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Karate

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Japanische Kalligraphie "Karatedō"

Karate (空手, jap. leere Hand) ist eine Kampfkunst, deren Geschichte sich sicher bis ins Okinawa des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen läßt, wo einheimische Traditionen mit chinesischen und japanischen Einflüssen verschmolzen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand sie ihren Weg nach Japan und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von dort über die ganze Welt verbreitet.

Die moderne Bezeichnung Karatedō soll Karate begrifflich in eine Reihe mit anderen Dō-Künsten stellen, will sich aber nicht zuletzt aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades des Begriffes Karate nicht so recht durchsetzen.

Inhaltlich wird Karate durch waffenlose Techniken charakterisiert (aber siehe Kobudō), vor allem Schlag-, Stoß-, Tritt- und Blocktechniken sowie Fußfeger. Hebel und Würfe werden manchmal ebenfalls gelehrt, selten werden auch Würgegriffe und Nervenpunkttechniken geübt.

Recht hoher Wert wird meistens auf die körperliche Konditionierung gelegt, die heutzutage insbesondere Beweglichkeit, Schnellkraft und aerobische Belastbarkeit zum Ziel hat. Die eigentliche Abhärtung der Gliedmaßen mit dem Ziel des Bruchtests, also des aus Film und Fernsehen bekannten Zerschlagens von Brettern oder Ziegeln, ist heute weniger populär, wird aber von Einzelnen immer noch enthusiastisch betrieben. Die "Abhärtung" der Gliedmaßen im Karate wird durch das Schlagen auf den Schlagpfosten (makiwara)ausgeübt. Abgehärtet werden bestimmte Bereiche der Gliedmaßen, die bei einem Stoß, Schlag oder Tritt auf den Körper treffen. Bei einem geraden Fauststoß (choku-zuki) aus der Grundstellung (shizentai) heraus trifft die Faust das Ziel mit den Knöcheln von Zeige-und Mittelfinger. Ohne eine entsprechende Kräftigung der Arme, des Handgelenks und der Knöchel würde ein solcher Stoß ohne jede Wirkung bleiben. Deswegen wird das Makiwara verwendet, ein mit Reisstroh umwickeltes Schlagpolster. Ergänzend können auch der Sandsack und andere Polster herangezogen werden, auch Elefantenmatten und verschiedene Gerätschaften aus dem Turnen (z.B. Schlagen auf den Bock).

Der traditionellen Etikette (Reishiki) kommt je nach den Gepflogenheiten des Dōjō mehr oder weniger Bedeutung zu, obwohl ein Mindestmaß fast immer beachtet wird. Das moderne Karate-Training ist eher sportlich orientiert. Das heißt, dass dem Wettkampf eine große Bedeutung zukommt. Es werden national wie international viele Wettkämpfe ausgetragen, und sicher bildet die Spitze einen wichtigen Baustein für die Entwicklung des Karate als Sport UND als Kunst. Doch man sollte die Spitze und die Breite (also Leistungs- und Breitensport) nicht getrennt voneinander betrachten. Beide haben ihren Anteil an der Entwicklung dieser alten Kampfkunst aus China und Okinawa, die erst in den Fünfizger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts in Japan zu ihrer Blüte entwickelt wurde. Der Breitensport braucht die Spitze, und die Spitze braucht den Breitensport. Es gibt aber immernoch etliche Diskussionen darüber, wer nun das "bessere" Karatedo machen würde. Doch solche Diskussionen sind kindisch und Schaden dem Karate. Denn genauso wie in anderen Künsten und anderen Sportarten muss jeder sein eigenes Karate finden. Man muss also seinen eigenen Weg (Do) gehen, um das Karate zu erlernen, wie es von seinen Gründern über die Jahrhunderte entwickelt wurde. Dann wird man auch die zahlreichen Facetten des Karate entdecken, die letzten Endes alle zusammengehören.

Geschichte

Name

Karatedō wurde früher meist nur als Karate bezeichnet und ist unter dieser Bezeichnung noch heute am häufigsten geführt. Der Zusatz wird verwendet, um den philosophischen Hintergrund der Kunst und ihre Bedeutung als Lebensweg zu unterstreichen. Bis in die dreißiger Jahre hinein war die Schreibweise 唐手 gebräuchlich, was soviel wie chinesische Hand bedeutet. Damit waren die chinesischen Ursprünge bereits im Namen der Kampfkunst manifestiert. Aus politischen Gründen ging man dann in Japan dazu über, die Schreibung 空手 also leere Hand zu verwenden. Das neue Zeichen wurde wie das alte kara gelesen und war auch von der Bedeutung her in sofern passend, als im Karate meist mit leeren Händen, also ohne Waffen gekämpft wird.

Ursprünge

Die Legende erzählt, daß der buddhistische Mönch Daruma Taishi (Bodhidharma) aus Kanchi Puram (Süd-Indien) im 6. Jahrhundert das Kloster Shaolin erreicht und dort nicht nur den Ch'an-Buddhismus begründet, sondern die Mönche auch in körperlichen Übungen unterwiesen habe, damit sie das lange Meditieren aushalten konnten. So sei das Shaolin-Kungfu (korrekt transkribiert: Quanfa, jap. Kempo) entstanden, aus dem sich dann die meisten anderen chinesischen Kampfkunststile entwickelt hätten.

Da Karate um seine chinesischen Wurzeln weiß, betrachtet es sich ebenfalls gerne als Nachfahren jener Tradition, deren Historizität natürlich höchst zweifelhaft ist. Nichtsdestoweniger ziert das Bildnis von Daruma so manches Dōjo.

Von China nach Okinawa

Karate in seiner heutigen Form entwickelte sich auf der pazifischen Kette der Ryūkyū-Inseln, dort insbesondere auf der Hauptinsel Okinawa. Die Insel liegt ca. 600 Kilometer südlich von den japanischen Hauptinseln im Südchinesischen Meer und ist heute Japans südlichste Präfektur. Bereits im 14. Jahrhundert unterhielt Okinawa, damals noch unabhängig, rege Handelskontakte zu Japan, China und Korea. Die urbanen Zentren der Insel, Naha, Shuri und Tomari waren damals ein großer Umschlagplatz für Waren und boten damit ein Forum für den regen kulturellen Austausch mit dem chinesischen Festland. Dadurch gelangten erste Eindrücke chinesischer Kampftechniken Kempo nach Okinawa, wo sie sich mit dem einheimischen Te/De vermischten und sich zum Tode Okinawa-Te weiterentwickelten . Te bedeutet wörtlich soviel wie Hand, im übertragenden Sinne auch Technik bzw. Handtechnik. Der ursprüngliche Begriff für Karate, Okinawa-Te, kann daher grob als Handtechnik aus Okinawa übersetzt werden (meint aber natürlich die verschiedenen Techniken als Ganzes).

