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Kamelhalsfliegen

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Kamelhalsfliegen
Vorlage:Superphylum: Häutungstiere (Ecdysozoa)
Vorlage:Phylum: Gliederfüßer (Arthropoda)
Vorlage:Superclassis: Sechsfüßer (Hexapoda)
Vorlage:Classis: Insekten (Insecta)
Vorlage:Subclassis: Fluginsekten (Pterygota)
- Holometabole Insekten (Holometabola)
Vorlage:Superordo: Netzflüglerartige Netzflügler i.w.S. (Neuropterida)
Vorlage:Ordo: Kamelhalsfliegen
Wissenschaftlicher Name
Raphidioptera

Die Kamelhalsfliegen (Raphidioptera) sind eine Ordnung der Insekten und gehören zu den holometabolen Insekten (Holometabola). Gemeinsam mit den Netzflüglern (Neuroptera) und den Schlammfliegen (Megaloptera) bilden sie das Taxon der Netzflüglerartigen (Neuropterida).

Merkmale

Die Körperlänge der Kamelhalsfliegen beträgt zwischen 14 und 45 mm. Das auffälligste und namensgebende Merkmal der Kamelhalsfliegen ist das stark verlängerte erste Brustsegment (Prothorax), dem ein langer, abgeplatteter Kopf aufsitzt. Sowohl dieses Segment als auch der Kopf sind frei beweglich, eine Modifikation, die ansonsten nur bei den Fangheuschrecken (Mantodea) und den Fanghaften (Mantispa spec.) zu beobachten ist. Er wird leicht angewinkelt getragen, die Vorderbeine sitzen am Ende desselben an.

Der Körper ist meist schwarz oder dunkelbraun gefärbt und weist einen metallischen Glanz auf. Am Kopf, dem Thorax und am Hinterleib (Abdomen) können weißliche Flecken auftreten. Die sehr weit vorn liegenden Komplexaugen treten halbkugelig hervor und sind bei den meisten Arten grün gefärbt. Zwischen ihnen sind die borstenförmigen, aus 35 bis 75 Gliedern bestehenden Fühler eingelenkt.

Die Flügel sind groß und reich geädert, außerdem tragen sie ein deutliches rotbraunes Flügelmal (Pterostigma). In der Ruhestellung werden sie dachartig auf dem Hinterleib getragen. Die Tiere haben an ihren Beinen jeweils fünf Fußglieder (Tarsen), wobei das dritte lappig vergrößert ist.

Die Weibchen haben eine lange Legeröhre (Ovipositor), die beinah so lang ist wie der Hinterleib selbst. Dabei werden zwei paarige und zu einem Rohr verschmolzene Anhänge (Gonapophysen) des achten Hinterleibssegmentes von zwei Gonapophysen des neunten Segments umhüllt. Die Legeröhre ist sehr beweglich und abbiegbar.

Vorkommen

Alle der etwa 200 bekannten Arten der Kamelhalsfliegen leben in der nördlichen Hemisphäre. Die südlichsten Vorkommen dieser Tiergruppe liegen im Süden Mexikos sowie auf Taiwan, die nördlichsten in Lappland.

In Europa findet man etwa 75 Arten, vornehmlich in den wärmeren Gebieten Südeuropas. In Mitteleuropa leben nur 16 Arten vor allem in schattigen Habitaten in der Krone von Bäumen.

Lebensweise

Die Flugzeit der meisten Kamelhalsfliegen liegt in den Monaten April bis Juni, sie sind also als frühjahrsaktiv einzustufen, außerdem sind sie tagaktiv. Die ausgewachsenen Tiere leben vor allem im Blattwerk verschiedener Bäume und Büsche und ernähren sich dort räuberisch von verschiedenen Insekten, vor allem Blattläusen. Sie fangen ihre Beute durch blitzschnelles Vorstrecken der verlängerten Vorderbrust.

