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Schlossmühle (Heidesheim)

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Vorlage:Infobox Ort in Deutschland

Heidesheim am Rhein ist eine Ortsgemeinde in Rheinhessen.

Geografie

Ausdehnung des Stadtgebiets

Heidesheim ist eine der größten Gemeinden in Rheinhessen und Verwaltungssitz der Verbandsgemeinde Heidesheim, welche noch die Gemeinde Wackernheim mit einschließt.

Stadtgliederung

Heidesheim gliedert sich in die Ortsteile

  • Heidesheim,
  • Heidenfahrt und
  • Uhlerborn.

Nachbargemeinden

Folgende Städte und Gemeinden grenzen an die Verbandsgemeinde Heidesheim, sie werden im Uhrzeigersinn beginnend im Norden genannt:

Geschichte

Heidesheim am Rhein geht auf eine Ansiedlung zurück, die sich in fränkischer Zeit um die nördlich des heutigen Ortskerns gelegene Sankt Georgskapelle bildete. Ihr Name soll von dem Hof eines Adligen namens Heisino herrühren. Der Ort wird als Heisinisheim bzw. Hasinisheim erstmals in Schenkungen an das Koster Lorsch genannt, deren erste aus dem Jahr 762 zu stammen vorgibt, in Wirklichkeit aber erst im September der Jahre 765 bis 768 erfolgt sein kann. Die früheste gesicherte Datierung lautet auf den 5. Juli 768. Insgesamt verzeichnet der Codex Laureshamensis in Heidesheim zwischen 765 (?) und 794 zehn Stiftungen für das Kloster Lorsch, von denen allerdings keine in späteren Urkunden auftaucht, was vermuten lässt, dass Lorsch seine Heidesheimer Besitzungen bereits eingetauscht oder abgestoßen hatte, als der Codex in den Jahren 1183 bis 1195 zu Pergament gebracht wurde.

Breitere urkundliche Überlieferung zu Heidesheim setzt erst um 1150 ein. Zu jener Zeit verfügte Kloster Altmünster zu Mainz in der Gemeinde über ausgedehnten Grundbesitz. Woher dieser stammte, muß bis auf weiteres offen bleiben.

Politik

Gemeinderat

Der Gemeinderat aus Heidesheim am Rhein setzt sich aus 21 Ratsfrauen und Ratsherren zusammen, einschließlich des nebenamtlichen Bürgermeister.

CDU SPD FDP FW Gesamt
2004 9 9 2 1 21 Sitze

(Stand: Kommunalwahl am 13. Juni 2004)

Wappen

Blasonierung: In Rot geviert von einem silbernen Kreuz ein silbernes Rad.

Städtepartnerschaften

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Bauwerke

St. Georgskapelle

Antike und Mittelalter

Die St. Georgskapelle - im Norden von Heidesheim zwischen Bahnlinie und Autobahn von Mainz nach Koblenz in Obstgärten gelegen - ist in dem vollständig erhaltenen Raum einer römischen villa rustica eingerichtet..., von dem heute noch ... zwei Wände bis unters Dach, zum Teil mit originaler Fugenbemalung außen und Wandputz innen, erhalten sind.[1] Ihre rund 1500 Jahre umfassende Baugeschichte brachte es mit sich, dass man die Anfänge nur sehr allmählich aufdeckte: Lange suchte man sie – nicht zuletzt wegen des Patroziniums des Bischofs Sidonius – in fränkischer Zeit.[2] Neueren Untersuchungen zufolge darf man in ihr eine spätantike Landkirche des Bischofs von Mainz vermuten, das sich nicht zuletzt ihretwegen als ein besonders lebendiges Zentrum römisch-christlicher Tradition zu erkennen gibt.[3] Die Kapelle kann daher ... als ältester überkommener Sakralbau Rheinhessens gelten.[4]

Nach 650 ließen sich um die St. Georgskapelle fränkische Siedler nieder. Von ihnen zeugt ein Gräberfeld, das im Süden des Baus liegt und nur teilweise ergraben ist.[5] Ihre Nachfahren erweiterten die Kapelle an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert um eine Apsis; damals wurden die erhaltenen Triumphbogenkämpfer eingebaut.[6] Weitere Umbauten erfolgten um 1200 - aus dieser Zeit stammt die Weiheinschrift im Sturz über der zugemauerten Türe der Südfassade: + GEWEIHT AM 23. APRIL +, dem Tag des hl. Georg.[7] Gerne wüßte man, in welchem Jahr. Zu dieser Zeit war die St. Georgskapelle Pfarrkirche der Gemeinde.

