebräuchlich, weiter westlich werden sie oft gar nicht mehr verstanden.
Das Wienerische ist deutlich zu unterscheiden sowohl von der österreichischen Form der deutschen Hochsprache sowie anderen in Österreich gesprochenen Dialekten (siehe auch Sprachgebrauch in Österreich).
Während sowohl Grammatik als auch Phonetik des Wienerischen sich weitgehend an die der anderen bairischen Dialekte anlehnt (einige Abweichungen zum Hochdeutschen sind u. a. Vermeidung des Genitivs, Verwendung der Präposition ohne mit dem Dativ u.dgl.), weist vor allem der Wortschatz des Wienerischen dieses als deutlich eigenständigen Dialekt aus.
Die sprachweise äussert sich durch teilweise sehr gezogen ausgesprochenen Selbstlaute, meist am Satzende: Heeaasd, i bin do ned bleeed, wooos waaasn i wer des wooaar - als Redebeispiel. Wörtlich übertragen: Höre mich an, ich bin doch nicht dumm, was weiss den ich, wer das war. Sinngemäs: So hör mir doch zu: Ich weiss nicht, wer es war.
Das Wienerische bewahrt einerseits viele mittelhochdeutsche und teilweise auch althochdeutsche Wurzeln, andererseits hat es Ausdrücke aus vielen fremden Sprachen, vor allem aus dem Gebiet der ehemaligen k.u.k. Monarchie integriert. Wehle spricht in diesem Zusammenhang von Kühlschrank- respektive Schmelztiegelfunktion.
Die Transkription des Wienerischen ist nicht standardisiert, der Lautwert der Beispiele ist daher im Folgenden nur unvollkommen wiedergegeben.
Beispiele:
- aus dem Althochdeutschen: Zähnd (Zähne, von zand), Hemad (Hemd, von hemidi)
- aus dem Mittelhochdeutschen: Greißler ((kleiner) Lebensmittelhändler, von griuzel - Diminutiv von Gruz Korn), Baaz (schleimige Masse, von batzen klebrig/weich sein), si ohgfrettn (sich abmühen, von Gefrett, das; -s, Ärger, Mühe)
- aus dem Hebräischen und Jiddischen: Masl (Glück, von masol), Hawara (Freund/Gefährte, von chavver), Gannef (Gauner, von ganab)
- aus dem Tschechischen: Motschga (unappetitlicher Brei, von mocka Pfeifenrückstand oder macka Sosse, Suppe), Pfrnak ((große) Nase)
- aus dem Ungarischen: Maschekseitn (die andere Seite, von a másik), Gattihosn ((lange) Unterhose, von gatya Hose)
- aus dem Italienischen: Gspusi (Freundin, von sposa), Gstanzl (Strophe eines (Scherz-)Liedes, von stanza)
- aus dem Französischen: Trottoa (Gehsteig, von trottoir), Lawua (Waschschüssel, von lavoir), Loschi (von logis)
An Dichtern, die auf Wienerisch schreiben, sind vor allem Wolfgang Teuschl mit seiner Übertragung des Evangeliums ins Wienerische (Da Jesus und seine Hawara) und H.C. Artmann (med ana schwoazzn dintn) zu nennen.
In jüngster Zeit wurde allerdings das Wienerische zunehmend zu Gunsten des Hochdeutschen zurückgedrängt, es entwickelte sich ein Hochdeutsch mit typisch Wiener Akzent (z.B.: Was hast du denn für eine Note g'schrieben? Original Wienerisch müsste die Frage so lauten: Wos host den fir a Notn g'schriebn?). Grund dafür ist die durch Medien geprägte Einstellung, dass "Urwienerisch" dem Proletariat zuzusprechen ist. Mit weiter steigendem Lebensstandard könnte das ursprüngliche Wienerische, da es tendenziell als ein Ausdruck der Herkunft aus niederer sozialer Gesellschaftsschichten gilt, weiter zurückgehen, wobei dem Wienerischen eigene Wörter (z.B.: Zwutschgerl) jedoch zur Zeit weiterhin allgemein im Gebrauch stehen.
Typische Worte und Redewendungen
- Heast, heasd Oida = Hörst du?, hörst du Alter? Meist vor Satzbeginn als Anrede.