Die wirtschaftliche Bedeutung der Inseln führte dazu, dass sie ständig von Unruhen und Aufständen heimgesucht wurde. Im Jahre 1416 gelang es schließlich König Sho Shin (auch Sho Hashi) die Inseln zu einigen. Zur Erhaltung des Friedens in der aufständischen Bevölkerung verbot er daraufhin das Tragen jeglicher Waffen. Um die einzelnen Regionen zu kontrollieren verpflichtete er sämtliche Fürsten zum dauerhaften Aufenthalt an seinen Hof in Shuri, eine Kontrollmöglichkeit die später von den Tokugawa-Shogunen kopiert wurde. Durch das Waffenverbot erfreute sich die waffenlose Kampfkunst des Okinawa-Te erstmals wachsender Beliebtheit und viele ihrer Meister reisten nach China um sich dort durch das Training des chinesischen Chuan-Fa/Quan Fa fortzubilden.

1609 besetzte der japanische Satsuma-Clan die Inselkette und deren Statthalter auf Okinawa, Shimazu, verschärfte das Waffenverbot dahingehend, dass sogar der Besitz jeglicher Waffen, selbst Zeremonienwaffen, unter schwere Strafe gestellt wurde. Ungefähr zwanzig Jahre dauerte es, bis sich die großen Meister des Okinawa-Te zu einem geheimen oppositionellen Bund zusammenschlossen und festlegten, dass Okinawa Te nur noch im Geheimen an ausgesuchte Personen weitergegeben werden sollte.

Währenddessen entwickelte sich in der bäuerlich geprägten Bevölkerung das Kobudō, das Werkzeuge und Alltagsgegenstände mit seinen speziellen Techniken zu Waffen verwandelte. Dort gingen teilweise sämtliche spirituellen, mentalen und gesundheitlichen Aspekte, wie sie im Chuan-Fa gelehrt wurden, verloren. Auf Effizienz ausgelegt, wurden Techniken, die unnötiges Risiko bargen, wie beispielsweie Fußtritte im Kopfbereich, nicht trainiert. Kobudō und seine Waffen konnten schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht verboten werden, da sie für die Versorgung der Bevölkerung sowie der Besatzer schlicht notwendig waren. Allerdings war es sehr schwer mit diesen Waffen einem ausgebildeten und gut bewaffneten Krieger im Kampf gegenüberzutreten. Deshalb entwickelte sich in Okinawa Te und Kobudō, die damals noch eng miteinander verknüpft gelehrt wurden, die Maxime möglichst nicht getroffen zu werden und gleichzeitig die wenigen Gelegenheiten, die sich boten zu nutzen, den Gegner mit einem einzigen Schlag zu töten.

Die tödliche Wirkung dieser Kampfkunst führte dazu, dass die japanischen Besatzer erneut das Verbot ausdehnten, und das Lehren von Okinawa-Te ebenfalls unter drakonische Strafe stellten. Allerdings wurde es weiterhin im Geheimen unterrichtet. Damit wurde die Kenntnis des Te für lange Zeit auf kleine elitäre Schulen oder einzelne Familien beschränkt, da die Möglichkeit zum Studium der Kampfkünste auf dem chinesischen Festland nur wenigen begüterten Bürgern zur Verfügung stand.

Matsumura

Weil die Kunst des Schreibens in der Bevölkerung damals kaum verbreitet war, und man aus Geheimhaltungsgründen dazu gezwungen war, wurden keinerlei schriftliche Aufzeichnungen angefertigt. Man verließ sich auf die mündliche Überlieferung und die direkte Weitergabe und begann zu diesem Zweck, die zu lehrenden Techniken in didaktischen zusammenhängenden Einheiten zu festgelegten Abläufen oder Formen zu bündeln. So entwickelten sich die Kata des Okinawa-Te und wurden zum hauptsächlichen Medium der Tradition des Karate.

Der erste noch namentlich bekannte Meister des Tode war vermutlich Chatan Yara, der etliche Jahre in China lebte und dort die Kampfkunst seines Meisters erlernte. Der Legende nach unterrichtete er wohl "Tode" Sakugawa, einen Schüler von Peichin Takahara. Auf Sakugawa geht eine Variante der Kata Kushanku, benannt nach einem chinesischen Diplomaten, zurück. Der bekannteste Schüler Sakugawas war "Bushi" Sokon Matsumura, der später sogar den Herrscher von Okinawa unterrichtete.

Zwanzigstes Jahrhundert

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde Karate stets im Geheimen geübt und ausschließlich von Meister zu Schüler weitergegeben. Während der Meiji-Restauration wurde Okinawa im Jahre 1875 offiziell zu einer japanischen Präfektur erklärt. In dieser Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, in der sich die okinawanische Bevölkerung den japanischen Lebensgewohnheiten anpasste und Japan sich nach jahrhundertelanger Isolierung wieder der Welt öffnete, begann Karate wieder stärker in die Öffentlichkeit zu drängen.

Der Kommissar für Erziehung in der Präfektur Okinawa, Ogawa Shintaro, wurde 1890 während der Musterung junger Männer für den Wehrdienst auf die besonders gute körperliche Verfassung einer Gruppe junger Männer aufmerksam. Diese gaben an, auf der Jinjo Koto Shogakko (Jinjo Koto Grundschule) im Karate unterrichtet zu werden. Daraufhin beauftragte die Lokalregierung den Meister Yasutsune Itosu damit, einen Lehrplan zu erstellen, der unter anderem einfache und grundlegende Kata (Pinan oder Heian) enthielt, aus denen er Taktik und Methodik des Kämpfens weitgehend entfernte und den gesundheitlichen Aspekt wie Haltung, Beweglichkeit, Gelenkigkeit, Atmung, Spannung und Entspannung in den Vordergrund stellte. Karate wurde dann 1902 offiziell Schulsport auf Okinawa. Dieses einschneidende Ereignis in der Entwicklung des Karate markiert den Punkt, an dem das Erlernen und Üben der Kampftechnik nicht mehr länger nur der Selbstverteidigung diente, sondern auch als eine Art Leibesertüchtigung angesehen wurde.

Nach Beginn des Jahres 1900 erfolgte von Okinawa aus eine Auswanderungswelle nach Hawaii. Dadurch kam Karate erstmals in die USA, die Hawaii 1898 annektiert hatten.

Gichin Funakoshi, ein Schüler der Meister Yasutsune Itosu und Anko Asato, tat sich bei der Reform des Karate besonders hervor: Auf der Grundlage des Shorin-Ryū (auch Shuri-Te nach der Ursprungsstadt) und des Shorei-Ryū (Naha-Te) begann er Karate zu systematisieren. Er verstand es neben der reinen körperlichen Ertüchtigung auch als Mittel zur Charakterbildung.

