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Ethanol (Kraftstoff)

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Einführung

Die Alkoholherstellung ist ein jahrtausend altes, bis in die Neuzeit stets dicht mit der Landwirtschaft verflochtenes Handwerk. Die Nutzung von Gärungsabläufen zur Herstellung von Bier und Wein ist neben der Landwirtschaft selbst eines der ältesten Kulturhandlungen der Menschheit. Im alten Griechenland postulierte bereits Aristoteles: „Fermentation ist vielleicht eine größere Entdeckung als das Feuer“. Natürlich wusste damals niemand, dass bestimmte Mikroorganismen an den wertvollen Stoffumsätzen beteiligt sind. Zeichnungen und Funde früher Destillationsgefäße belegen, dass auch Höherprozentiges bereits in der frühen Antike einen Absatz fand. Heute ist Alkohol ein moderner, rasant wachsender Industriezweig. Im Sommer 2002 erließ das Bundesministerium der Finanzen ein Gesetz zu Steuerbefreiung u. a. von Ethanol als Biokraftstoff zur Beimischung zu fossilen Kraftstoffen (Anlehnung an EU-Direktive 92/81/EWG Art.8.No.4.) und holte eine bereits intensiv geführte Diskussion ins Licht der Öffentlichkeit.

Daten

Ethanol

Herstellung

Weltweit werden etwa 320 Millionen hl (32 Mrd. l) Ethanol hergestellt, wovon mit 42 Mio. hl etwa 13% auf die europäischen Länder fallen. Das EU-Ziel liegt nach unterschiedlichen Angaben bei 400 Mio. hl für 2010. Größte europäische Erzeuger sind Russland und Frankreich (Abb1). Deutschland erzeugt jährlich fast 4 Mio. hl zu gleichen Teilen als Getränkealkohol und als Alkohol für chemisch-technische Zwecke, was einer Eigenbedarfsdeckung von etwa 62 %. entspricht. Neben der Produktion von Neutralalkohol für Getränke, Lebensmittel und technische Zwecke fallen weltweit etwa 65% auf die Herstellung von Kraftstoffethanol. Als Rohstoffe sind in Lateinamerika Zuckerrohr und in Nordamerika Mais von größter Bedeutung, denn sie liefern hohe Gehalte an Zucker und Stärke, die nach enzymatischer Aufspaltung als Glukose zur Ethanolproduktion durch Hefen genutzt werden. Die anfallende Bagasse aus der Melassenutzung ist schwer zu entsorgen, die Schlempe aus der Maisnutzung kommt jedoch in getrockneter Form als Maiskleberfutter (dried distillers grains and solubles, DDGS) auf den europäischen Markt. Mais als Rohstoff ist für Europa uninteressant aber Zuckerrüben, Kartoffeln und echte Getreide werden bereits eingesetzt.

Die Bagasse, Melassevergärung wird aufgrund des geringen Nährwertes für die Tierernährung direkt als Futtermittel nicht eingesetzt. Oft jedoch wird die Restenergie der Bagasse über eine teils mehrstufige Methanvergärung in den Energiekreislauf der Destillerie zurückgeführt, wodurch die Kosten je Einheit produzierten Ethanols reduzierbar sind. Die Fortentwicklung der Technik schreitet rasant voran, so dass zukünftig mit Anlagen, die Wasser in beinahe Trinkwasserqualität abgeben, vorstellbar sind. Schwachpunkt dieses Ansatzes und auch der bisher sehr konkurrenzfähigen, lateinamerikanischen, auf Zuckerrohr basierenden Biokraftstoffproduktion ist die alleinige Ausrichtung auf die produzierte Menge Ethanol. Trotz mangelnder Flexibilität liegt der große Vorteil der Zuckerrohrnutzung jedoch in der günstigeren Rohstoffbasis, dem deutlichen Standortvorteil und dem geringeren Kapitalaufwand durch den Verzicht auf großvolumige Trocknungsanlagen. Zurzeit sind Unternehmungen dieser Art die günstigsten Anbieter von Ethanol auf dem Weltmarkt und stellen das Modell dar, das Neueinsteiger wie Indien und Thailand wählen.

