Pionierorganisation Ernst Thälmann
Die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ war in der DDR die Kinderorganisation, die der FDJ unterstellt war. In ihr waren seit den 1960er/1970er Jahren fast alle Schulkinder der Klassen 1 bis 7 als Jungpioniere oder Thälmannpioniere organisiert. Die Pionierorganisation wurde am 13. Dezember 1948 gegründet und im August 1990 aufgelöst.
Geschichte
Die Idee
Vorbild für die Bildung von Kinderorganisationen kommunistischer Parteien waren die Leninpioniere in der Sowjetunion. Bereits in den 1930er Jahren des 20. Jahrhunderts bestanden in Deutschland die "Roten Jungpioniere" und die "Roten Pfadfinder", deren Ziel es war, Schulkinder zwischen dem 6. und 14. Lebensjahr im "Geist der Revolution zu erziehen" und für die Aufnahme in die kommunistische Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend vorzubereiten. Die regelmäßigen Pioniernachmittage stellten daher eine Mischung aus Abenteuer, Partei-Mythos und revolutionärer Traditionspflege dar. Ergänzt wurden sie durch Pionierlager im Sommer, die sich von den Zeltlagern der westdeutschen SJD - Die Falken, des Wandervogels oder der Pfadfinder wenig unterschieden. Auch internationale Pionierlager waren üblich, die die Freundschaft zwischen den Kindern verschiedener Völker fördern sollten.
Gründungsphase
Das I. Parlament der Freien Deutschen Jugend (FDJ) im Juni 1946 beschloss die Gründung von Kindergruppen. Das II. Parlament der FDJ gründete die „Kindervereinigung der FDJ“, ohne dass Name und Struktur feststanden. In ihren „Grundsätzen und Zielen“ sollte sich diese Vereinigung zu den Zielen und Aufgaben der FDJ bekennen.
Die 17. Tagung des Zentralrates der FDJ setzte den Beschluss mit der Errichtung des Verbandes der „Jungen Pioniere“ am 13. Dezember 1948 um. Er war die einheitliche politische Massenorganisation der Kinder in der DDR und wurde von der FDJ auf der Grundlage der Beschlüsse der SED geleitet. Vorsitzende wurde ab 1949 Margot Feist (verheiratete Margot Honecker).
1949 erschien die erste Ausgabe der Zeitung „Der junge Pionier“ (später „Trommel“). Der erste Wettbewerb der Pioniere bekam den Namen „Aufwärts“. Dem III. Parlament der FDJ wurde berichtet, dass in Folge des Wettbewerbs 9.055 wissenschaftliche und 8.797 kulturelle Arbeitsgemeinschaften (AGs) gegründet, 545 Bibliotheken eingerichtet und große Mengen an Altstoffen und Schrott gesammelt wurden. Im Sommer 1949 umfasste die Pionierorganisation 714.258 Junge Pioniere, das waren etwa 30 Prozent aller schulpflichtigen Kinder in der sowjetischen Besatzungszone.
1950er Jahre
Anlässlich des I. Deutschlandtreffens der Jugend 1950 in der Berliner Wuhlheide eröffnete die FDJ für die Pioniere die Pionierrepublik „Ernst Thälmann“ (später Pionierpark „Ernst Thälmann“). Während des Treffens waren rund 20.000 Kinder dort untergebracht. Außerdem wurde dem Zentralrat der FDJ das „Zentralhaus der Jungen Pioniere“ in Berlin übergeben, das vor allem die Berliner Kinder nutzen konnten. Im Oktober 1950 flogen 20 Junge Pioniere mit ihren Pionierleitern für sechs Wochen auf Einladung des Komsomol in das zentrale Pionierlager „W. I. Lenin“ nach Artek auf der Krim in der Sowjetunion.
1951 fanden die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin statt, an denen etwa 20.000 junge Menschen aus 104 Ländern teilnahmen. Im Sommer 1951 boten die Pioniere mehr als 150.000 Kindern in den zentralen Pionierlagern und über 500.000 Kindern bei den örtlichen Ferienspielen Erholungsmöglichkeiten.
