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Bundesratswahl 2011

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Der bisherige Bundesrat 2011 (v. l. n. r.):

Johann Schneider-Ammann
Didier Burkhalter
Doris Leuthard
Micheline Calmy-Rey (Bundespräsidentin 2011)
Eveline Widmer-Schlumpf (Vizepräsidentin 2011)
Ueli Maurer
Simonetta Sommaruga
Corina Casanova (Bundeskanzlerin)

Am 14. Dezember 2011 werden in der Schweiz die Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates stattfinden. Die Vereinigte Bundesversammlung (beide Kammern des neu gewählten Parlaments) wählen die Schweizer Regierung, den Bundesrat, für die Amtszeit zwischen 2012 und 2015. Die Sitze werden einzeln in der Reihenfolge des Amtsalters der Sitzinhaber bestellt. Ausser Micheline Calmy-Rey, welche am 7. September 2011 ihren Rücktritt aus dem Bundesrat auf Ende Jahr bekannt gab, kandidieren sämtliche bisherigen Bundesräte für eine neue Amtszeit.

Eine offene Frage über den Ausgang der Wahl stellt sich anhand der aktuellen Situation der Konkordanz, dass die Schweizerische Volkspartei als momentan (auf Bundesebene) stärkste Partei nach Sitzen sowie die Bürgerlich-Demokratische Partei mit je einem Sitz im Bundesrat vertreten sind. Die SVP sieht sich unter Berücksichtigung der arithmetischen Konkordanz dabei untervertreten, für eine Konkordanz der Kräfte wäre die aktuelle Zusammensetzung stimmig.[1]

Strategien der Fraktionen

  • SVP-Fraktion: Die SVP bekannte sich im Vorfeld der Wahlen zur Konkordanz und fordert auch die anderen Parteien auf, dies zu tun. Konkret heisst dies, dass die SVP als wählerstärkste Partei einen zweiten Bundesratssitz auf Kosten der BDP fordert. Sollten ihr die anderen Parteien diesen zugestehen, so wird die SVP ebenfalls zur Konkordanz stehen und auch die Bundesratssitze der SP, CVP und FDP stützen. Wird der SVP der zweite Sitz allerdings nicht zugestanden, so sind sie bereit, sämtliche Sitze der anderen Parteien ebenfalls anzugreifen. Insbesondere den zweiten FDP-Sitz sowie den frei werdenden SP-Sitz von Micheline Calmy-Rey haben sie im Visier.
  • SP-Fraktion: Nach der Rücktrittserklärung von Micheline Calmy-Rey sitzt die SP in der Zwickmühle, da der frei werdende Sitz erst zuallerletzt besetzt wird, was die Gefahr von Retourkutschen der anderen Parteien birgt. Grundsätzlich hat die SP Interesse daran, der BDP zur Erhaltung ihres einzigen Bundesratssitzes zu verhelfen, da sie in Eveline Widmer-Schlumpf eine Garantie für den Atomausstieg sehen und 2007 auch wesentlich zu ihrer Wahl in den Bundesrat beigetragen haben. Dies birgt allerdings das Risiko, dass die SP den Sitz von Micheline Calmy-Rey an eine der bürgerlichen Parteien oder sogar an die Grünen verlieren könnte. Die SVP hat die SP aufgefordert, zur Konkordanz zu stehen und somit der SVP zur Eroberung des BDP-Sitzes zu verhelfen - dann wollen sie auch der SP den zweiten Sitz zugestehen. Es scheint, als müsse sich die SP entscheiden zwischen der Rettung von Widmer-Schlumpfs Sitz und dem Riskieren des eigenen Sitzes – es sei denn sie schaffte es, einen Links-Mitte-Pakt mit BDP, CVP und Grünen abzuschliessen, was allerdings die SVP weiter verärgern würde.
  • CVP/EVP/glp-Fraktion: Der einzige CVP-Sitz im Bundesrat scheint derzeit unbestritten. Sollte die CVP allerdings bei den kommenden Parlamentswahlen mehr Stimmen erzielen als die FDP-Fraktion, so dürften sie als drittstärkste Partei einen zweiten Sitz aus Kosten der FDP fordern.
  • FDP-Fraktion: Die FDP wird mit allen Mitteln versuchen, ihre beiden Sitze im Bundesrat zu verteidigen, da einerseits die SVP eines zusätzlichen Sitz in der Landesregierung beanspruchen, die BDP mittels Allianzen versuchen, ihren Sitz zu halten und auch die Grünen mit ihrer Forderung nach einem Bundesratssitz lauter werden. Da Johann Schneider-Ammann seit seiner Wahl 2010 zudem einiges an Kritik einstecken musste (besonders in puncto Frankenstärke), muss die FDP befürchten, am Schluss mit einem überzähligen Ex-Bundesrat da zu stehen. Sollte sie zudem bei den Parlamentswahlen im Oktober weniger Stimmen erzielen als die CVP, so dürfte der zweite Sitz schwer zu halten sein. Die FDP wird versuchen, der SVP zum Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf zu verhelfen, um die numerische Konkordanz im Bundesrat wiederherzustellen und auf die Unterstützung der Volkspartei bei der Verteidigung ihrer Sitze zählen zu können.
  • BDP-Fraktion: Die BDP ist als Kleinpartei auf die Unterstützung von mindestens zwei der grossen Bundesratsparteien angewiesen um eine Chance zu haben, den Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf verteidigen zu können. Sie fordern insbesondere die CVP und die SP dazu auf, ihre Bundesrätin zu stützen, da diese Parteien auch massgeblich daran beteiligt waren, Widmer-Schlumpf anstelle von Christoph Blocher in den Bundesrat zu wählen. Sie können sich zwar auf die Unterstützung der CVP verlassen, aber die SP riskiert spätestens seit dem Rücktritt von Micheline Calmy-Rey den Verlust ihres eigenen Sitzes im Falle einer Unterstützung der BDP und somit der Verweigerung eines zweiten Bundesratssitzes der SVP.
  • Grüne Fraktion: Wie schon in vergangenen Jahren erheben die Grünen Anspruch auf einen Sitz im Bundesrat. Sie betonen aber, dass sie diesen nicht auf Kosten eines SP-Sitzes erobern wollen. Falls sie bei den Parlamentswahlen im Oktober aber nicht massiv zulegen und eine ähnliche oder grössere Stimmenanzahl wie die CVP- und FDP-Fraktionen erzielen, dürfte sich dieses Unterfangen als sehr schwierig gestalten, da sie ausserhalb ihrer eigenen und der SP-Fraktion kaum auf Stimmen zählen können. Parteipräsident Ueli Leuenberger macht zudem Druck auf die SP, indem er ankündigte, dass die Grünen nicht weiter bereit seien die SP «gratis» zu unterstützen, sondern dass man von den Sozialdemokraten ebenfalls Unterstützung zur Eroberung eines Bundesratssitzes erwarte.

