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Aikidō

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Aikido

Aikidō (jap. 合氣道) ist eine moderne japanische Kampfkunst, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Morihei Ueshiba als Synthese verschiedener Aspekte unterschiedlicher Budō-Disziplinen, vor allem aber als Weiterentwicklung des Daitoryu Aiki Jutsu begründet wurde.

Das Ziel beim Aikidō ist es, Aggressionen abzuwehren und die Kraft des Angreifers zu nutzen, um diesen in eine Situation zu bringen, in der er ohne weiteres keinen erneuten Angriff starten kann. Dies geschieht in der Regel durch Würfe und Hebel, welche den Großteil der Aikidō-Techniken ausmachen.


Prinzipien und Wirkung

Beim Aikidō beruhen alle Techniken auf physikalischen Prinzipien und dem Fluß des Ki (z.B.: Achsen, Hebel, Kinetik und der Atemkraft), die dem Ausführenden weniger Kraft sondern vielmehr Genauigkeit, Konzentration und zentriert sein abverlangen. Die Angriffsenergie wird im Gegensatz zu vielen anderen Kampfkünsten nicht geblockt, sondern so umgelenkt, dass der Verteidiger daraus einen Vorteil erlangt. Dabei werden wesentlich zwei Prinzipien, irimi und tenkan verwendet, die in ihrer Wirkung den philosophischen Prinzipien Yang und Ying äquivalent sind. Irimi ist das Prinzip des "in den Angriff Eintretens und mit ihm Harmonisierens", während man mit Tenkan den Angriff mit einer Drehbewegung vorbeilässt und dabei mit ihm harmonisiert.

Aikidō kann von Menschen jeder Größe und jeden Alters praktiziert werden. Es ist eine der schwerer erlernbaren Kampfkünste und es benötigt mehrere Jahre Übung bis ein Schüler in der Lage ist, sich damit wirksam zu verteidigen. Dass Aikidō geeignet ist, in einer entsprechenden Situation effektiv zur Verteidigung eingesetzt zu werden, wird selten bestritten, obwohl Aikidō von außen betrachtet meist sehr harmonisch, wenn nicht gar tänzerisch und choreografiert wirkt.

Da Ueshiba, der von den Aikidōka O-Sensei (翁先生, japanisch: Altehrwürdiger Lehrer, oft auch Großer Lehrer, 大先生) genannt wird, ein Experte in der Handhabung von Schwert (Katana), Speer, Stab (, ) und auch im Jiu-Jitsu war, beinhalten die Techniken des Aikidō viele fließende Bewegungen und werden zum Teil mit entsprechenden Namen bezeichnet. In seiner besten Zeit (im Alter von ca. 55 Jahren) galt Ueshiba (der nur ungefähr 1,55 m groß war) in den einschlägigen Kampfsportkreisen Japans als unbesiegbar. Eine Anekdote berichtet, wie der damals berühmteste Ringer Japans in Ueshibas Dōjō kam und ihn bat, ihm seine Kunst zu demonstrieren. Dieser forderte den Ringer daraufhin auf, ihn hochzuheben, welches demselben nicht möglich war. Auf die Frage nach dem Trick der dahintersteckt antwortete Ueshiba: „Ich bin in Einheit mit dem Universum. Wer kann das bewegen?” Ueshiba wird auch der Satz zugeschrieben „Wenn du angegriffen wirst, so schließe den Angreifer in dein Herz.”, welcher sehr gut die Philosophie des Aikidō widerspiegelt.

Verbreitung

Die zentrale Stadt für Aikidō ist Tokio in Japan, in der das Hombu Dōjō (jap.: Haupt-Übungshalle) angesiedelt ist.

Im Jahre 1951 stellte Meister Mochizuki Minoru in Frankreich zum ersten Mal Aikidō in einem europäischen Land vor. Im folgenden Jahr kam Meister Abe Tadashi in Marseille an und begann Aikidō in Europa zu verbreiten. Im Jahre 1953 führte Koichi Tohei Aikidō auf Hawaii ein. 1956 kam André Nocquet als erster Franzose nach Tokio, um im Aikikai zu trainieren. Um etwa 1960 wurde die Kampfkunst nach Deutschland gebracht. Als wichtigste Einzelpersonen sind hier Katsuaki Asai, der 1965 23-jährig vom Aikikai als offizieller Vertreter für Deutschland gesandt wurde, und Gerd Wischnewski zu nennen, der sich Anfang der 1970er Jahre vom Aikidō und Kendō zurückzog. 1965 folgte Australien.