Der damalige Präsident der DDR Wilhelm Pieck übergab am 16. Juli 1952 den Pionieren eine „Republik“ am Werbellinsee (nordöstlich von Berlin), die später seinen Namen trug. Diese Pionierrepublik wurde nach dem Vorbild des sowjetischen Pionierlagers „Artek“ erbaut. Jährlich trafen sich dort etwa 1.000 Pioniere, die als Auszeichnung von ihren Pionierkollektiven dorthin entsandt wurden. In den Sommermonaten fanden internationale Sommerlager statt. Vom 18. bis 25. August 1952 veranstaltete die Organisation das das I. Treffen der Jungen Pioniere in Dresden. Dabei wurde der Pionierorganisation durch das ZK der SED feierlich der Name „Ernst Thälmann“ verliehen und das rote Banner mit den Bildnissen von Ernst Thälmann und Wilhelm Pieck überreicht.
Heinz Plöger wurde auf dem II. Pioniertreffen (12. bis 18. August 1955 in Dresden) zum neuen Vorsitzender der Pionierorganisation gewähl. Zum 80. Geburtstag von Wilhelm Pieck erteilte das ZK der SED den Pioniermitgliedern den Auftrag, am Bau des 3000-t-Handelsschiffes „Thälmann-Pionier“ mitzuhelfen. Mit der Sammlung von 29.000 Tonnen Schrott, 495 Tonnen Buntmetall (Kupfer, Messing, usw.) und 290 Tonnen Altpapier brachten die Pioniere 1,5 Millionen Mark auf, mit denen der Auftrag realisiert wurde.
1957 wechselte der Vorsitz zu Robert Lehmann. Die Jung- und Thälmannpioniere wurden aufgerufen, sich am Ausbau des Rostocker Hafens zu beteiligen. Sie sammelten in der ganzen Republik Steine für die Hafenmole.
Die Zeitung „Junger Pionier“ benannte sich 1958 in „Trommel“ um. Die Jungpioniere kamen zum III. Pioniertreffen unter dem Motto „Für Frieden und Sozialismus“ in Halle zusammen. An einem fünftägigen Friedensmarsch beteiligten sich 30.000 Thälmannpioniere.
In 60 „Rote Bücher der guten Taten“, die dem 5. Parteitag der SED übergeben wurden, werden auf 30.000 Seiten hervorragende Leistungen der Mädchen und Jungen im Wettbewerb zur Vorbereitung auf den Parteitag dargestellt.
Der „Pionierexpreß – immer bereit für den Sieg des Sozialismus“ fuhr am 4. Oktober 1959 zum 10. Jahrestag der DDR in Berlin ein. Die Pionierorganisation bekam den „Vaterländischen Verdienstorden“ in Silber verliehen. Die Mehrheit der schulpflichtigen Kinder in der DDR war Ende der 1950er Jahre bereits Mitglied der Pioniere. Den höchsten Organisationsgrad wies der Bezirk Dresden mit 89,4 Prozent und den niedrigsten die Hauptstadt Berlin mit 67,4 Prozent auf.
1960er Jahre
Vom 17. Juli bis 7. August 1960 fand in der Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“ das erste internationale Kinderlager des Weltbundes der Demokratischen Jugend (WJBD) statt. In Erfurt trafen sich die „besten“ Pioniere beim IV. Pioniertreffen vom 9. bis 20. August 1961. Thälmannpioniere legten beim Buchenwald-Appell ihr „Bekenntnis zu ihrem sozialistischen Staat“ ab.
1962 beteiligten sich die Jung- und Thälmannpioniere an der ersten „Woche der sozialistischen Pionierhilfe“. Durch Altstoffsammlungen brachten sie Rohstoffe für 900km der Erdölleitung „Trasse der Freundschaft“ auf.
Zum V. Pioniertreffen trafen sich vom 9. bis 16. August 1964 Verbandsvertreter in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Der Zentralrat der Freien Deutschen Jugend beschloss 1964 das Statut der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“. Neuer Vorsitzender wurde Werner Ernst.
Zum 20. Jahrestag der Gründung der SED im Jahr 1966 übergab eine Delegation aus Mitgliedern der FDJ, Pionieren und Sportlern einen „Strauß guter Taten“ unter der Parole „Zwanzig rote Nelken auf den Geburtstagstisch der Partei“.