1. Wahl (Sitz von Doris Leuthard)

Bundesrätin Doris Leuthard

Als Erste wird sich die amtsälteste Bundesrätin, Doris Leuthard, Mitglied der CVP zur Wahl stellen. Seit dem Rücktritt von Moritz Leuenberger 2010 ist sie Vorsteherin des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

Ihre Wiederwahl gilt als ungefährdet, da sie einerseits beim Volk sehr beliebt ist und andererseits auch darum, weil keine der anderen Parteien die CVP verärgern will, sind sie doch in den kommenden Wahlgängen noch auf deren Unterstützung angewiesen.

2. Wahl (Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf)

Eveline Widmer-Schlumpf

Am meisten Spannung verspricht die Wahl um den Sitz der Bürgerlich-Demokratischen Partei. Eveline Widmer-Schlumpf, welche seit 2010 Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) ist, wurde bei den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2007 überraschend anstelle vom Christoph Blocher gewählt und hat die Wahl entgegen den Forderungen ihrer Partei (der SVP), angenommen worauf die Bündner SVP-Kantonalpartei von der Mutterpartei ausgeschlossen wurde, was zur Gründung ihrer jetzigen Partei, der BDP, führte.

Die SVP hat angekündigt, den Sitz der BDP anzugreifen. Als Paradekandidat wird der Freiburger Jean-Francois Rime gehandelt, aber SVP-Präsident Toni Brunner schliesst auch eine erneute Kandidatur Christoph Blochers nicht aus. Die BDP als Kleinpartei benötigt die Unterstützung von mindestens zwei der grossen Parteien, um Ihren Bundesratssitz halten zu können.