Aus dem Mittelalter ist nur eine Urkunde bekannt, in der die St. Georgskapelle erwähnt wird. Sie stammt vom 23. Dezember 1278, aus der Überlieferung von Kloster Eberbach und stellt unter Berufung auf ein Privileg Papst Alexanders III. fest, daß Eberbach dem Erkenbold - Pfarrer der Kirche des hl. Georg in Heisensheim - vom Sandhof keinen Zehnten schuldet.[8] Ansonsten hatten St. Georg und seine Pfarrer Anspruch auf ein Viertel aller in Heidesheim anfallenden Zehnten.

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zog sich die Siedlung aus der Rheinebene allmählich nach Süden an den Hang des Dingbergs zurück, wo Kloster Altmünster, dem die Patronatsrechte in Heidesheim zustanden, einen Vorgängerbau der heutigen Pfarrkirche St. Philipp und Jakob errichtete. Damit büsste die St. Georgskapelle ihre Stellung als Pfarrkirche ein. Nur wenige Jahre zuvor hatte man ihre Apsis durch einen gerade geschlossenen Chor ersetzt. Daß die Heidesheimer sie weiterhin in Ehren hielten, geht aus umfangreichen Umbauten hervor, die in das ... und 15. Jahrhundert fallen. Dass schon damals Wallfahrten einsetzten, legen spätere Nachrichten nahe.

Neuzeit

Nach dem Dreissigjährigen Krieg finden wir die St. Georgskapelle im Besitz des ..., der damals den Besitz seines Hauses ... Er erwarb sie offenbar - des Zehnten wegen - von Kloster Altmünster, das zu dieser Zeit - wie fast immer - in Geldnöten war. Jedenfalls wurde der Unterhalt des Pfarrers fortan vom Koster bestritten, was dessen finanzielle Lage alles andere als aufbesserte. Davon geben anhaltende Klagen beredte Kunde. ... ließ die im Dreißigjährigen Krieg niedergebrannte Kapelle ...

Severus

Die Heidesheimer bewahrten der St. Georgskapelle über die Jahrhunderte eine bemerkenswerte Anhänglichkeit: ... Die Wallfahrten waren längst verboten. Und damit rückte die St. Georgskapelle an den Rand der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Dass der St. Georgskapelle unter Heidesheims Altertümern der erste Platz gebührt, stand keineswegs immer außer Zweifel. Jedenfalls sucht man sie in dem legendären Handbuch von Altmeister Georg Dehio aus dem Jahr 1911 vergebens.[9] Auch in der von Ernst Gall besorgten Neubearbeitung fehlt sie.[10] Erst in der dritten Ausgabe aus dem Jahr 1972 findet man eine Würdigung.[11]

Wird fortgesetzt.

Einzelnachweise:

  1. Franz Staab, Heidentum und Christentum in der Germania Prima zwischen Antike und Mittelalter, in: Drs., Hrsg., Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein, Sigmaringen 1994 (= Oberrheinische Studien, Bd. 11), S. 117-152 bes. S.134.
  2. Fritz V. Arens, Heidesheimer Kunstdenkmäler, in: Mitteilungsblatt zur rheinhessischen Landeskunde 4 (1955) S. ??-?? bes. S. 128; Rita Otto, Zur Datierung der Kirche des hl. Georg in Heidesheim, in: Heimat-Jahrbuch Landkreis Bingen 13 (1969) S. 36-39.
  3. Staab (wie Anm. 4) S. 134. Die dort in Anm. 92 angekündigte Publikation von Gerd Rupprecht ist - soweit ich sehe - nicht erschienen.
  4. Dieter Krienke, Bearb., Kreis Mainz-Bingen. Städte Bingen und Ingelheim, Gemeinde Budenheim, Verbandsgemeinden Gau-Algesheim, Heidesheim, Rhein-Nahe und Sprendlingen-Gensingen, Worms 2007 (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Bd. 18.1) S. 323 f. bes. S. 323.
  5. ...
  6. Vgl. die Kämpfer der Saalkirche in Nieder-Ingelheim.
  7. ...
  8. Karl Rossel, Hrsg., Urkundenbuch der Abtei Eberbach, Bd. 2, Wiesbaden 1870, S. ??? Nr. ???.
  9. Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bd. 4: Südwestdeutschland. Im Anhang Elsaß-Lothringen und die Deutsche Schweiz, 2. Aufl. Berlin 1926, S. 133.
  10. Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, neu bearb. v. Ernst Gall, Pfalz und Rheinhessen, bearb. unter Mitwirkung von Fritz V. Arens u.a., 2. Aufl. München und Berlin 1961, S. 57 f.
  11. Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Rheinland-Pfalz/Saarland, bearb. von Hans Caspary, Wolfgang Götz und Ekkart Klinge, München und Berlin 1972, S. 295.