Im Sommer 1967 fuhr der erste Freundschaftszug unter Beteiligung von Mitglieder der FDJ und der Pionierorganisation in die Sowjetunion. Zum 50. Jahrestag der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ feierte die Pionierorganisation vom 13. bis 15. Oktober 1967 das „Fest der Freundschaft“ in Leipzig.
1968 erhielt die Organisation vom ZK der SED den Pionierauftrag „Unsere Liebe, unsere Tat, unsere Treue und unsere Kraft dem sozialistischen Vaterland!“. Anlässlich des 20. Jahrestages der Gründung der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ wurde ihr der „Vaterländischer Verdienstorden“ in Gold verliehen.
1970er Jahre
In folge des Pionierauftrags „Lernt, arbeitet und lebt im Geiste Lenins – vollbringt hohe Leistungen zu Ehren der Deutschen Demokratischen Republik!“ im Leninjahr 1970 schriebenen Pioniere zum 100. Geburtstag von Wladimir Iljitsch Lenin (Uljanow) die Chronik „Lenins Träume werden wahr“. In Cottbus wurde im das VI. Pioniertreffen vom 5. bis 9. August 1970 durchgeführt.
Mit einer Solidaritätsaktion „Eine Million Rosen für Angela“ setzte sich die Organisation 1971 für die Freilassung von Angela Davis in den (USA) ein. Pioniere übergaben dem 1. Sekretär der SED Erich Honecker und den Delegierten auf dem 8. Parteitag eine Sonderausgabe der „Trommel“ mit dem Thema „Was ich den Parteitagdelegierten sagen möchte“. Am 8. Februar 1971 wurde Egon Krenz auf Beschluss des Zentralrates der FDJ neuer Vorsitzender der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“.
Vom 17. bis 21. August 1972 trafen sich die Freundschaftsratsvorsitzenden zum ersten zentralen Rätetreffen in Dresden. Die Organisation initiierte im selben Jahr den Versand von mehr als einer Million Freundschaftsgrußschreiben an die Leninpioniere (UdSSR), anlässlich des 50. Geburtstag dieser Partnerorganisation.
9. bis 11. Dezember 1973 feierte der Verband mit einer Festwoche den 25. Jahrestag der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“. Das ZK der SED verlieh ab diesem Zeitpunkt den Thälmannpionieren das Recht, das rote Halstuch zu tragen.
Die 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin vom 28. Juli bis 5. August 1973 standen unter dem Motto „Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft“. In den Pionierrepubliken „Wilhelm Pieck“ und „Ernst Thälmann“ feierten zehntausende Pioniere mit 46 internationalen mit.
Helga Labs trat als erste Frau am 9. Januar 1974 die Nachfolge von Egon Krenz als Vorsitzende an; Krenz wurde 1. Sekretär des Zentralrates der FDJ. In Vorbereitung des 30. Jahrestages des Sieges über den Hitlerfaschismus riefen die Moskauer und Berliner „Oleg Koschewoi“-Pionierfreundschaften die Kinder in den sozialistischen Ländern zur internationalen Aktion „Salut, Pobjeda!“ auf. Dies war die erste internationale Pionieraktion an denen Pioniere aus den europäischen „Bruderländern“, der Mongolischen VR, der Republik Vietnam und Kuba teilnahmen.
Vom 20. und 21. März 1975 findet in Berlin eine Pionierleiterkonferenz statt. Die Schule der Pioniere wurde zu Schulbeginn am 1. September 1975 zum Pionierobjekt Nr. 1 im Rahmen der Pionierstafette „Immer bereit“ erklärt. Vom 4. bis 7. August 1975 fand in Artek / Sowjetunion das Abschlusstreffen zur Aktion „Salut, Pobjeda“ (russ: „Sieg“)! statt. Über 4000 Leninpioniere und deren Gäste aus 44 Ländern wandten sich mit einen Appell an alle Pioniere der sozialistischen Länder, in dem die Losung „Nehmt Euch die Kommunisten zum Vorbild!“ verkündet wurde. Anschließend fand das internationale „Treffen junger Historiker“ in Potsdam statt.