Falls die SVP einen zweiten Bundesratssitz auf Kosten der BDP und Eveline Widmer-Schlumpf erobern kann, dürfte der restliche Ablauf der Gesamterneuerungswahl geordnet verlaufen und alle übrigen Bundesräte ohne Probleme bestätigt und für den Sitz von Micheline Calmy-Rey eine SP-Vertretung gewählt werden. Gelingt es der BDP hingegen, den Sitz von Widmer-Schlumpf zu halten, so ist anzunehmen, dass die SVP alle verbleibenden Sitze von FDP und SP angreifen wird, um einen zweiten Bundesratssitz zu erhalten.

3. Wahl (Sitz von Ueli Maurer)

Ueli Maurer

Die Schweizerische Volkspartei hat seit 2008 mit Ueli Maurer als Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departementes für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) das Amt des Vorgängers Samuel Schmid übernommen. Die Wiederwahl Murers gilt als unbestritten, da er im Unterschied zu Alt-Bundesrat Christoph Blocher auch von den anderen Parteien als eher gemässigten Vertreter der Zürcher Linie akzeptiert wird. Eine allfällige Kandidatur der fünften Kraft im Parlament, den Grünen, könnte für Spannung sorgen.

4. Wahl (Sitz von Didier Burkhalter)

Didier Burkhalter

Didier Burkhalter (FDP) ist seit seiner Wahl 2009 Vorsteher des Eidgenössischen Departementes des Innern (EDI). Obschon seine Arbeit beim Volk und dem Parlament generell geschätzt wird, gilt seine Wahl nicht als gesichert. Falls die SVP bis dahin noch keinen zweiten Sitz errungen haben wird, wird sie den FDP-Sitz von Didier Burkhalter angreifen. Dieser hat den Nachteil sich als erster Freisinniger der Wiederwahl stellen zu müssen - die gleiche Konstellation wurde 2003 schon der CVP-Bundesrätin Ruth Metzler zum Verhängnis, während Joseph Deiss verschont blieb. Hinzu kommt, dass Burkhalter ein Vertreter der Romandie ist, ebenso ein möglicher Kandidat der SVP Jean-Francois Rime und die SP ebenso mit einem Kandidaten aus der Westschweiz anzutreten gedenkt. Die Vertretung der Romands mit drei Personen im Bundesrat gab es in der Geschichte des Bundesrates während 18 Monaten vom 17. Dezember 1959 bis zum 30. Juni 1961.

5. Wahl (Sitz von Simonetta Sommaruga)

Simonetta Sommaruga

Es ist gut möglich, dass die SVP auch den Sitz von Simonetta Sommaruga angreift, die seit Ihrer Wahl 2010 Vorsteherin des von ihr unbeliebten Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) ist. Man kann aber von der Widerwahl Sommarugas ausgehen, da sie einerseits beim Volk sehr beliebt ist und der Aufstand bei einer überraschenden Abwahl sehr gross wäre. Zudem ist es vielversprechender den zweiten, freigewordenen Sitz der SP anzugreifen.

6. Wahl (Sitz von Johann Schneider-Ammann)

Johann Schneider-Ammann

Falls die SVP weiterhin keinen Sitz erobern konnte, wird sich auch das Mandat von Johann Schneider-Ammann (FDP), Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes (EVD), angreifen. In diesem Fall müsste der Berner um seinen Sitz zittern, da sein Agieren beim Franken-Hilfspaket als sehr glücklos aufgefasst wurde und seine Partei in letzter Zeit zudem stark schwächelte.

7. Wahl (Ersatzwahl)

Micheline Calmy-Rey

Zum Schluss findet die Ersatzwahl für die abtretende Bundespräsidentin 2011, Micheline Calmy-Rey (SP) statt, welche am 7. September 2011 Ihren Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt gab. Seit ihrer Wahl in den Bundesrat im Dezember 2002 war sie Vorsteherin des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Im letzten Wahlgang bietet sich für alle anderen Parteien die Chance sich zu rächen, falls sie sich bei den vorigen Wahlgängen von der SP ungerecht behandelt fühlten. Dies ist den Sozialdemokraten sehr wohl bewusst und sie werden dafür sorgen, dass insbesondere FDP und SVP keinen Anlass dazu haben werden.

Einzelnachweise

  1. Die Zukunft liegt in der kleinen Konkordanz, NZZ Online, 10. Januar 2009