Die Schlossmühle

Die Herren von Winterau, von Stockheim und von der Leyen (1317-1793)

Die Schlossmühle liegt am südwestlichen Ortsrand von Heidesheim, am Fuß der Flur Sommerau. Dort besaß Ritter Werner von Winterau Land, das er in seinem Testament vom 16. August 1317 seinen Söhnen hinterließ.[1] Ernst Krebs hat vermutet, dass auf dem Gelände der Schlossmühle ein Hof stand, von dem aus Werner das Land bewirtschaftete. Das er 1209 von dort in die Burg Windeck zog, stimmt nicht.[2]

Am 27. Oktober 1577 verkaufte Hans Georg von Bicken († 1608) das Areal der Schlossmühle an Heinrich von Stockheim († 1588).[3] Hans Georg von Bicken war Kurfürstlich Mainzer Vitztum im Rheingau und Vogt des Mainzer Klosters Altmünster in Heidesheim; Heinrich von Stockheim war Domsänger zu Mainz, Propst des dortigen Stifts St. Alban und Kurfürstlicher Amtmann in Heidesheim.

In der Folge ließ Heinrich von Stockheim an Stelle eines einfachen Mühlengebäudes den bis heute erhaltenen Renaissancebau und den angrenzenden Kapellenturm errichten. Sie dienten ihm als Amtssitz und Wohnung. Zugleich beherbergte das Hauptgebäude eine Mühle, die mit umliegenden Scheunen und Stallungen den wirtschaftlichen Mittelpunkt ausgedehnter Ländereien und reicher Einkünfte bildete, die Heinrich von Stockheim ab 1565 in Heidesheim erwarb.

In einer Beschreibung der Gemeinde, die ein Heidesheimer Pfarrer zwischen 1667 und 1677 abgefasst hat und die sich in der Dioecesis Moguntina des Johann Sebastian Severus († 1797) findet, heisst es über die Schlossmühle: "Im übrigen wird eine bedeutende Mühle gerühmt - mit einem grossen Haus, Scheunen und Ställen, Gärten und anderem Zubehör. Sie wirde 1577 von einem Angehörigen der Familie Stockheim errichtet, der Domkantor in Mainz und Amtmann des Dorfes war.[4]

Die Schlossmühle blieb im Besitz der Erben Heinrich von Stockheims, bis Kurt von Lützow und sein Sohn Ernst Christoph am 28. September 1677 das Stockheimische Wohnhaus samt Zubehör, Besitz und Einkünften in Heidesheim, Framersheim, Gau-Bickelheim und Selzen (bei Alzey) an den Mainzer Kurfürsten Damian Hartard von der Leyen († 1678) und seine Erben verkauften.[5] Danach befand sich das Anwesen über 100 Jahre lang im Eigentum der Herren, ab 1711 Grafen von der Leyen, die ihren ausgedehnten Streubesitz an Mosel und Rhein zunächst von Koblenz und ab 1773 von Blieskastel (Saarpfalz-Kreis) aus verwalteten und die Schlossmühle in Erbpacht vergaben. Aufschlüsse über die Zeit von 1677 bis 1793 versprechen die Bestände des Archivs der (ab 1806) Fürsten von der Leyen, die 1995 in das rheinland-pfälzische Landeshauptarchiv Koblenz gelangten und bisher nur zum Teil erschlossen sind.[6]

Einzelnachweise:

  1. Karl Rossel, Hrsg., Urkundenbuch der Abtei Eberbach, Bd. 2, Wiesbaden 1870, S. 665 Nr. 793.
  2. Ernst Krebs, Zur Geschichte von Heidesheim, in: Männer-Gesang-Verein Einigkeit Heidesheim, Hrsg., Festschrift zur Fahnenweihe verbunden mit Wertungssingen am 4., 5. und 6. Juli 1925, Gau-Algesheim o.J. (1925) S. 5-33 bes. S. 25.
  3. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Bestand A 2 Nr. 84/42.
  4. Johann Sebastian Severus, Dioecesis Moguntina, im Stadtarchiv Mainz, Signatur H.B.A. I 50, vol. III: Capitula ruralia Algesheim bis Lohr, fol. 2r: "Caeterum insigne molendinum cum grandi domo, areis et stabulis, hortis aliisque anno 1577 per quendam e familia Stockheimiana, cantorem Moguntinum et huius loci postulatum satrapam, constructum celebratur."
  5. Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Bestand A 2 Nr. 84/72-75.
  6. Anja Ostrowitzki, Bearb., Inventar der Akten und Amtsbücher des Archivs der Fürsten von der Leyen im Landeshauptarchiv Koblenz, Koblenz 2004 (= Veröffentlichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 102).
Das dunkle 19. Jahrhundert, August und Elisabeth Krebs, Michael und Maria Schön, Karl und Luise Schmidt (1793-1920)

Vom Ende des 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wirft die Besitzgeschichte der Heidesheimer Schlossmühle mehr Fragen auf, als sie beantwortet: Am 21. Oktober 1793 besetzten französische Revolutionstruppen Kurmainz; am 4. November 1797 annektierte Frankreich das linke Rheinufer; am 9. Februar 1801 trat das Deutsche Reich das Gebiet im Frieden von Lunéville an Frankreich ab. Der Besitz von Adel und Kirche wurde zu Gunsten des französischen Staates eingezogen und öffentlich versteigert. Falls die Schlossmühle diesem Schicksal entging, wurde sie am 25. Juni 1804 von Napoleon dem Grafen Philipp Franz von der Leyen († 1829) zurückerstattet und von diesem in der Folge verkauft – spätestens vor 1820, als sich der Fürst von seinen letzten Besitzungen am mittleren Rhein trennte, um wenige Jahre später Schloss Waal (Kreis Ostallgäu) zu erwerben.

Dürften auch für die Wirren der Französischen Revolution und für die Zeit Napoleons nähere Auskünfte im Archiv der Fürsten von der Leyen (siehe oben) bereitliegen, so sind für die Jahrzehnte danach zur Schlossmühle keine Nachrichten in Sicht. Zwar bietet der Heidesheimer Katasterplan aus den Jahren 1841 bis 1843 einen maßstabgetreuen Aufriss des Anwesens, einen Besitzer verzeichnet er nicht. Das Grundbuch der Gemeinde hält unter dem 26. Juli 1865 fest, dass der Gutsbesitzer August Krebs († 1905 ?) und seine Ehefrau Elisabeth, geborene Schmahl, die Schlossmühle durch Tausch erwarben – von wem verschweigt es.

August Krebs betrieb auf dem Gelände neben Landwirtschaft drei Mühlen: eine Schneid- bzw. Holzmühle, die wahrscheinlich in der im Südwesten unmittelbar an das Areal grenzenden Praumenmühle untergebracht war, eine Mahl- oder Getreidemühle, die zweifellos das Hauptgebäude beherbergte, und eine Ölschlägerei bzw. Ölmühle, die vielleicht in dem kleinen Bruchsteinbau zu suchen ist, der sich im Norden an die westliche Umfassungsmauer des Anwesens lehnt und aus der Zeit vor 1841/1843 stammt. Als mit dem Ausbau der Dampfmühle J. Schmitt in Mainz in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts die traditionellen Wassermühlen der Gegend nach und nach unrentabel wurden, schlossen auch die Mühlen des August Krebs. Wahrscheinlich wurde der Betrieb bei seinem Tod eingestellt.