In Europa wurde die Verbreitung vor allem von Nobuyoshi Tamura, einem Uchideshi von Morihei Ueshiba, von Frankreich aus vorangetrieben. In den sechziger Jahren zerstreuten sich die Uchideshi der Nachkriegszeit über die ganze Welt. Heute gibt es fast in allen Ländern der Welt Aikidō-Dōjōs.

Die internationale Aikidō-Föderation (I.A.F.) wurde 1975 gegründet und umfasst sechs kontinentale Verbände und mehr als vierzig nationale Aikidō-Verbände. Daneben gibt es viele weitere Verbände und Dojos innerhalb und außerhalb des Aikikai.

Der Name und seine Interpretation

Der Name setzt sich wie folgt zusammen:

Ai - "passen, zusammenbringen, vereinen (Harmonie)",
Ki - "Geist, (Lebens-)Energie" (der Begriff ist verwandt, aber nicht gleichzusetzen mit dem chinesischen Qi),
- "Weg, Pfad, Tao"

Der Name Aikidō wird aus drei sinojapanischen Schriftzeichen geformt (合氣道), die oft als Harmonie, Energie und Weg (oder Methode) übersetzt werden und kann daher in etwa mit dem Begriff „Der Weg der Harmonie im Zusammenspiel mit Energie” oder „Der Weg der Harmonie mit der Energie des Universums” bezeichnet werden.

Diese Bezeichnung bezieht sich darauf, dass Aikidōtechniken darauf ausgelegt sind, Angriffe durch die Kontrolle ihrer Energie und nicht durch das Abblocken derselben zu kontrollieren. Ein häufig genanntes Gleichnis hierfür ist, dass die flexible Trauerweide einem Sturm durch Biegen widerstehen kann, während die viel stabilere Eiche brechen wird, wenn der Wind zu stark ist.

Als Schriftzeichen für Ki kann man sowohl 氣 als auch 気 finden, wobei 気 die vereinfachte und aktuell verwendete japanische Form des ursprünglichen chinesischen Zeichens 氣 ist, das Morihei Ueshiba verwendete.

Obwohl oft zu finden ist, dass 合 (Ai) mit Liebe zu übersetzen ist, ist dies nicht korrekt. Das Missverständnis geht auf ein Zitat von Morihei Ueshiba zurück, in dem dieser feststellt, dass er sich unter anderem deshalb entschlossen hat, seine Kampfkunst Aikidō zu nennen, weil 合 genauso ausgesprochen wird wie 愛, was eben Liebe bedeutet. Während der Versuch einer wörtlichen Übersetzung von Aikidō etwa das Prinzip ideal koordinierter Energie liefert, sind die in Aikidō vorkommenden Begriffe nicht zuletzt durch die Ausführungen von Morihei Ueshiba sehr stark mit Konnotationen belegt, was die vielen sehr freien Übersetzungen erklärt.

Der Ausdruck Aiki (合氣) wurde bereits in älteren japanischen Kampfkünsten benutzt, insbesondere im Daitō-Ryū Aiki-Jujutsu, und hatte dort die Bedeutung der „angemessenen Kraft“ im Sinne des Mitgehens mit dem Angreifer. Erst Ueshiba erweiterte die Deutung auf eine auch spirituelle Harmonie.

Das Training

Aikidō wurde von dem Gründer Morihei Ueshiba nicht als Sport angesehen, und Wettkämpfe waren im traditionellen Aikidō nicht vorgesehen. Die Partner arbeiten zusammen, damit jeder einzelne seine Technik perfektionieren kann. Neue Ränge werden durch Vorführung dieser Techniken erreicht, ohne dass die Partner dabei als Gegner kämpfen.

Am Anfang besteht das Training zum überwiegenden Teil aus Kata-ähnlichen Formen: Die Rollen von Angreifer und Verteidiger sind festgelegt, so wie Angriff und Verteidigung meist vorgegeben werden. Erst im Fortgeschrittenentraining beginnt man sich langsam von der Form zu lösen; zunächst sind, z.B. im freien Training, Angriff und Verteidigung nicht mehr streng vorgeschrieben, später beginnt man, die Rollenaufteilung in Uke und Nage/Tori zu überwinden.