- Wuchtldrucker = Lügner
- Schmähtandler = Scherzkeks
- Bsoffener = stark Betrunkener
- B'suff = Alkoholiker
- deppert = dumm, aber auch anderer Meinung sein
- Gscherter = Einer vom Land (jedoch in der Provinz das Gegenteil bedeutend) (wörtlich: Gescherter/Geschorener, also Kurzhaariger)
- Giftler = Drogensüchtiger
- Gfüder = Korpulenter (wörtlich: Gefüllter)
- G'stopfter = Mann mit viel Geld
- Blitzgneisser = jemand, der schnell versteht (immer ironisch gemeint!)
- Bangl reissn, Oarsch aufstön = sterben
- Bongadn, Gschroppn = die Kinder
- Pflostahirschn = Ausdruck für die soziale Oberschicht, auch für Bewohner der inneren Bezirke Wiens
- Betonbongader = Sturschädel
- Fallot = Gauner, Betrüger
- Dünngschöchter = dumme Person
- Geh wusch, Öha = Hoppala!
- stampern = weg jagen
- rean, wana, blazn = weinen
- Kiddl = Rock (das Bekleidungsstück)
- Proda (Prater) = Vergnügungspark inmitten Wiens, auch Ausdruck für protzige Armband- oder Taschenuhr
- vasetzn = versteigern, ins Pfandleihhaus bringen
- Postn = Anstellung, meist im Verwaltungsbereich als Beamter gemeint
- Hockn = Anstellung, meist in Handwerksbetrieben, auch Ausdruck für viel Arbeit, auch als Prostituierte tätig sein ("in die Hockn geh´")
- daunehaun = wegwerfen
- Gretzn = ungezogenes, auch vorlautes Kind (auch für Hautausschlag verwendet)
- Trutschn = Schimpfwort für eine Frau, die meist hochnäsig, arrogant oder dominant ist
- hutschn = schaukeln (Kinder wiegen)
- Tschopperl = hilfbedürftige person
- ratschn, trotschn = reden, schnattern
- Eiskostn (Eiskasten) = Kühlschrank
- schaasaugad = teilweise sehbehindert (Schaas=Flatulenz)
- Tschusch = Ausländer (bevorzugt für Menschen aus dem ehemaligem Jugoslawien)
- Piefke = Deutscher, der den Klischees über Deutsche entspricht
- Weh = hilfsbereiter, aber sich ausgenützt vorkommender Mensch
- Semmerl, Weckerl = kleines Brötchen
- Bahöö = Aufstand, Kritik.
- Ramassuri oder Remassuri = Durcheinander
- Owezahrer = Nichtstuer
- Sackerl = Tüte, Kunststoff-Tragtasche
- leiwand = super, cool, gut (z.B. 's Festl war leiwand = Das Fest war super)
Es gibt aber auch Ausdrücke, die noch das unterwürfige aus der k.k.-Zeit herrühren.
- Gschamstadina = Gehorsamster Diener
- Küss d' Hand = Küss die Hand
Typische Wiener Maßeinheiten und Wegangaben
- A brada Weg (Ein breiter Weg) = gemeint ist ein langer Weg.
- A bissl = Ein wenig. Gilt meist als sehr viel. Auch gerne für entweder/oder-auskünfte gebraucht: a bissi schwanger
- Um Heisa daneben (um Häuser daneben) = Weit gefehlt.
- botzn Auto = ein 'Patzen' Auto
- viere = nach vor.
- zruck = zurück.
- umme = hinüber. (ummegehn = hinübergehen)
- umma = herüber.
- eini = hinein.
- eina = herein.
- aussi = hinaus.
- aussa = heraus.
- kilo = bei Geldbeträgen wird die Vorsilbe "Kilo" im Wienerischen - entgegen der Erwartung - nicht für -tausend sondern für -hundert verwendet!
also wichtig: fragt jemand nach "zwaa Kilo", will er 200,- Euro, und nicht 2000,- Euro!!!
Ein Beispiel: Der Wiener spricht: I bin an hoibn tog ummadumgrennt, woar in hundert Gschäftn und hob nix gfund`n aussa zwaa sackln. (Ich bin einen halben Tag umhergelaufen, war in hundert Geschäften, und habe nichts gefunden ausser zwei Sakkos). Das Interessante an diesem Beispiel ist die Übertreibung und Negierung der Aussagen, was den typischen wiener Dialekt ausmacht.
Siehe auch
Literatur
- Peter Wehle, Sprechen Sie Wienerisch?, Wien, Heidelberg, Ueberreuter 1980, ISBN 3-8000-3165-5