Am 17. Juni 1918 verkauften die Erben von August Krebs die Schlossmühle für 48.000,00 Papiermark bzw. 38.400,00 Goldmark an den Wiesbadener Ingenieur Michael Schön und dessen Ehefrau Maria Susanna, geborene Zahn. Die reichten das Anwesen nur ein Jahr später, am 25. Juni 1919, für 62.500,00 Papiermark oder 19.437,50 Goldmark an den Wiesbadener Maler- und Tünchermeister Karl Schmidt und seine Ehefrau Luise, geborene Krüger, weiter, die das ziemlich marode Gebäude mit einem neuen Anstrich versahen und es wiederum ein knappes Jahr später - am 7. Mai 1920 - für 180.000,00 Papiermark bzw. 15.822,00 Goldmark an den Wiesbadener Hofapotheker Max Holländer veräußerten.

Die Preise, die Michael Schön und Karl Schmidt für die Schlossmühle zahlten und erlösten, sprechen dafür, dass sie das Anwesen am Ende des Ersten Weltkriegs zur Flucht in Sachwerte oder zur Spekulation nutzten. Beide trafen keine Anstalten, ihren Wohnsitz nach Heidesheim zu verlegen, und vermieteten das Gebäude. Nicht so Max Holländer; ihn bewogen gesundheitliche Gründe, das Wiesbadener Klima zu fliehen und mit seiner Frau in die Schlossmühle zu ziehen. An Vermögen herrschte offensichtlich kein Mangel.

Max und Johanna Holländer (1920-1938)

In den Jahren nach 1920 haben Max und Johanna Holländer die abgewirtschaftete Schlossmühle zu einem wahren Juwel gestaltet. 1934 berichtete Nikolaus Haupt im Nachrichtenblatt der Gemeinde über die Renovierung: „Sie wurde ausgeführt von den gewaltigen Kellergewölben mit den stellenweise über zwei Meter starken Fundamenten bis zum Dachboden und es wurde in durchgreifender Weise gearbeitet. Von dem dreibödigen Speicher wurde der untere Boden noch zu Wohnräumen ausgebaut. Die bedeutenden Arbeiten wurden fast ganz von Heidesheimer Geschäftsleuten ausgeführt. In der Hauptsache handelt es sich um kunstvolle Wand- und Deckenverkleidungen, welche dem Charakter des Gebäudes entsprechend hergestellt sind und schon viele Beachtung und Anerkennung von Fachleuten gefunden haben. Die Arbeiten sind ein ehrendes Zeugnis für Können und Leistung des ehemaligen Kunstgewerbeschülers und jetzigen Schreinermeisters Peter Schlitz dahier.

Im linken Seitenflügel neben dem Eingang des Hauptgebäudes befindet sich die frühere Schloßkapelle, ein rechteckiger Raum mit zwei zierlichen Kreuzgewölben, in der Mitte auf einer Säule ruhend. Auch diese beabsichtigt der Besitzer im Sinne ihrer früheren Zweckbestimmung herstellen zu lassen. Das Anwesen stellt so in seiner Gesamtheit durch die Renovation und pflegliche Behandlung ein bedeutendes Wertstück innerhalb der Gemeinde Heidesheim dar.“

Als Max Holländer 1938 einsehen musste, dass er als Jude nicht länger in Deutschland bleiben konnte, annoncierte er: „Sofort verkäufliche Schloßbesitzung am Rhein, Nähe Mainz! Renaissance-Bau unter Naturschutz! Liebhaberobjekt! Seltenheitswert! Das Besitztum, etwa 5 Wegminuten von der Bahnstation - Strecke Basel-Holland, Frankfurt-Paris - entfernt, bildet ein abgeschlossenes Ganzes in einem Plan, vollkommen eingefriedet, und umfaßt über 11.000 qm Hofraum, bebaute Fläche, Obst- und Gemüsegarten (Edelobst, Mandelbäume, Edelkastanien), 2 Treibhäuser, die von der Heizung des Hauses versorgt werden. Das Anwesen wird von eigener Quelle durchflossen, so daß der Garten mit eigenem Wasser bewässert wird. Die Quelle kann außerdem zur elektrischen Krafterzeugung ausgenützt werden.

