Ermächtigungsgesetz (Iran)
Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 29. Juli 1952 erteilte das iranische Parlament Premierminister Mohammad Mossadegh außergewöhnliche Vollmachten. Dieses Vorgehen widersprach der iranischen Verfassung, die keine solche Übertragung von Rechten vom Parlament, Senat und Schah auf den Premierminister vorsah, weil damit das die elementare Grundlage des Verfassungsstaats bildende Prinzip der Gewaltenteilung durchbrochen wurde. Mossadegh bestand allerdings auf dieser Vollmacht, da er das Land in einer Notsituation sah.[1][2]
Vorgeschichte
Angesichts der wirtschaftlichen wie auch zunehmend politischen Krise im Iran, die unter den Namen Abadan-Krise in die Geschichte eingegangen ist, beschloss Premierminister Mossadegh im Juli 1952, von Schah Mohammad Reza Pahlavi weitere Notstandsrechte einzufordern. Insbesondere seine Forderung, auch das Kriegsministerium zu übernehmen, stieß beim Schah auf entschiedenen Widerstand; der Schah verweigerte sich, und Mossadegh reichte am nächsten Tag seinen Rücktritt ein.
Am 16. Juli 1952 wurde Ahmad Qavam neuer Premierminister. Premierminister Qavam gab sofort seine Absicht bekannt, Verhandlungen mit Großbritannien aufzunehmen, um die Seeblockade zu beenden. Diese Umkehr der zuvor verfolgten Politik weckte in der iranischen Öffentlichkeit Widerspruch und führte zu massiven Protesten von Anhängern verschiedenster Strömungen; von Kommunisten ebenso wie von den von Ajatollah Abol-Ghasem Kashani geführten Klerikern. Am 20. Juli 1952 gab der Internationale Gerichtshof in Den Haag bekannt, dass er in dem Streit zwischen dem Iran und Großbritannien keine richterliche Zuständigkeit habe.[3] Für den 21. Juli riefen die Tudeh-Partei und die Geistlichen um Ajatollah Kashani zu einem Tag des Nationalen Widerstandes auf, um den Rücktritt von Ahmad Qavam zu erzwingen. In Teheran kam es zu einer Großdemonstration mit mehr als 100.000 Teilnehmern. Premierminister Qavam rief die Armee zu Hilfe, die auf die Demonstranten schoss. Am Ende des Tages waren 36 Tote zu beklagen. Ahmed Qavam erklärte daraufhin noch am selben Tag seinen Rücktritt.
Nur wenige Tage später, am 27. Juli 1952, sprach das iranische Parlament mit 61 Stimmen zu 3 Gegenstimmen Mossadeghs das Vertrauen als Premierminister aus. In der folgenden 21. Sitzungder 17. Legislaturperiode des iranischen Parlaments stellte Premierminister Mossadegh sein neues Regierungsprogramm vor, für dessen Umsetzung er beim Parlament umfangreiche Vollmachten einforderte. Nach heftigen Diskussionen wurde das Gesetz zur Bevollmächtigung von Dr Mohammad Mossadegh in der 22. Sitzung verabschiedet.
Gesetzestext

Gesetz zur Bevollmächtigung von Herrn Premierminister Dr. Mohammad Mossadegh für sechs Monate
Herr Premierminister Dr Mohammad Mossadegh wird mit Datum der Verabschiedung dieses Gesetzes für die Dauer von sechs Monaten beauftragt, Gesetzentwürfe auszuarbeiten, die für die Umsetzung der untenstehenden neun Punkte des am 7 Mordad 1331 vom Parlament beschlossenen Regierunsgsprogramms erforderlich sind:
- Überarbeitung des Wahlgesetzes zum Parlament und zu den Stadträten.
- Neuvorlage des Haushaltsgesetzes unter Berücksichtigung einer Senkung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen durch die Einführung direkter Steuern und sofern notwendig indirekter Steuern.
- Belebung der Wirtschaft durch Produktionserhöhungen (in den staatlichen Betrieben) und die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie einer Revision des Geld- und Bankwesens.
- Aufbau der Ölwirtschaft des Landes auf der Grundlage des Gesetzes zur Verstaatlichung der Ölindustrie, einschließlich der neun Paragraphen zur Umsetzung des Verstaatlichungsgesetzes sowie des Beschlusses zur Gründung der National Iranian Oil Company (NIOC).
- Reorganisation der Staatsverwaltung und Neufassung der Einstellungsgesetze für Beamte, Richter und der Armee.
- Schaffung von Dorfräten zur Durchführung von durch Steuern finanzierter sozialer Reformen.
- Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen des Rechtswesens.
- Überarbeitung des Pressegesetzes.
- Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für kulturelle Angelegenheiten, des Gesundheitswesens und der Kommunikationsmittel.
Die Gesetzentwürfe sind innerhalb der sechsmonatigen Gültigkeitsdauer dieser Vollmacht dem Parlament zur Diskussion und Beschlussfassung vorzulegen. Solange die rechtliche Situation der Gesetzesvorlagen vom Parlament und dem Senat nicht geklärt wurde, kommen sie ohne Veränderung zur Ausführung.