Am letzten Beratungstag des IX. Parteitages der SED überbrachten Abgesandte Grüße der Pioniere. Sie erneuerten ihr Gelöbnis, immer nach dem Vorbild Ernst Thälmanns, Wilhelm Piecks und aller anderen Kommunisten zu lernen und zu handeln.
Das „Fest des roten Oktober“ wurde vom 19. bis 22. Oktober 1977 durch mehrere zehntausend Pioniere und Mitglieder der FDJ in Berlin begangen. Neben einer großen Leistungsschau zeichnete es sich durch ein Treffen der Freundschaftsratsvorsitzenden aus.
Im Jahr 1978 wurde der 30. Jahrestag der Gründung der Pionierorganisation gefeiert. Der „Pionierexpreß – Für unser sozialistisches Heimatland“ erreichte seine erste Station. Mit der Bewegung „Kurs 80 – bei uns zu Hause“ wurden die Pioniere mit der Politik der "Partei der Arbeiterklasse" vertraut gemacht. Am 13. Dezember fand ein Treffen ausgewählter Freundschaftspionierleiter mit dem Vorsitzenden des Staatrates Erich Honecker statt.
Im Juni 1979 veranstaltete die Organisation als Höhepunkt des „Nationalen Jugendfestivals der DDR“ anlässlich des 30. Jahrestages der DDR das Fest der 100.000 Jung- und Thälmannpioniere im Berliner Plänterwald. Der Pionierpalast „Ernst Thälmann“ wurde im Oktober eröffnet.
1980er Jahre
1980 werden 3.307.585 Mark in der Solidaritätsaktion „Helft den Kinder Kampucheas“ durch die Pioniere gesammelt. In Vorbereitung des 10. Parteitages der SED wurden die Pioniere unter dem „Pioniersignal 10. Parteitag“ zu vielfältigen Aktivitäten aufgerufen.
1981 legen die Pioniere auf dem X. Parteitag der SED (11. bis 16. April 1981) Rechenschaft über die Erfüllung des „Pioniersignals X. Parteitag“ ab.
Das VII. Pioniertreffen fand vom 15. bis 21. August 1982 zum 3. Mal in Dresden statt. Zu den Beschlüssen des X. Parteitages der SED und 11. Parlaments der FDJ legten die Pioniere Rechenschaft ab.
1983 rufen Erfurter Pioniere zur Solidaritätsaktion „Spielzeug für die Kinder Nicaraguas!“ auf. Der bisherige Sekretär des Zentralrates der FDJ Wilfried Poßner wird im Dezember 1985 zum Vorsitzenden der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ berufen. Wilfried Poßner übergab 1986 auf dem zentralen „Fest des Lernens“ den Pionierauftrag „An der Seite der Genossen – Immer bereit!“.
Das VIII. und letzte Pioniertreffen fand vom 13. bis 21. August 1988 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) statt.
Auflösung
Im November des Jahres 1989 trat der amtierende Vorsitzende wenige Tage nachdem beim traditionelle Fackelzug der FDJ am Vorabend zum 40. Jahrestages der Gründung der DDR „Gorbi“-Rufe ertönten, zurück. Neue und letzte Vorsitzende wird Birgit Gappa, die bisher im Auftrag des Zentralrates der FDJ eine Arbeitsgruppe zur Reform der Pionierorganisation leitete. Im August 1990 wurde die Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ ohne Beschluss aufgelöst.
Untergliederung der Pioniere
Jungpioniere
Die Pioniere der 1.–4. Schulklasse (von 6 bis 10 Jahren) zählten zu den Jungpionieren und trugen blaue Halstücher.
Die Gebote der Jungpioniere, die auch auf dem „Pionierausweis“ standen, lauteten:
- Wir Jungpioniere lieben unsere Deutsche Demokratische Republik.
- Wir Jungpioniere lieben unsere Eltern.
- Wir Jungpioniere lieben den Frieden.
- Wir Jungpioniere halten Freundschaft mit den Kindern der Sowjetunion und aller Länder.
- Wir Jungpioniere lernen fleißig, sind ordentlich und diszipliniert.