Während in einigen Stilen nur im Zusammenhang mit Waffentraining von Kata gesprochen wird, sind in anderen Stilen Kata mit Partnern zentrale Übungsform.

Der Aikidōka achtet darauf, in den eigenen Bewegungen frei zu werden und nicht mehr über jeden einzelnen Schritt nachzudenken. Die Bewegungsabläufe sollen sich im Unterbewusstsein festigen.

Aikidō-Training verbessert die Beweglichkeit und fördert durch komplexe Bewegungsabläufe Konzentration, Koordination, Grob- und Feinmotorik.

Trainingskleidung

Als Trainingskleidung wird im Aikidō der Ende des 19. Jahrhunderts von Jigorō Kanō, dem Begründer des Jūdō, eingeführte Keiko-Gi getragen. Fortgeschrittenere Schüler tragen darüber eine Art Hosenrock, Hakama genannt. Im Gegensatz zu heute, wo in verschiedenen Stilrichtungen Aikidōka erst ab dem 1. Dan einen Hakama tragen, war es früher üblich, dass jeder Aikidōka von Anfang an einen Hakama trug. Diese Veränderung stammt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Da während dieser Zeit die Stoffe für viele Schüler Morihei Ueshibas zu teuer waren, baten sie bei Ueshiba um Erlaubnis ohne einen Hakama teilnehmen zu dürfen. Deshalb ist es in sehr vielen Dōjō üblich, dass die Schüler bis zum Erreichen des ersten Dan ohne Hakama trainieren. Die Farbe des Hakama war ebenfalls unerheblich, wobei heutzutage beim Aikidō zumeist schwarze oder dunkelblaue Hakama getragen werden.

Das letzte Wort darüber, ab wann ein Hakama zu tragen ist, liegt bei der jeweiligen Schule oder dem jeweiligen Verband. Das bedeutet ebenfalls, dass der Hakama nicht grundsätzlich als ein Rangabzeichen angesehen werden kann.

Ausrüstung

Traditionelles Aikidōtraining findet größtenteils unbewaffnet statt, doch die drei Waffen Bokken, und Tantō, üblicherweise hölzerne Trainingswaffen, spielen dennoch eine wichtige Rolle. Sie werden verwendet, da viele Bewegungen und Techniken im Aikidō von Waffentechniken wie z.B. Schwerttechniken abgeleitet sind und dadurch die Techniken selbst besser verstanden und verinnerlicht werden können. Bei manchen Stilrichtungen wird dem Waffentraining weniger Bedeutung zugemessen als im traditionellen Aikidō.

Ablauf

Es trainieren meistens zwei Partner zusammen. Eine Person ist Angreifer (Uke), und die andere Person (Nage oder Tori) übt eine verteidigende Aikidōtechnik gegenüber Uke aus.

Die Angriffe bestehen aus Schlägen, Halte- und Würgegriffen. Die Aikidōtechnik selbst ist zumeist in drei Teile gegliedert. Dem Aufnehmen/Vorbeileiten der Angriffsenergie, der Gleichgewichtsbrechung und der Abschlusstechnik, die aus einem Wurf - auch mit anschließender Festhaltetechnik - oder nur einer Festhaltetechnik bestehen kann.

Dabei kann das Aufnehmen und Vorbeileiten des Angriffs auf mehrere Weisen erfolgen. Nage (der Verteidiger) kann durch eine Ausweichbewegung (sabaki oder tenkan - "drehen in versch. Richtungen") und einen anschließenden Schritt nahe zum Angreifer hin (omote oder ura - "eintreten in verschiedene Positionen zum Uke hin") den Angriff an sich selbst vorbeileiten. Danach wird, durch die Weiterführung der Angriffsenergie in eine durch Nage bestimmte Richtung, das Gleichgewicht von Uke gebrochen. Einige Aikidorichtungen verwenden zur Gleichgewichtsbrechung auch Schläge (atemi). Sobald Uke die eigene Kontrolle über seinen Körper verloren hat, ist es nicht mehr schwer die Verteidigung durch einen Wurf oder einen Hebel zu beenden. Nach ein bis vier Wiederholungen der jeweiligen Technik vertauschen die Partner ihre Rollen als Uke und Nage.