Das Schloß, ein Renaissance-Bau aus der Zeit um 1160, in verputztem Bruchstein mit gequaderten Ecken, steilem Schieferdach und hohen Renaissance-Giebeln, enthält folgendes: Im Kellergeschoß: gewölbte Vorratskeller, Weinkeller, Heizungskeller mit Kokskeller (Warmwasserheizung); im Erdgeschoß: Diele, Empfangszimmer, 4 geräumige Zimmer, 2 Mädchenzimmer, anschließend Bad für Hausangestellte, W.C.; im I. Stock: 4 geräumige Wohnzimmer, 2 Küchenräume, 1 Plättstube, W.C.; im II. Stock: 5 geräumige Wohn- und Schlafzimmer, Bad, W.C.; im Dachgeschoß: Bodenraum (Gebälk aus schwerem Eichenholz); 1 Nebengebäude enthält: Waschküche, Gärtnerwohnung, Lagerboden; 1 Stallgebäude enthält: Stall (für Pferde und Rindvieh, Schweine), Garage, Heuboden; 1 weiteres Nebengebäude enthält: Hühnerstall, Geräteraum. - Elektrische Beleuchtung, Gas, Kanalisation, Bad, in den Zimmern fließend Warm- und Kaltwasser, Heizung, Telephon, Radio vorhanden.

Von hohem künstlerischen und historischen Wert ist die geschmackvolle und dem Baustil des Schlosses angepaßte Innenausstattung der einzelnen Räume mit Wand- und Deckenverkleidungen aus Holz, teilweiser Samtbespannung der Zimmerwände, sowie die stilechte und der Eigenart des Hauses angepaßte Möblierung der einzelnen Zimmer. Mit viel künstlerischem Geschmack und feinstem Stilgefühl hat der Besitzer das Anwesen ausgestattet. Wunderbare Meister-Gemälde, viel echte Teppiche und anderes mehr vervollständigen das Gesamtbild dieser Besitzung, deren Einzigartigkeit und kulturhistorischer Wert gekennzeichnet ist durch die Tatsache, daß das Schloß unter Naturschutz gestellt wurde...

Doch nicht genug damit, dass Max und Johanna Holländer das Heidesheimer Handwerk in wirtschaftlich schwieriger Zeit mit Aufträgen versorgten; auch sonst erwiesen sie sich der Gemeinde gegenüber großzügig: So ließ Max Holländer – wenngleich nicht ganz selbstlos – auf eigene Kosten die Grabenstraße pflastern, auf der ihn sein Chauffeur jeden Morgen nach Wiesbaden und am Abend zurück fuhr. Und in der Weihnachtszeit ging Johanna Holländer mit einem Korb am Arm die Grabenstraße hinunter, um die Kinder zu bescheren. Ältere Mitbürger erinnern sich heute: „Eine herzensgute Frau!“ Um so härter mussten die Zumutungen das Ehepaar treffen, die ihnen als Juden seit 1933 widerfuhren:

Nach dem Zweiten Weltkrieg berichtete Johanna Holländer, dass die Binger Gestapo bereits im Mai 1933 von ihrem Mann und ihr Geld erpresste. Einen Monat später verhaftete der Bürgermeister von Heidesheim Max Holländer, den sein Fahrer denunziert hatte, und überstellte ihn in das Konzentrationslager Osthofen. Nach einigen Wochen wurde er ins dortige Gefängnis verlegt, wo auch seine Frau einsaß. Nach fast zehn Wochen wurde den beiden erlaubt, sich unter Polizeiaufsicht in ein Sanatorium nach Bad Nauheim zu begeben. Ende September 1933 sprach das Landgericht Mainz das Ehepaar frei.

Ab dem 1. April 1934 wohnten Max und Johanna Holländer wieder in der Schlossmühle. Doch die Schikanen der Gemeindeverwaltung nahmen beständig zu. 1938 wollte das Ehepaar das Anwesen offenbar verkaufen (siehe oben) – zu spät. Am 10. November 1938 – Max und Johanna Holländer saßen auf gepackten Koffern – verschafften Gestapo und Amtsdiener der Gemeinde sich gewaltsam Zutritt zur Schlossmühle, verhafteten Max Holländer und brachten ihn aufs Rathaus. Dort zwangen Bürgermeister, Gemeinderat und Notar ihn unter Drohungen, seinen gesamten Besitz in Heidesheim der Gemeinde zu schenken.

Gleichzeitig musste das Ehepaar Holländer sich in Heidesheim abmelden und mit dem nächsten Zug nach Wiesbaden fahren. Dort wurde Max Holländer auf dem Bahnhof verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Nach 14 Tagen entlassen, gelang es dem Ehepaar, Ende Mai 1939 auszuwandern. Sein Weg führte über die Philippinen nach New York, wo Max Holländer am 10. Dezember 1941 verstarb.