- Wir Jungpioniere achten alle arbeitenden Menschen und helfen überall tüchtig mit.
- Wir Jungpioniere sind gute Freunde und helfen einander.
- Wir Jungpioniere singen und tanzen, spielen und basteln gern.
- Wir Jungpioniere treiben Sport und halten unseren Körper sauber und gesund.
- Wir Jungpioniere tragen mit Stolz unser blaues Halstuch.
- Wir bereiten uns darauf vor, gute Thälmannpioniere zu werden.
Thälmannpioniere
Die Pioniere der 4.–7. Klasse (10 bis 13 Jahren) wurden nach dem ermordeten KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann Thälmann-Pioniere genannt und trugen als Kennzeichen bis zum 10. Dezember 1974 blaue und ab dann schrittweise rote Halstücher. Für sie galten, abgeleitet von den Geboten der Jungpioniere, nun die Pioniergesetze.
In der achten Klasse erfolgte die Aufnahme in die Freie Deutsche Jugend (FDJ) – die Blauhemden, für die Aufnahme war natürlich wieder die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation fast zwingende Voraussetzung.
Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft bei den Jungen Pionieren sowie den Thälmann-Pionieren war formal freiwillig, d.h. es gab keine Pflicht, Mitglied zu werden. Andererseits wurde sie seitens des Staates (und damit der Schule), sowie andererseits auch aus Sicht der Eltern als selbstverständlich angesehen. In der Praxis ging die Initiative für die Aufnahme aller Schüler einer Klasse normalerweise von der Schule aus. Da die Aufnahme von staatlicher Seite her als ein Auszeichnung betrachtet wurde, stellte sich in der Regel nicht die Frage, ob jemand überhaupt Pionier werden wollte. Wie die Mitgliederquote von bis zu 98% der Schüler zeigt, mussten die 6- bzw 10-jährigen (oder deren Eltern) von sich aus aktiv werden, um nicht Mitglied zu werden. Es entstand daher eine schon als Mitläufertum zu bezeichnende Dynamik, die zur Aufnahme von fast allen Schülern einer Klasse führte. Dennoch gab es auch Kinder, die nicht Mitglied wurden, z.B. Kinder mit religiösem Elternhaus oder auch solche, die einfach keine Lust hatten. Teilweise wurden auch Schüler mit schlechten schulischen Leistungen oder Benehmen "zur Strafe" nicht aufgenommen. Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob man als Nicht-Mitglied benachteiligt wurde. So gibt es Berichte, dass Kinder von den organisierten Gruppenveranstaltungen ausgeschlossen worden seien; andere Berichte sagen, Kinder seien trotzdem ausdrücklich dazu eingeladen worden, an allen Veranstaltungen teilzunehmen, für die sie sich interessieren. Offenbar gabes hier unterschiedliche, personenabhängige Praktiken.
Aufnahmetermin
Aufnahmetermin war jeweils der 13. Dezember, der Pioniergeburtstag, also der Tag, an dem 1948 die Pionierorganisation gegründet worden war. Dabei wurden Kinder üblicherweise in der ersten Klasse Jungpionier und in der vierten Klasse Thälmann-Pionier. Die Aufnahme war auch in späteren Schuljahren immer noch möglich, jedoch mussten künftige Thälmann-Pioniere ein Jahr Jungpionier gewesen sein.
- Sommer 1949: 714.258 Pioniere (ca. 30 % aller schulpflichtigen Kinder in der sowjetischen Besatzungszone)
- ca. 1959: mehr als 50 % der Schulkinder sind in der Pionierorganisation
- 1989: fast zwei Millionen Schüler, also ca. 98 % der Schulkinder sind in der Pionierorganisation
Organisation
Die Mitglieder einer Schulklasse wählten den Gruppenrat. Der Gruppenratsvorsitzende (vergleichbar mit einem Klassensprecher) arbeitet mit dem Pionierleiter zusammen. Weiterhin gab es einen stellvertretenden Gruppenratsvorsitzenden und einen Agitator, der die Klasse über neuste Entwicklung im Weltgeschehen auf dem laufenden halten sollte.