Ahmad Razavi, Stellvertretender Parlamentsvorsitzender
Beschlossen am 20 Mordad 1331
Gesetzestext der Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Ermächtigungsgesetzes
Gesetz zur Verlängerung der an Herrn Premierminister Dr Mohammad Mossadegh gegebene Vollmacht vom Datum des Ablaufes für ein Jahr
Die im Gesetz vom 20 Mordad 1331 erteilte Vollmacht wird vom Datum des Ablaufes an um ein Jahr verlängert.
Anmerkung: Die Gesetzesvorlagen, die innerhalb der sechsmonatigen Bevollmächtigung durch Premierminister Dr Mohammad Mossadegh unterschrieben worden waren und noch unterschrieben werden, müssen bis zum Ablauf der genannten Zeit vollständig dem Parlament vorgelegt werden. Dies gilt auch für die Gesetzesvorlagen, die innerhalb des einen Jahres der Verlängerung der Vollmacht unterschrieben werden. Diese müssen gerechnet vom Datum der Unterschrift binnen drei Monaten dem Parlament vorgelegt werden.
Dieses Gesetz, das aus einem Paragraph und einer Anmerkung besteht, wurde am 30 Dei 1331 beschlossen.
Ahmad Razavi, Stellvertretender Parlamentsvorsitzender
Weitere Entwicklung
Das von Mossadegh gewünschte Gesetz wurde im Parlament zwar verabschiedet, doch die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern und Gegner Mossadeghs gingen weiter. Nachdem am 2. August 1953 Mossadegh die Kontrolle über die königlichen Paläste übernommen hatte, wurde dem Schah nicht mehr gestattet, ohne vorherige Erlaubnis des Ministerpräsidenten Besucher zu empfangen.[4]
Ein am 3. August 1953 abgehaltenes Referendum zur Auflösung des Parlaments brachte Mossadegh eine Mehrheit. In Teheran stimmten 155.544 Wähler für und 115 gegen die Auflösung des Parlaments.
Die Veränderungen im Iran zogen die Aufmerksamkeit der US-Regierung auf sich. Die Vereinigten Staaten sahen durch die Gefahr einer Einflussnahme der Sowjetunion über die Tudeh-Partei ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen gefährdet. Am 4. April 1953 billigte der CIA-Direktor Allen W. Dulles ein Budget von einer Million US-Dollar, das dazu verwendet werden sollte, Mossadegh zu stürzen (“in any way that would bring about the fall of Mossadegh”). Mit dieser Geheimdienstoperation gelang es der CIA in Zusammenarbeit mit dem Schah, monarchistischen und klerikalen Gruppen, geführt vom General im Ruhestand Fazlollah Zahedi, am 19. August 1953 Premierminister Mossadegh aus dem Amt zu entfernen. Auf Drängen der CIA hatte der Schah nach langem Zögern am 13. August eingewilligt, per Dekret den früheren Innenminister im ersten Kabinett Mossadeghs General Fazlollah Zahedi zum neuen Premierminister zu ernennen. Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür hatte Mossadegh mit der Auflösung des Parlaments selbst geschaffen. Nach der Verfassung war der Schah berechtigt, den Premierminister nach der Auflösung des Parlaments, das den Premierminister gewählt hatte, abzusetzen und durch einen Interimspremierminister bis zur Neuwahl des Parlaments zu ersetzen. Parlamentarier hatten Mossadegh vor der Auflösung des Parlaments gewarnt, und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er mit der Auflösung des Parlaments dem Schah das Recht in die Hand gebe, ihn abzusetzen und durch einen anderen Premierminister zu ersetzen. In der Vergangenheit hatte der Schah bereits achtzehn Mal von diesem Recht Gebrauch gemacht. Doch Mossadegh war sich sicher, dass Schah Mohammad Reza Pahlavi diesen Schritt nicht wagen würde. Er löste das Parlament auf und begann mit der Planung für Neuwahlen.[5]
Am 15. August 1953 wurde Mossadegh von Noureddin Kianouri, einem führenden Vertreter der Tudeh-Partei, telefonisch von seiner geplanten Entlassung durch den Schah unterrichtet. Noureddin Kianouri sprach von einem "Putsch gegen Mossadegh". Die Tudeh-Partei hatte ein geheimes Netzwerk von Mittelsmännern in der Armee bis hin zur Imperial Guard des Schahs aufgebaut, und so von den Plänen, Mossadegh als Premierminister abzusetzen, erfahren.[6] Oberst Nematollah Nassiri, Leiter der Imperial Guard, begab sich am Abend des 15. August zum Haus von Mossadegh und übergab ihm eine von Schah Mohammad Reza Pahlavi unterzeichnete Entlassungsurkunde. Die Operation Ajax war angelaufen.
Literatur
- Protokolle des iranischen Parlaments der Siebzehnten Legislaturperiode (25. April 1952 - 19. Dezember 1953)
Einzelnachweise
- ↑ Protokoll der 22. Sitzung 17. Legislaturperiode des iranischen Parlaments
- ↑ Verfassungstext Iran (vor 1979)
- ↑ Gholam Reza Afkhami: The life and times of the Shah. University of California Press, 2009, 143.
- ↑ Gerard de Villiers: Der Schah. Die Macht und die Herrlichkeit des Kaisers auf dem Pfauenthron. München 1976, S. 271
- ↑ Abbas Milani: Eminent Persians. Syracuse University Press, 2008, S. 243ff.
- ↑ Darioush Bayandor: Iran and the CIA. New York, 2010, S. 95.