Neben den genannten drei Meistern war Kanryo Higaonna ein weiterer einflussreicher Reformer. Sein Stil integrierte weiche, ausweichende Defensivtechniken und harte, direkte Kontertechniken. Seine Schüler Chojun Miyagi und Kenwa Mabuni entwickelten auf dieser Basis die eigenen Stilrichtungen Gōjū-Ryū bzw. Shito-Ryū, die später große Verbreitung finden sollten.

In den Jahren von 1906 bis 1915 bereiste Funakoshi mit einer Auswahl seiner besten Schüler ganz Okinawa und hielt öffentliche Karate-Vorführungen ab. In den darauffolgenden Jahren wurde der damalige Kronprinz und spätere Kaiser Hirohito Zeuge einer solchen Aufführung und lud Funakoshi, der bereits Präsident einer okinawanischen Kampfkunstvereinigung war, ein, bei einer nationalen Budō-Veranstaltung 1922 in Tōkyō sein Karate in einem Vortrag zu präsentieren. Dieser Vortrag erfuhr großes Interesse und Funakoshi wurde eingeladen, seine Kunst im Kodokan praktisch vorzuführen. Die begeisterten Zuschauer, allen voran der Begründer des Jūdō, Jigoro Kano, überredeten Funakoshi am Kodokan zu bleiben und zu lehren. Zwei Jahre später, 1924, gründete Funakoshi sein erstes Dōjō.

Über die Schulen kam Karate auch bald zur sportlichen Ertüchtigung an die Universitäten, wo damals zum Zwecke der militärischen Ausbildung bereits Jūdō und Kendō gelehrt wurden. Diese Entwicklung, die die okinawanischen Meister zur Verbreitung des Karate billigend in Kauf nehmen mussten, führte zur Anerkennung von Karate als "nationale Kampfkunst" und war damit endgültig japanisiert.

Nach dem Vorbild des bereits im Jūdō etablierten Systems wurde im Laufe der dreißiger Jahre dann der Kimono oder Karate-Gi sowie die hierarchische Einteilung in Schüler- und Meistergrade, erkennbar an Gürtelfarben, im Karate eingeführt; mit der auch politisch motivierten Absicht eine stärkere Gruppenidentität und hierarchische Struktur zu etablieren.

Aufgrund seiner Bemühungen wurde daraufhin Karate an der Shoka-Universität, der Takushoku-Universität, der Waseda-Universität und an der Japanischen Medizinischen Hochschule eingeführt. Das erste offizielle Buch über Karate wurde von Gichin Funakoshi unter dem Namen Ryu Kyu Kempo Karate im Jahre 1922 veröffentlicht. Es folgte 1925 die überarbeitete Version Rentan Goshin Karate Jutsu. Sein Hauptwerk erschien unter dem Titel Karate Do Kyohan 1935 .( diese Version wurde 1958 noch einmal um die karatespezifischen Entwicklungen der letzten 25 Jahre erweitert.)Sein "Hauptwerk" erschien unter dem Namen "Karate-do Ichi-ro" (Karate-do - mein Weg), in dem er sein Leben mit Karate schildert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch Funakoshis Beziehungen zum Ausbildungsministerium, Karate als Leibeserziehung, und nicht als kriegerische Kunst eingestuft, was es ermöglichte, Karate auch nach dem Zweiten Weltkrieg zur Zeit der Besatzung in Japan zu lehren.

Über Hawaii sowie die amerikanische Besatzung Japans und insbesondere Okinawas fand Karate im Laufe der fünziger und sechziger Jahre als Sportart zunächst in den USA und dann auch in Europa eine immer stärkere Verbreitung.

Aus der nach Funakoshi bzw. dessen schriftstellerischen Pseudonym Shoto benannten Schule Shotokan ging die erste international agierende Karate Organisation, die JKA hervor, die noch heute einer der einflussreichsten Karateverbände der Welt ist. Funakoshi und die übrigen alten Meister lehnten die Institutionalisierung und Versportlichung sowie die damit einhergehende Aufspaltung in verschiedene Stilrichtungen gänzlich ab.

1954 gründete Henry Plee in Paris das erste europäische Budō-Dōjō. Ein Deutscher Jūdōka namens Jürgen Seydel kam auf einem Jūdō-Lehrgang in Frankreich erstmals in Kontakt mit Karate beim Meister Murakami, den er begeistert einlud auch in Deutschland zu lehren. Aus den Teilnehmern dieser Lehrgänge, entwickelte sich zunächst innerhalb der Jūdō-Verbände eine Unterorganisation, die Karate lehrte und aus der schließlich im Jahre 1961 der erste Deutschen Dachverband der Karateka, der Deutsche Karate Bund hervorging.

Der erste Karateverein in Deutschland wurde 1957 von dem Karate-Pionier Jürgen Seydel unter dem Namen Budokan Bad Homburg in Bad Homburg gegründet. Die größte Ausbreitung des Karate in Deutschland erfuhren die Organisationen in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren in denen der Deutsche Karate Verband (DKV) die Karatetreibenden jeglicher Stilrichtung als Dachorganisation verband.

Etikette

Jedes Karatetraining beginnt und endet traditionell mit einer kurzen Meditation (黙想, mokusō). Danach wird eine rituelle Grußzeremonie (Rei) durchgeführt, in der sich Schüler und Meister voreinander und vor den alten Meistern und Vorfahren (im Geiste, repräsentiert an der Stirnseite, dem Shōmen des Dōjō) verneigen. Wie in allen anderen Dō-Künsten üblich wird im Umgang der strenge Kodex des Reishiki und das Dōjōkun beachtet.

Kleidung

Jeder Karateka trägt ein Karate-Gi, bestehend aus einer einfachen an der Hüfte geschnürten weißen Hose, Zubon, früher bestehend aus Leinen, heute aus Baumwolle und einer Jacke, Uwagi genannt, aus dem gleichen Material. Gehalten wird die Jacke (meist neben einer leichten Schnürung) durch einen gefärbten Gürtel, dem Obi.

Graduierung

In Graduierungen wird zwischen den Kyū- und den Dan-Graden unterschieden. Während letztere die Meisterstufe bezeichnen, stellen die Kyū-Grade die Stufen der Schüler dar. Jeder dieser Stufen wird eine Gürtelfarbe zugeordnet. Der 9. Kyū ist hierbei die unterste Stufe. Das Problem der Gürtelfarben ist, dass die verschiedenen Vereine und Verbände verschiedene Gürtelfarben haben. Daher ist dies nur ein Muster, welches aus einem bestimmten Dojo (Trainingsraum) stammt. Viele der Gürtelfarben sind auch eine Erfindung des modernen Karate, insbesondere in westlichen Ländern. Viele Verbände verfolgen damit neben der beabsichtigten Motivation der Mitglieder auch finanzielle Interessen, denn für jede abzulegende Prüfung wird eine Gebühr erhoben.