Alle Pioniere einer Schule wählen aus ihrer Mitte einen Freundschaftsrat für die Schule mit einem Freundschaftsratvorsitzenden als obersten Pionier nach dem hauptamtlichen Pionierleiter. Der hauptamtlichen Pionierleiter (zumeist diplomierter Fachlehrer) wurde von der FDJ benannt und war für die Anleitung der Gruppenräte der Klassen und des Freundschaftsrates zuständig.
Vorsitzende der Pionierorganisation
- ab 1949 bis 1955 Margot Honecker geb. Feist
- 1955 bis 1964 Heinz Plöger
- 1964 bis 8. Februar 1971 Werner Ernst
- 8. Februar 1971 bis 9. Januar 1974 Egon Krenz
- 9. Januar 1974 bis Dezember 1985 Helga Labs
- Dezember 1985 bis November 1989 Wilfried Poßner
- November 1989 bis zur Auflösung Birgit Gappa
Kleidung
Die Pionierkleidung bestand aus weißen Blusen und Hemden, die von Eltern für ihr Kind erworben wurden. Auf dem linken Ärmel befand sich ein Aufnäher mit dem gestickten Emblem der Pionierorganisation und ggf. ein Rangabzeichen (ein Streifen für Gruppenratsvorsitzende, zwei Streifen für Freundschaftsratsvorsitzende). Dazu wurden dunkle Hosen oder Röcke getragen, und als Kopfbedeckung diente ein dunkelblaues Käppi. Vollständig wurde die Pionierkleidung allerdings nur zu besonderen Anlässen, beispielsweise bei Fahnenappellen, zu Gedenktagen oder festlichen Schulveranstaltungen, getragen. Zu Pioniernachmittagen oder anderen Aktivitäten wurde häufig auch nur das wichtigste Merkmal der "zukünftigen sozialistischen Jugend", das dreieckige Halstuch getragen. Im Unterschied zur Sowjetunion und anderen Ostblockländern war in der DDR ein blaues DDR-Halstuch üblich. Erst ab 1974 wurde für die Thälmannpioniere das rote Halstuch eingeführt, während die Jungpioniere beim blauen Halstuch blieben.
Losung und Gruß
Wie bei Massenorganisationen üblich hatten die Pioniere eine Losung („Für Frieden und Sozialismus seid bereit! – Immer bereit!“, meist verkürzt auf „Seid bereit! – Immer bereit!“). Der erste Teil dieser Losung wurde nach dem Antreten zum Fahnenappell vom Pionierleiter oder zum Beginn einer Unterrichtsstunde genannt, und der zweite Teil von allen Pionieren erwidert. Hierbei wurde der rechte Arm gehoben, und die flache Hand so über dem Kopf gehalten, dass der Daumen zum Kopf und der kleine Finger zum Himmel zeigte.
Pionierehrenwort
Zur Bekräftigung der Wahrheit einer Aussage verwendeten Pioniere oft das Pionierehrenwort. „Ich war das nicht. Pionierehrenwort!“; „Morgen komme ich ganz bestimmt, großes Pionierehrenwort!“ Das wurde auch in Kinderbüchern und Kinderfilmen verwendet. Es entspricht dem „Indianerehrenwort“.
Zeitungen
Zahlreiche Presseerzeugnisse wurden für die Pioniere aufgelegt.
- FRÖSI – Anfangs „Fröhlich sein und singen“ (nach einem Pionierlied). Pioniermagazin für Jungen und Mädchen der DDR, das meist Beilagen zum Basteln und Experimentieren enthielt. Erschien monatlich von 1953 bis 1991, Preis: 70 Pfennig
- Trommel – Zeitung für Thälmannpioniere und Schüler (Organ der Zentralleitung der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“), Verlag Junge Welt, erschien wöchentlich von 1958 bis 1991, Preis: 10 Pfennig
- Atze – Comic-Heft mit teilweise heroischen Geschichten. Erschien monatlich; Preis: 20 Pfennig
- Die ABC-Zeitung – für Jungpioniere der 1. bis 3. Schulklasse, erschien monatlich seit 1946, Preis: 30 Pfennig
- Bummi richtete sich zwar an Vorschulkinder, stimmte diese aber durch Darstellung von Jungen Pionieren auf die Mitgliedschaft in der Pionierorganisation ein
Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“
Am 16. Juli 1952 eröffnet der damalige Präsident der DDR Wilhelm Pieck das Pionierlager am Werbellinsee, das das am besten ausgestattetste Ferienlager in der DDR war.