Mit Schnaps Auto fahren

Die Volkswirtschaften jenseits des Atlantiks entschieden, das Beimischen von Ethanol zu fossilen Kraftstoffen nicht nur zu fördern, sondern gesetzlich zu forcieren. Was uns Europäern nun neu erscheint, ist dort eine lange Tradition, die sogar zurückreicht, bis zum ersten Serienauto Anfang des 20. Jahrhunderts. Henry Ford entwarf nämlich das Ford T-Modell, die Tin Lizzy, auf Basis der Nutzung von Ethanol als Kraftstoff und hatte bereits Visionen von der nachhaltigen Einbeziehung der Landwirtschaft als Kraftstofflieferant. Erst auf Druck der rasch wachsenden Petroleumindustrie hatte Ford später die Motoren umgestellt. Wenn man mit 100% Ethanol Auto fahren möchte, muss in der selben Zeit das doppelte Volumen an Kraftstoff in den Motor gelangen um ein Zündfähiges/williges Gemisch zu erhalten. Bei der Verbrennung im Motor muss der Luft 1/16 Vol.% Benzin zugegeben werden(auch als lamda zu bezeichnen), bei der Ethanolverbrennung steigt das Verhältniss auf 1/8 Vol.%. Im Motorsport wird es hauptsächlich aus thermischen Gründen benutzt.

Ausblick

Europa blickt heute auf Kraftstoffalkohol unter dem Aspekt der Erfüllung des Kyoto-Protokolls und potentieller neuer Märkte für die Landwirtschaft. Nach der Einführung von Biodiesel unter der Förderung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe ist dieser Ansatz für die Landwirtschaft nicht neu, jedoch wurde bald deutlich, dass Diesel nicht für alle Energiemärkte interessant ist und die Öffentlichkeit ein Auge auf die Energiebilanz des Gesamtkonzeptes wirft. Die Frage, ob nach Einbeziehung des Aufwands für den Anbau, der Raffinierung, Weiterverarbeitung und Entsorgung netto mehr Energie erzeugt wird als aufgewendet wurde und ob das Verfahren netto zu Reduktion der CO2-Ausscheidungen beiträgt, steht ständig zur Diskussion. Hinzu kommt die noch ungelöste Frage, ob die Öffentlichkeit gentechnisch veränderte Pflanzen zur Erzielung höherer Erträge in diesem Zusammenhang akzeptieren möchte.

Energiebilanz

Die Nettoenergiebilanz der Alkoholerzeugung war nicht immer eindeutig positiv, aber die Industrie konnte innerhalb der letzten 10 Jahre einige entscheidende Durchbrüche erzielen. Am Institute For Brewing and Distilling in Lexington, Kentucky, gelang beispielsweise die natürliche Selektion einer extrem thermostabilen Hefe, die eine Gärung unter weit höheren Temperaturen als bisher üblich erlaubt, und unter Laborbedingungen Alkoholgehalte bis zu 23 % in der Vergärung von Mais erreicht; ein deutlicher Schritt gegenüber den sonst üblichen 13 – 14 %. Die hohe Gärungstemperatur bedeutet eine erhebliche Energieersparnis bei der Kühlung und Dauer des Gärvorgangs und ermöglicht eine vollständigere Vergärung der Maische. Auch die Enzyme, die den Rohstoffen zugesetzt werden, um Stärke aufzuschließen und Glukose freizusetzen (-Amylasen, Glucoamylasen) haben eine Revolution erlebt. Die Wiederentdeckung des jahrtausend alten Verfahrens der Trockenfermentation (Koji) bringt leistungsfähigere und temperaturtolerante Enzymkomplexe hervor, die nicht nur Stärke und Zucker, sondern auch Zellulosen und Hemizellulosen aufschließen. Aber nicht nur die biologische Seite der Fermentation, sondern auch die Anlagentechnik hat bedeutende Fortschritte erfahren. Der Wasserverbrauch wurde deutlich reduziert, durch neues Hygienemanagement sind Infektionen des Systems vermeidbar und durch molekulare Siebtechniken fast reines Ethanol nach der Destillation zu erzielen. Die Sorge um eine negative Energiebilanz ist begründet, kann aber durch neue Technologien überholt werden und die ökonomischen Herausforderungen sind durch die Betrachtungen des Gesamtkonzeptes einer „Fermentation von Getreide“ bezwingbar. Mit Blick auf die Bilanzen zu Energie, Treibhausgas und Ökonomik schneiden Getreide bei kalkulatorischer Berücksichtigung des Futterwertes der Nachprodukte am Besten ab.