9. Kyu (weiß) 8. Kyu (gelb) 7. Kyu (orange) 6. Kyu (grün) 5. Kyu (blau) 4. Kyu (violett/blau) 3. Kyu (braun) 2. Kyu (braun) 1. Kyu (braun) 1. Dan, 2. Dan, 3. Dan ...
(schwarz)

Prüfungen

Zum Erlangen eines höheren Schüler- bzw. Meistergrades werden Prüfungen nach einem festen Programm und einer Wartezeit, je nach Kyu- und Dan-Graden verschieden, abgelegt. Die Programme der Prüfungen können sich allerdings von Verband zu Verband oder sogar in jedem einzelnen Dōjō unterscheiden. Das Ablegen der Prüfungen wird heute als Ansporn und Bestätigung des Erreichten, ähnlich wie in unserem Schulsystem, angesehen. Es wird auf Haltung, Aufmerksamkeit, korrekte Ausführung der Technik, Kampfgeist, Konzentration und Willen geachtet. Der Gesamteindruck entscheidet. Die höheren Meistergrade (meist ab dem 5. Dan) können nicht mehr durch Prüfungen erreicht werden, sondern werden aufgrund besonderer Leistungen und Verdienste von der jeweiligen Organisation verliehen.

Philosophie

Karate hat einen spirituellen Kern, aus religiösen Elementen des Zen und des Taoismus. Außerdem ist es stark beeinflußt vom Bushidō (jap. „Weg des Kriegers“), dem Kodex der Samurai.


Meditation

Zum besseren Verständnis des spirituellen Wesens des Karate ist auch das Studium des chinesischen Taijiquan sehr geeignet, das sowohl als ganzheitliche Meditation als auch als Kampfkunst (z. B. mit dem Schwert) betrieben werden kann.

Die Wiederholung der Bewegungen, in Kihon (jap. „Grundschule“) und Kata (jap. „Form“) wird von manchen Meistern als Meditation betrachtet. Das Ki, also die Energie des Körpers, das Bewußtsein, das sich beispielsweise in Koordinations- und Reaktionsvermögen äußert, sollen durch körperlich anstrengende, konzentrierte und dynamische Bewegungen gestärkt werden. Bei der Aufwärmgymnastik werden in manchen Schulen auch Bestandteile von Yogaübungen praktiziert.


Das Prinzip des Dō (道) findet sich in allen japanischen Kampfkünsten wieder und ist unmöglich umfassend zu beschreiben. ist die japanische Lesart des chinesischen Tao, das mit dem gleichen Zeichen geschrieben wird. Es bedeutet „Weg“; nicht nur im wörtlichen Sinne also „Straße“, sondern auch mit der übertragenen Bedeutung des „Lebensweges“, der „Lebenseinstellung“. Dahinter stehen einerseits das taoistisch-schicksalhafte Prinzip, daß das Tao, der Weg, vorgezeichnet ist und die Dinge in ihrer Richtigkeit vorbestimmt; sowie die Einstellung des Nichtanhaftens und der Nichtabhängigkeit von allen Dingen, Gegebenheiten und Bedürfnissen, die im Zen-Buddhismus gelehrt wird. Der Kodex des Bushidō geht noch weiter: Der bushi (jap. „Krieger“), der Bushidō verinnerlicht hat, befreit sich damit nicht nur von allen materiellen Bedürfnissen, sondern von dem Begehren um jeden Preis zu leben. Das Ende des eigenen Lebens wird damit nicht unbedingt erstrebenswert, aber auf jeden Fall eine zu akzeptierende Tatsache, und der Tod birgt keinen Schrecken mehr. Diese Haltung war im alten Japan eine hochangesehene geistige Einstellung, die sich in vielen martialischen Verhaltensweisen wie dem Seppuku manifestierte. Dies darf jedoch auf keinen Fall als Geringschätzung gegenüber dem eigenen Leben oder dem eines anderen aufgefaßt werden. Im Gegenteil: Die Aufopferung des eigenen wertvollen Lebens wog vielmehr jede Schmach auf, die ein Krieger zu Lebzeiten auf sich geladen hatte. Das Seppuku, also der rituelle Selbstmord, befreit den Krieger von Schuld und Schande und stellte seine Ehre wieder her.

Das Dō-Prinzip impliziert nun viele verschiedene Konzepte und Verhaltensweisen, die nicht abschließend aufgezählt werden könnten. Deshalb hier nur einige wenige Aspekte:siehe auch Dojokun; Shoto-Niju-Kun

  • „den Weg gehen“: lebenslanges Lernen und Arbeiten an sich selbst; ständige Verbesserung
  • Friedfertigkeit, Friedenswille, aber auch
  • Geradlinigkeit; absolute Entschlossenheit im Kampf
(„Tue alles, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Kommt es aber trotzdem zum Kampf, so soll Dein erster Schlag töten.“)
  • Respekt und damit Höflichkeit gegenüber jedem Individuum und Ding, auch dem Feind
  • „Weg“-Gemeinschaft mit Meister und Mitschülern, Brüderlichkeit, verantwortungsvolles Handeln
  • Selbstbeherrschung, universelle Aufmerksamkeit (Achtsamkeit), Konzentration (Zanshin, 残心)
  • Offenheit, Bemühen um Verständnis, Akzeptanz
  • Nicht-Streben

Olympische Spiele

Karate ist keine olympische Disziplin. Allerdings ist es in die Liste der olympischen Spiele aufgenommen worden. Viele Verbände, u. a. der DKV, haben begonnen, alte Wettkampfformen und das Punktesystem zu verändern, um so den Karatewettkampf für die Olympischen Spiele vermeintlich „populärer“ zu machen. Viele der alten Meister waren allerdings von dem Wettkampfgedanken in bezug auf Karate sehr wenig angetan; und so sind auch heute noch viele der Meinung, daß eine Aufnahme in den Olympischen Kanon eine weitere Versportlichung und den Verlust vieler althergebrachter Werte des Karatedō mit sich brächte. Daher wird die Aufnahme in die Reihe der olympischen Sportarten von sehr vielen Karateka äußerst skeptisch gesehen.

Stilrichtungen

Die vier großen Stilrichtungen im Karate sind

Daneben gibt es noch eine unüberschaubare Anzahl an kleineren Stilrichtungen, die teilweise nur in bestimmten Ländern, teilweise aber auch weltweit verbreitet sind. Jede Stilrichtung hat ihren Focus auf verschiedenen Aspekten des Karate. So können Stile mehr auf Selbstverteidigung, Wettkampf, Fitness, Tradition oder auf andere Punkte Wert legen.