Die Pionierrepublik war ein nach dem Vorbild des sowjetischen Pionierlagers „Artek“ erbautes Ferienlager. Jeweils 1.000 Thälmannpioniere konnten mehrere Wochen dort verbringen. In dieser Zeit wohnten sie in den verschiedenen Häusern, zusammen mit so genannten Pionierleitern, die als Betreuer fungierten. Man traf dort Schüler aus anderen Staaten, arbeitete an Projekten und erhielt – fiel der Aufenthalt nicht in die Ferienzeit – Unterricht. Voraussetzung für die Teilnahme waren herausragende schulische Leistungen, eine „zweifelsfreie“ Gesinnung und möglicherweise die Parteizugehörigkeit der Eltern.
Derzeit wird das Gelände in Altenhof von einem Investor aus Karlsruhe für 5,5 Millionen Euro modernisiert.
Pionierlieder
Zu zahlreichen Gelegenheiten wurden immer wieder die Lieder der Pioniere gesungen.
- Unser kleiner Trompeter („Von all unsern Kameraden ...“)
- Thälmann-Lied („Heimatland, reck deine Glieder ...“)
- Pioniermarsch („Wir tragen die blaue Fahne ...“)
- Der Volkspolizist („Ich stehe am Fahrdamm ...“)
- Jetzt bin ich Junger Pionier
- Unsere Heimat
- Fröhlich sein und singen
- Kleine weiße Friedenstaube
- Lied der jungen Naturforscher („Die Heimat hat sich schön gemacht ...“)
- Gute Freunde („Soldaten sind vorbeimarschiert ...“)
- Hab'n Se nicht noch Altpapier
- Pioniere voran! („Hell scheint die Sonne ...“)
- Laßt Euch grüßen, Pioniere
- Immer lebe die Sonne
- Friede auf unserer Erde
- Fernsehturmlied
- Wenn ich groß bin, gehe ich zur Volksarmee
Literatur
- Ansorg, Leonore: Kinder im Klassenkampf : Die Geschichte der Pionierorganisation von 1948 bis Ende der fünfziger Jahre, Berlin, 1997, ISBN 3-05-003117-4
- Felsmann, Barbara: Beim kleinen Trompeter habe ich immer geweint, Lukas Verlag 2003, ISBN 3-931836-55-X
- Ocasek, Karl Heinz (Hrsg.): Fröhlich sein und singen ... : Lieder aus unserem Leben (Liederbuch), Berlin, 2000, ISBN 3-359-00974-6
- Handbuch des Pionierleiters. Eine pädagogisch-methodische Anleitung für Pionierleiter und Helfer der Jungen Pioniere, 1961, Berlin (Ost), ohne ISBN (im Bestand der ZLB
- Elsen, Heinz: Geschichte der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“. Chronik, 1983, Berlin (Ost), ohne ISBN (im Bestand der ZLB)
- Blaue Wimpel im Sommerwind – DEFA-Dokumentarfilm
Tonträger (Pionierlieder)
- Pionierlieder. Thomas Putensen, CD, 2001
- Wir lieben das fröhliche Leben, CD, 2003
- Die schönsten Pionierlieder, Vol. 2, CD, 2004
ehemalige Adresse in der DDR
Pionierorganisation "Ernst Thälmann", 1086 Berlin, Unter den Linden 16/38
Siehe auch
Weblinks
- Webseite des Deutschen Historischen Museums mit weiteren Informationen über den DDR-Alltag
- Bild des Pionierausweises der Jungpioniere
- Massenorganisationen in der DDR
- Pionierorganisation in der DDR
- www.dirkswebwelt.de Private Homepage mit umfassender Präsentation der Pionierorganisation und zahlreichen Bildern
- Orlandos.de, Private Homepage zu Comics in der DDR
- www.pionierrepublik.de