Von der Landwirtschaft für die Landwirtschaft

Echte Getreide bieten nach Durchlaufen der Fermentation je nach Verfahren weit höherwertige Futtermittel als Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben bisher ermöglichen. Mit Proteingehalten von 40 % und höher bei auch für Monogastrier interessanter Aminosäurenzusammensetzung erreichen diese fermentierten Getreidefutter vielleicht potentiell größere Märkte als nur der Einsatz im Kraftfutter für Milchvieh wie bisher. Im Ethanolpreis müssen die Brenner jedoch mit dem Weltmarkt konkurrieren, denn Kraftstoffalkohol fällt als frei handelbares Gut nicht unter die regulatorischen Maßnahmen des Branntweinmonopols - ein harter Kampf.

Prognosen für die europäische Produktion zeigen einem jährlichen Ausstoß von 7 Millionen Tonnen getrocknetem, fermentierten Futter, davon alleine eine Million Tonnen in Deutschland, wozu deutsche Destillerien bis zu 3 Millionen Tonnen Getreide aus der Landwirtschaft einkaufen müssten. Aber neben wenigen Pilotprojekten in kleinem Rahmen existieren diese Anlagen in Deutschland bisher nur auf dem Papier und nun gilt es, die Fehler der amerikanischen Ethanolbranche nicht zu wiederholen. Dort sind von über 250 Unternehmen, die vor 20 Jahren in dieses Geschäft einstiegen, nur zwei große übrig geblieben. Der Untergang dieser Projekte ist größtenteils auf einen wesentlichen Fehler zurückzuführen: Mangelndes Verständnis für das Potential des erzeugten Nebenproduktes als Futtermittel. Die anfallende Schlempe wurde meist gratis oder gerade kostendeckend in die Landwirtschaft verschleudert. Dies wird heute von den deutschen Schnapsbrennern ähnlich praktiziert, jedoch verdienen diese Unternehmen am eigenen Markenprodukt oder am höherwertigem Neutralalkohol in Getränkequalität. Für Ethanol als Biokraftstoff jedoch steht der Preis fest. Ökonomische Beweglichkeit gibt es daher im Rohwareneinkauf und in der Vermarktung der Nebenerzeugnisse.

Ein hoher Wert für die erzeugten Futter im Markt ist realistisch, denn ein nach QS-Kriterien bewertetes europäisches Erzeugnis, hergestellt durch ein natürliches Fermentationsverfahren unter Einbeziehung aller futtermittelrechtlichen Regularien, ist genau, was der Markt heute offen begrüßt. Jenseits des Atlantiks sieht man diesen Gedankengängen mit Sorge entgegen, denn etwa ein fünftel der dort anfallenden Maiskleberfutter exportiert die nordamerikanische Ethanolbranche nach Europa (Abb2). Große Anstrengungen werden nun unternommen weitere Anwendungen für „DDGS“ zu suchen. Die Entwicklung wird deutlich in der 2002 eröffneten Bioraffinerie in Springfield, Kentucky als weltweit einzige Anlage dieser Art. Dort entwickelt Alltech Inc. für die Ethanol- und Futtermittelbranche nachgelagerte Gärprozesse zur Erzeugung höherwertiger Futtermittel und neuer Lebensmittelzusätze, sowie neue Zellulasekomplexe als Futterzusatzstoffe.

Visionen werden Realität

Der modernere Blickwinkel sieht also, das Herstellen eines hochwertigen Futtermittels mit Ethanol als Nebenprodukt. Gleich auf welches Produktionsziel die Betreiber ihr Augenmerk richten, so begünstigt der biologische und technische Fortschritt die Ökonomik aller anfallenden Produkte, denn eine effizientere Maischepräparation führt zu einer effizienteren Gärung aber auch zu reduzierten Wasserverbrauch, geringeren Trocknungskosten und zu weniger Faserbestandteilen im Endprodukt. Eine effizientere Gärung ermöglicht auch höhere Gehalte wertvolleren Proteins. Fortschritte in der Destillation und Alkoholtrennung bedeuten mehr Alkoholertrag und Fortschritte bei der Gestaltung von Trocknungsanlagen bedeuten kostengünstigere Produktion der Futter. Eine effizient laufende Anlage erzeugt zudem Futter in konstanter Qualität, wie sie die Mischfutterbranche sucht. Als 8 – 9 % Ethanol aus der Gärung Standard waren, war die Diskussion um 14 % Utopie. Gute Anlagen in Nordamerika fahren heute bereits 17 – 18 %, sogar 19 % Ethanol und Prof. Ingledew von der University of Saskatchewan in Canada diskutiert Ethanolerträge über 20 % als zukünftigen Standard in der Gärung. Eine Steigerung der Effizienz des gesamten Systems ist auch bedeutsam für die Beurteilung von Ethanol als ökologisch ausbalancierte Energiequelle durch die Öffentlichkeit. Bisherige ökologische Gutachten auf Basis veralteter Daten fielen eher zugunsten der Nutzung von Biogas oder Holz aus.