Die bürgerliche Gemeinde Heidesheim (1938-1956)

Noch am 11. November 1938 erschien im Nachrichtenblatt der Gemeinden Gau-Algesheim, Heidesheim und Wackernheim ein Artikel unter der Überschrift „Ein altes historisches Bauwerk im Besitz der Gemeinde Heidesheim“; er ist an Heuchelei und Gehässigkeit kaum zu überbieten:

„Die Schloßmühle - das älteste Bauwerk in Heidesheim - ist am 10. November als Schenkung in den Besitz der Gemeinde Heidesheim übergegangen. Gestern, 12.45 Uhr, hat der seitherige Besitzer, Max Holländer, das Gebäude durch einen vorläufigen Vertrag - aus freien Stücken und von keiner Seite beeinflußt - der Gemeinde übereignet. Um 2 Uhr wurde bereits die notarielle Urkunde ausgefertigt. Und so ist der langgehegte Wunsch, daß das alte historische Bauwerk einmal in den Besitz der Gemeinde übergehen solle, Wirklichkeit geworden. Holländer trug sich schon lange Zeit mit dem Gedanken, das Gebäude der Gemeinde Heidesheim zur Verfügung zu stellen."

Am Sonntag nach der Vertreibung von Max und Johanna Holländer - es war der 20. November 1938 - öffnete die Gemeinde gegen zehn Pfennige Eintritt die Schlossmühle, damit die Bürger sich selbst ein Bild machen sollten, in welchem Überfluss die Juden prassten, während die deutschen Volksgenossen darbten. Über 1000 Menschen fanden sich ein. So gross war der Andrang, dass das Spektakel auf vielfachen Wunsch am darauffolgenden Sonntag wiederholt wurde. Soll keiner sagen, er hätte nichts gesehen und nichts gewusst!

Danach wurde es merkwürdig still um die Schlossmühle. Offensichtlich wusste die Gemeinde mit ihrem herbeigesehnten Besitz nichts Rechtes anzufangen, zumal das Kreisamt Bingen die Schenkung in Zweifel zog, da es nationalsozialistischen Grundsätzen widersprach, Geschenke von Juden anzunehmen. Erst 1940 wurden die Eigentumsverhältnisse geklärt, als die Gemeinde Heidesheim 3.930,00 Reichsmark auf ein Sperrkonto des Auswanderers Max Holländer einzahlte und so die angebliche Schenkung in einen Kauf umwandelte. Doch da hatte die Gemeinde die Schlossmühle längst zu Wohnzwecken an die Militärbehörde in Mainz vermietet. Es folgten ausgebombte Mainzer Familien und Flüchtlinge - alles in allem bis zu acht Parteien.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat Johanna Holländer am 20. Mai 1949 - offensichtlich noch von New York aus - Klage auf Wiedergutmachung eingereicht. Im Falle der Schlossmühle forderte sie Rückgabe und Entschädigung in Höhe von DM 100.000,00. Nach Wiesbaden zurückgekehrt, betrieb die verbitterte Frau ihre Sache hartnäckig und konsequent. Als die 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz ihr am 22. Juli 1954 die Schlossmühle und eine Entschädigung von DM 49.400,00 nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 20. Mai 1949 zusprach, ging sie in die Berufung.

Die Angelegenheit zog sich hin und mündete in einen Vergleich, der nach einer Reihe von Sachverständigengutachten und verschiedenen Lokalterminen am 19. November 1956 auf Vorschlag des Präsidenten vor dem 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz geschlossen wurde. Johanna Holländer erhielt die Schlossmühle zurück samt der geforderten Entschädigung von DM 100.000,00 nebst 4 Prozent Zinsen ab dem 20. Mai 1949. Zusammen mit den Kosten des Rechtsstreits hatte die Gemeinde Heidesheim rund DM 150.000,00 zu tragen.