Die Begattung erfolgt im Frühsommer, dabei geschieht die Paarfindung wahrscheinlich chemisch über Pheromone und optisch. Vor der Paarung erfolgt ein kurzes Vorspiel, bei dem sich die Partner gegenüberstehen und sich mit den Antennen betasten. Das Weibchen signalisiert eine Paarungsbereitschaft durch ein leichtes Abspreizen der Flügel und wendet sich vom Männchen ab. Dieses schiebt sich von hinten unter das Weibchen und verhakt sich mit einem paarigen Klammerorgan auf der Bauchseite des neunten Segments des Weibchens, mit dem Rücken nach unten frei schwebend. Mit den Beinen hält es sich dabei häufig am langen Legebohrer des Weibchens fest.

Die Eier werden in Rindenspalten abgelegt, wobei der Ovipositor mindestens bis zur Hälfte in das Substrat eingestochen wird.

Larvalentwicklung

Die langgestreckten Larven leben unter der Rinde oder am Boden und ernähren sich ebenfalls räuberisch. Sie besitzen einen stark chitinisierten Vorderkörper aus Kopf und Prothorax, der restliche Körper ist eher weichhäutig. Sie sind relativ schnelle Läufer, wobei sie auch rückwärts laufen können. Sie haben sich vor allem einen Ruf als Borken- und Bockkäferjäger sowie als Vertilger von Nonneneiern - eine forstschädigende Nachtfalterart gemacht.

Die Larvalentwicklung kann zwischen einem Jahr und drei Jahren dauern, wobei sich die Tiere neun bis 13 mal häuten. Die Überwinterung erfolgt in speziell dafür ausgestatteten Höhlungen in der Rinde. Nach der Larvenzeit verpuppt sich das Tier in einer ins Holz genagten Puppenhöhle, worin die Puppe bis kurz vor Abschluss der Puppenruhe bewegungslos liegt. Diese sieht dem ausgewachsenen Insekt mit Ausnahme der noch als Anlagen vorhandenen Flügel bereits sehr ähnlich. Kurz vor dem Ende der Puppenruhe beginnt sie jedoch, sich innerhalb der Höhle zu bewegen und schlüpft schließlich als fertiges Insekt aus der Puppenhülle (Exuvie).

Systematik der Kamelhalsfliegen

Die Systematik der Kamelhalsfliegen basiert auf den Besitz von Punktaugen. Dabei besitzen die Raphidiidae (weltweit etwa 180 Arten) Punktaugen, bei den Inocelliidae (weltweit 20 Arten) fehlen sie. Die heimischen Arten werden wie folgt in diese beiden Familien eingeordnet (Auswahl):

  • Kamelhalsfliegen - Raphidioptera
    • Raphidiidae
      • Phaeostigma notata
      • Otternköpfchen - Phaeostigma major
      • Dichrostigma flavipes
      • Xanthostigma xanthostigma
      • Puncha ratzeburgi
      • Ornathoraphidia etrusca
    • Inocelliidae
      • Inocellia crassicornis
      • Parainocellia bicolor
      • Parainocellia braueri

Die nächsten Verwandten der Kamelhalsfliegen sind die Netzflügler (Plannipennia) und die Schlammfliegen (Megaloptera).

Literatur

  • Aspöck H, Aspöck U (1971): Raphidioptera (Kamelhalsfliegen) in: Handbuch der Zoologie IV (2), 2/25, Berlin.
  • Aspöck H, Aspöck U, Rausch H (1991): Die Raphidiopteren der Erde. Eine monographische Darstellung der Systematik, Taxonomie, Biologie, Ökologie und Chorologie der rezenten Raphidiopteren der Erde, mit einer zusammenfassenden Übersicht der fossilen Raphidiopteren 2 Bände, Goecke & Evers, Krefeld, ISBN 3931374270
  • Honomichl K, Bellmann H (1994): Biologie und Ökologie der Insekten; CD-Rom, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart. (ISBN 3827407605, der Auflage von 1998)
  • Wachmann E, Saure C (1997): Netzflügler, Schlamm- und Kamelhalsfliegen - Beobachtung, Lebensweise, Naturbuch Verlag, Augsburg (ISBN 3894402229, der Auflage von 2001)