Die vier großen Stilrichtungen

Shōtōkan

Funakoshi Gichin, geboren 1868 in Shuri auf Okinawa und ursprünglich als Hauptschullehrer tätig, wird heute als Begründer des Shōtōkan-Karate angesehen. Sein Stil basiert auf Matsumuras Shorin Ryū. Shōtō war Funakoshis Künstlername und bedeutet Pinienrauschen - seine erste eigene Trainingshalle (im Frühjahr 1935 in Tōkyō eingeweiht) wurde aus diesem Grund Shōtōkan genannt. Diese Bezeichnung wurde später für seinen Karate-Stil übernommen. Funakoshi's Zielsetzung war:

  • Schulung von Geist, Charakter und innerer Einstellung. „Bevor du den Gegner besiegst, musst du dich selbst besiegen.“
  • „Man kann sehr sehr lange trainieren, aber wenn man immer nur Hände und Füße bewegt und wie eine Marionette umherspringt, dann ist Karate nicht anders als Tanzen lernen. Man wird die Hauptsache verfehlen. Es wird so nicht gelingen, die Quintessenz des Karate-do zu begreifen.“ - Funakoshi Gichin, J. Hyams (1979, 87)
  • Wichtig war ihm außerdem auch der Selbstverteidigungsaspekt des Karate. Von Funakoshi stammt die im heutigen Wettkampfkarate kaum mehr beachtete Maxime: „Im Karate gibt es keine erste Hand." (D.h. ein Karateka soll niemals, auch nicht präventiv, zuerst angreifen.)

Funakoshis dritter Sohn Yoshitaka Giko entwickelte 1938-1945 als Hauptlehrer im Shōtōkan-Dōjō tiefere und längere Stellungen und ab 1943 Gohon-Kumite, Sanbon-Kumite und Ippon-Kumite. Insgesamt ein dynamischerer und kämpferischerer Stil. Außerdem den Mawashi-Geri, Yoko-Geri-Kekomi, Yoko-geri-Keage, Ura-Mawashi-Geri und Fumi-Komi. Kase Taiji Sensei entwickelte zeitgleich als Schüler Yoshitakas den Ushiro-Geri und den Keiten-Geri.

Professor Nakayama Masatoshi (1913-1987), Schüler von Gichin Funakoshi, studierte 1937-1946 unter anderem in China Kampfkünste. Er gründete 1949 an der Takushoku-Dai Universität mit Nishiyama und Takagi die Japan Karate Association JKA (日本空手協会, Nihon Karate Kyōkai). Nakayama entwickelte das Jiyu-Kumite welches später die Grundlage für den Wettkampf im Shôtôkan-Karate darstellte. Die spezielle Form des Kumite ermöglichte eine realistischere Kampfsimulation und eine gute Grundlage für die strategische Analyse, die auch zur Verbesserung der Selbsteinschätzung führte. Die korrekte Ausführung der Techniken wurde durch die Schiedrichter kontrolliert. Nach dem Krieg war Nakayama Direktor der sportwissenschaftlichen Fakultät der Takushoku-Universität in Tokyo. So kam es erstmals zu einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Karate. Standardwerke wie das reich bebilderte „Dynamic Karate“ und die mehrbändige Buchserie „Karate-Perfekt“ entstanden. Sportwissenschaftliche Zusammenarbeit mit Okazaki Teruyuki (* 1931) damals in der JKA, an der Universität von Long Island in New York. Entwicklung von Wettkampfregeln 1951 an der Waseda-Universität mit Oshima. Mitglieder der JKA waren u.a. Kase Taiji, Kanazawa Hirokazu, Enoeda Keinosuke, Tsuyama Katsunori, Shirai Hiroshi, Yahara Mikio, Kawasoe Masao, Tanaka Masahiko, Abe Keiko, Asai Tetsuhiko.Nach dem Tode Funakoshis spalteten sich die Anhaenger Funakoshis in zwei Gruppen. Eine ist die Japan Karate Kyokai, die andere die Shotokai von Egami. Egami Shigeru (1912-1981), mehr Mystiker, Schüler Funakoshis, lehnte Nakayamas Weg als zu sportlich ab und gründete 1958 das Shotokai Karate. Shotokai Karate veranstaltet keine Wettkämpfe. Die Katas sind mit den Shōtōkan-Katas weitgehend identisch. Nach der Abspaltung der JKA veränderte Egami sein Karatekonzept, das sich bisher an Yoshitaka Funakoshis Auffassung anlehnte, wobei er beeinflusst wurde vom Aikido, Tai Chi Chuan, und Qigong. Heute zeigt sich das Shotokai mit extrem tiefen Stellungen, die zur Selbstverteidigung ungeeignet erscheinen. Hier unterscheidet sich die Shotokai stark vom dynamischen Karate der JKA unter Nakayama, die heute versucht zu ihren Wurzeln zurückzukehren.

Kanazawa Hirokazu (* 1931), gründete 1974 mit den Meistern Asano Shiro, Miura Masuru, Nagai Akio, Kawasoe Masao und Koga Rikuta die Shōtōkan Karate International SKI.

Kase Taiji (*1929-2004)), gründete 1989 mit Meister Shirai Hiroshi die WKSA in Mailand, die 1999 in die Shotokan-Ryu-Kase Ha Instructor Academy überging. Nach Nakayamas Tod konnte er sich mit der immer weiter um sich greifenden Versportlichung des Karate-Dō innerhalb der JKA nicht mehr identifizieren. Am 24. November 2004 starb Shihan Kase.

Gōjū-Ryū

Der Naha-Te Stil (die Hand von Naha), entwickelt von Higaonna (18531917), bildete die Basis des Gojū Ryū Karate. Er studierte dort lange Chinesisches Kempo. Miyagi (18881953) gab dann dem Gōjū-ryu Stil den letzten Feinschliff. Der Name setzt sich aus den Silben (剛, hart) und (柔, weich) zusammen und wird seit 1929 benutzt. Ursprung der philosophischen Bedeutung: "Alles im Universum atmet hart und weich" (Bubishi. 1940 wurde die Entwicklung des Gōjū Ryū als Stil abgeschlossen, indem Miyagi die von ihm entwickelten Kata Gekkisai-dai-ichi und Gekkisai-dai-ni einbrachte.

Wado-Ryū

Wado-Ryū wurde von Sensei Hironori Ōtsuka (1892-1982) 1934 gegründet.

Durch die Einflüsse des Shindo Yoshinryu Jiu Jitsu Kempo sind die Bewegungen kleiner, die Stellungen kürzer und im Kumite werden vor allem Ausweichbewegungen geübt, direkte Konter, aber auch Hebel und Würfe angewandt. In der Kata sind gegenüber Shōtōkan die größten Unterschiede festzustellen. Wado Ryū Katas haben ein leichteres, weniger kraftvolles Erscheinungsbild sind ökonomisch in der Bewegung, verlieren dadurch jedoch nicht die Wirksamkeit in der Technik. Diesem Prinzip entsprechend liegt im Wado Ryū der Hauptakzent auf die Bewegung des Körpers (tai sabaki).