Die Fermentation von Getreide bedeutet im Wesentlichen einen Abbau antinutritiver Effekte, die Erhöhung der Verdaulichkeit der Mineralstoffe (Phosphor!), eine teilweise Aufspaltung der Faserfraktionen und eine deutliche Erhöhung des Proteinanteils bei verbesserter Pansenstabilität. Da der Fermentationsprozess im Wesentlichen zu einer Konzentration der Inhaltsstoffe führt, birgt dieser Prozess auch Risiken, die nur durch höchste Sorgfalt im Einkauf und der Anlagenführung zu bewältigen sind. Denn auch die Konzentrationen einiger unerwünschter Stoffe wie Schwermetalle und Mykotoxine erhöhen sich im Endprodukt. Historisch lag gerade darin stets der große Vorteil in der Reinheit der alkoholischen Erzeugnisse aus Destillationsverfahren, denn unerwünschte Bestandteile blieben in der Schlempe zurück. Fusarientoxine werden durch die Maischepräparationen und das Gärverfahren nicht abgebaut und liegen relativ zur Rohware im Endprodukt in bis zu doppelter Konzentration vor. Dieses Phänomen bedeutet auch, dass bisher eher im Hintergrund auftretende Toxine wie Fusarinsäure in ein kritisches Niveau gelangen können. Für den Ablauf des Gärungsverfahrens selbst ist die Toxinkonzentration eher von untergeordneter Rolle, da die Empfindlichkeit der eingesetzten Hefekulturen weit höhere Konzentrationen betrifft als sie die Tierernährung diskutiert.

Der Rohwareneinkauf künftiger Brennereien, die Futter erzeugen möchten, muss also sehr hohe Qualitätsanforderungen, ähnlich denen der Brauindustrie verbindlich in der Landwirtschaft durchsetzen und diese beim Futterverkauf Argumentativ nutzen. Neben der Reinheit bestimmen nicht Proteingehalt und Fallzahl sondern Stärke und Feuchte den Preis, da geringe Schwankungen im Stärke- und Feuchtegehalt der Rohwaren unmittelbar mit der Alkoholausbeute korrelieren. Die Hoffnung, Biokraftstoffanlagen bieten ein ideales Medium zur Vermarktung drittklassiger Ware oder gar Beseitigung nicht verkehrsfähiger Getreide ist schnell zerschlagen. Neue oder schlicht andere Qualitätskriterien bestimmen den Markt und gerade darin liegt wiederum die große Chance für die heimische Ware gegenüber dem Import.

Fazit

Bioethanol als Kraftstoff in Europa wird kommen. Ob als einfacher Zusatz zur Erhöhung der Oktanzahl, als alternativer Kraftstoff oder als Wasserstoffträger für die Brennstoffzelle, weltweite Entwicklungen sowie Investitionstätigkeiten zeigen, dass Ethanol ungeachtet aktueller politischer Strömungen einen festen Bestandteil unseres zukünftigen Energiehaushaltes bildet. Da die anfallenden Co-Produkte das Vermögen haben, den straffer werdenden Qualitätsrichtlinien der Futter- und Lebensmittelbranche Stand zu halten, haben die Projekte große Chancen durch: • kostengünstige, möglicherweise subventionsunabhängige Produktion nachhaltiger Energie • Neueröffnung eines Marktes für Agrarfrüchte mit deutlichen Vorteilen, auch für marginale Standorte • neue Arbeitsplätze • neue Technologien • weitere europäische Unabhängigkeit im Energiemarkt und neue europäische Futterproteinquellen

Die Herausforderungen lauten: • Nachweis einer positiven Treibhausgasbilanz • Erlangung einer langfristig positiven ökonomischen Bilanz • Erzielen hoher Futterqualität • Nachfrage als Futtermittel für Schweine und Geflügel • Unabhängigkeit von direkten Subventionen • Wettbewerb mit billigeren Ethanolanbietern

Die Herstellung von Kraftstoffalkohol umfasst Chemie, Physik, Biologie, Anlagenbau, Betriebswirtschaft und Kunst, daher scheint interdisziplinäres Denken in der Zusammenführung von Anlagentechnologien, Fermentationswissenschaften und Tierernährung der Schlüssel zum Erfolg.