Johanna Holländer und C. H. Boehringer Sohn (1956-2007)

Am 26. April 1957 leistete Bürgermeister Joseph Dillmann im Nachrichtenblatt der Gemeinde den Offenbarungseid: "Nach Vortrag des Rechtsvertreters der Gemeinde vor dem Gemeinderat hat dieser dem Vergleich nach reiflicher Überlegung und schweren Herzens zugestimmt. Es konnte aber bei der rechtlich schwachen Stellung der Gemeinde nicht mehr verantwortet werden, den Rechtsstreit, der nun 7 Jahre anhängig war, noch weiterzutreiben. Die Entschädigungssumme ist nur Ersatz für von der Gemeinde zu verantwortende Schäden; die Schlossmühle bleibt Eigentum der Klägerin. Die Entschädigung umfaßt die Abgeltung der Schäden an Gebäuden, gärtnerischen Anlagen und für entgangene Nutzung.

Durch diese finanzielle Belastung wird die Haushaltswirtschaft der Gemeinde vor schwere Aufgaben gestellt. Trotzdem müssen die für die Fortentwicklung der Gemeinde notwendigen Aufgaben weitergeführt werden. Der Entschädigungsbetrag kann nur durch die Aufnahme eines kurzfristigen Kommunalkredits abgedeckt werden. Tilgung und Verzinsung müssen aus dem ordentlichen Haushalt bestritten werden. Eine Anhebung der Grund- und Gewerbesteuer auf die Landesdurchschnittssätze von 200 Prozent bzw. 300 Prozent wird daher nicht zu umgehen sein."

Und dann das späte Eingeständnis: "Vielleicht werden die Mitverantwortlichen erkennen, an welchem Unrecht sie sich - vielleicht unbewußt - mitschuldig gemacht und daß sie der Gemeinde einen unermesslichen Schaden zugefügt haben. Es ist unnötig, etwas beschönigen zu wollen. Es war ein Verbrechen und die ganze Gemeinde hat die Folgen zu tragen. Leider kann der Hauptverantwortliche zum Schadenersatz nicht herangezogen werden, da er nichts besitzt."

Der Rest der Geschichte ist rasch erzählt: Ob Johanna Holländer die Schlossmühle jemals wiedergesehen hat, ist fraglich. Von der Einrichtung ließ sie abholen, was noch irgend brauchbar erschien. Es war wenig genug, denn die Holzvertäfelungen waren in den Jahren der Not nach dem Zweiten Weltkrieg zu Brennholz, die Samtbespannungen der Wände zu Kinderkleidern verarbeitet worden. Ansonsten gab sie sich mit den Einküften aus den laufenden Mieten zufrieden, die das vollkommen abgewirtschaftete Anwesen eben noch abwarf.

Johanna Holländer ist vor dem 29. Januar 1969 verstorben. An diesem Tag wurde die Schlossmühle im Grundbuch der Gemeinde Heidesheim auf ihre Erben eingetragen: je zur Hälfte auf den Landesverband der Jüdischen Gemeinde in Hessen und auf Irgim Olèg Merkaz Europa in Tel Aviv. Die konnten mit dem Anwesen wenig anfangen und waren froh, als es ihnen am 11. März 1970 der Heidesheimer Bauunternehmer Theodor Kiese abkaufte. Nur zwei Wochen später reichte er es an das Ingelheimer Pharmaunternehmen C. H. Boehringer Sohn weiter.

C. H. Boehringer Sohn ließ das völlig heruntergekommene Anwesen als repräsentativen Wohnsitz für ein Mitglied der Unternehmensleitung von Grund auf sanieren. Als die Arbeiten weit fortgeschritten waren, brannten Haupt- und Nebengebäude am 1. September 1971 bis auf die Grund- und Aussenmauern ab. Die Schuldfrage blieb ungeklärt. Unter strengen Auflagen der Denkmalbehörde baute C. H. Boehringer Sohn die Schlossmühle wieder auf. In den Jahren 1976 bis 2000 nutzte man das Hauptgebäude für Vorträge und Seminare. Seit 2000 ist in ihm die Geschäftsstelle der Stiftungen von Unternehmensverband und Gesellschaftern untergebracht: Boehringer Ingelheim Fonds. Stiftung für medizinische Grundlagenforschung; Boehringer Ingelheim Stiftung; und Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften.


Regelmäßige Veranstaltungen

Wirtschaft und Infrastruktur

Verkehr

Heidesheim liegt an der A 60, erreichbar über zwei Ausfahrten. Es existiert ein Anschluss an das DB-Nahverkehrsnetz, nächster Fernverkehrsbahnhof ist Mainz.

Bildung

  • Grund- und Hauptschule

Söhne und Töchter der Stadt