Shito Ryū

Dieser Stil wurde von Kenwa Mabuni gegründet und ist das umfangreichste "crossover" das es im Karate gibt. Alle möglichen Einflüsse nicht nur okinawanisch sondern auch chinesische Konzepte sind in diesem Stil zusammengeführt. Begründet liegt dies darin das Kenwa Mabuni zwei Meister hatte Kanryo Higa-shi-onna und Yasutsune Ito-su. Mabuni ehrte beide Meister dadurch das er jeweils aus einer Silbe der Namen seiner Meister seine Stilrichtung benannte. Somit wurden Elemente des Shorin-ryu (Itosu) mit Shorei-ryu Elementen (Higashionna) verbunden. Besondere Katas die in den anderen Stilrichtungen nicht trainiert werden und deren Ursprung der chinesische Kranich Stil ist sind Hakutsura und Nipaipo. Neben diesen Katas entwickelte Mabuni Aoyagi Juroku und Myojo.

Training

Das Training des Geistes, des Charakters und der inneren Einstellung sind Hauptziele im Karate. Dies wird auch durch den Leitspruch der Japan Karate Association (JKA) dargelegt:

Oberstes Ziel in der Kunst des Karate ist weder Sieg noch Niederlage, sondern liegt in der Vervollkommnung des Charakters des Ausübenden.

Eine weitere Grundregel im Karate lautet

「空手に先手無し。」 (Karate ni sente nashi), was soviel bedeutet wie: Es gibt keinen Initialangriff im Karate.

Damit ist nicht das Training oder der Wettkampf gemeint, da ernsthafte Angriffs-Simulationen zu allen Budō-Künsten gehören. Der Satz verdeutlicht vielmehr den Kodex des Karatedō im täglichen Leben.

Das Karatetraining baut auf drei großen Säulen auf, dem Kihon, dem Kumite und der Kata:

Kihon

基本 (Kihon) heißt Grundlage oder Quelle, Ursprung (des Könnens) und wird häufig auch als Grundschule des Karate bezeichnet. Es umfasst die grundlegenden Techniken, die das Fundament des Karate bilden. Die einzelnen Techniken werden immer wiederholt, entweder langsam oder schnell, kraftvoll oder leicht/locker. Der Bewegungsablauf der einzelnen Technik wird in alle Bestandteile zerlegt und es wird versucht die Ideallinie der Bewegung zu finden, wobei es immer etwas zu optimieren gibt. Der Bewegungsablauf muss optimal verinnerlicht werden - reflexartig abrufbar, da für Denken, Planen und Handeln in einem realen Kampf zu wenig Zeit ist. Einatmung, Ausatmung, maximale Anspannung des ganzen Körpers im Zielpunkt. Kraftzentrum und Schwerpunkt liegen im Hara (ca. 2 cm unter dem Bauchnabel). Eine gute Gleichgewichtsbalance ist erstrebenswert und der innere Schwerpunkt muss gefunden werden. Die Haltung soll aufrecht sein.

Kumite

組み手 (Kumite) bedeutet wörtlich verbundene Hände und meint das Üben bzw. den Kampf mit einem (selten mehreren, siehe Bunkai) Gegnern. Das Kumite stellt innerhalb des Trainings eine Form dar, die sich auf angeborenes reaktives und intuitives Verhalten gegenüber überraschenden und gefährlichen Situationen stützt. Wenn bestimmte Techniken erlernt wurden (wenn man die erlernten Techniken also ohne zu überlegen ausführen kann), dann werden sie im Kumite erprobt. Es gibt verschiedene Formen des Kumite, die mit steigendem Anspruch von einer einzigen, abgesprochenen, mehrfach ausgeführten Technik bis hin zum freien Kampf in ihrer Gestaltung immer offener werden:

Bei Verteidigungstechniken werden hauptsächlich die Arme zu Blocktechniken verwendet. Würfe, Hebel, harte, weiche Blockbewegungen oder auch nur Ausweichen, meist in Kombination mit Schritt- oder Gleitbewegungen. Eine Blockbewegung kann auch als Angriffstechnik ausgeführt werden. Ein sehr gutes "Auge" vorausgesetzt, wird dazu der Angriff des Gegners im Ansatz mit einer Abwehrbewegung oder einem Gegenangriff (出会い, 'deaii', gleichzeitig) gestoppt.

Beim Angriff wird versucht, die ungedeckten Bereiche bzw. durch die Deckung hindurch den Gegner zu treffen. Es soll möglichst mit absoluter Schnelligkeit und mit höchster Vorspannung, konzentriert angegriffen werden. Der Kraftpunkt liegt am Zielpunkt der Bewegung. Erhöhter Krafteinsatz während der Bewegung führt zu Schnelligkeitsverlusten. Das Prinzip der Angriffstechnik gleicht dem des Pfeiles eines Bogenschützen bei Schlag- und Stoßtechniken und dem einer Peitsche bei geschnappten Techniken.

Yakusoku-Kumite

約束組み手 (abgesprochenes Kumite) ist die erste Stufe der am Partner/Gegner angewandten Technik. Dabei folgen beide Partner einem vorher festgelegten Ablauf von Angriff- und Verteidigungstechniken, die in der Regel im Wechsel ausgeführt werden. Ziel dieser Übung ist es, die Bewegungen des Partners/Gegners einschätzen zu lernen, sowie die eigenen Grundschul-Techniken in erste Anwendung zu bringen, ein Gefühl für Distanz und Intensität zu erhalten.

Gohon-Kumite

Fünfschrittkampf Angreifer geht fünfmal mit derselben Technik vor Verteidiger geht fünfmal mit derselben Technik zurück und macht nach dem fünften Angriff einen Konter. Mit dieser Kumiteform soll das Grundprinzip von Angriff und Verteidigung sowie das Rhtmusgefühl mit Partner vermittelt werden.

Sambon-Kumite

Dreischrittkampf identisch zu Fünfschrittkampf Mit dieser Kumiteform soll das Grundprinzip von Angriff und Verteidigung sowie das Rhtmusgefühl mit Partner vermittelt werden.Durch die Verkürzung von fünf auf drei Techniken wird das Kumite Element etwas dynamischer.

Kihon-Ippon-Kumite

erwidernder Einschrittkampf Angreifer greift mit festgelegter Technik an Verteidiger geht rückwärts, blockt und kontert umgehend. Dieses Kumiteelement erweitert das Karate um das Element Distanzgefühl

Kaeshi-Ippon-Kumite

erwidernder Einschrittkampf Angreifer greift mit festgelegter Technik an Verteidiger blockt und kontert direkt im Anschluss mit derselben Technik die der Angreifer benutzt hatte. Diese Kumiteform vermittelt Rhytmus und Timing mit dem Partner, Distanzgefühl und das Reaktionsvermögen auf einen erwidernden Angriff.

