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Linguistische Wende

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Das wichtigste Merkmal der linguistischen Wende (engl. linguistic turn) ist die Fokussierung der Philosophie, später unter ihrem Einfluss der anderen Geisteswissenschaften, auf die Sprache als wirklichkeitstragend und zugleich wirklichkeitsproduzierend.

Wichtigste Grundlagen sind die sprachphilosophischen Überlegungen von Ludwig Wittgenstein und John Longshaw Austin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die "linguistische Wende" kam aber nicht aus dem Nichts, sondern griff eine durch Wilhelm von Humboldt über Johann Gottfried Herder und Ernst Cassirer verfolgte Linie der Sprachphilosophie auf.

In den 1970er Jahren anerkannten die Geisteswissenschaften den strukturierenden Charakter der Sprache. Diese Wende, Wirklichkeit nicht als etwas Vordiskursives zu betrachten, sondern als durch Sprache konstruiert, wird als "Linguistic turn" bezeichnet. Mit diesen Methoden arbeiten u. a. Judith Butler, Luce Irigaray, Julia Kristeva und Jacques Derrida.

Hayden White analysiert dabei das Problem der Erzählung in der modernen Geschichtstheorie und beschreibt, wie Erzählstrukturen das Verständnis jeder Rekonstruktion von Geschichte lenken und damit manipulieren. Elfried Müller und Alexander Ruoff fassen das Ergebnis seiner Analyse so zusammen: "Erzählt man Geschichte, interpretiert man sie notwendig durch die Art und Weise, in der man ihre einzelnen Daten strukturiert."

Sprachanalytische Grundlagen

Mit dem linguistic turn wendet die neuzeitliche Philosophie des 20. Jahrhunderts sich der grundsätzlichen Auffassung zu, dass alle Erkenntnis der Logik der Sprache folgen muss und somit die sprachliche Struktur Voraussetzung und Grenze des Erkennbaren ausdrückt. Das philosophische Denken folgt damit dem sprachanalytischen Konzept, die Grundbedingungen unserer Erkenntnismöglichkeiten aus der Struktur der Sprache abzuleiten.

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt” (Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, 5.6).

In Folge dieser Überlegungen wird die ursprünglich sprachtheoretische Erörterung de Saussures, dass die Ausdifferenzierung der Sprachelemente den Sinn einer Aussage hervorbringt, strukturalistisch zur Basis des Denkens allgemein erweitert.

Siehe auch: Semiotic turn, Iconic turn, Sexistische Sprache, Analytische Philosophie

Literatur

  • Hayden White: Das Problem der Erzählung in der modernen Geschichtstheorie. In: Pietro Rossi (Hg.): Theorie der modernen Geschichtsschreibung. Frankfurt/M. 1987.
  • Elfriede Müller und Alexander Ruoff: Interpreten des Grauens. Geschichte und Verbrechen im französischen roman noir. In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Geschichte nach Auschwitz. ISBN 3-89771-409-4. Münster, 2002.