Es gibt auch Übungen, in denen die Verteidigung gegen mehrere Gegner gleichzeitig trainiert wird (randori) und Übungen bei denen die Technik frei gewählt werden kann (jiyuwaza).

Stile

Datei:Ueshiba.jpeg
Morihei Ueshiba, der Begründer des Aikido.

Morihei Ueshiba begann als Jugendlicher Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Studium einzelner Budo-Disziplinen. Nachweislich studierte er Anfang des 20. Jahrhunderts Tenjin Shinyo ryu Jujutsu, Goto-ha Yagyu Shingan ryu Jujutsu, kurzzeitig Judo und vor allem ab 1915 Daitō-Ryū Jujutsu. 1919 kam er mit der neo-shintoistischen Omoto-Kyo Religion in Berührung, deren Lehren seine Interpretation von Budō entscheidend mitbeeinflusst haben und von daher für die Entstehung des Aikido als wesentlich anzusehen sind. Bis zu seinem Tode entwickelte Ueshiba sein Aikido weiter, wobei seine Kunst immer weicher und harmonischer wurde, ohne an Effektivität zu verlieren. Da er im Laufe seines Lebens viele Schüler hatte und diese ihn zu verschieden Zeitpunkten verließen, entwickelten sich daraus verschiedene Stilrichtungen, die auf verschiedene Interpretationen des Aikidō zurückgehen. Es gibt Stilrichtungen, welche einem einzigen Lehrer folgen, und Stilrichtungen, welche mehr einem Verbund von Lehrern folgen. Die folgende Tabelle stellt bekannte Stile und ihre Begründer dar:

Aikikai Morihei Ueshiba 1883 - 1969
Yoseikan Mochizuki Minoru 1907 - 2003
Shodokan Kenji Tomiki 1900 - 1979
Shin-Shin-Tōitsu-Aikidō Kōichi Tōhei * 1920
Yoshinkan Gozo Shioda 1915 - 1994
Korindo Minoru Hirai 1903 - 1998
Shinei Taido Noriaki Inoue 1902 - 1994
Aiki-Osaka Hirokasu Kobayashi 1929 - 1998
Makoto Aikido Larry Reynosa * 1951
Iwama Ryu Morihiro Saito 1928 - 2002
Iwama Shinshin Aiki Hitohiro Saito * 1957
Tendoryu Kenji Shimizu * 1940
Aikido Yuishinkai Koretoshi Maruyama * 1936
D.A.N. André Nocquet 1914 - 1999

Philosophie

Aikidō gilt als friedfertige Kampfkunst. Der Aikidōka versucht in der Regel den Angreifer nicht zu verletzen, sondern ihn in eine Situation zu führen, in der sich dieser beruhigen kann. Somit wird dem Angreifer die Chance gegeben, Einsicht zu erlangen und von einem weiteren Angriff abzusehen. Dennoch verfügt ein Aikidoka über Möglichkeiten, einen Angreifer erheblich zu schädigen oder ihn zu töten, was aber nicht im Vordergrund des Aikidō steht. Morihei Ueshiba formulierte dies wie folgt:

„Wahres Budō dient jedoch nicht einfach dazu den Gegner zu zerstören; es ist viel besser einen Angreifer geistig zu besiegen [indem man ihn die Torheit seines Handeln erkennen lässt], so dass er seinen Angriff gerne aufgibt” (Morihei Ueshiba - Budō)

Morihei Ueshiba interessierte sich sehr für Budō, so dass Aikidō nah an die Prinzipien und die Philosophie von Budō angelegt ist. Es gibt weder sportliche Wettkämpfe noch Trophäen im eigentlichen Sinne.

Literatur

  • Morihei Ueshiba: Budō. Das Lehrbuch des Gründers des Aikidō. ISBN 3921508576
  • Kisshōmaru Ueshiba: Der Geist des Aikidō. ISBN 3932337379
  • Kisshōmaru Ueshiba, Moriteru Ueshiba: Best Aikido - The Fundamentals. Kodansha International, ISBN 4770027621
  • Morihiro Saito: Takemusu Aikido. 5 Bände, published by Aiki News, 1994 - 1997
  • Nobuyoshi Tamura: Aikido. ISBN 2950135501

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