Okuri- Ippon-Kumite

Kampf mit direkt folgendem zweiten Angriff Nur die erste Technik des Angreifers ist bekannt. Verteidiger blockt die erste Technik passend zum angesagten Angriff und kontert. Angreifer greift je nach sich ergebender Distanz mit einer unbekannten Technik an. Der Verteidiger blockt und kontert situationsbedingt ohne Vorgabe der anzuwendenden Technik. Diese Kumiteform vermittelt Distanzgefühl Reaktion auf mehrfachen sowie unbekannten Angriff.

Jiyu-Ippon-Kumite

freier Einschrittkampf Angreifer greift nach Vorgabe an er tastet sich langsam an den Gegner heran bis zu seiner richtigen Distanz und Zeipunkt. Der Verteidiger wartet weicht beliebig aus macht eine zur Distanz angebrachte Verteidigung und kontert. Danach zieht er sich aus dem Angriffsbereich des Gegners umgehend zurück. Diese Kumiteform vermittelt Timing und Distanzgefühl.

Happo-Kumite

Kampfübung in alle Richtungen Verteidiger steht in der Mitte um Ihn herum sind Angreifer. Angriffe werden angesagt und der Verteidiger hat einen Block und Konter frei. Danach wechselt der Angreifer, sodass der Verteidiger permanent eine neue gute Position finden muss wobei die Angriffe permanent varieren und er kurzfristig situationsbedingt handeln muss. Diese Kumiteform dient der Vermittlung von Timing und Distanzgefühl. Kampf gegen mehrere Gegner sowie die Reaktion auf unterschiedliche Angriffe.

Jiyu-Kumite

Freikampf ( Randori ) Verteidigung und Angriff werden frei gewählt ohne Ansage oder Bekanntgabe dieser.

Es gilt das Prinzip: "Schlagen und Schlagen lassen." Allgemein gilt: Man muss, egal ob man die Initiative im Angriff oder in der Abwehr ergreift, "in Haltung gehen und aus der Haltung heraustreten". Es ist also egal, ob man einen Angriff blockt, sperrt, in diesen hineingeht oder selbst zum Angriff übergeht. Wichtig ist nur, all seine Aktionen OHNE ZU DENKEN auszuführen. Das heisst, dass man bei seinen Aktionen nicht von ablenkenden Gedanken erfasst wird. Der Kopf muss kühl bleiben. Ebenso wie in allen anderen Kampfkünsten hemmen die "Bewegungen im Kopf" letztlich die Bewegungen des Körpers. Der Geist muss ungehindert fließen können, um jede Bewegung des Gegners aufnehmen zu können. Diese Form des Kampfes stellt die Höchstform des klassischen Karate dar. Timing, Distanzgefühl, ein selbstbewusstes Auftreten, eine sichere Kampfhaltung, schnelle und geschmeidige Techniken, gehärtete Gliedmaßen, intuitives Erfassen, ein geschultes Auge, Sicherheit in Abwehr, Angriff und Konter... das alles sollte hinführend zum jiyu-kumite bereits vorher in den anderen Kumite-Formen sowie im Kihon und in der Kata eingeübt werden. Letzteres wird sich jedoch erst im jiyu-kumite sowie im randori vollends ausbilden: Spontanität.


Randori

乱取り (Unruhen/Ungeordnetes abfangen) ist eine freie Form des Partnertrainings, bei der es darum geht ein Gespür für den Fluß eines Kampfes, der Bewegungen und der eingesetzten Energie zu bekommen. Dabei ist es nicht zielführend, wie im Kampf Treffer um jeden Preis zu vermeiden, sondern es ist ausdrücklich erwünscht, daß die Trainierenden Treffer bei gut ausgeführten Angriffen auch zulassen. Es sind keine Vorgaben bezüglich der einzusetzenden Techniken gemacht. Die Übenden sollen vielmehr das spontane Handeln aus den sich ergebenden Situationen erlernen. Das Randori sollte locker und gelassen sein, einen freien Fluss der Techniken ermöglichen und keinen Wettkampfcharakter annehmen.

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Ura-mawashi-geri jōdan im Wettkampf

(Frei-)Kampf

Der Freikampf imitiert entweder reale Selbstverteidigungssituationen oder dient dem Wettkampf bzw. dessen Vorbereitung. Im Freikampf kommen Taktiken des Sen no Sen und Go no Sen zur Anwendung.

Kennzeichnend im "traditionellen" Karate ist der beabsichtigte Verzicht auf Treffer-Wirkung am Gegner. Absolut notwendig ist die Fähigkeit, Angriffstechniken vor dem Ziel, (Körper des Gegners) mit einer "starken" Technik zu arretieren, da ohne Hand- und Kopfschutz geübt wird. Treffer-Wirkung ist ein Regelverstoß. "Schwache" Techniken führen zu keiner Wertung.

Vollkontakt-Karate-Kampfsysteme gestatten und beabsichtigen in der Wettkampfordnung die Trefferwirkung. Viele dieser Stilrichtungen verwenden dazu auch Schutzausrüstungen wie Kopf- und Gebißschutz sowie einen speziellen Handschuh der die Fingerknöchel und den Handrücken polstert. Wird der Freikampf als Wettkampf durchgeführt so gibt es feste Regularien die beispielsweise Würfe über Hüfthöhe, Tritte zum Kopf, sowie Techniken gegen den Genitalbereich oder mit offener Hand zum Hals geführte Schläge aus Sicherheitsgründen verbieten. Ohne Handschuhe sind Angriffe mit den Händen oder Fäusten zum Kopf verboten, wie im Kyokushin-Kai, oder es werden komplette Schutzausrüstung mit Helm, Weste, Tiefschutz, Unterarm- und Schienbeinschoner und ev. ein Spannschutz verwendet, wie auch im Taekwondo.

Kata

(型) bedeutet Form oder Schablone. Eine Kata ist ein stilisierter und choreographierter Kampf gegen mehrere imaginäre Gegner, der einem festgelegten Muster im Raum, Embusen genannt, folgt. Verschiedene Stilrichtungen üben im allgemeinen verschiedene Kata, jedoch gibt es auch viele Überschneidungen, Varianten und unterschiedliche Namensgebung. Kata entwickelten sich wie bereits im Abschnitt Geschichte erwähnt zur komprimierten Weitergabe der Techniken einer Schule oder eines einzelnen Meisters ohne die Notwendigkeit schriftlicher Aufzeichnung.

Die vier Elemente der Kata

Bunkai

分解 (Analyse, Zerlegung) bezeichnet die Analyse der einzelnen fest vorgeschriebenen Bewegungen einer Kata, wie sie in der entsprechenden Schule gelehrt werden. Die dabei betrachtete Form der Kata bezeichnet man als das Genki (原拠) oder Basis-Modell. Dieses bezeichnet die Urform bzw. den Ursprung der Kata.

Ōyō

応用 (Anwendung) verlässt das Genki Modell indem dem Übenden individuelle Modifizierungen innerhalb der vorgeschriebenen Katabewegungen erlaubt werden. Manche Bunkai Techniken berücksichtigen z.B nicht den Größenunterschied zwischen Tori und Uke. Einer der beiden Partner modifiziert die Technik auf eine andere Schlag oder Trittstufe als die durch die Kata fest vorgegebene.Der Karateka modifiziert und optimiert die Kata auf seine Körpergrösse und verlässt damit das Genki Modell.

Henka

変化 (Variation). Die Ausführung der Kata und Ihr Ausdruck werden trotz absolut gleichen Bewegungsabläufen der Ausführenden niemals gleich aussehen. Die Akzentuierungen innerhalb der Bewegungsabläufe, die eingesetzte Kraft in den Einzeltechniken, die individuelle koordinative Befähigung, die Gesamtkonstitution und viele weitere Aspekte bewirken das eine Kata von zwei Karatekas vorgetragen niemals gleich sein kann. Henka beschreibt wie der Ausführende die Kata präsentiert und auch wie er sie sieht.

Kakushi

隠し (versteckt). Jede Kata beinhaltet Omote (表, Oberfläche, den sichtbaren Teil) und Okuden (奥伝, die Esoterik oder den unsichtbaren Teil). Kakushi beschäftigt sich mit Techniken die zwar immer im Genki Modell vorhanden sind aber im Verborgenen schlummern, da sie nicht offensichtlich sind. Diese scherzhaft als "Supertechnik" bezeichneten Inhalte eröffnen sich nur wenn der Meister auf diese verweist. In traditionell ausgerichteten Dojo werden diese Techniken nur den Uchi-deshi vermittelt. Kakushi wird traditionell ab dem 4. Dan vermittelt, da dieser auch als Dan des technischen Experten bezeichnet wird.

Andere Trainingsformen

Makiwaratraining

Ein Makiwara ist ein im Boden oder an der Wand fest verankertes Brett, aus elastischem Holz, z.B. Esche oder Hickory, mit Stoff, Leder o.ä. umwickelt, auf das man schlägt und tritt. Die Elastizität des Holzes verhindert einen harten Rückstoß in die Gelenke. Die Verletzungsgefahr, Hautabschürfungen und Gelenkversetzungen, ist am Anfang recht hoch. Dieses Training fördert den Knochenaufbau der Unterarme. Die Armknochen bestehen aus fast holen Knochen, die durch diese Trainingsform gestärkt werden. Durch die Belastung des zurückfedernden Makiwara, bei einen Schlag oder Tritt, werden diese Stellen, vom Körper „verdickt“, es lagert sich also mehr Calcium in dem Knochen an. Dieser wird dadurch härten.

Kimetraining

Um das Kime zu trainieren wird zunächst die Muskulatur geschwächt. Mit dieser Schwächung wird der Körper gezwungen, die Technik so effizient wie möglich auszuführen. Beispiele für ein Kimetraining und die Vorrangehende Schwächung wären:

  • Handstandliegestütze an der Wand - Tsuki-Training
  • Hockstrecksprünge - Mae-Geri-Training

Film und Medien

Die Darstellung von Karate in amerikanischen Filmproduktionen niedriger Qualität hat dem Karate seit jeher ein schlechtes Image verpaßt. Obwohl die positiven Helden durchweg Karate oder eine ähnliche Kampfkunst verwenden, um die Bösen zu besiegen, bleibt doch häufig ein schaler Nachgeschmack. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen in diesen B-Filmen, die oft Namen tragen wie Karate-Warrior/Tiger/Kid/Fighter, nur zu leicht. Der Gute und die Bösen unterscheiden sich nicht in ihren Methoden, sondern nur in ihren Motiven.

Ein häufig zu beobachtendes Schema ist:

Der Held verliert Eltern/Geschwister/alten Freund/Onkel oder ähnlich durch Mord oder Entführung an den oder die Bösen, was einen ausgiebigen Rache-Feldzug rechtfertigen soll. Der Held ist entweder ein alter Hase im Kampfgeschäft oder ein junger Naseweis, der von einem weisen alten Meister unterrichtet wird, bis er die Bösen besiegen kann.

Trotz der gelegentlich angerissenen moralischen Lehren, bleibt die Charakterschule des Karate im Hintergrund. Karate wird in den Händen des disziplinierten Helden zum bloßen Werkzeug, das kämpferische Überlegenheit garantiert.

Ein Protagonist aber, dessen wesentliche Eigenschaft ist, wieviele Bretter/Ziegelsteine/Eisblöcke er zerschlagen kann, ist kaum ein geeigneter Werbeträger für die Sache, die sich Karate eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat. Es ist fraglich, ob die von diesen Filmen angesprochene Zielgruppe genau die charakterlichen Eigenschaften mitbringt, die im Karate erwünscht sind: Disziplin, Höflichkeit, Willensstärke.

Das Bild, welches viele nicht mit den japanischen Kampfkünsten Vertraute vom Karate haben, wird von diesen Filmen geprägt, ist also ein Vorurteil. Auf der anderen Seite ist nachvollziehbar, dass ein Karateka, dem es aufgrund höherer Einsicht und Fähigkeit gelingt Konflikte schon im Vorfeld zu entschärfen, kein geeignetes Filmmotiv darstellt.

Bekannte Schauspieler, die Karate betreiben oder betrieben haben, sind Elvis Presley, Sean Connery, Wesley Snipes, Dolph Lundgren und Chuck Norris.

Siehe auch Martial-Arts-Film.

Literatur

  • Rudolf Jakhel: Modernes Sport-Karate, Verlag Meyer & Meyer Sport Oktober 2002, ISBN 3-891-24903-9.
  • Ralf Pfeifer: Mechanik und Struktur der Kampfsportarten. Handbuch für Trainer in Kampfsport und Kampfkunst. Dissertation an der Deutschen Sporthochschule Köln, Verlag Sport & Buch Strauß, Köln, 2004, ISBN 3-89001-243-4.
  • Efthimios Karamitsos, Bogdan Pejcic: Karate Grundlagen, Verlag Falken 2000, ISBN 3-8068-1863-0.
  • Heiko Bittmann: Karatedô - Meister der vier großen Schulrichtungen und ihre Lehre. Biographien - Lehrschriften - Rezeption, Verlag Heiko Bittmann, Juni 1999, ISBN 3-000-04098-6.

Siehe auch

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